OGH 9ObA133/19b

OGH9ObA133/19b17.12.2019

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits‑ und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

 Hopf als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Harald Stelzer und Werner Krachler als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei S***** I*****, vertreten durch Dr. Sieglinde Gahleitner, Rechtsanwältin in Wien, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Hubert Köllensperger und Mag. Wolfgang Stockinger, Rechtsanwälte in Wels, wegen 8.224,03 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 28. August 2019, GZ 9 Ra 16/19t‑15, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Arbeits‑ und Sozialgerichts Wien vom 15. Oktober 2018, GZ 6 Cga 29/18d‑10, Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:009OBA00133.19B.1217.000

 

Spruch:

 

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begann am 2. 10. 2017 ein Angestelltendienstverhältnis zur Beklagten. Die Parteien vereinbarten einen Probemonat und daran anschließend die Befristung des Dienstverhältnisses zur weiteren Erprobung bis 31. 12. 2017.

Die Beklagte teilte der Klägerin mit Schreiben vom 19. 12. 2017, der Klägerin zugegangen am 21. 12. 2017, mit, dass sie das befristete Dienstverhältnis nicht verlängern werde.

Erst am 2. 1. 2018 gab die Klägerin der Beklagten unter Beifügung einer ärztlichen Bestätigung vom 9. 11. 2017 bekannt, dass sie schwanger sei.

Die Klägerin begehrt von der Beklagten 8.224,03 EUR brutto an Entgelt und Urlaubsersatzleistung für die Zeit von 1. 1. 2018 bis 22. 4. 2018, dem Tag vor Beginn der Acht-Wochen-Frist vor dem errechneten Geburtstermin am 18. 6. 2018. Die Befristung des Dienstverhältnisses sei sachlich nicht gerechtfertigt gewesen. Die Mitteilung der Schwangerschaft am 2. 1. 2018 sei – analog § 10 Abs 2 MSchG – rechtzeitig erfolgt. Das Dienstverhältnis sei daher in seinem Ablauf bis zum Beginn des Beschäftigungsverbots gehemmt gewesen.

Die Beklagte bestritt, beantragte Klagsabweisung und wandte ein, dass die Voraussetzungen des § 10a MSchG nicht vorlägen. Zum einen habe die Klägerin ihre Schwangerschaft erst nach Ablauf des befristeten Dienstverhältnisses, und damit nach dessen Beendigung mitgeteilt, zum anderen sei die Befristung des Dienstverhältnisses zur Einschulung in die Auftragsbearbeitung sachlich gerechtfertigt gewesen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Die Befristung sei sachlich nicht gerechtfertigt gewesen, weil die Tätigkeit der Klägerin keine lange Einschulung und keine besonderen Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich gemacht habe. Die Ablaufhemmung nach § 10a Abs 1 MSchG sei schon ex lege eingetreten. Der Umstand, dass es die Klägerin bis knapp vor Fristablauf unterlassen habe, der Beklagten die Schwangerschaft unmittelbar nach ihrer Kenntnis unverzüglich mitzuteilen, habe daran nichts geändert.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies das Klagebegehren ab. Nach dem Wortlaut des § 10a Abs 1 MSchG hänge der Beginn der Ablaufhemmung von der Meldung der Schwangerschaft ab. Eine solche Meldung müsse grundsätzlich vor Befristungsende erfolgen. Etwas anderes werde nur in Ausnahmefällen angenommen, etwa dann, wenn die Dienstnehmerin die Meldung aus Gründen, die nicht von ihr zu vertreten seien, erst nach Befristungsende mache bzw dies dann unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachhole. Dieser Fall liege hier aber nicht vor. Gegen die analoge Anwendung der Fünf‑Tage‑Frist des § 10 Abs 2 MSchG spreche unter anderem, dass es bei befristeten Dienstverhältnissen keiner Kündigung bedürfe, weshalb bereits jenes Tatbestandselement fehle, das bei Kündigungen die Meldeobliegenheit zur Begründung des Kündigungsschutzes auslöse.

Die ordentliche Revision ließ das Berufungsgericht zur Frage zu, ob die Ablaufhemmung gemäß § 10a Abs 1 MSchG auch dann eintrete, wenn die Dienstnehmerin erst nach Ende des Dienstverhältnisses ihre schon zuvor bekannte Schwangerschaft dem Dienstgeber melde.

In ihrer dagegen gerichteten Revision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinn einer Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung , die Revision zurückzuweisen bzw der Revision keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.

