OGH 9ObA111/10d

OGH9ObA111/10d30.3.2011

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Martin Gleitsmann und Dr. Rotraut Leitner als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Britta P*****, vertreten durch Barnert Egermann Illigasch Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei Ö*****, vertreten durch Freimüller Obereder Pilz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen Vertragsanpassung, in eventu Vertragsanfechtung, Leistung und Feststellung (Gesamtstreitwert: 183.125,94 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. August 2010, GZ 8 Ra 60/10t-24, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Text

Begründung

Die bei der Beklagten vom 1. 10. 1961 bis 30. 4. 1973 und vom 1. 8. 1980 bis 30. 9. 2000 als Lohnverrechnerin beschäftigte Klägerin bezog von der Beklagten auf der Grundlage deren Pensionszuschussordnung eine Zuschusspension in Höhe von zuletzt monatlich 912,23 EUR brutto. Am 30. 3. 2007 nahm sie das Angebot der Beklagten auf Auszahlung einer Pensionsabfindung in Höhe von 110.616,35 EUR brutto unter Verzicht auf die Geltendmachung von Ansprüchen aus der Pensionszuschussordnung an.

Das Begehren der Klägerin, im Wege der Vertragsanpassung die vereinbarte Abfindungszahlung um 30 % zu erhöhen, in eventu ihr nach Vertragsanfechtung die von der Beklagten zum 28. 2. 2007 eingestellte Pensionsleistung weiter zu gewähren, wurde von den Vorinstanzen aufgrund der Vergleichswirkung der Vereinbarung vom 30. 3. 2007 abgewiesen.

Rechtliche Beurteilung

Die außerordentliche Revision der Klägerin zeigt dazu keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung iSd § 502 Abs 1 ZPO auf.

Die darin aufgeworfenen Fragen, ob von einem arglistigen, drohenden oder irreführenden Verhalten der Beklagten auszugehen ist, sind solche, die nur nach den Umständen des Einzelfalls zu beurteilen sind, in der Regel daher keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO darzustellen vermögen. Dies gilt in gleicher Weise für Fragen der Auslegung einer Vereinbarung (RIS-Justiz RS0113785 [zum Vergleich]).

Es liegt in diesen Punkten aber auch keine die Zulässigkeit der Revision begründende krasse Fehlbeurteilung vor:

Soweit die Klägerin in der Ankündigung der Beklagten, die Pensionszuschüsse einzustellen, eine widerrechtliche Drohung erblickt, ist dabei auch zu berücksichtigen, inwieweit für einen Arbeitgeber plausible und objektiv ausreichende Gründe dafür gegeben waren (vgl 9 ObA 158/08p). Hierzu ist es aber vertretbar, wenn das Berufungsgericht eine rechtswidrige Druckausübung durch die Beklagte deshalb verneinte, weil sich diese zur Einstellung der Pensionsleistungen berechtigt erachtet hatte. Dass diese Rechtsansicht nicht von vornherein unplausibel oder willkürlich anzusehen war, zeigte die Umstrittenheit der Auslegung der zwischenzeitig auch vom Obersten Gerichtshof beurteilten maßgeblichen Bestimmung der Pensionszuschussordnung der Beklagten (Pensionszuschüsse der Beklagten „nach Maßgabe der vorhandenen Mittel“, s 9 ObA 38/09t).

Eben dieser Umstand stützt aber auch die von der Klägerin bekämpfte Qualifikation der Vereinbarung vom 30. 3. 2007 als Vergleich, geht es bei diesem doch um die Prüfung, ob die Einbuße bestimmter Rechtsstellungen durch Vorteile an anderer Stelle, vor allem auch durch die Klärung einer bisher ungeklärten Sach- und Rechtslage wiederum aufgewogen wird (RIS-Justiz RS0028337; RS0029958). Wenn die Klägerin in einer Situation, in der ihr die verschiedenen Rechtsstandpunkte der Beklagten einerseits und der Interessengemeinschaft der Pensionszuschussempfänger der Beklagten (IPG) andererseits zur Frage des Vorliegens eines Widerrufsvorbehalts in der Pensionszuschussordnung der Beklagten bekannt war, zur Vermeidung eines Rechtsstreits über die Rechtmäßigkeit der Pensionseinstellung das „außergerichtliche Vergleichsangebot“ der Beklagten annahm, so kann ihr darin nicht gefolgt werden, dass die Vereinbarung keine Bereinigungswirkung erkennen ließe (ebenso 8 ObA 36/10t).

