OGH 9ObA224/00g

OGH9ObA224/00g23.5.2001

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Steinbauer und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Michael Zerdik und Dr. Michaela Windisch-Grätz als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Alfred Hawel und Dr. Ernst Eypeltauer, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Angestelltenbetriebsrat der S***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Peter Keul und Dr. Alexander Burkowski, Rechtsanwälte in Linz, wegen Feststellung gemäß § 54 Abs 1 ASGG (Streitwert S 300.000), infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 6. Juni 2000, GZ 12 Ra 113/00z-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Linz als Arbeits- und Sozialgericht vom 8. Februar 2000, GZ 6 Cga 226/99d-10, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S

13.725 (darin S 2.287,50 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht hat die Berechtigung des Feststellungsbegehrens der Klägerin zutreffend verneint, sodass auf die Richtigkeit der Begründung der angefochtenen Entscheidung verwiesen werden kann (§ 510 Abs 3 ZPO). Ergänzend ist den Ausführungen der Revisionswerberin entgegenzuhalten:

Unstrittig ist, dass die vom Feststellungsbegehren betroffenen Arbeitsverhältnisse dem Angestelltengesetz (AngG) unterliegen und dass die Dienstordnung (DO) der Klägerin auf Grund Vereinbarung Inhalt der jeweiligen Einzelarbeitsverträge geworden ist. Unstrittig ist auch, dass die Bemessungsgrundlage für die Berechnung der Abfertigung nach der DO niedriger ist als die Bemessungsgrundlage nach dem AngG; insbesondere bleiben die Sonderzahlungen unberücksichtigt. Hieraus resultiert eine niedrigere Abfertigung.

Die Abfertigung beträgt gemäß § 23 Abs 1 AngG ein Vielfaches des dem Angestellten für den letzten Monat des Arbeitsverhältnisses gebührenden Entgelts. Der Entgeltbegriff des AngG ist ein umfassender; er mitumfasst neben dem eigentlichen Gehalt auch die übrigen zusätzlichen Zahlungen, insbesondere auch Sonderzahlungen (Martinek/Schwarz/Schwarz, AngG7 451 f; Schrank in Runggaldier, Abfertigungsrecht 157; Mayr in Mayr/Resch, Abfertigung 38 f; Arb 7.375; Arb 9.866; Arb 11.847; ARD 4.573/26/94 ua). Eine davon abweichende Vereinbarung ist hinsichtlich des gesetzlichen Abfertigungsanspruchs nicht wirksam, weil die Rechte, die den Arbeitnehmern auf Grund des § 23 AngG zustehen, durch Arbeitsvertrag weder aufgehoben noch beschränkt werden können (§ 40 AngG; Arb 11.847). Das Abfertigungsrecht ist somit einseitig zwingendes Recht (Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 742). Dass die konkrete arbeitsvertragliche Regelung der Berechnung der Abfertigung insbesondere ohne Einbeziehung der Sonderzahlungen im Wege der in die Arbeitsverträge einbezogenen DO ungünstiger ist als die gesetzliche Regelung nach § 23 AngG, liegt auf der Hand. Eine Kompensation zwingender gesetzlicher Ansprüche mit vertraglich eingeräumten kommt grundsätzlich nicht in Betracht (Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 743; 8 ObA 361/97i = RdW 1998, 757 [Binder in RdW 1998, 746]). Eine dem § 23 AngG entgegenstehende vertragliche Vereinbarung ist wirkungslos (vgl Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht Bd II3 116). Einseitig zwingendes Recht gestattet nur Vereinbarungen, die den Arbeitnehmer günstiger stellen, als es das Gesetz tut (Martinek/Schwarz/Schwarz aaO 742; Cerny in Cerny/Gahleitner/Kundtner/Preiss/Schneller, ArbVG Bd 2**2 § 3 Erl 1). Solche liegen jedoch, wie das Berufungsgericht zutreffend ausführte, nicht vor.