1. Gemäß § 3 Abs 4 Satz 1 MSchG haben werdende Mütter, sobald ihnen ihre Schwangerschaft bekannt ist, dem Dienstgeber hievon unter Bekanntgabe des voraussichtlichen Geburtstermins Mitteilung zu machen. Zweck der Mitteilungspflicht nach § 3 Abs 4 MSchG ist es insbesondere, die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzbestimmungen für schwangere Dienstnehmerinnen zu ermöglichen (Wolfsgruber-Ecker in ZellKomm3 § 3 MSchG Rz 25). Unterlässt die Dienstnehmerin die ihr auferlegte Mitteilung, so sind daran keine unmittelbaren Sanktionen geknüpft. Der besondere Kündigungs- und Entlassungsschutz der §§ 10, 12 MSchG tritt jedoch bis zur Information des Dienstgebers über die bestehende Schwangerschaft nicht in Kraft, weil diese Beendigungsbeschränkungen voraussetzen, dass dem Dienstgeber die Schwangerschaft bekannt war (Wolfsgruber-Ecker in ZellKomm3 § 3 MSchG Rz 23; Burger-Ehrnhofer in Burger-Ehrnhofer/Schrittwieser/Thomasberger, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz, § 3 Erl 5 [102]).

2. Gemäß § 10 Abs 1 MSchGkann Dienstnehmerinnen während der Schwangerschaft und bis zum Ablauf von vier Monaten nach der Entbindung rechtswirksam nicht gekündigt werden, es sei denn, dass dem Dienstgeber die Schwangerschaft beziehungsweise Entbindung nicht bekannt ist. Nach § 10 Abs 1a MSchG ist eine Kündigung bis zum Ablauf von vier Wochen nach einer erfolgten Fehlgeburt rechtsunwirksam.

3. Auch wenn die Dienstnehmerin ihre Schwangerschaft noch nicht bekannt gegeben hat oder bei Kündigung des Dienstverhältnisses noch keine Kenntnis davon hatte, kann der Kündigungsschutz durch eine nachträgliche rechtzeitige Bekanntgabe eintreten. § 10 Abs 2 MSchG sieht diesbezüglich zwei Fälle vor: Im ersten Fall steht der Dienstnehmerin, die bereits von der Schwangerschaft wusste, diese aber noch nicht bekannt gegeben hatte, eine Frist von fünf Arbeitstagen für die nachträgliche Bekanntgabe nach Ausspruch der Kündigung zur Verfügung (§ 10 Abs 2 Satz 1 MSchG). Im zweiten Fall ist die Bekanntgabe der Schwangerschaft rechtzeitig, wenn die Dienstnehmerin aus Gründen, die von ihr nicht zu vertreten sind, dem Dienstgeber die Schwangerschaft nicht innerhalb der Fünftagefrist bekannt geben konnte, sie die Bekanntgabe aber unmittelbar nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachgeolt hat (§ 10 Abs 2 Satz 4 MSchG).

4. Für befristete Dienstverhältnisse sieht das MSchG vor, dass der Ablauf eines auf bestimmte Zeit abgeschlossenen Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft bis zu dem Beginn des Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 1 MSchG oder dem Beginn eines auf Dauer ausgesprochenen Beschäftigungsverbots nach § 3 Abs 3 MSchG gehemmt wird, es sei denn, die Befristung ist aus sachlich gerechtfertigten Gründen erfolgt oder gesetzlich vorgesehen (§ 10a Abs 1 MSchG). Zweck dieser – durch das arbeitsrechtliche BegleitG, BGBl 1992/822, eingefügten – Bestimmung, war die Verhinderung der Umgehung des Mutterschutzes durch Abschluss befristeter Verträge mit jungen Frauen (9 ObA 5/14x Pkt III; RS0113734).

5. Die Revisionswerberin will nun § 10 Abs 2 Satz 1 MSchG (§ 10 Abs 2 MSchG erster Fall) analog auf ihren Fall angewendet wissen. Eine für die analoge Anwendung erforderliche Gesetzeslücke (RS0098756) ist hier jedoch nicht zu erkennen .

