Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.315,16 EUR (darin 385,86 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Begründung
Das Berufungsgericht bestätigte das klageabweisende Ersturteil. Die ordentliche Revision gegen die Berufungsentscheidung ließ es mit der Begründung zu, dass zur Frage, ob privatrechtliche Gesellschaften, deren Gesellschafter überwiegend oder ausschließlich Gebietskörperschaften seien, im Sinne der hier in Rede stehenden Abfertigungsregelungen Gebietskörperschaften gleichzuhalten seien, Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle. Der Kläger schloss sich dieser Begründung der Zulässigkeit der Revision an. Darüber hinaus lägen noch zwei weitere erhebliche Rechtsfragen vor, und zwar zur Berechtigung der Dienstgeberkündigung gemäß § 73 Abs 2 lit h und lit i Tiroler L-VBG und zur Erörterungspflicht des Berufungsgerichts bezüglich der Geltung des AngG. Der Beklagte bestritt sowohl die Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht als auch die darüber hinausgehende Begründung der Zulässigkeit der Revision durch den Kläger und beantragte die Zurückweisung der Revision.
Rechtliche Beurteilung
Der Oberste Gerichtshof ist bei der Prüfung der Zulässigkeit der Revision an den diesbezüglichen Ausspruch des Berufungsgerichts nach § 500 Abs 2 Z 3 ZPO nicht gebunden (§ 508a Abs 1 ZPO). Gemäß § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision nur dann zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist. Dies ist hier nicht der Fall. Die Zurückweisung der ordentlichen Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO):
Zum besseren Verständnis ist vorauszuschicken, dass der Kläger (geboren ***** 1944) im Rahmen eines mit Sondervertrag begründeten privatrechtlichen Dienstverhältnisses in der Zeit vom 1. 1. 1987 bis 31. 8. 2009 als Leiter der unfallchirurgischen Abteilung des vom beklagten Gemeindeverband betriebenen Krankenhauses beschäftigt war. Das Dienstverhältnis wurde durch Dienstgeberkündigung beendet. Der Kläger erhielt vom Beklagten eine Abfertigung in der Höhe von 44.528,40 EUR brutto. Bei deren Berechnung wurde das neunfache Monatsentgelt des Klägers, bestehend aus dem Monatsbezug, der Personalzulage und der Verwaltungsdienstzulage, zugrundegelegt. Zuvor war der Kläger in der Zeit vom 1. 3. 1974 bis 31. 12. 1986 im Landeskrankenhaus (LKH) F***** als Arzt tätig, und zwar bis 31. 12. 1978 für das Land Vorarlberg, danach ab 1. 1. 1979 für die V***** Krankenhaus-Betriebsgesellschaft mbH. Dieses Dienstverhältnis wurde durch Dienstnehmerkündigung des Klägers beendet.
Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage den weiteren Abfertigungsbetrag von 167.241,96 EUR sA. Die Berechnung der Abfertigung durch den Beklagten sei in zweifacher Hinsicht unrichtig. Zum einen wäre auch die Zeit der vorhergehenden Beschäftigung des Klägers im LKH F***** zu berücksichtigen gewesen, woraus die Zugrundelegung des zwölffachen Monatsentgelts resultiere. Zum anderen wäre eine höhere Bemessungsgrundlage durch Berücksichtigung auch der Strahlenzulage Stufe 2, der weiteren Zulage gemäß § 68 Tiroler L-VBG und der Ambulanzvergütung zugrundezulegen gewesen.
Das Berufungsgericht setzte sich ausführlich mit der Frage des auf das gegenständliche Dienstverhältnis anwendbaren Dienstrechts auseinander. Auf dessen zutreffende rechtliche Beurteilung kann daher gemäß § 510 Abs 3 Satz 2 ZPO verwiesen werden. Danach unterlag der Kläger zuletzt seit 1. 9. 2001 dem Tiroler Gemeinde-Vertragsbedienstetengesetz (G-VBG), LGBl 2001/68, das gemäß § 1 Abs 1 für alle Bedienstete gilt, die in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis zu einem Gemeindeverband stehen (Vertragsbedienstete), und das in § 2 auf die sinngemäße Anwendung des Tiroler Landes-Vertragsbedienstetengesetzes (L-VBG), LGBl 2001/2, verweist, soweit das G-VBG nichts Anderes bestimmt. Der Sondervertrag des Klägers vom 1. 1. 1987 hatte noch das Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG) des Bundes, BGBl 1948/86, für anwendbar erklärt, weil zu dieser Zeit noch keine einschlägige landesgesetzliche Vorschrift existierte. Das VBG galt daher - neben dem Angestelltengesetz (AngG), BGBl 1921/292 - bis zu dem am 1. 10. 1998 erfolgten Inkrafttreten des Tiroler Vertragsbedienstetengesetzes (T-VBG), LGBl 1998/84, als „lex contractus“ (9 ObA 517/88; 9 ObA 361/97i; 9 ObA 80/02h ua).