Bei der Prüfung der Günstigkeit hat weder ein Gesamtvergleich, noch ein punktueller Vergleich der Bestimmungen zu erfolgen, sondern - sinngemäß wie bei der Prüfung des Verhältnisses von Kollektivvertrag und Einzelarbeitsvertrag (vgl Floretta/Spielbüchler/Strasser, Arbeitsrecht Bd II3 116) - ein Gruppenvergleich rechtlich und sachlich zusammenhängender Normen (vgl 9 ObA 111/99k). Ein rechtlicher und tatsächlicher Zusammenhang liegt vor, wenn die Bestimmungen den gleichen Regelungsgegenstand betreffen. Zu 9 ObA 104/94 (= RdW 1994, 408) führte der Senat aus, dass bei Prüfung der Zulässigkeit einer Kündigungsregelung eine Entgeltregelung nicht in den Gruppenvergleich einzubeziehen ist, auch wenn ausgehend von der günstigeren Entgeltregelung die Abfertigung höher ist als nach Kollektivvertrag. Dies hat entgegen der Auffassung der Revisionswerberin auch umgekehrt zu gelten, wenn etwa eine Abfertigungsregelung zu prüfen ist.

Bei der von der Revisionswerberin genannten Entscheidung 9 ObA 204/94 (= Arb 11.310) war zu prüfen, ob eine gesetzliche Abfertigungsregelung (nach dem NÖ LVBG) verfassungsrechtliche Bedenken aufwirft. Dies wurde verneint. Hieraus folgt aber nichts für den Standpunkt der Revisionswerberin in Bezug auf einen Vergleich zwischen zwingenden gesetzlichen Abfertigungsregelung im AngG und der diesbezüglichen Regelung in den Arbeitsverträgen. Ähnliches gilt für die Entscheidung 9 ObA 62/91 (= ARD 4300/6/91); auch daraus ist für den Standpunkt der Revisionswerberin nichts zu gewinnen.

Auch aus der Zubilligung von erhöhtem Kündigungsschutz kann entgegen der Auffassung der Revisionswerberin nicht abgeleitet werden, dass der Arbeitnehmer zwar Bestandsschutz genießt, aber eine nachteilige, Sonderzahlungen nicht beinhaltende Berechnung der Abfertigung in Kauf nehmen muss (9 ObA 119/95 = DRdA 1996, 160). Bei der Beurteilung der Günstigkeit kommt es nicht auf die subjektive Einschätzung der Betroffenen an; der Günstigkeitsvergleich hat nach objektiven Kriterien zu erfolgen (Eichinger, DRdA 1993, 136 [137 mwN]). Der Versuch der Revisionswerberin, subjektiven Verknüpfungen, die über einen Gruppenvergleich hinausgehen, zur Geltung zu verhelfen, lässt unbeachtet, dass die Geltung und Anwendung zwingenden Rechts nicht der Disposition der Vertragsparteien untersteht.

Was letztlich die Einbeziehung des Ruhegenusses in den Vergleich angeht, so ergibt sich aus § 23a Abs 6 AngG die Zulässigkeit von Anrechnungen von Versorgungsleistungen auf Abfertigungsansprüche, wobei der Gesetzgeber nicht den Pensionsanspruch als solchen, sondern nur die einzelnen Pensionsraten im Auge hat. Das bedeutet, dass mit dem Günstigkeitsprinzip nur eine solche Regelung vereinbar ist, auf Grund deren nicht der Pensionsanspruch an sich in die Abfertigung einzurechnen ist, sondern nur diejenigen Pensionsbezüge, die während der Zeit, für die die Abfertigung bestimmungsgemäß reicht, fällig werden. Ein derartiger Fall des Zusammenhangs liegt jedoch nicht vor (vgl DRdA 1993/28 [Klein]).

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 ZPO, 50 Abs 1 ZPO.

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