OGH 9ObA136/19v

OGH9ObA136/19v26.8.2020

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekurs‑ und Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau und Mag. Korn, sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Andreas Mörk (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Wolfgang Cadilek (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Parteien 1. L* GesmbH, *, 2. Le*GesmbH, *, beide vertreten durch KWR Karasek Wietrzyk Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Dipl.‑Ing. C*, vertreten durch Mag. Martin Machold, Rechtsanwalt in Wien, wegen 1) 105.706,76 EUR sA und Feststellung (Streitwert 5.000 EUR)(erstklagende Partei) und 2) 141.091,12 EUR sA (zweitklagende Partei), über den Rekurs der klagenden Parteien (Rekursinteresse 70.968,32 EUR sA) und der Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 163.052,26 EUR sA), gegen den Beschluss und das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen vom 28. August 2019, GZ 9 Ra 72/19b‑33, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 30. Mai 2019, GZ 30 Cga 134/17w‑26, teilweise Folge gegeben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2021:E129345

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

 

1. Der Rekurs der zweitklagenden Partei wird zurückgewiesen.

2. Dem Rekurs der erstklagenden Partei wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Berufungsgerichts, mit dem das Klagebegehren der erstklagenden Partei im Umfang von 70.968,32 EUR sA und das vorangegangene Verfahren als nichtig aufgehoben und die Klage zurückgewiesen wurde, wird ersatzlos aufgehoben und die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung über die Berufung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekursverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

3. Der Revision der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Das Teilurteil des Berufungsgerichts wird hinsichtlich der erstklagenden Partei allerdings nur mit der Maßgabe bestätigt, dass das Leistungsbegehren zu lauten hat: „Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei 18.363,14 EUR samt 8,58 % Zinsen per anno seit 12. 7. 2017 sowie Zinseszinsen von 4 % per anno seit dem der Klagszustellung folgenden Tag binnen 14 Tagen zu zahlen.

Das Begehren, die beklagte Partei sei schuldig, der erstklagenden Partei 16.375,30 samt 8,58 % Zinsen per anno seit 12. 7. 2017 sowie Zinsenzinsen von 4 % per anno seit dem der Klagszustellung folgenden Tag binnen 14 Tagen zu zahlen, wird abgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens bilden weitere Verfahrenskosten.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerinnen sind in den V*-Konzern eingegliederte Unternehmen, wobei die Zweitklägerin die deutsche Tochtergesellschaft der Erstklägerin ist. Der Beklagte war ab 1. 2. 2003 Alleingeschäftsführer der Erstklägerin. Der Geschäftsführerdienstvertrag enthält unter anderem folgende Klausel:

„XX. Verfall

Offene Ansprüche aus dem gegenständlichen Geschäftsführervertrag sind bei sonstigem Verfall binnen vier Monaten ab Fälligkeit schriftlich geltend zu machen. Bei rechtzeitiger Geltendmachung bleibt die Verjährungsfrist gewahrt.“

Die Jahresabschlussprüfungen der Erstklägerin werden durch die Firma D* durchgeführt. Der Jahresabschluss wird unter Einbeziehung der Buchhaltung geprüft. Im September 2014 schloss der Beklagte namens der Erstklägerin einen Werkvertrag mit I*, die zukünftig die Buchhaltung und die Gehaltsabrechnungen für die Klägerinnen durchführen sollte. Bei Beginn ihrer Tätigkeit teilte I* dem Beklagten mit, dass sie aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten einen Kredit von 4.000 bis 5.000 EUR benötige, dieser wurde ihr vom Beklagten namens der Erstklägerin gewährt und auch zurückbezahlt. Bei der Erstellung des Jahresabschlusses 2014 wurde von D* festgestellt, dass keine ordnungsgemäße Buchführung vorliegt und die formellen Voraussetzungen hierfür nicht erfüllt sind. Dies wurde dem Beklagten mitgeteilt, der daraufhin veranlasste, das I* auf Kosten der Erstklägerin einen entsprechenden Kurs besuchte. Auch hinsichtlich der Zweitklägerin kam es zu Problemen bei der Bilanzerstellung. Der zuständige Steuerberater erklärte, er werde sein Mandat zurücklegen, wenn I* weiterhin tätig sei.

Überweisungen vom Konto der Erstklägerin wurden von I* eingegeben und waren vom Beklagten freizugeben. Überweisungen vom Konto der Zweitklägerin nahm I* eigenständig vor, sie hatte vollen Zugriff auf das Konto. Zwischen März 2015 und Dezember 2016 führte I* in doloser Weise 28 Überweisungen vom Konto der Zweitklägerin an ihr eigenes oder ihr zuordenbare Konten im Gesamtausmaß von 136.010 EUR durch. I* führte bei der Erstklägerin auch die Handkassa. Dabei verbuchte sie Rechnungen, die sie bereits durch Überweisungen beglichen hatte, auch in der Handkassa und entnahm die Rechnungsbeträge für sich. Weiters entnahm sie Beträge ohne Rechtfertigungsbeleg, insgesamt 9.527,45 EUR.

Ab Herbst 2016 wurde M* bei der Erstklägerin angestellt, um die Aufgaben von I* zu übernehmen. Ihr fielen Ungereimtheiten hinsichtlich Verrechnungskonten und Kassakonten auf. Über diese informierte sie bereits Mitte November 2016 den Beklagten. Weiters wies sie ihn im Dezember 2016 auf fehlende Belege und unrichtige Buchungen hin. Der Beklagte erklärte ihr, er werde dies mit I* besprechen und die Kassa aufrollen. Bis Februar 2017 geschah jedoch nichts.

