OGH 9ObA108/02a

OGH9ObA108/02a8.5.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Maier als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter Helmut Stöcklmayer und DI Walter Holzer als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Dr. Susanna B*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Gustav Teicht und Dr. Gerhard Jöchl, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei B***** Aktiengesellschaft, *****, vertreten durch Dr. Andreas Grundei und Dr. Gottfried Zandl, Rechtsanwälte in Wien, wegen EUR 11.648,69 sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 13. Dezember 2001, GZ 9 Ra 136/99g-22, womit über Berufung der klagenden Partei das Urteil des Arbeits- und Sozialgerichtes Wien vom 16. Dezember 1998, GZ 11 Cga 208/97f-15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die Revisionsgegnerin hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin war vom 1. 7. 1993 bis zum 31. 7. 1997 als Angestellte beschäftigt. Ihr Anfangsbezug betrug - unter Einschluss eines unwiderruflich zugesagten Überstundenpauschales - S 40.520,-. Mit 1. 8. 1994 stellte die Beklagte Dr. Johannes K***** ein, dessen Bruttogehalt - unter Einschluss eines widerruflichen Überstundenpauschales - S 43.871,- betrug. Dr. K***** und die Klägerin erhielten das gleiche Grundgehalt; der Unterschied in der Entlohnung resultiert im Wesentlichen aus einer Zulage, die bei der Klägerin anfänglich S 4.000,-, bei Dr. K***** jedoch S 6.000,-

betrug.

Die maßgebenden Feststellungen lassen sich wie folgt zusammenfassen:

Die Klägerin hat das Studium der Rechtswissenschaften absolviert und vor ihrer Tätigkeit bei der Beklagten zwei Jahre als Notariatssubstitut und etwa 16 Jahre bei verschieden Arbeitgebern im Bankwesen gearbeitet, wobei sie teilweise eigenverantwortlich mit Handlungsvollmacht in der Exportfinanzierung und teilweise auch in der Auslandsabteilung einer Bank eingesetzt war. Bei der Beklagten war sie in der Gehaltsgruppe 5 des Kollektivvertrages eingestuft und erhielt ein Überstundenpauschale für 20 Stunden, das ihr - weil sie darauf bestanden hatte - unwiderruflich zugesagt worden war. Überstunden (im Ausmaß von etwa 12 bis 15 Stunden) fielen jedoch nur am Anfang des Arbeitsverhältnisses an. Das Gehalt der Klägerin entsprach den von ihr bei ihrer Einstellung geäußerten Wünschen. Sie war bei der Beklagten damit beschäftigt, Kredite zu kontrollieren. Dabei fielen ihr notleidende Kredite auf, über die sie Zusammenstellungen machte und die sie ins Ausland verkaufte. Die Beklagte hatte gehofft, die Klägerin nach Einschulung als Leiterin der Auslandsabteilung einsetzen zu können. Entsprechende Zusagen an die Klägerin gab es nicht. Diese Hoffnung hat sich jedoch nicht erfüllt, weil sich die Verwendung der Klägerin nicht als erfolgreich erwies (siehe im Detail S 12 des Ersturteils). Der Klägerin wurde keine Handlungsvollmacht erteilt.

Dr. K***** hat das Studium der Rechtswissenschaften absolviert und außerdem sechs Semester Volkswirtschaftslehre studiert. Er war vier Jahre bei einer Großbank im Großkunden- und Auslandsgeschäft tätig, wobei er ein Jahr in New York mit der Betreuung von Großkunden befasst war. Seine Einstufung entsprach jener der Klägerin. Das Überstundenpauschale wurde ihm nur widerruflich gewährt; eine entsprechende Zahl von Überstunden fiel immer an. Dr. K***** war der Beklagten als fähiger und erstklassiger Mann empfohlen worden. In den Vertragsgesprächen wurde ihm gesagt, dass er Handlungsvollmacht erhalten werde. Diese Ankündigung wurde nach etwa vier Monaten auch erfüllt. Er wurde im Großhandelsbereich eingesetzt und konnte gemeinsam mit einem Prokuristen verbindliche Erklärungen gegenüber Großkunden abgeben. Unter Großkunden versteht die Beklagte die 2.500 größten Unternehmen Österreichs. Dr. K***** übernahm die Betreuung der größten 1.000 Unternehmen, wobei zu seinen Ansprechpartnern auch Vorstandsmitglieder gehörten.

