European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2020:009OBA00123.19G.0525.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Der Kläger steht seit 1. 8. 1981 in einem Angestelltenverhältnis zur Beklagten. Auf das Dienstverhältnis findet unstrittig seit 1. 1. 1992 die „Dienstordnung im Sinne des § 59 (4) HKG, BGBl. Nr. 182/46 i.d.g.F. für die Angestellten der Kammern der gewerblichen Wirtschaft, beschlossen in der Sitzung des Kammertages der Bundeskammer der gewerblichen Wirtschaft am 2. 12. 1991, genehmigt vom Bundesministerium für wirtschaftliche Angelegenheiten mit Erlass vom 23. Dezember 1991, Zahl 38.502/1-III/10/91“ (in der Folge „DO 1992“) Anwendung. Für die Betriebspension des Klägers gilt dagegen die Pensionsordnung der „Dienstvorschriften für die Angestellten der Kammern der gewerblichen Wirtschaft (Dienstordnung im Sinne des § 59 (4) HKG, BGBl. Nr. 182/1946“ (in der Folge „DV 1946“).
Der Kläger wendet sich mit seinen unterschiedlichen Begehren im Wesentlichen dagegen, dass die jährliche Teuerungszulage (Faktorerhöhung) seit 1. 1. 2016 abhängig von der Gehaltseinstufung für höhere Gehälter Abschläge von 0,1–1 % vorsieht („Faktorsplitting“). Dadurch steigen sein Aktivgehalt und in weiterer Folge seine zu erwartende Betriebspension, die sich mit 80 % vom Letztbezug errechnet, prozentual geringer als niedrigere Gehälter.
Rechtliche Beurteilung
Die Vorinstanzen wiesen die Klage ab.
Die außerordentliche Revision des Klägers ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.
1. Die Dienstvorschriften für die Angestellten der Kammern der gewerblichen Wirtschaft sind als Vertragsschablonen zu beurteilen, die den privatrechtlichen Verträgen zugrunde zu legen sind. Sie sind nach § 914 ABGB auszulegen (RS0038234). Die Auslegung solcher Vertragsschablonen mag daher zwar einen größeren Personenkreis betreffen, das allein vermag aber für sich genommen noch keine erhebliche Rechtsfrage zu begründen (RS0042816).
Ob ein Vertrag im Einzelfall richtig ausgelegt und den verwendeten Begriffen der richtige Inhalt beigemessen wurde, stellt nur dann eine erhebliche Rechtsfrage dar, wenn wegen wesentlicher Verkennung der Rechtslage ein unvertretbares Auslegungsergebnis erzielt wurde (RS0042776; RS0042936 [T5]; vgl auch RS0044358). Dies ist hier nicht der Fall.
2. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass sich aus der DV 1946/DO 1992 kein vertraglicher Anspruch des Klägers auf eine jährliche Erhöhung seiner Aktivgehälter bzw seiner Pensionsansprüche entsprechend der Teuerungsrate und in selber prozentualer Höhe wie sie allen anderen Mitarbeitern gewährt wird, ableiten lässt. Der Kläger argumentiert dagegen mit dem Wortlaut des § 3 Abs 2 DV 1946 (der im Wesentlichen § 1 Abs 5 DO 1992 entspricht) bzw des Art II Abs 2 DV 1946.
3. § 3 Abs 2 DV 1946 lautet:
„Der Bundespersonalausschuß kann beschließen, dass zur Anpassung an geänderte Verhältnisse zu den Monatsgehältern des § 2 und des Besoldungsschemas generelle Zuschläge (Teuerungszulagen) gewährt werden. Entsprechend der Bestimmung des Artikels II Abs 2 der Dienstvorschriften erstrecken sich solche Beschlüsse auch auf Ruhegenüsse und Versorgungsbezüge.“
Dazu haben schon die Vorinstanzen darauf hingewiesen, dass es sich dabei um eine „Kann“-Bestimmung handelt, damit also gerade kein Anspruch auf Gewährung einer Teuerungsrate eingeräumt wird. Darüber hinaus lassen sich aus dieser Regelung weder Kriterien für eine bestimmte Höhe eines allfälligen Zuschlags noch konkrete Umstände, die für eine Entscheidung über den Zuschlag zu beachten sind, ableiten. Auch der Hinweis auf „geänderte Verhältnisse“ lässt nicht den Schluss zu, dass damit die Inflation immer in voller Höhe abgegolten werden soll.