Bei einer Besprechung im Februar 2017 wurde erörtert, dass M* die Buchhaltung für die Zweitklägerin übernehmen sollte. Am nächsten Tag kam I* nicht mehr in den Betrieb. M* teilte dem Beklagten nach Kontrolle der Handkasse mit, dass nur 200 EUR darin seien, obwohl es 9.000 EUR sein müssten. Sie suchte nach Unterlagen und Bankjahresauszügen aus dem Jahr 2015 hinsichtlich des Kontos der Zweitklägerin. Dabei fielen ihr sofort Überweisungen an I* in beträchtlicher Höhe auf.

Es wurde eine Sonderprüfung durch die Innenrevisionsabteilung veranlasst, deren Ergebnisse am 8. 3. 2017 vorlagen. Daraufhin wurde der Beklagte entlassen. Die Entlassung wurde in der Folge in eine einvernehmliche Beendigung umgewandelt. Bis einschließlich 2015 war dem Beklagten als Geschäftsführer die Entlastung erteilt worden.

Aufgrund der geringen Anzahl der Buchungen auf dem Konto der Zweitklägerin wäre es dem Beklagten jedenfalls möglich gewesen, diese regelmäßig genau zu kontrollieren. Es kann nicht davon ausgegangen werden, dass er die Überweisungen regelmäßig überprüfte. Es kann auch nicht davon ausgegangen werden, dass er die Handkassenjournale regelmäßig inhaltlich überprüfte, obwohl ihm dies möglich gewesen wäre.

Bereits 2012 war der Beklagte von der Alleingesellschafterin in einer „Veranlassung“ aufgefordert worden, bei Eingangsrechnungen, Zahlungsaufträgen, Barzahlungsverkehr und Kassen, Vorschüssen und Kreditkarten das Vier‑Augen‑Prinzip durchgängig einzuhalten. Weiters wurde er aufgefordert, grundsätzlich im Innenverhältnis das Vier‑Augen‑Prinzip im Sinne der Konzernrichtlinie sicherzustellen, soweit dies aufgrund der Organisationsstruktur bei einem Alleingeschäftsführer möglich sei.

Anlässlich der Jahresabschlussprüfung für 2016 wurde die Firma D* informiert, dass es Malversationen gegeben habe. Der Prüfungsumfang wurde daher erhöht und es wurden sämtliche Belege auf der Aufwandseite überprüft. Die Kassa‑Malversationen wurden bestätigt und noch einige weitere Doppelbuchungen gefunden. Es wurden Doppelzahlungen im Umfang 9.527,45 EUR festgestellt und 8.835,69 EUR nicht gebuchte Fehlbeträge. Es ist davon auszugehen, dass diese Zahlungen und Fehlbeträge I* zuzurechnen sind und von ihr getätigt wurden. Im Zusammenhang mit der Durchführung der erweiterten bzw zusätzlichen Prüfungshandlungen im Rahmen der Jahresabschlussprüfung 2016 stellte die Firma D* der Erstklägerin 59.750 EUR netto in Rechnung.

Mit Schreiben vom 12. 7. 2017 forderten die Klägerinnen den Beklagten auf, den entstandenen Schaden, 154.373,13 EUR aufgrund widerrechtlicher Buchhaltungstätigkeit 59.750 EUR als Folgekosten für die erforderliche Sonderprüfung und 10.387,99 EUR an Rechtsanwaltskosten zu ersetzen. Die Rechtsanwaltskosten setzen sich aus Honorarnoten betreffend Leistungen im Hinblick auf die Malversationen von I* und das Strafverfahren bzw die Anzeigenerstattung und den Privatbeteiligtenanschluss zusammen.

Die Erstklägerin begehrte vom Beklagten zuletzt 105.706,76 EUR sA und die Feststellung, dass ihr der Beklagte für alle weiteren derzeit betragsmäßig nicht bekannten Schäden im Zusammenhang mit seiner Geschäftsführung für den Zeitraum 1. 1. 2014 bis 8. 3. 2017 hafte. Das Klagebegehren setze sich zusammen aus dem Fehlbestand in der Handkasse (18.363,14 EUR), dem Honorar für die Sonderprüfung der Firma D* von 59.750 EUR, den Honorarnoten der Rechtsberatung der Klagevertreter von 11.218,32 EUR, sowie einer weiteren, für das Revisionsverfahren nicht mehr relevanten Schadenersatzforderung in Höhe von insgesamt 16.375,30 EUR.

Die Zweitklägerin begehrte vom Beklagten 141.091,12 EUR, die sich zusammensetzen aus den von I* getätigten Überweisungen in Höhe von 136.010 EUR zuzüglich kapitalisierten Zinsen von 5.081,12 EUR.

Die Klägerinnen brachten vor, der Beklagte hafte ihnen aufgrund der massiven Missachtung von Kontroll‑ und Geschäftsführerpflichten. Er hätte I* von Beginn der Geschäftsbeziehung an laufend kontrollieren müssen. Er habe es zumindest grob fahrlässig unterlassen, ein geeignetes internes Kontrollsystem zu etablieren, obwohl er nach den Konzernrichtlinien dazu verpflichtet gewesen sei. Auch das gemäß Konzernrichtlinien geltende Vier‑Augen‑Prinzip sei nicht eingehalten worden. Die Kosten der Schadensfeststellung könnten selbständig eingeklagt werden, wenn ein besonderes Interesse des Geschädigten an der Sachverhaltsermittlung unabhängig von der Rechtsverfolgung in einem Prozess bestehe. Die Ansprüche seien auch nicht verfristet. Die im Geschäftsführervertrag vereinbarte Verfallsfrist betreffe nur offene Ansprüche aus dem Geschäftsführervertrag. Das Klagebegehren werde jedoch auf § 25 Abs 2 GmbHG gestützt. Ersatzansprüche wegen der Verletzung von Geschäftsführerpflichten verjährten zwingend erst in fünf Jahren nach Kenntnis von Schaden und Schädiger. Eine Einschränkung dieser Frist sei nicht zulässig.

