OGH 9ObA149/15z

OGH9ObA149/15z21.12.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer und Dr. Hargassner sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler und Mag. Manuela Majeranowski als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** K*****, vertreten durch Mag. Valentin Piskernik, Rechtsanwalt in Perchtoldsdorf, gegen den Beklagten Mag. E***** S*****, vertreten durch Schopf Zens Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 41.200,01 EUR brutto abzüglich 331,51 EUR netto sA und Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 24. September 2015, GZ 9 Ra 77/15g‑13, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:009OBA00149.15Z.1221.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung

Rechtliche Beurteilung

Fällt der für die Abgabe einer Erklärung oder für eine Leistung bestimmte letzte Tag auf einen Sonntag oder anerkannten Feiertag, so tritt an dessen Stelle, vorbehaltlich gegenteiliger Vereinbarung, der nächstfolgende Werktag (§ 903 dritter Satz ABGB). Diese Regelung gilt, sofern gesetzlich nicht anderes bestimmt ist, für alle materiell‑rechtlichen Fristen, somit auch für einseitige Rechtsgeschäfte und Erklärungen, wie die Setzung einer Rücktrittsfrist (9 ObA 44/08y; RIS‑Justiz RS0017537).

Von der gesetzlichen Ablaufshemmung kann durch Vereinbarung, aber auch einseitig abgewichen werden (vgl 9 ObA 115/02f; 8 ObA 24/03t). Die datumsmäßige Fixierung führt noch nicht zum allgemein geltenden Schluss, dass daraus eine Abänderung der dispositiven Regel des § 903 dritter Satz ABGB herausgelesen werden kann (9 ObA 44/08y mwN). Allerdings sind auch konkludente gegenteilige Parteiendispositionen möglich, welche nach der Art der jeweiligen rechtsgeschäftlichen Terminisierung an Hand der konkreten Umstände des Einzelfalls beurteilt werden müssen.

Die schriftliche Erklärung der klagenden Arbeitnehmerin, in der sie den mit der Gehaltszahlung in Verzug befindlichen beklagten Arbeitgeber aufforderte, ihr die offenen Beträge bis zum 9. 11. 2014, einem Sonntag, zukommen zu lassen und erklärte, sich für den Fall, dass sie nicht bis zum genannten Termin 9. 11. 2014 über die aushaftenden Beträge verfügen könne, den vorzeitigen Austritt vorzubehalten, ist daher dahin auszulegen, ob mit ihr die dispositive Regel des § 903 dritter Satz ABGB, abbedungen wurde oder nicht.

Die Auslegung von (konkludenten) Willenserklärungen im Einzelfall ist vom Obersten Gerichtshof ‑ von groben Auslegungsfehlern und sonstigen krassen Fehlbeurteilungen abgesehen ‑ nicht zu überprüfen (RIS‑Justiz RS0042776 [T11]; RS0042555). Eine vom Obersten Gerichtshof wahrzunehmende korrekturbedürftige Fehlbeurteilung vermag der Revisionswerber nicht aufzuzeigen.

Das Berufungsgericht hat die Fristsetzungserklärung der Klägerin mit 9. 11. 2014 dahin ausgelegt, dass die Klägerin damit die gesetzliche Regelung des § 903 dritter Satz ABGB abbedungen habe. Die Klägerin habe nämlich in ihrem Mahnschreiben vom Beklagten nicht nur gefordert, ihr die offenen und genannten Beträge bis 9. 11. 2014 zukommen zu lassen, sondern auch ausdrücklich darauf hingewiesen, dass sie über die aushaftenden Beträge bis zum 9. 11. 2014 verfügen können müsse. Eine Verfügung über die vom Beklagten geschuldeten Beträge setze aber voraus, dass diese dem Konto der Klägerin vor oder spätestens am 9. 11. 2014 im Sinne einer Wertstellung gutgeschrieben seien. Diese Rechtsansicht des Berufungsgerichts ist vertretbar.

Dass die Klägerin über die schwierige finanzielle Situation des Beklagten informiert war, ändert an dieser Auslegung nichts. Auch aus der Entscheidung 9 ObA 44/08y ist für den Standpunkt des Beklagten nichts zu gewinnen, zumal der Entscheidung der konkrete Wortlaut der Nachfristsetzung nicht entnommen werden kann.

Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Beklagten zurückzuweisen.

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