Zu ihren Ausführungen zu einer arglistigen Täuschung und Irreführung durch die Beklagte sei hervorgehoben, dass der für eine Vertragsanfechtung oder -anpassung nötigen Kausalität eines solchen Verhaltens (s nur Bollenberger in KBB3, § 870 Rz 2) die Feststellungen zum Wissensstand und zur Motivationslage der Klägerin entgegen stehen (Ersturteil S 21 f: „Es war nicht so, dass sie darauf vertraute, dass [die Beklagte] tatsächlich insolvent oder zahlungsunfähig ist oder in Konkurs gehen könnte, wenn die Pensionszuschussberechtigten die Angebote nicht annehmen würden, noch weil sie darauf vertraute, dass die beklagte Partei nach der Pensionszusschussordnung dazu berechtigt sei, in einer schwierigen finanziellen Situation aufgrund eines Widerrufsvorbehaltes die Pensionszuschusszahlungen einzustellen. … Nachdem sie jedoch keinen Rechtsschutz für eine sofortige Klage hatte, entschied sie sich für die weniger risikoreiche Variante der Annahme des Abfindungsabgebotes. Solidarität gegenüber der beklagten Partei war hierbei für die Klägerin nicht entscheidend. …“).

Der weiteren Rechtsrüge der Klägerin, dass das Berufungsgericht die schlechte finanzielle Situation der Beklagten nicht als gemeinsame Grundlage für den Abschluss der Abfindungsvereinbarung erachtet habe - womit sie auf eine Anfechtung des Vergleichs iSd § 1385 ABGB abzielt -, steht ihr eigenes Vorbringen entgegen, von der Beklagten über deren Finanzsituation getäuscht worden zu sein. Die Anfechtung eines Vergleichs setzt aber die Geltendmachung eines Irrtums über Umstände voraus, die beide Teile bei Abschluss des Vergleichs als feststehend, unzweifelhaft und unstrittig angenommen haben (RIS-Justiz RS0032529, RS0032543).

Schließlich stützt sie die begehrte Erhöhung ihrer Abschlagszahlung auf eine sonst gegebene Verletzung des arbeitsrechtlichen sowie des in § 18 BPG verankerten Gleichbehandlungsgebots, weil Arbeitnehmer, die gerichtliche Hilfe in Anspruch genommen haben, letztlich höhere Abschlagszahlungen erhalten haben, eine Klagsführung nach der Wertung des § 105 ArbVG aber ein unzulässiges Differenzierungskriterium darstelle.

Zweck der Bestimmung des § 105 Abs 3 Z 1 lit i ArbVG ist es, Vergeltungen des Arbeitgebers wegen der Rechtsdurchsetzung eines Arbeitnehmers zu vermeiden (Wolliger in ZellKomm, § 105 ArbVG Rz 126), sohin die Rechtsposition jener Arbeitnehmer zu schützen, die nicht offenbar unberechtigte Ansprüche gegen den Arbeitgeber geltend machen. Diese Erwägung könnte daher allenfalls auf jene Arbeitnehmer übertragen werden, die tatsächlich Klage geführt hatten, nicht aber auf die Klägerin. Soweit einige jener Kläger nach Zugang der OLG-Entscheidungen im Gegenzug für den Verzicht auf alle Ansprüche aus der Pensionszuschussordnung einen Abschlagsbetrag erhielten, der über den ursprünglich angebotenen Abschlagsbetrag hinausging, ist nicht zu übersehen, dass sie im Gegensatz zur Klägerin die von dieser befürchteten Unsicherheiten aus einer Klagsführung bewusst in Kauf genommen hatten. Damit ist aber auch die bereits vom Erstgericht ins Treffen geführte Erwägung vertretbar, dass jenen letztlich erhöhten Abfindungsangeboten eine geänderte Sach- und Rechtslage zugrunde lag.

Die Revision war daher mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

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