Der Beklagte bestritt und brachte vor, es bestehe keine Bindung an Konzernrichtlinien. Aufgrund der Struktur der Klägerinnen als Kleinunternehmen sei deren Anwendung gar nicht möglich. Das vorhandene Kontrollsystem sei ihm von der Eigentümerin übergeben und genehmigt worden. Da er im erheblichen Ausmaß außer Haus tätig gewesen sei, sei es erforderlich gewesen, Zahlungsprozesse auch in seiner Abwesenheit sicherzustellen. Vorsätzliche Malversationen Dritter seien nie gänzlich verhinderbar. Er habe darauf vertrauen dürfen, dass auf der nachgelagerten Ebene eine effektive Nachkontrolle – durch professionelle Wirtschaftstreuhänder – erfolgen werde. 2016 sei eine erhebliche Zahlung eigentümerseitig auf das Konto der Zweitklägerin geleistet worden, obwohl die Anforderung durch I* persönlich erfolgt sei und damit nicht den Konzernrichtlinien entsprochen habe. Dies habe den Schadensumfang vergrößert und beruhe auf einem Mitverschulden der Eigentümerin. Die Ansprüche seien verfristet, weil bereits zum Zeitpunkt der Entlassung die gesamte Schadenssumme vollständig bekannt gewesen sei und die Geltendmachung mehr als vier Monate nach der Schadensfeststellung erfolgt sei. Der Geschäftsführerdienstvertrag enthalte nicht nur arbeitsvertragliche Regelungen, sondern auch abschließende Regelungen der Rechte und Pflichten des Beklagten. Die vereinbarte Verfallsklausel beziehe sich demnach auf den gesamten Vertragsinhalt. Behauptete Aufwendungen der Klägerinnen im Zusammenhang mit Kosten für anwaltliche Vertretung und Prüfmaßnahmen seien durch die Schadensfälle nicht adäquat kausal verursacht worden und würden daher dem Grunde nach bestritten. Auch sei der Rechtsweg unzulässig, weil es sich um vorprozessuale Kosten handle.

Das Erstgericht gab der Klage der Erstklägerin teilweise statt. Aufgrund eines Rechenfehlers ging es dabei aber von einem zustehenden Betrag von 92.929,46 EUR sA (statt richtig 89.331,46 EUR sA) aus. Das Mehrbegehren, das es ebenfalls unrichtig mit 12.777,30 EUR sA (statt 16.375,30 EUR sA) errechnete, sowie das Feststellungsbegehren wies es ab. Aufgrund der unterlassenen Kontrolle durch den Beklagten sah das Erstgericht das Klagebegehren der Zweitklägerin von 141.091,12 EUR sA als berechtigt an und gab der Klage der Zweitklägerin zur Gänze statt. Das Erstgericht ging dabei davon aus, dass den Beklagten als Geschäftsführer Kontroll‑ und Überwachungspflichten träfen, die sogar weitergehend gewesen seien, da es sich bei I* um keine qualifizierte Mitarbeiterin gehandelt habe und die Mängel dem Beklagten auch bekannt gewesen seien. Der Beklagte habe jedoch grob fahrlässig kein internes Kontrollsystem eingerichtet bzw ein allenfalls eingeführtes nicht eingehalten. Er habe daher für den eingetretenen Schaden einzustehen. Die Verfallsfrist betreffe nur Ansprüche aus dem Geschäftsführervertrag, nicht jedoch Schadenersatzansprüche. Er habe daher der Erstklägerin die Fehlbestände aus der Handkasse, die Honorare für die Firma D* und die Honorare der Rechtsberatung zu ersetzen.

Gegen den klagsstattgebenden Teil dieses Urteils erhob der Beklagte Berufung. Das Berufungsgericht hob aus Anlass der Berufung das Ersturteil, soweit dem Klagebegehren der Erstklägerin im Umfang von 70.968,32 EUR sA stattgegeben worden war, sowie das vorangegangene diesbezügliche Verfahren als nichtig auf und wies die Klage insoweit zurück. Im Übrigen gab es der Berufung nicht Folge. Es führte aus, dass die Kosten eines zur Schadensfeststellung eingeholten Gutachtens dann mit gesonderter Klage geltend gemacht werden könnten, wenn ein besonderes Interesse des Auftraggebers unabhängig von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung bestehe. Diesbezüglich habe die Erstklägerin jedoch in erster Instanz kein Vorbringen erstattet. Hinsichtlich der Rechtsanwaltskosten handle es sich ebenfalls um vorprozessuale Kosten, wenn sie der konkreten Rechtsverfolgung gegen einen bekannten Schädiger gedient hätten. Dass die Ansprüche der Vorbereitung des Strafverfahrens gegen I* gedient hätten und nicht einem Strafverfahren gegen den Beklagten, ändere nichts am Charakter einer Kostenforderung. Mittelbar hätten sie auch der Vorbereitung des Prozesses gegen den Beklagten als weiteren Schädiger aufgrund der Verletzung von Kontrollpflichten gedient. Damit liege der Nichtigkeitsgrund des § 477 Abs 1 Z 6 ZPO vor, der von Amtswegen anlässlich des zulässigen Rechtsmittels des Beklagten wahrzunehmen sei.