Der Sondervertrag des Klägers enthielt keine näheren Regelungen zur Abfertigung. Grundlage des Abfertigungsanspruchs des Klägers gegen den Beklagten ist unstrittig § 82 Tiroler L-VBG. Danach gebührt dem Vertragsbediensteten, dessen Dienstverhältnis - wie im Fall des Klägers - vor dem 1. 7. 2003 begonnen hat, bei Beendigung dieses Dienstverhältnisses eine Abfertigung (Abs 1). Die Höhe der Abfertigung hängt von der Dauer des Dienstverhältnisses ab. Sie beträgt beispielsweise nach einer Dauer von 20 Jahren das Neunfache bzw nach 25 Jahren das Zwölffache des dem Vertragsbediensteten für den letzten Monat des Dienstverhältnisses gebührenden Monatsentgelts und der Kinderzulage (Abs 9).
Die vom Berufungsgericht der Zulassung der ordentlichen Revision zugrundegelegte Frage, ob privatrechtliche Gesellschaften, deren Gesellschafter überwiegend oder ausschließlich Gebietskörperschaften seien, im Sinne der hier anwendbaren Abfertigungsregelungen Gebietskörperschaften gleichzuhalten seien, zielt auf § 82 Abs 12 Tiroler L-VBG ab. Danach sind Dienstzeiten in Dienstverhältnissen zu einer inländischen Gebietskörperschaft zur Dauer des Dienstverhältnisses nach Abs 9 hinzuzurechnen. Die Hinzurechnung ist allerdings - soweit hier relevant - ausgeschlossen, wenn das Dienstverhältnis in einer Weise beendet wurde, durch die ein Abfertigungsanspruch erlosch oder erloschen wäre (Abs 12 lit b Z 2). Dieser Ausschlussgrund liegt hier vor, weil eine Abfertigung unter anderem dann nicht gebührt, wenn das hinzuzurechnende Dienstverhältnis - wie vom Erstgericht festgestellt - vom Dienstnehmer gekündigt wurde (Abs 2 lit c). Der in Abs 12 letzter Satz als Ausnahme normierte Fall der Beendigung des Dienstverhältnisses im Einvernehmen mit dem Dienstgeber liegt hier nicht vor. Nach dem Inhalt der Regelung kann mit „Dienstgeber“ nur der Dienstgeber des vorhergehenden Dienstverhältnisses gemeint sein. Nur mit diesem kann die Beendigung des vorhergehenden Dienstverhältnisses vereinbart werden. Da die Hinzurechnung der früheren Tätigkeit des Klägers schon zufolge Beendigung des vorhergehenden Dienstverhältnisses durch Dienstnehmerkündigung ausgeschlossen ist, erübrigt sich ein Eingehen auf die Frage, ob die V***** Krankenhaus-Betriebsgesellschaft mbH aufgrund des Umstands, dass ausschließlich Gebietskörperschaften ihre Gesellschafter sind, einer Gebietskörperschaft iSd § 82 Abs 12 Tiroler L-VBG gleichzuhalten ist. Für die Zulässigkeit der Revision genügt es nämlich nicht, eine bloß in theoretischer Hinsicht interessante Frage aufzuwerfen, zu der noch keine Rechtsprechung vorliegt. Die Entscheidung muss gemäß § 502 Abs 1 ZPO von der Lösung dieser Frage „abhängen“. Die Frage muss also in diesem Sinn „präjudiziell“ sein (Kodek in Rechberger, ZPO³ § 508a Rz 1; 9 Ob 74/10p ua). Dies trifft aber auf die vorstehende Frage nicht zu.
