European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:009OBA00025.22Z.0324.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Das Vorliegen der Voraussetzungen für eine gerechtfertigte vorzeitige Auflösung des Dienstverhältnisses kann immer nur aufgrund der Umstände des Einzelfalls beurteilt werden (RS0106298). Die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, stellt daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar, es sei denn, dem Berufungsgericht wäre bei seiner Entscheidung eine auffallende Fehlbeurteilung unterlaufen (s RS0106298 [T13, T18]). Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828).
[2] Im vorliegenden Fall, in dem die Vorinstanzen bereits im Vorbringen der Beklagten nach Maßgabe des § 31 TAG keinen Grund für eine gerechtfertigte Entlassung des Klägers erkennen konnten und seinem Begehren auf Feststellung eines aufrechten Dienstverhältnisses stattgaben, liegt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vor.
[3] 2. Richtig ist, dass die wichtigen Gründe des § 31 TAG, die zu einer vorzeitigen Entlassung berechtigen, demonstrativ aufgezählt sind („insbesondere“), womit in weitem Maß eine ausdehnende Auslegung und Analogie zu vergleichbaren Entlassungsgründen nach dem AngG zulässig ist (RS0109400). Ausführungen für eine solche erweiternde Auslegung enthält die Revision, die nur auf die Tatbestände des § 31 Z 7 und Z 8 TAG Bezug nimmt, jedoch nicht.
[4] 3. Ausreichendes Vorbringen für eine erhebliche Ehrverletzung gegen den/die Theaterunternehmer/in, dessen/deren Stellvertreter oder gegen ein anderes Mitglied iSd § 31 Z 8 TAG wurde hier vertretbar verneint:
[5] Der Ehrenbeleidigung muss eine Verletzungsabsicht in Bezug auf die im Tatbestand angeführten Personen zugrunde liegen. Sie muss objektiv geeignet sein, im erheblichen Maße ehrverletzend zu wirken und muss im gegenständlichen Fall diese Wirkung auch hervorgerufen haben. Entscheidend ist, ob die Ehrenbeleidigung nach ihrer Art und nach den Umständen, unter welchen sie erfolgt, von einem Menschen mit normalen Ehrgefühl nicht anders als mit dem Abbruch der Beziehungen beantwortet werden kann (RS0029827). Selbst eine an sich erhebliche Ehrverletzung rechtfertigt die Entlassung nicht, wenn besondere Umstände, etwa Erregung über das vorausgegangene Verhalten des Beleidigten, die Verteidigung gegen einen vermeintlich ungerechtfertigten Vorwurf, langjährige Dienstzeit, Einmaligkeit des Vorfalls, sie im Einzelfall als noch entschuldbar erscheinen lassen (RS0060938).
[6] Hier war zu berücksichtigen, dass der Kläger die von der Beklagten vorgebrachte Äußerung im Zuge einer gerichtlichen Verhandlung getätigt hatte, um – über Befragung und Ankündigung des Gerichts, dass die Klage (sonst) ohne weitere inhaltliche Prüfung abgewiesen werde, sowie nach Beratung mit seiner Rechtsvertretung – den späten Zeitpunkt seines Fortsetzungsantrags in jenem Verfahren zu erklären. Dass er dabei gegenüber der Beklagten oder ihrem Geschäftsführer in Verletzungsabsicht gehandelt oder bewusst eine falsche Aussage gemacht hätte, behauptete die Beklagte nicht. Davon ausgehend haben die Vorinstanzen das Vorbringen der Beklagten zu einer erheblichen Ehrverletzung iSd § 31 Z 8 TAG vertretbar verneint.
[7] 4. Der Tatbestand des § 31 Z 7 TAG erfordert, dass das Mitglied ein erhebliches vermögensrechtliches oder künstlerisches Interesse des Theaterunternehmers oder der Theaterunternehmerin durch groben Vertrauensmissbrauch ernstlich gefährdet. Der Tatbestand ist durch die Merkmale „erheblich“, „grob“ und „ernstlich“ sohin wesentlich restriktiver als etwa § 27 Z 1 AngG gefasst (s Kozak/Balla/S Zankel, TheaterarbeitsG, § 31 Rz 827 ff; Scherff, TheaterarbeitsG, 117). Auch wenn eine Aussage über eine Äußerung des Geschäftsführers eines Theaterunternehmens auf letzteres selbst zurückfallen kann, geht auch aus der Revision nicht hervor, dass und inwieweit es durch die Aussage des Klägers zu einer iSd Z 7 leg cit qualifizierten Gefährdung ihrer vermögensrechtlichen oder künstlerischen Interessen gekommen wäre.
[8] 5. Die außerordentliche Revision der Beklagten ist daher zurückzuweisen.
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