Entgegen der Ansicht des Erstgerichts seien auch die Schadenersatzansprüche der Klägerinnen grundsätzlich von der Verfallsklausel erfasst. Aufgrund der Feststellungen könne nicht beurteilt werden, ob das Anspruchsschreiben rechtzeitig im Sinn der Verfallsklausel gewesen sei. Dies sei jedoch unerheblich. Nach § 25 Abs 6 GmbHG verjährten Ersatzansprüche gegen den Geschäftsführer erst in fünf Jahren. Es handle sich dabei um zwingendes Recht. Eine vertragliche Verkürzung sei nicht zulässig. Es liege daher kein Verfall vor. Nach den Feststellungen sei der Beklagte zur Einhaltung des Vier‑Augen‑Prinzips verpflichtet gewesen und es hätte die Möglichkeit bestanden, sich etwa die TANs per SMS schicken zu lassen bzw ein zweistufiges Überwachungssystem einzurichten. Von einer regelmäßigen Kontrolle sei nicht auszugehen. Der Beklagte könne sich auch nicht auf die Entlastung als Geschäftsführer berufen. Für die Gesellschafter habe keine Erkennbarkeit des Schadens bestanden. Die Unterlassung der regelmäßigen Kontrolle des Kassenjournals und des Kassenstands verstoße, insbesondere angesichts der mangelhaften fachlichen Leistungen der Buchhalterin, gegen § 22 Abs 1 GmbHG.

Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht zugelassen, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage, ob § 25 Abs 6 GmbHG zwingend sei, nicht vorliege.

Gegen den Beschluss, mit dem vom Berufungsgericht das Ersturteil und das vorangegangene Verfahren insoweit als nichtig aufgehoben wurde, als dem Klagebegehren der Erstklägerin vom Erstgericht im Umfang von 70.968,32 EUR sA stattgegeben worden war, und die Klage zurückgewiesen wurde, richtet sich der Rekurs beider Klägerinnen mit dem Antrag, diesen Beschluss aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

Der Beklagte beantragt, den Rekurs hinsichtlich der Zweitklägerin, da sie durch die Entscheidung nicht beschwert sei, zurückzuweisen und dem Rekurs der Erstklägerin nicht Folge zu geben.

Gegen den bestätigenden Teil der Berufungsentscheidung richtet sich die Revision des Beklagten mit dem Antrag, die Urteile der Vorinstanzen dahingehend abzuändern, dass die Klage abgewiesen wird. In eventu wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerinnen beantragen, die Revision zurückzuweisen, in eventu ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs der Erstklägerin ist zulässig und im Ergebnis im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt. Der Rekurs der Zweitklägerin ist als unzulässig zurückzuweisen.

Die Revision des Beklagten ist aus den vom Berufungsgericht genannten Gründen zulässig, aber nicht berechtigt.

I. Zum Rekurs der Klägerinnen:

1. Wenn das Berufungsgericht unter Nichtigerklärung des erstinstanzlichen Verfahrens und des Ersturteils die Klage (teilweise) zurückweist, ist sein Beschluss gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO stets, also unabhängig vom Streitwert und vom Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage, anfechtbar (10 Ob 67/16z). Für die Anwendbarkeit der Anfechtungsbeschränkungen des § 528 Abs 2 ZPO muss das Erstgericht sich zumindest in den Entscheidungsgründen mit der Zulässigkeit des Rechtswegs auseinandersetzen. Die meritorische Erledigung des Klagebegehrens reicht nicht aus (RS0116348 [T7]).

Im vorliegenden Fall hat das Erstgericht die Frage der Zulässigkeit des Rechtswegs im engeren Sinn in seiner Entscheidung trotz entsprechendem Einwands des Beklagten nicht behandelt. Die (teilweise) Nichtigkeit wurde daher erstmals vom Berufungsgericht aufgegriffen. Grundsätzlich ist daher gegen diese Entscheidung ein Rekurs nach § 519 ZPO zulässig.

Nach ständiger Rechtsprechung setzt jedoch jedes Rechtsmittel eine Beschwer voraus. Sie liegt dann vor, wenn der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, also ein Bedürfnis auf Rechtsschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat (RS0041746; RS0043815).

Da die Nichtigerklärung durch das Berufungsgericht nur Ansprüche der Erstklägerin betrifft, fehlt es der Zweitklägerin für die Anfechtung dieser Entscheidung schon an der formellen Beschwer.

Der Rekurs der Zweitklägerin war daher zurückzuweisen.

2. Beim Aufwand des Geschädigten zur Aufarbeitung des Schadens und zur Beweissammlung handelt es sich nach der Rechtsprechung typischerweise um vorprozessuale Kosten, die nicht selbständig einklagbar sind, solange nicht der eigentliche Schaden erledigt ist (vgl RS0035770, RS0111906). Ausnahmsweise können Kosten der Schadensfeststellung, ungeachtet des noch immer aushaftenden Schadens, aber selbständig einklagbar sein, wenn ein besonderes Interesse des Geschädigten an der Sachverhaltsermittlung – unabhängig von der Rechtsverfolgung im Prozess – besteht (RS0035826 [T1, T7, T12]). Derartiges muss aber vom Kläger behauptet und bewiesen werden (vgl 9 ObA 24/12p ua). Wenn also ein Gutachten nicht in erster Linie einer (späteren) Prozessführung, sondern dazu dient, dem Auftraggeber eine Grundlage zur Ermittlung seiner Ansprüche bzw seiner Rechtsposition zu verschaffen, obwohl noch gar nicht feststeht, ob es zu einem Rechtsstreit überhaupt kommen wird, dann ist der ordentliche Rechtsweg zulässig (RS0023583 [T2]).