Soweit der Kläger aus der Formulierung „generelle Zuschläge“ auf generell gleiche Zuschläge für alle Arbeitnehmer schließen möchte, lässt sich dies der Bestimmung nicht entnehmen, sondern ist, worauf schon das Berufungsgericht hingewiesen hat, offenkundig eine Differenzierung zu den etwa in § 4 DV 1946 genannten, einzelnen Arbeitnehmern unter bestimmten Voraussetzungen gewährten Zulagen beabsichtigt.
4. Art II Abs 2 der DV 1946 lautet:
„Die einheitliche Erhöhung oder Ermäßigung der Gehaltssätze des Besoldungsschemas für die aktiven Angestellten bewirkt gleichzeitig eine analoge Erhöhung oder Ermäßigung der Ruhegenüsse und Versorgungsbezüge.“
Auch aus der Verwendung des Begriffs „einheitlich“ in dieser Bestimmung lässt sich für den Kläger nichts gewinnen. Dass hier etwas anderes geregelt werden sollte, als das Durchschlagen von generellen, also nicht nur einzelnen Arbeitnehmern gewährten Erhöhungen von den Aktivbezügen „analog“ auf die Pensionen, lässt sich der Formulierung gerade nicht entnehmen.
Der Kläger meint weiters, „analoge Anwendung“ sei dahingehend zu verstehen, dass die Pensionen jedenfalls in derselben Höhe steigen müssen wie gleich hohe Aktivgehälter. Dazu verweist er darauf, dass bei Ermittlung der Pension von den systemisierten Bezügen auszugehen ist. Dies entspricht zwar dem Wortlaut von § 8 der Pensionsordnung. Daraus ist jedoch nichts für ihn zu gewinnen. Dieser systemisierte Bezug ergibt sich ja aus einer Gehaltseinstufung. Der Verweis auf die analoge Anwendung besagt daher nichts anderes, als dass die Veränderungen des Letztgehalts, aus dem sich der Pensionsbezug errechnet, auch auf diesen durchschlagen. Eine von der Gehaltseinstufung losgelöste Auslegung dieser Bestimmung ließe sich mit dem Gesamtsystem der Gehalts- und Pensionsordnung der Beklagten, in der sich die Auszahlungsbeträge regelmäßig ausgehend von Grundgehalt, Biennien und Teuerungszuschlag errechnen, auch nicht vereinbaren.
Wenn der Kläger moniert, dass sich durch eine Staffelung der Erhöhungen das Bezugssystem insgesamt „vertragswidrig“ ändert, weil sich in absoluten Beträgen die Abstände verringern, so ist er darauf zu verweisen, dass bei einer einheitlichen prozentuellen Erhöhung sich die Abstände in absoluten Zahlen ebenfalls verändern, nämlich vergrößern, was er bislang offenbar nicht als „vertragswidrig“ angesehen hat.
5. Gegen die Auslegung der Vorinstanzen, dass sich weder aus Art II Abs 2 der DV 1946 allein noch in Zusammenschau mit § 3 Abs 2 DV 1946 eine Verpflichtung des Arbeitgebers, die Erhöhung allen Arbeitnehmern immer in gleichem prozentualen Ausmaß zu gewähren, ableiten lässt, bestehen daher keine Bedenken.
6. Eine vom Arbeitgeber durch regelmäßige, vorbehaltlose Gewährung bestimmter Leistungen an die Arbeitnehmer begründete betriebliche Übung führt, soweit sie seinen Willen, sich diesbezüglich auch für die Zukunft zu verpflichten, unzweideutig zum Ausdruck bringt, durch die – gleichfalls schlüssige (§ 863 ABGB) – Zustimmung der Arbeitnehmer zur schlüssigen Ergänzung des Einzelvertrags jedes begünstigten Arbeitnehmers und damit zu einzelvertraglichen Ansprüchen (RS0014539).
Auf das tatsächliche Vorhandensein eines Erklärungswillens auf Seiten des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an; entscheidend ist, was die Arbeitnehmer bei sorgfältiger Würdigung seinem Erklärungsverhalten entnehmen können bzw welchen Eindruck sie von seinem schlüssigen Verhalten haben durften (RS0014154). Die Beurteilung von konkludenten Willenserklärungen ist regelmäßig einzelfallbezogen und stellt in der Regel keine erhebliche Rechtsfrage dar (RS0109021).