Im vorliegenden Verfahren ist strittig, ob die Klägerin entgegen § 2 Abs 1 Z 2 GleichbG wegen ihres Geschlechtes diskriminiert wurde, weil sie - wie sie behauptet - ohne sachliche Rechtfertigung ein niedrigeres Arbeitsentgelt erhalten habe, als ihr männlicher Kollege. Sie begehrt den Ersatz der aus der unterschiedlichen Entlohnung resultierenden Gehaltsdifferenz.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht ersuchte den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) um Vorabentscheidung, der daraufhin das Urteil vom 15. 3. 2001, C-381/99 = ARD 5207/3/2001 erließ (vgl auch die ausführliche Wiedergabe in der Berufungsentscheidung). Soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, lässt sich die im zitierten Urteil des EuGH vorgenommene Auslegung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (Artikel 119 EG-Vertrag, RL 75/117/EWG) wie folgt zusammenfassen:

Auch eine monatliche Zulage stellt ein Entgelt dar, das unter Artikel 119 EG-Vertrag und die RL 75/117/EWG fällt. Die Gleichheit des Entgelts muss für jeden einzelnen Gehaltsbestandteil gewährleistet sein.

Aus der Einstufung der zu vergleichenden Arbeitnehmer in dieselbe Tätigkeitsgruppe des Kollektivvertrages kann noch nicht gefolgert werden, dass die beiden Arbeitnehmer gleiche oder als gleichwertig anerkannte Arbeit verrichten.

Im Allgemeinen obliegt es dem Arbeitnehmer, der sich diskriminiert glaubt, zu beweisen, dass ihm der Arbeitgeber ein niedrigeres Entgelt zahlt als dem zu vergleichenden Arbeitnehmer, obwohl die beiden gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten. Der Arbeitgeber kann dann nicht nur das Bestehen der Voraussetzungen für die Anwendbarkeit des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen bestreiten, sondern auch geltend machen, dass die unterschiedliche Entlohnung durch objektive Faktoren, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun haben, gerechtfertigt sei.

Unterschiedliches Entgelt kann durch im Kollektivvertrag nicht berücksichtigte objektive Gründe, die nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechtes zu tun haben und mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang stehen, gerechtfertigt werden, nicht hingegen - sofern es sich um eine nach Zeit bezahlte Arbeit handelt - durch Faktoren, die erst nach dem Dienstantritt der Arbeitnehmer bekannt werden, wie etwa durch einen Unterschied in der persönlichen Leistungsfähigkeit der Betroffenen oder in der Qualität ihrer Leistungen.

Unter Bezugnahme auf dieses Erkenntnis des EuGH wies das Berufungsgericht das Klagebegehren ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Es verneinte die behauptete Diskriminierung, weil die Aufgabengebiete der Klägerin und ihres männlichen Kollegen unterschiedlich gewesen seien und dieser mit weitreichenderen Befugnissen ausgestattet gewesen sei. Die für die Klägerin zunächst vorgesehene Position sei nur ein Karriereziel gewesen, aus dem nicht auf die Gleichartigkeit der gegenwärtig tatsächlich ausgeübten Tätigkeit geschlossen werden könne. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehle, nach welchen Kriterien das Vorliegen einer gleichen oder gleichwertigen Arbeit zu beurteilen sei.

Die gegen dieses Urteil erhobene Revision ist nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Oberste Gerichtshof ist gemäß § 508a Abs 1 ZPO iVm § 1 ASGG an den Ausspruch des Berufungsgerichtes über die Zulässigkeit der Revision nicht gebunden.

Da keiner der Fälle des § 46 Abs 3 ASGG vorliegt, ist die Zulässigkeit der Revision vom Vorliegen einer iS des § 46 Abs 1 ASGG qualifizierten Rechtsfrage abhängig. Die im Zulassungsausspruch des Berufungsgerichtes umschriebene Rechtsfrage - nach welchen Kriterien sei das Vorliegen gleicher oder gleichwertiger Arbeit zu beurteilen - erfüllt diese Voraussetzungen nicht.

Der Begriff der gleichen oder gleichwertigen Arbeit ist ein qualitativer, der sich ausschließlich auf die Art der betreffenden Arbeitstätigkeit bezieht. Es bedarf daher jeweils einer objektiven Bewertung der konkreten Arbeitstätigkeit, insbesondere hinsichtlich der Anforderungen der Beschäftigung und der Art der Aufgaben (Smutny/Mayr, Gleichbehandlungsrecht 242f und die dort angeführten Nachweise aus der Rechtsprechung des EuGH). Diese Einzelfallbezogenheit lässt grundsätzliche Erörterungen des Obersten Gerichtshofs bzw. die Aufstellung unabhängig vom konkreten Einzelfall geltender allgemeingültiger Grundsätze nicht zu. Es geht um Einzelfallentscheidungen, die - von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen - die Zulässigkeit der Revision nicht rechtfertigen können.