Eine erhebliche Rechtsfrage ergibt sich in diesem Zusammenhang auch nicht aus dem gemäß § 26 Abs 9 VBG im Dienstvertrag des Klägers angeführten Vorrückungsstichtag 1. 7. 1966. Der Vorrückungsstichtag des Vertragsbedienstetenrechts ist in erster Linie für die Besoldung und das Urlaubsausmaß maßgebend (vgl Ziehensack, VBG § 26 Rz 1 ff ua). Für die Höhe der Abfertigung des Klägers, die an die tatsächliche Dauer des Dienstverhältnisses anknüpft (vgl 9 ObA 53/87; RIS-Justiz RS0081688 ua), ergibt sich daraus nichts Besonderes. Abweichendes wurde auch nicht im Sondervertrag vereinbart. Dies dürfte auch der Revisionswerber erkannt haben, weil er darauf die Zulässigkeit der Revision nicht stützt, dafür aber - neben der Begründung der Zulassung der Revision durch das Berufungsgericht - noch zwei andere Fragen als erheblich geltend macht:
Bei der vom Revisionswerber erörterten Frage der Berechtigung der Dienstgeberkündigung gemäß § 73 Abs 2 lit h und lit i Tiroler L-VBG geht es darum, ob das Dienstverhältnis zwischen den Parteien schon zum 31. 8. 2009 (Standpunkt der Beklagten) oder erst zum 28. 2. 2010 (Standpunkt des Klägers) beendet wurde. Diese Frage wäre dann relevant, wenn im Fall der Wirksamkeit der Kündigung erst zum späteren Zeitpunkt die Dauer des Dienstverhältnisses des Klägers bereits 25 Jahre betragen hätte (siehe § 82 Abs 9 Tiroler L-VBG). Dies ist aber - gerechnet ab dem Beginn des Dienstverhältnisses des Klägers per 1. 1. 1987 - auch bei einem hypothetischen Ende des Dienstverhältnisses erst zum 28. 2. 2010 nicht der Fall. Entgeltansprüche für die Zeit vom 1. 9. 2009 bis 28. 2. 2010 wurden vom Kläger im vorliegenden Verfahren nicht geltend gemacht. Hierüber soll laut Revision ein weiterer Prozess zwischen den Parteien anhängig sein. Dass der andere Prozess bis zum Abschluss des vorliegenden Verfahrens unterbrochen wurde, macht allerdings eine Frage, von der die Lösung der gegenständlichen Abfertigungsdifferenz nicht abhängt, nicht erheblich iSd § 502 Abs 1 ZPO.
Soweit der Revisionswerber schließlich das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage des formellen Rechts vermutet, die in einer Verletzung der Erörterungspflicht des Berufungsgerichts begründet sein soll, kann ihm ebenfalls nicht gefolgt werden. Richtig ist, dass das Berufungsgericht den vom Kläger in der Berufung gestellten Antrag auf Anberaumung einer mündlichen Berufungsverhandlung gemäß § 480 Abs 1 ZPO idF Budgetbegleitgesetz 2009, BGBl I 2009/52, zurückwies, weil es eine solche nicht für erforderlich hielt. Der Revisionswerber argumentiert nun, dass das Berufungsgericht seine rechtliche Beurteilung, dass vor dem Inkrafttreten des T-VBG, BGBl 1998/84, auf das Dienstverhältnis des Klägers - neben dem im Sondervertrag vereinbarten VBG - das AngG anwendbar gewesen sei, mit dem Kläger hätte erörtern müssen. Dieser auf eine Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens abzielenden Rüge kann nicht beigepflichtet werden. Die rechtlichen Überlegungen des Berufungsgerichts bezüglich der früheren Geltung des AngG beruhen auf der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (9 ObA 517/88; 9 ObA 80/02h ua). Da das Dienstverhältnis des Klägers zum Beklagten vor dem Inkrafttreten einschlägiger landesgesetzlicher Regelungen begründet wurde und das Vertragsbedienstetengesetz des Bundes für privatrechtliche Dienstverhältnisse zum Bund gilt (§ 1 Abs 1 VBG), somit im vorliegenden Fall des Dienstverhältnisses zu einem Gemeindeverband nur kraft Vereinbarung zur Anwendung kam, konnte die Auseinandersetzung mit der Frage, welchen bundesgesetzlichen Vorschriften das Dienstverhältnis des Klägers ursprünglich ex lege unterlag, für den Revisionswerber nicht überraschend sein. Der Revisionswerber bezweifelt auch gar nicht das vom Berufungsgericht gewonnene Ergebnis der ursprünglichen Geltung des AngG, meint aber, dass er bei entsprechender Erörterung vorgebracht hätte, dass der „Entgeltbegriff“ des AngG auch noch bei der Abfertigungsberechnung gegolten hätte. Darin irrt der Revisionswerber, weil nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs, der das Berufungsgericht folgte, das AngG seit dem Inkrafttreten des T-VBG per 1. 10. 1998 nicht mehr auf das gegenständliche Dienstverhältnis anwendbar war. Der Revisionswerber setzt sich mit der einschlägigen, in der Berufungsentscheidung zitierten Rechtsprechung (9 ObA 517/88 ua) nicht näher auseinander. Mangels Anwendbarkeit des AngG nach dem Inkrafttreten des T-VBG kommt es auf die nach Auffassung des Revisionswerbers zu erörternde Frage nicht an. Eine erhebliche Rechtsfrage des Verfahrensrechts iSd § 502 Abs 1 ZPO wird somit nicht aufgezeigt. Zur Nichteinrechnung insbesondere der Ambulanzvergütung in die Bemessungsgrundlage für die Abfertigung wird der Revisionswerber auf die zutreffende rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts verwiesen (§ 510 Abs 3 Satz 2 ZPO). Wie schon erwähnt, kommt der „Entgeltbegriff“ des AngG bei der Berechnung der Abfertigung des Klägers nicht zum Tragen.
Zusammenfassend ist die Revision des Klägers mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 40, 50 Abs 1 ZPO. Der Revisionsgegner hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RIS-Justiz RS0035979 ua).
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