Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass das Ersturteil wie folgt zu lauten hat:
„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 7.221,02 EUR brutto sA zu bezahlen, wird abgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.063,82 EUR (darin 177,30 EUR USt) bestimmten Prozesskosten zu ersetzen.“
Die klagende Partei ist weiter schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit 1.800,27 EUR (darin 986 EUR Barauslagen; 135,71 EUR USt) bestimmten Kosten der Berufung und die mit 1.855,15 EUR (darin 1.296 EUR Barauslagen; 93,19 EUR USt) bestimmten Kosten der Revision zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin war bei der Beklagten von 2002 bis 31. Dezember 2008 als Journalistin beschäftigt. In ihrem als „freier Dienstvertrag“ bezeichnetem Vertrag war ein monatliches Bruttohonorar mit einem Grundbetrag von 1.000 EUR vorgesehen. Weiters enthielt er eine Klausel, wonach Ansprüche des Auftragnehmers verfallen, sofern sie nicht binnen drei Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend gemacht und binnen sechs Monaten ab Fälligkeit eingeklagt werden. Die Qualifikation dieses Vertrags als echter Dienstvertrag ist nunmehr unstrittig. Der auf die Klägerin anwendbare Kollektivvertrag für die bei österreichischen Wochenzeitungen angestellten Redakteure, Redakteursaspiranten und Reporter (idF: KV) enthält keine eine Urlaubsersatzleistung oder Sonderzahlungen betreffende Verfalls- oder Verjährungsbestimmungen.
Mit ihrer am 30. Dezember 2010 eingebrachten Mahnklage begehrte die Klägerin die Zahlung folgender, der Höhe nach unstrittiger Beträge:
UEL für 20 Arbeitstage 1.372,00 EUR brutto,
SZ für 2007 (WR) 2.227,14 EUR brutto,
SZ für 2008 (WR und UZ) 3.621,88 EUR brutto,
gesamt sohin 7.221,02 EUR brutto.
Die Beklagte wandte im Wesentlichen den Verfall der Ansprüche ein. Der KV enthalte keine der vertraglich vereinbarten Verfallsklausel entgegenstehende Bestimmungen. Die Ausmessung der Fristen sei keinesfalls unangemessen gering.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Entgeltbestimmung im freien Dienstvertrag sei wegen Verstoßes gegen den Kollektivvertrag nichtig. Ein kollektivvertraglicher Entgeltanspruch sei von den für diesen geltenden Verjährungs- und Verfallsbestimmungen des Kollektivvertrags nicht zu trennen. Derselbe Grundsatz müsse auch für einzelvertragliche Entgelt- und Verfallsbestimmungen gelten. Dies entspreche auch dem Grundsatz, dass bei Nichtigkeit einzelner Arbeitsvertragsklauseln auch mit ihr zusammenhängende Regelungen entfielen, die nur im Hinblick auf die ungültige Klausel getroffen worden seien. Die vereinbarten Verfallsbestimmungen seien daher unwirksam.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten keine Folge. Zwar habe sich die Frage des Zusammenhangs zwischen Verfallsklauseln und Entgeltbestimmungen bislang in Entscheidungen zum AÜG gestellt. Die vom Obersten Gerichtshof dazu entwickelten Rechtssätze würden jedoch nicht nur in diesem Kontext gelten. Vielmehr liege ein grundsätzliches Problem der Teilnichtigkeit vor. Neben der verbotenen Klausel eines Arbeitsvertrags würden auch mit ihr sachlich zusammenhängende Vereinbarungen entfallen, die nur im Hinblick auf die ungültige Klausel getroffen worden seien. Aus der Judikatur des Obersten Gerichtshofs zum AÜG gehe hervor, dass Entgeltbestimmungen und Verfallsklauseln ganz allgemein in einem derartigen sachlichen Zusammenhang zu sehen seien, da nicht ersichtlich sei, warum dieser Sachzusammenhang nur zwischen kollektivvertraglichem Entgelt und Verfallsklauseln, nicht aber auch für eine einzelvertragliche Entgeltregelung und Verfallsklauseln gelten solle. Eine andere Betrachtungsweise würde auch der von der Rechtsprechung abgelehnten „Rosinentheorie“ widersprechen. Das Herausnehmen einer Verfallsbestimmung aus einem nicht wirksam vereinbarten freien Dienstvertrag sei unzulässig. Konsequenz der Teilnichtigkeit des Vertrags sei, dass an die Stelle der Entgeltbestimmung und der damit sachlich zusammenhängenden Verfallsklausel die Bestimmungen des anwendbaren Kollektivvertrags treten würden. Der Kollektivvertrag enthalte im konkreten Fall keine Verfallsbestimmung, sodass § 1486 Z 5 ABGB gelte. Eine Verjährung der Ansprüche sei von der Beklagten nicht geltend gemacht worden. Die Revision sei mangels Vorliegens der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision der Beklagten.
In der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin die Zurück-, hilfsweise die Abweisung der Revision.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig und auch berechtigt.