Auch die Revisionswerberin zeigt weder das Vorliegen einer erheblichen Rechtsfrage noch eine die Zulässigkeit der Revision rechtfertigende unvertretbare Fehlbeurteilung der zweiten Instanz auf.

Der Vorwurf, das Berufungsgericht sei von der vom EuGH in seiner Vorabentscheidung vorgenommenen Klarstellung abgegangen, dass bei der Beurteilung der Gleichartigkeit der in Rede stehenden Tätigkeiten auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages abzustellen sei, ist unzutreffend. Wenngleich die erstgerichtlichen Feststellungen knapp sind, so geht aus ihnen doch - für den Obersten Gerichtshof bindend - hervor, dass zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses die Verwendung der Klägerin als Leiterin der Auslandsabteilung keineswegs feststand. Es bestand vielmehr eine bloße Hoffnung, dass die Klägerin diese Position einnehmen werden könne; entsprechende Vereinbarungen oder Zusagen gab es nicht. Demgemäß ist die Rechtsauffassung des Berufungsgerichtes, es habe sich dabei um ein Karriereziel gehandelt, dass bei der Beurteilung der aktuellen Tätigkeit der Klägerin und deren Entlohnung nicht zu berücksichtigen sei, als unbedenklich. Demgegenüber stand schon bei Abschluss des Arbeitsvertrages des männlichen Kollegen der Klägerin fest, dass er als Großkundenbetreuer eingesetzt und Handlungsvollmacht erhalten werde (ihm wurde zugesagt, dass er "Handlungsvollmacht erhalten werde"). Das ihm zugesagte Entgelt muss daher auf dieser Grundlage beurteilt werden. Dass die Tätigkeit der Klägerin im Kontrollieren von Krediten bestand, entspricht den erstgerichtlichen - insoweit in zweiter Instanz gar nicht bekämpften - Feststellungen.

Soweit die Revisionswerberin das Fehlen von für die rechtliche Beurteilung erforderlichen Feststellungen über ihre Tätigkeit rügt, lässt sie - wie schon in zweiter Instanz - jegliche konkreten Behauptungen, welche Feststellungen zu treffen gewesen wären, vermissen. Die bloße Behauptung, es wäre festzustellen gewesen, dass ihre Tätigkeit jener ihres männlichen Kollegen gleichwertig war, kann solche Behauptungen nicht ersetzen.

Auch auf ein übereinstimmendes Parteienvorbringen in ihrem Sinne kann sich die Revisionswerberin nicht berufen. Ihr dazu ins Treffen geführtes Zitat ist unvollständig. Zwar ist richtig, dass die Beklagte in ihrem Vorbringen davon spricht, dass die Positionen als gleichwertig betrachtet und eingestuft wurden; sie fügte dem aber sofort hinzu, dass der Unterschied darin gelegen sei, dass Dr. K***** als Großkundenbetreuer nach außen verbindliche Zusagen machen müsse und deshalb zwingend Handlungsvollmacht bekommen habe müssen, was seine höhere Zulage begründet habe (S 2 in ON 7).

Letztlich bleibt daher nur zu prüfen, ob die vom Berufungsgericht aufgrund des festgestellten Sachverhalts vorgenommene Beurteilung der in Rede stehenden Tätigkeiten als krasse, die Zulässigkeit der Revision rechtfertigende Fehlbeurteilung anzusehen ist. Dies ist zu verneinen. Die Rechtsauffassung des Berufungsgericht, die Tätigkeit des Dr. K*****, der ihm Rahmen der ihm obliegenden Betreuung der 1.000 größten Unternehmen Österreichs ständig Kundenkontakt hat und mit Handlungsvollmacht ausgestattet ist, sei höher zu bewerten, als die Tätigkeit der Klägerin, die keinen Kundenkontakt hatte und zu Zusagen gegenüber Dritten nicht in der Lage war, ist jedenfalls nicht unvertretbar.

Damit erweist sich die Revision als nicht zulässig. Kosten der Revisionsbeantwortung waren nicht zuzusprechen, weil die Revisionsgegnerin auf die Unzulässigkeit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision nicht hingewiesen hat (RIS-Justiz RS0035962; zuletzt etwa 9 ObA 268/00b).

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