Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagte ist schuldig, der klagenden Partei die mit 164,16 EUR (darin enthalten 27,36 EUR an USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Klägerin beendete mit 6. 7. 2007 ihr Dienstverhältnis. Die beklagte Vorsorgekasse verständigte darauf die Klägerin, dass sie mit November 2007 den Anspruch auf Auszahlung eines Abfertigungsguthabens in Höhe von 1.381,15 EUR habe, aber auch die Umwandlung in eine Rente beantragen könne. Im November 2007 begehrte die Klägerin die Auszahlung, die durch die Beklagte vorgenommen wurde.
Im Oktober 2009 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass aufgrund nachträglicher Korrekturen der Lohnzettel die Abfertigung zu hoch berechnet worden sei und die Klägerin aufgefordert werde, einen Mehrbetrag von 174,77 EUR auf das Konto der Beklagten zu überweisen. Die Klägerin, die die Abfertigung bereits verbraucht hatte, erklärte sich dazu nicht bereit. In weiterer Folge wies die Beklagte auf dem Konto der Klägerin ein Negativsaldo von 174,77 EUR aus.
Die Klägerin begehrt nunmehr die Feststellung, dass die behauptete Rückforderung nicht zu Recht bestehe und eine Aufrechnung auf zukünftige fällig werdende Abfertigungszahlungen oder in jeder anderen Form unzulässig sei. Entsprechend § 6 Abs 2 BMSVG iVm § 69 Abs 2 ASVG sei die Rückforderung ausgeschlossen.
Die Beklagte beantragte die Abweisung und wendete ein, dass nachträgliche Veränderungen der Bemessungsgrundlage sowohl zu Gunsten als auch zu Lasten der Anwartschaftsberechtigten erfolgen könnten. Auch nach einer nicht einmal endgültigen Leistung könnte mit zukünftigen Anwartschaften aufgerechnet werden.
Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Nach § 69 Abs 2 ASVG sei die spätere Rückforderung von Beiträgen, für die eine Leistung zuerkannt worden sei, ausgeschlossen, es sei denn, die zur Leistungserbringung zuständige Versicherung hätte die Möglichkeit gehabt im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens neuerlich über den Leistungsanspruch zu entscheiden und die zu Unrecht geleisteten Beiträge mit Erfolg zurückzufordern. Eine Rückforderung von Beiträgen des Dienstgebers im Rahmen des § 69 ASVG sei daher nur dann möglich, wenn der Arbeitnehmer die Abfertigungsanwartschaft in der bisherigen betrieblichen Vorsorgekasse noch veranlagt und nicht darüber verfügt habe. Im Übrigen habe die Klägerin die Abfertigung auch gutgläubig verbraucht.
Das Berufungsgericht verwies nach § 500a ZPO auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichts und hielt ergänzend fest, dass die nachträgliche Erhöhung der Abfertigung nicht mehr auf das Konto gutzubuchen, sondern auszuzahlen sei. Aus § 69 ASVG sei eindeutig abzuleiten, dass eine Rückforderung der Beiträge ausgeschlossen sei, wenn auch die Leistung nicht mehr zurückgefordert werden könne. Hier liege gutgläubiger Verbrauch vor. Im Ergebnis habe es die Gebietskrankenkasse unterlassen, die Rechtmäßigkeit der Verrechnung durch den Arbeitgeber zu überprüfen. Im Fall einer eigenmächtigen Rückverrechnung wäre es an der Gebietskrankenkasse gelegen, bescheidmäßig über die Beitragsschuld des Arbeitgebers abzusprechen. Ein Mangel in diesem Zusammenhang könne aber nicht dem betroffenen Arbeitnehmer zur Last fallen.