1. Zwischen den Parteien ist nicht strittig, dass der zwischen ihnen vereinbarte „freie Dienstvertrag“ ungeachtet seiner Bezeichnung nach seiner tatsächlichen Handhabung (vgl RIS-Justiz RS0111914) als echter Arbeitsvertrag anzusehen ist und der Klägerin - abgesehen von der noch zu erörternden Frage des Verfalls - die von ihr auf Basis des Kollektivvertrags geltend gemachten Ansprüche grundsätzlich zustehen würden.
2. Zur revisionsgegenständlichen Frage der Wirksamkeit der Verfallsklausel hat der Oberste Gerichtshof im Parallelverfahren 8 Ob 86/11x in der Entscheidung vom 24. April 2012 Folgendes ausgeführt:
„Verfallsklauseln sind nach ständiger Rechtsprechung nur dann sittenwidrig, wenn sie die Geltendmachung von Ansprüchen ohne sachlichen Grund übermäßig erschweren (Krejci in Rummel³ § 879 Rz 181c; RIS-Justiz RS0016688; RS0034533). In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass die Festsetzung von Ausschlussfristen in der Dauer von - wie hier - drei Monaten nicht als übermäßige Erschwerung der Rechtsverfolgung anzusehen ist; dies gilt auch für einzelvertragliche Vereinbarungen (8 ObS 1/11x mwH; RIS-Justiz RS0016688). Zwingende gesetzliche oder kollektivvertragliche Bestimmungen stehen der hier zu beurteilenden Verfallsklausel nicht entgegen. Der Kollektivvertrag enthält für die im Verfahren geltend gemachten Ansprüche keine Verfallsregelung (die Bestimmung des § 33 KV für Ansprüche auf Abgeltung geleisteter Überstunden und bestimmter Sonderleistungen kommt hier nicht zum Tragen). Auch dann, wenn die Parteien den zwischen ihnen geschlossenen Vertrag von Anfang an richtig als echten Arbeitsvertrag behandelt hätten, wäre die Vereinbarung der konkreten Verfallsklausel daher hier zulässig gewesen.
Der von der Klägerin behauptete 'untrennbare' Zusammenhang zwischen der vertraglichen Entgeltabrede und der vertraglich vereinbarten Verfallsklausel, aus dem die Vorinstanzen die Unwirksamkeit der Verfallsklausel ableiten, ist nicht zu erkennen: Es kann keine Rede davon sein, dass die hier vereinbarte Verfallsklausel nur im Zusammenhang mit der konkret getroffenen Entgeltabrede denkbar ist; warum sie nicht auch im Zusammenhang mit einer den kollektivvertraglichen Ansätzen entsprechenden Entgeltvereinbarung bestehen können soll, ist nicht ersichtlich. Es fehlt auch jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien die Verfallsklausel nur im Hinblick auf die von ihnen getroffene Entgeltvereinbarung vereinbart haben bzw dass sie die Verfallsklausel nicht auch dann vereinbart hätten, wenn sie den Vertrag von Anfang an richtig als Arbeitsvertrag behandelt hätten.
Zu Unrecht beruft sich die Klägerin für ihre Rechtsansicht auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu § 10 Abs 1 Satz 3 AÜG (vgl RIS-Justiz RS0050706). Die genannte Bestimmung führt zu einer partiellen Anwendung von Bestimmungen des Beschäftigerkollektivvertrags durch den Überlasser während des Zeitraums der Überlassung. In diesem Zusammenhang wird es als unzulässig angesehen, dass sich der Arbeitnehmer einzelne Detailregelungen aus dem Kollektivvertrag des Beschäftigerbetriebs und aus der Grundvereinbarung ('Rosinentheorie') herausnimmt. Daher ist in diesem Zusammenhang der Entgeltanspruch von den für diesen geltenden Verfallsbestimmungen des Kollektivvertrags nicht zu trennen. Das hat aber mit der im vorliegenden Fall zu beurteilenden Konstellation überhaupt nichts zu tun.
Ausgehend von der Wirksamkeit der Vereinbarung der konkreten Verfallsklausel im Arbeitsvertrag erweist sich der Verfallseinwand der Beklagten jedoch als berechtigt.“
3. Nichts anderes kann im vorliegenden Verfahren gelten. Die von der Klägerin geltend gemachten Ansprüche waren spätestens mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 31. Dezember 2008 fällig. Die Klägerin machte ihre Ansprüche erstmals im Dezember 2011 und daher nicht fristgerecht geltend. Der Revision der Beklagten war daher Folge zu geben und das Klagebegehren abzuweisen.
4. Die Kostenentscheidung für das Verfahren erster Instanz beruht auf § 41 ZPO; Kosten für die Äußerung zum Kostenverzeichnis der klagenden Partei stehen der Beklagten nicht zu (§ 54 Abs 1a letzter Satz ZPO).
Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Rechtsmittelverfahren beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Für die Berufung war lediglich der dreifache Einheitssatz (§ 23 Abs 9 RATG) und ein ERV-Zuschlag in Höhe von 1,80 EUR (RIS-Justiz RS0126594; Obermaier, Kostenhandbuch² Rz 646 mwN) zuzuerkennen.
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