7. Aus den umfangreichen Feststellungen ergibt sich, dass die Faktorerhöhung regelmäßig zwischen den Betriebsräten und der Kammerführung ausgehandelt wurde und danach vom Bundespersonalausschuss bzw dem erweiterten Präsidium der WKÖ beschlossen wurde. Dabei entsprach die Teuerungszulage zwischen 1970 und 1999 durchgehend nicht der Inflationsrate, sondern lag oftmals darüber, aber auch darunter. Auch die ab 1999 angewendete (ebenfalls ausgehandelte) Faktorformellösung wurde wiederholt neu verhandelt und modifiziert und entsprach die sich daraus ergebende Erhöhung regelmäßig nicht der Inflation.
Die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass sich daraus nicht auf eine konkludente Ergänzung des Vertrags dahingehend schließen lässt, dass die Gehälter und Pensionen jährlich in einer bestimmten Weise und entsprechend der Inflation angehoben werden müssen, ist nicht korrekturbedürftig. Ein Verpflichtungswille des Arbeitgebers über die jeweils konkret mit dem Betriebsrat getroffene Vereinbarung hinaus bestimmte Modalitäten bei Ermittlung des Teuerungszuschlags zu beachten, ergibt sich aus diesen Feststellungen gerade nicht.
Auch der Kläger behauptet letztlich nicht, dass eine konkludente Vereinbarung über einen bestimmten Anhebungsmechanismus besteht, aus dem sich der Teuerungszuschlag ableiten lässt. Eine konkludente Vertragsergänzung sieht er jedoch dahingehend, dass nur ein Faktor für alle Arbeitnehmer gelten soll, wenn auch andere Details zwischen Betriebsrat und Kammerführung abgestimmt wurden.
Maßgeblich dafür, ob ein Verpflichtungswille besteht, ist der objektive Erklärungswert einer Willensäußerung (RS0014160). Dies gilt auch für konkludente Erklärungen (RS0014160 [T51]). Ein objektiver Erklärungsempfänger konnte aber nicht davon ausgehen, dass die Beklagte sich generell zwar weder an eine bestimmte Form, Berechnung oder Höhe des Teuerungszuschlags binden wollte, dagegen in der Detailfrage, ob diese Erhöhung für alle Arbeitnehmer gleich sein soll, schon. Der Umstand allein, dass die Erhöhung bislang allen Arbeitnehmern im selben Prozentsatz gewährt wurde, lässt darauf nicht zwingend schließen.
8. Der Kläger sieht weiters eine mittelbare Altersdiskriminierung darin, dass bei gleicher Höhe von Aktivbezügen und Pensionen die Pensionen geringer erhöht werden.
Bereits die Vorinstanzen haben dargelegt, dass es für den Tatbestand der Altersdiskriminierung einer Vergleichsgruppe bedürfte, im Verhältnis zu der der Kläger eine sachlich nicht gerechtfertigte Schlechterstellung erfährt. Eine Differenzierung zwischen den Entgelten von Aktiven und Pensionsbeziehern ist daher nicht unzulässig, handelt es sich doch nicht um vergleichbare Gruppen von Beschäftigten. Innerhalb der Pensionsbezieher erfolgt die Staffelung der prozentuellen Anhebung nach der Höhe der Pensionen, nicht nach Alterskriterien.
Aus demselben Grund ist auch die Beurteilung der Vorinstanzen, dass die Differenzierung zwischen aktiven und pensionierten Dienstnehmern nicht willkürlich ist und daher nicht gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz verstößt, nicht korrekturbedürftig.
9. Der Kläger macht weiters geltend, dass er auch einen Pensionssicherungsbeitrag nach dem SpBegrG zu leisten habe, weshalb das Faktorsplitting zu einer unzulässigen Doppelbelastung führe. Allein der Umstand, dass der Gesetzgeber höhere Pensionen belastet, führt aber nicht dazu, dass der Arbeitgeber verpflichtet wäre, im Rahmen jährlich ausgehandelter betriebsinterner Erhöhungen bei den Betriebspensionen für einen Ausgleich zu sorgen.
10. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision des Klägers zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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