3. Ausgehend von diesen Grundsätzen hat das Berufungsgericht die Ansicht vertreten, dass die Erstklägerin kein konkretes besonderes Interesse an der Sachverhaltsermittlung dargelegt hat. Wenn die Erstklägerin dazu im Rekurs ausführt, dass bereits aus Compliance‑Gründen eine entsprechend lückenlose Aufarbeitung erforderlich gewesen sei, hat sie das in erster Instanz so nicht vorgebracht. Allerdings ergibt sich aus dem Vorbringen, dass sie Anfang 2017 damit konfrontiert war, dass Unregelmäßigkeiten in der Buchhaltung bestehen, weshalb sie eine Sonderprüfung durch einen Wirtschaftsprüfer veranlasste, um den zugrunde liegenden Sachverhalt zu klären. Schon daraus lässt sich ableiten, dass das Gutachten in erster Linie dazu diente, dem Auftraggeber Informationen darüber zu verschaffen, ob, in welcher Form und in welchem Umfang eine mangelhafte Buchhaltung vorliegt und inwieweit dies zu Schäden geführt hat. Damit stand aber nicht eine Beweissammlung oder die Vorbereitung eines Prozesses im Vordergrund, sondern vielmehr das Interesse des Unternehmens an der Aufklärung des Geschehens unabhängig von der denkbaren prozessualen Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung (vgl RS0035826 [T7]). Die Notwendigkeit einer Klärung der Frage, inwieweit die Buchhaltung eines Unternehmens nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entspricht, ist in vielfältiger Weise für das Unternehmen von Relevanz und geht damit entscheidend über die bloße Vorbereitung eines Schadenersatzprozesses hinaus.

Insoweit liegen im Hinblick auf die Gutachtenskosten keine vorprozessualen Kosten vor und können diese daher im ordentlichen Rechtsweg geltend gemacht werden.

4. Zu den Rechtsberatungsleistungen, die ebenfalls als Schaden geltend gemacht werden, hat die Erstklägerin vorgebracht, dass es sich um externe Rechtsberatungsleistung „zur Aufarbeitung dieser widerrechtlichen Malversationen“ gehandelt habe; sämtliche Kosten seien der Erstklägerin im Zusammenhang mit der „Strafsache I*“ entstanden. Damit hat die Erstklägerin diesen Anspruch aber (zuletzt) nicht auf Kosten im Hinblick auf ein allfälligesVerfahren gegen den Beklagten gestützt, sondern fordert den Ersatz eines Aufwands, derihr im Zusammenhang mit dem Strafprozess gegen I*und mit der Verfolgung von Ansprüchen gegen diese entstanden sind. Damit handelt es sich aber auch bei diesen Rechtsanwaltskosten nicht um vorprozessuale Kosten, weshalb auch diesbezüglich der Rechtsweg gegen den Beklagten zulässig ist. Inwieweit ein Fehlverhalten des Beklagten eine Haftung für solche Kosten begründen kann bzw das Vorbringen oder die Feststellungen zur Beurteilung einer Haftung ausreichen, ist derzeit nicht zu prüfen.

5. Dem Rekurs der Erstklägerin war daher Folge zu geben, der Beschluss des Berufungsgerichts aufzuheben und dem Berufungsgericht in diesem Umfang die neuerliche Entscheidung über die Berufung des Beklagten aufzutragen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 50 ZPO.

II. Zur Revision des Beklagten:

1. Die Klägerinnen nehmen den Beklagten als ehemaligen Geschäftsführer nach § 25 GmbHG in Anspruch. Die Geschäftsführer sind der Gesellschaft gegenüber verpflichtet, bei ihrer Geschäftsführung die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Geschäftsführer, die ihre Obliegenheiten verletzen, haften der Gesellschaft zur ungeteilten Hand für den daraus entstandenen Schaden (§ 25 Abs 1, 2 GmbHG). Die Haftung nach § 25 GmbHG ist eine Verschuldenshaftung. Eine Erfolgshaftung trifft den Geschäftsführer nach dieser Gesetzesstelle nicht, denn das Unternehmensrisiko trägt die Gesellschaft (RS0059528).

Unter der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes sind die Sorgfalt, die Fähigkeiten und die Kenntnisse zu verstehen, die von einem Geschäftsführer in dem betreffenden Geschäftszweig und nach der Größe des Unternehmens üblicherweise erwartet werden können (RS0118177 [T1]). Die Geschäftsführer schulden dabei eine branchen‑, größen‑ und situationsadäquate Bemühung (6 Ob 198/15h ua). Der Sorgfaltsmaßstab darf nicht überspannt werden (RS0118177).

Der Geschäftsführer haftet nur für eigenes Verschulden. Arbeitnehmer der Gesellschaft sind weder Erfüllungs‑ noch Besorgungsgehilfen des Geschäftsführers. Eine Eigenhaftung der Geschäftsführer kommt allerdings in Betracht, wenn sie eine Organisations‑ und Überwachungspflicht schuldhaft verletzen.

Dabei trifft den Geschäftsführer die Beweislast, dass er die ihn nach § 25 GmbHG obliegende Sorgfalt angewendet hat. Es ist seine Sache zu behaupten und zu beweisen, dass sein Verhalten weder subjektiv noch objektiv sorgfaltswidrig war. Er hat sich sowohl hinsichtlich des Verschuldens als auch hinsichtlich der Rechtswidrigkeit seines Verhaltens zu entlasten (RS0059608 [T5]).

2. Die Vorinstanzen haben es dem Beklagten angelastet, dass er entgegen § 22 Abs 1 GmbHG kein internes Kontrollsystem eingeführt hat, die Verpflichtung zur Sicherstellung eines Vier‑Augen‑Prinzips nicht wahrgenommen hat, obwohl dies leicht möglich gewesen wäre, und keine Kontrollen durchgeführt oder veranlasst hat, obwohl das insbesondere aufgrund der fachlichen Mängel der I* indiziert gewesen wäre.