Die Revision erachtete das Berufungsgericht als zulässig, da eine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Rückforderung einer nach § 17 Abs 1 Z 1 BMSVG ausbezahlten Abfertigung im Fall einer nachträglichen Korrektur des Beitragsgrundlagennachweises durch den Arbeitgeber nicht bestehe. Die gegen dieses Urteil erhobene Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Begründung des Berufungsgerichts ist zutreffend, sodass gemäß § 510 Abs 3 ZPO auf sie verwiesen werden kann. Zusammenfassend und ergänzend ist Folgendes festzuhalten:
Auch das Betriebliche Mitarbeiter- und Selbständigenvorsorgegesetz (BMSVG) enthält eine Gliederung in der - so wie im ASVG - zwischen „Beitragsrecht“ und „Leistungsrecht“ unterschieden wird. Im zweiten Abschnitt „Beitragsrecht“ findet sich im § 6 über „Beginn und Höhe der Beitragszahlung“ im Abs 2 folgende Regelung:
„Für die Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge und allfällige Verzugszinsen sind die §§ 59, 62, 64 und 409 bis 417a ASVG anzuwenden. Weiters sind die §§ 65 bis 68 und 69 ASVG anzuwenden. Der zuständige Träger der Krankenversicherung hat die Einhaltung der Melde- und Beitragspflicht durch den Arbeitgeber im Zuge der Sozialversicherungsprüfung gemäß § 41 ASVG zu prüfen.“
Der in der Verweisung enthaltene § 69 ASVG befindet sich im Abschnitt V 1 über die „Beiträge zur Pflichtversicherung aufgrund des Arbeitsverdienstes“. Er enthält die Regelung über die „Rückforderung ungebührlich entrichteter Beiträge“:
Abs 2 dieser Bestimmung lautet wie folgt:
„Die Rückforderung von Beiträgen durch welche eine Formalversicherung begründet wurde, sowie von Beiträgen zu einer Versicherung, aus welcher innerhalb des Zeitraums für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung erbracht wurde, ist für den gesamten Zeitraum ausgeschlossen. Desgleichen ist die Rückforderung ausgeschlossen, wenn nach dem Zeitraum, für den Beiträge ungebührlich entrichtet worden sind, eine Leistung zuerkannt worden ist und die Beiträge auf dem Bestand oder das Ausmaß der Leistungsansprüche von Einfluss waren, es sei denn, der zur Leistungserbringung zuständige Versicherungsträger hatte die Möglichkeit im Wege einer Wiederaufnahme des Verfahrens (§ 69 Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr 51) neuerlich über den Leistungsanspruch zu entscheiden und konnte die zu Unrecht geleisteten Beträge mit Erfolg zur Gänze zurückfordern.“
Abs 5 bestimmt, dass der zur Entscheidung über die Rückforderung der Beiträge zuständige Versicherungsträger den leistungsabwickelnden Versicherungsträger zu befragen hat, ob ein Einwand gegen die Rückerstattung der Beiträge besteht.
Die Bestimmungen über die Rückforderungen von Leistungen im Rahmen des ASVG finden sich im Abschnitt VI über die Leistungsansprüche, insbesondere in § 107 ASVG.
Ausgehend von dem Verweis des § 6 BMSVG auf § 69 ASVG ist zu prüfen, ob dies auch bedeutet, dass für die Frage der Rückforderung die Bestimmungen des ASVG, insbesondere § 107 ASVG, zugrundezulegen ist. Dies haben die Vorinstanzen im Ergebnis zutreffend verneint, handelt es sich doch sowohl im Rahmen des ASVG als auch im Rahmen des BMSVG um in unterschiedlichen Bereichen angesiedelte Regelungen und wollte das BMSVG offensichtlich nur die Beitragsaufbringung in das System der Beitragsaufbringung des ASVG eingliedern, aber nicht die Leistungserbringung (vgl in diesem Sinne etwa Mayr/Resch, BMSVG2, 83; Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka, BMSVG, 175).
Ausgehend davon haben die Vorinstanzen konsequent die Beurteilung des Rückforderungsanspruchs nach arbeitsrechtlichen Kriterien vorgenommen (Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka, BMSVG, 186). Nähere Ausführungen dazu, dass der Einwand des gutgläubigen Verbrauchs (allgemein dazu Mayr/Resch aaO 83; Neubauer/Rath/Hofbauer/Choholka, BMSVG, 188 ff) nicht gerechtfertigt wäre, finden sich in der Revision der Beklagten nicht. Im Hinblick auf die geringe Höhe des strittigen Betrags und die schwierige Nachvollziehbarkeit der Abrechnung für den Arbeitnehmer kann mangels weiteren Vorbringens jedenfalls wohl auch davon ausgegangen werden, dass dieser Betrag für den normalen Lebensaufwand gutgläubig verbraucht wurde.
Soweit die Beklagte einwendet, dass sich die Gebietskrankenkasse ihr gegenüber nicht rechtskonform verhalte, ist sie auf die Geltendmachung ihrer Ansprüche gegenüber den Gebietskrankenkassen zu verweisen. Allfällige Unzulänglichkeiten in diesem Bereich können aber nicht dazu führen, dass die arbeitsrechtlichen Ansprüche modifiziert werden.
Insgesamt ist daher der Revision der Beklagten nicht Folge zu geben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die § 2 ASGG, §§ 50 und 41 ZPO.
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