6.1. Zunächst ist schon dem Wortlaut des § 10a Abs 1 Satz 1 MSchG zu entnehmen, dass der Ablauf eines befristeten Dienstverhältnisses von der Meldung der Schwangerschaft abhängig ist. Dies bedeutet, dass eine erst nach Ablauf der Befristung erstattete Meldung grundsätzlich nicht zu einer solchen Hemmung führt, weil das befristete Dienstverhältnis nach Fristablauf ja bereits beendet ist. Die Hemmung einer Frist ist nach deren Ablauf nicht möglich. Dabei geht der Gesetzgeber erkennbar davon aus, dass die Dienstnehmerin vor Ablauf der Befristung Kenntnis vom Vorliegen der Schwangerschaft hat. Diese Mitteilungspflicht dient auch dem Klarstellungsinteresse des Dienstgebers, der auf die erfolgte Beendigung des Dienstverhältnisses vertraute und nur auf in der Zukunft liegende Veränderungen reagieren kann. Es ist kein besonderes Interesse der Dienstnehmerin zu erkennen, ihr den Schutz des § 10a Abs 1 MSchG auch bei einer Meldung der Schwangerschaft erst nach Ablauf der Befristung zu gewähren, wenn ihr schon vor Fristablauf die Schwangerschaft bekannt war. Damit wird diese Dienstnehmerin auch nicht gegenüber einer Dienstnehmerin in einem unbefristeten Dienstverhältnis schlechter gestellt, weil Letztere ebenso verpflichtet ist, im aufrechten Dienstverhältnis dem Dienstgeber die Schwangerschaft unmittelbar nach deren Bekanntwerden (§ 3 Abs 4 Satz 1 MSchG), allenfalls binnen fünf Tagen nach Ausspruch der Kündigung (§ 10 Abs 2 Satz 1 MSchG), mitzuteilen.

6.2. Die Mitteilung des Dienstgebers, das befristete Dienstverhältnis nicht zu verlängern, kann nicht der Kündigung eines Dienstverhältnisses durch den Dienstgeber gleich gehalten werden, weil in dieser Mitteilung des Dienstgebers keine auf Beendigung eines Dienstvertrags gerichtete Erklärung, sondern nur die Ablehnung des Abschlusses eines neuen Dienstvertrags nach Ablauf der Befristung zu erblicken ist (RS0063980). Ein auf befristete Zeit abgeschlossenes Dienstverhältnis endet nämlich grundsätzlich schon automatisch durch bloßen Zeitablauf, ohne dass es einer (Beendigungs‑)Erklärung einer der Vertragsparteien bedarf (Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 8/426). Erörterungen zum befristeten Dienstverhältnis, das von vornherein „auf Dauer angelegt“ ist, brauchen hier mangels entsprechender Sachverhaltsfeststellungen nicht erfolgen.

6.3. Lediglich für den – hier allerdings nicht vorliegenden – Fall, dass die Dienstnehmerin die Meldung ihrer schon vor Ablauf des befristeten Dienstverhältnisses bestehenden Schwangerschaft aus nicht von ihr zu vertretenden Gründen (etwa weil sie erst nach Ablauf des befristeten Dienstverhältnisses von der Schwangerschaft erfahren hat) erst nach dem vereinbarten Ende des befristeten Dienstverhältnisses dem Dienstgeber bekannt gibt bzw dies dann unverzüglich, nach dem Wegfall des Hinderungsgrundes nachholt, wird eine analoge Anwendung des § 10 Abs 2 Satz 4 MSchG befürwortet (8 ObA 76/06v; Löschnigg, Arbeitsrecht13 Rz 5/125; Burger‑Ehrnhofer in Burger‑Ehrnhofer/ Schrittwieser/Thomasberger, Mutterschutzgesetz und Väter-Karenzgesetz, § 10a Erl 3 [247] mwN). Für diesen Fall hat der Gesetzgeber in § 10a Abs 1 MSchG nämlich keine (ausdrückliche) Regelung getroffen.

7. Zusammengefasst tritt die Ablaufhemmung eines befristeten Dienstverhältnisses nach § 10a Abs 1 MSchG, wenn die Dienstnehmerin bereits vor Ablauf der Befristung Kenntnis von der Schwangerschaft hat, nur dann ein, wenn die Dienstnehmerin dem Dienstgeber noch vor Beendigung des Dienstverhältnisses durch Fristablauf ihre Schwangerschaft gemeldet hat. Eine analoge Anwendung des § 10 Abs 2 Satz 1 MSchG, die zur Folge hätte, dass die Rechtsfolgen des § 10a Abs 1 MSchG auch dann ausgelöst werden, wenn die Dienstnehmerin ihre bekannte Schwangerschaft innerhalb von fünf Arbeitstagen nach einer allenfalls erfolgten (über den Ablauf der Befristung hinausreichenden) „Nichtverlängerungserklärung“ des Dienstgebers bekannt gegeben hat, kommt nicht in Betracht. Die Klägerin war nicht an der rechtzeitigen Meldung ihrer Schwangerschaft vor Ablauf der Befristung gehindert.

Der Revision der Klägerin ist daher nicht Folge zu geben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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