Demgegenüber macht die Revision neuerlich geltend, dass dem Beklagten nicht vorzuwerfen sei, dass er die Organisation und das Kontrollsystem, so wie er sie vorgefunden habe, beibehalten habe, wobei er insbesondere auf die Effektivität externer Kontrollmaßnahmen habe vertrauen dürfen.

Es liegt jedoch auf der Hand, dass auch ein übernommenes Kontrollsystem einer regelmäßigen Evaluierung bedarf, um sicher zu gehen, dass es nach wie vor den Erfordernissen des Unternehmens entspricht, eine Aufgabe, die jedenfalls dem Geschäftsführer des Unternehmens obliegt. Die Revision übergeht auch, dass nach den Feststellungen, worauf bereits das Berufungsgericht hingewiesen hat, der Beklagte im Jahr 2012 ausdrücklich aufgefordert worden war, das Vier‑Augen‑System im Zahlungsverkehr durchgehend sicherzustellen. Damit bestand für ihn die Verpflichtung, ein entsprechendes Kontrollsystem, soweit es nicht schon vorhanden war, zu implementieren. Weiters ist festgestellt, dass ein solches Kontrollsystem unabhängig von der Unternehmensgröße und den Auswärtsterminen des Beklagten ohne größeren Aufwand auch technisch möglich gewesen wäre. Damit ist dem Beklagten aber vorzuwerfen, dass er den Zahlungsverkehr der externen Buchhalterin überlassen hat, ohne die Auszahlungen wie aufgetragen zu prüfen. Es steht auch fest, dass es hinsichtlich des Kontos der Zweitklägerin möglich gewesen wäre, ein zweistufiges Überweisungssystem zu beantragen, somit das Vier‑Augen‑Prinzip zu wahren. Dazu kommt, dass schon die eigentliche Tätigkeit der I* grobe Mängel aufwies, was auch im Rahmen des Jahresabschlusses 2015 von den jeweiligen Wirtschaftsprüfern beanstandet wurde. Schon aus diesem Grund wäre eine intensivere Kontrolle erforderlich gewesen. All dem hat der Beklagte jedoch nicht entsprochen.

3. Soweit die Revision zu den Kassafehlbeträgen auf das Vorbringen des Beklagten und seine Aussage verweist und einen sekundären Verfahrensmangel geltend macht, übergeht sie, dass sich aus den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen ergibt, dass eine Kontrolle der Handkassa dem Beklagten möglich war, von ihm jedoch unterlassen wurde und er sich nicht auf eine Kontrolle durch den Wirtschaftstreuhänder verlassen konnte, weil bei einer Handkassa in diesem Umfang keine Belegprüfung erfolgt. Dazu kommt, dass der Beklagte, obwohl er von der neuen Buchhalterin ab Mitte November 2016 wiederholt auf Unregelmäßigkeiten hingewiesen wurde, dennoch bis Februar 2017 keine Überprüfung vornahm.

4. Insgesamt ist daher den Vorinstanzen darin zuzustimmen, dass die Nichteinhaltung des Vier‑Augen‑Prinzips bei Überweisungen, obwohl dies eine Vorgabe der Gesellschaft war, die Vernachlässigung der Aufsicht über eine bekanntermaßen fehlerhaft arbeitende Mitarbeiterin und die Unterlassung jeglicher Kontrollen sowohl bezüglich der Überweisungen als auch der Handkassa, eine grobe Verletzung der Pflichten des Geschäftsführers darstellten, durch die die Malversationen der I* erst ermöglicht wurden.

Zu Recht sind daher die Vorinstanzen von einer grundsätzlichen Haftung des Beklagten für die aus diesen Malversationen resultierenden Fehlbeträge ausgegangen.

5. Der Beklagte macht weiters geltend, dass die Vorinstanzen seinen Mitverschuldenseinwand nicht ausreichend behandelt hätten. Allerdings hat er sich in erster Instanz nur darauf berufen, dass eine erhebliche Zahlung eigentümerseitig geleistet worden sei, obwohl die Aufforderung durch I* persönlich erfolgt sei und damit nicht den Konzernrichtlinien entsprochen habe. In der Revision wird jedoch gar nicht bestritten, dass prinzipiell eine Geldanforderung durch die Buchhalterin zulässig war, vielmehr hätte der Beklagte „CC“ gesetzt werden müssen. Auf einen solchen Fehler hat sich der Beklagte in erster Instanz aber nicht berufen. Im Übrigen wird in der Revision auch nicht dargelegt, welche Feststellungen hätten getroffen werden müssen und in welchem Umfang dies den Eintritt des Schadens verhindert hätte. Darauf muss daher nicht weiter eingegangen werden.

Ebenso wenig kommt es darauf an, welche Änderungen der Organisation die Klägerinnen nach dem Ausscheiden des Beklagten vorgenommen haben. Auch wenn nunmehr eine strengere Kontrolle erfolgt, keine Handkassa mehr vorhanden ist bzw zwei Geschäftsführer eingesetzt wurden, bedeutet dies nicht, dass nicht auch dem Beklagten eine effektive Kontrolle möglich gewesen wäre.

6. Der Beklagte argumentiert auch in der Revision, dass durch die Entlastung, die ihm regelmäßig als Geschäftsführer erteilt worden sei, keine Ansprüche der Klägerin mehr bestünden.

Unter der Entlastung im Sinn des § 35 Abs 1 Z 1 GmbHG ist die einseitige Erklärung der GmbH zu verstehen, mit der sie ihre Geschäftsführer von allen Ansprüchen befreit, die aus Verstößen der Geschäftsführer erwachsen könnten (RS0060000). Sie hat in der Regel eine ähnliche Wirkung wie ein Verzicht auf oder ein Anerkenntnis des Nichtbestehens erkennbarer Ansprüche (vgl RS0060007). Durch die Entlastungserklärung der Gesellschaft wird der Geschäftsführer daher nur von solchen Ansprüchen frei, die der Gesellschaft bei sorgfältiger Prüfung aller Unterlagen als aus Verstößen des Geschäftsführers erwachsend erkennbar waren. Ersatzansprüche gegen den Geschäftsführer können aber nach der Entlastung noch geltend gemacht werden, wenn die Verstöße aus den vorgelegten Unterlagen nicht erkennbar waren oder diese unvollständig waren (RS0060019). Die Präklusionswirkung der Entlastung bezieht sich daher auf alle Tatsachen, die aus den von den Geschäftsführern vorgelegten Urkunden erkennbar sind, über die berichtet wurde oder die den Gesellschaftern auf andere Weise bekannt geworden sind (9 ObA 58/15t).

Auch die Revision geht nicht davon aus, dass die Gesellschafter zum Zeitpunkt der jeweiligen Entlastungen in Kenntnis der Malversationen der Buchhalterin oder der mangelhaften Kontrolle des Beklagten waren. Nach den Feststellungen waren diese Mängel aber auch für die Gesellschaft bzw die Gesellschafter nicht erkennbar. Die Abschlussprüfung erfolgte durch einen Wirtschaftsprüfer, wobei geprüft wurde, ob der Abschluss frei von wesentlichen Fehlern ist und den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Bei der Generalversammlung erfolgt keine gesonderte Prüfung, weil der Großteil des Umsatzes vom Mutterunternehmen stammt, alle fünf Jahre wird aber eine inhaltliche Prüfung durch eine Revision vorgenommen. Vor diesem Hintergrund ist nicht davon auszugehen, dass unrichtige Überweisungen erkennbar waren, ebenso wenig musste auffallen, dass Überweisungen vom Beklagten überhaupt nicht geprüft werden bzw der Kassastand nicht kontrolliert wird.

Wenn der Beklagte neuerlich damit argumentiert, dass, wenn ihm Malversationen auffallen hätten müssen, dies auch auf die Gesellschafter im Zuge der Entlastung zutreffen müsse, verkennt er, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, dass unterschiedliche Kontrollinstanzen unterschiedliche Aufgaben wahrzunehmen haben, woraus sich auch regelmäßig ein nicht vergleichbarer Prüfungsmaßstab ergibt. Üblicherweise werden im Rahmen einer Generalversammlung nicht einzelne Buchungen geprüft. Dagegen kann von einem Geschäftsführer eines, wie der Beklagte wiederholt betont, Kleinunternehmens eine wesentliche engmaschigere Kontrolltätigkeit erwartet werden, die darauf abzielt, Missstände im Unternehmen rasch zu erkennen und zu beseitigen bzw überhaupt zu verhindern.

Auf die Entlastung in den einzelnen Geschäftsjahren kann sich der Beklagte daher nicht berufen.

7. Nach § 25 Abs 6 GmbHG verjähren Ersatzansprüche gegen den Geschäftsführer in fünf Jahren. Dass diese Frist bei Klagseinbringung noch nicht abgelaufen war, ist unstrittig. Der Beklagte macht jedoch den Verfall von Ansprüchen geltend und beruft sich diesbezüglich auf die im Geschäftsführerdienstvertrag enthaltene Viermonatsfrist.

Anders als das Erstgericht hat das Berufungsgericht die Schadenersatzansprüche gegen den Geschäftsführer als von der Klausel erfasst angesehen. Darauf muss jedoch insoweit nicht eingegangen werden, als das Berufungsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass eine Verkürzung dieser Frist gegen zwingendes Recht verstößt:

Richtig ist, dass bislang keine Judikatur zur Frage besteht, inwieweit eine Verkürzung dieser Verjährungsfrist vereinbart werden kann.

Die Rechtsprechung hat jedoch wiederholt die Anwendbarkeit des DHG auf die Haftung des Geschäftsführers verneint, weil es sich um eine zwingende Bestimmung handelt, demnach den sich aus dem Gesetz ergebenden Sorgfaltsmaßstab als verbindlich erachtet (vgl 6 Ob 139/15g; 9 ObA 326/99b; 9 ObA 145/90). Dies wird im Wesentlichen damit begründet, dass es sich bei dieser Regelung um eine im Interesse der Allgemeinheit und zum Schutz der Gläubiger getroffene zwingende Bestimmung handelt (RS0054466; RS0059670).

Auch die Lehre geht unter Hinweis auf § 4 Abs 2 GmbHG überwiegend davon aus, dass § 25 GmbHG zwingend ist (vgl Feltl/Told in Gruber/Harrer (Hrsg), GmbH² § 25 Rz 145; S.‑F. Kraus/U. Torggler in U. Torggler (Hrsg), GmbHG § 25 Rz 36; F. Hörslberger in Foglar‑Deinhardstein/Aburumieh/Hoffenscher‑Summer, GmbHG Rz 23). Dabei steht bislang die Frage des Haftungsmaßstabs im Zentrum der Überlegungen. Vereinzelt wird dabei vertreten, dass der Sorgfaltsmaßstab bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit und unter Wahrung des Gläubigerschutzes disponibel sei. Koppensteiner (in Koppensteiner/Rüffler, GmbHG³ § 25 Rz 25) etwa verweist darauf, dass zwar hinsichtlich des Sorgfaltsmaßstabs für Österreich offenbar ganz allgemein angenommen werde, die nach Abs 1 erforderliche Sorgfalt sei gesellschaftsvertraglicher Abminderung schlechthin unzugänglich. Dem sei aber nicht zu folgen. Die Möglichkeit auch den Gläubigern gegenüber haftungsentlastender Weisungen und des Verzichts auf einmal entstandene Ansprüche zeige, dass die Gesellschafter über Entstehung und Weiterbestand von Ansprüchen nach § 25 GmbHG in einem gewissen Rahmen disponieren könnten. Das bedeute, dass der Gesellschaftervertrag den für Geschäftsführer maßgeblichen Sorgfaltsstandard bis zur Grenze der groben Fahrlässigkeit reduzieren könne. Auch Haberer (Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 484 ff [insb 498]) sieht in einem gewissen Rahmen eine Haftungserleichterung als zulässig an.

Mit der Frage der Verkürzbarkeit der Frist hat sich Reis (Zur Verkürzung der Verjährungsfrist nach § 25 Abs 6 GmbHG, RdW 2007/670) näher auseinandergesetzt. Er kommt dabei zum Schluss, dass die fünfjährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs 6 GmbHG aufgrund der zweifachen Schutzorientierung als zwingendes Recht zu sehen sei, welches als lex specialis den allgemeinen zivilrechtlichen Verjährungsregeln derogiere und nicht vertraglich verkürzbar sei. Dabei setzt er sich auch mit der in der Revision aufgeworfenen Frage der Vereinbarkeit einer zwingenden Regelung mit der Möglichkeit eines Verzichts oder Vergleichs im Sinne des § 25 Abs 7 GmbHG iVm § 10 Abs 6 GmbHG auseinander. Er verweist darauf, dass für den Schutz der Gläubiger, welche nicht aus eigenem Titel einen Ersatzanspruch gegen das pflichtwidrige und schuldhaft handelnde Organ hätten, diese Bestimmungen auf die Exekution des Ersatzanspruchs der Gesellschaft gegen das Organ abzielten. Die Disposition vorweg schmälere den dem Gläubiger zustehenden Haftungsfonds. Sollte mittels Gesellschafterbeschluss eine Vorweg-Verkürzung der Verjährungsfrist der Gesellschaft erwogen werden, sei im Sinn des Gläubigerschutzes dadurch eine Haftungsbegründung anzunehmen.

Auch der erkennende Senat geht im Sinn der bisherigen Judikatur davon aus, dass § 25 GmbHG zwingendes Recht normiert und deshalb auch eine Verkürzung der Verjährungsfrist im Vorhinein nicht zulässig ist. Richtig ist zwar, das § 25 Abs 7 iVm § 10 Abs 6 GmbHG Vergleiche und Verzichtsleistungen als zulässig ansieht, wobei auch hier eine Einschränkung dahingehend besteht, dass diese in dem Umfang keine rechtliche Wirkung haben, als der Ersatz zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich ist.

Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass eine Disposition vorweg, also zu einem Zeitpunkt, zu dem Ansprüche weder bekannt noch absehbar sind und auch nicht beurteilt werden kann, inwieweit diese zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich sind, mit dem Schutzzweck des Gesetzes in Einklang zu bringen ist. Gegen eine solche generelle Verringerung des Haftungsfonds vor dem Entstehen von Ansprüchen bestehen weit größere Bedenken als gegen eine nachträgliche Regelungsbefugnis.

Diesbezüglich besteht auch keine Vergleichbarkeit zur deutschen Regelung (vgl Haberer, Zwingendes Kapitalgesellschaftsrecht 495).

Davon ausgehend, dass es sich bei § 25 GmbHG um eine gesetzlich zwingende Regelung handelt, ist die vertragliche Vereinbarung einer Verkürzung der in Abs 6 für die Geltendmachung von Ansprüchen vorgesehenen Frist von fünf Jahren unzulässig. Zurecht ist daher das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass die Schadenersatzansprüche der Klägerinnen gegen den Beklagten nicht verfallen sind.

8. Der Revision des Beklagten war daher insgesamt nicht Folge zu geben.

9. Allerdings waren die Entscheidungen der Vorinstanzen insoweit zu berichtigen, als dem Erstgericht bei Berechnung der Ansprüche der Erstklägerin ein Rechenfehler unterlaufen ist.

Nach § 419 Abs 1 ZPO kann das erkennende Gericht jederzeit Schreib- und Rechenfehler oder andere offenbare Unrichtigkeiten einer Entscheidung berichtigen. Eine Berichtigung kann nach § 419 Abs 3 ZPO auch in höherer Instanz angeordnet werden, worunter nicht die Erteilung einer Anweisung, sondern die Berichtigung durch das Gericht höherer Instanz selbst zu verstehen ist; der Vollzug der Berichtigung obliegt dem ursprünglich erkennenden Gericht (RS0041727 [T2]).

Wie einleitend dargelegt, hat das Erstgericht konkret angeführt, welche Ansprüche seiner Ansicht nach berechtigt sind, in Summe aufgrund eines Rechenfehlers jedoch 92.929,46 EUR statt richtig 89.331,46 EUR zugesprochen. Von der Nichtigerklärung durch das Berufungsgericht bzw dem Rekursverfahren ist davon ein Betrag von 70.968,32 EUR umfasst. Das Teilurteil des Berufungsgerichts war daher hinsichtlich der Erstklägerin mit der Maßgabe zu bestätigen, dass der Beklagte schuldig ist, der Erstklägerin 18.363,14 EUR sA zu zahlen und das Mehrbegehren von 16.375,30 EUR sA abgewiesen wird.

10. Der Kostenvorbehalt gründet auf § 52 Abs 3 ZPO.

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