European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:009OBA00010.24X.0424.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
[1] Die Klägerin ist seit 1. 10. 2008 im LK W*, dessen Rechtsträger das beklagte Land ist, als Fachärztin beschäftigt. Ihr Dienstverhältnis unterliegtdem NÖ Spitalsärztegesetz 1992 (NÖ SAG 1992). Zu Beginn des Dienstverhältnisses vereinbarte sie mit dem damaligen ärztlichen Leiter eine von § 8 Abs 3 NÖ SAG 1992 abweichende, für sie günstigere Abrechnung von Zeiten der ärztlichen Rufbereitschaft.
[2] Das Berufungsgericht wies das auf Feststellung der Rechtswirksamkeit der zwischen der Klägerin und dem ärztlichen Leiter abgeschlossenen Vereinbarung über die Abgeltung von Zeiten der Rufbereitschaft ab. Dem ärztlichen Leiter komme keine besoldungsrechtliche oder dienst-vertragliche Regelungskompetenz oder Vertretungsbefugnis zu. Darauf habe sich die Klägerin auch nicht gestützt. Da keiner der zuständigen Organe der Beklagten durch sein Verhalten bei der Klägerin den Anschein erweckt habe, die Vereinbarung sei durch eine Entscheidung der Beklagten gedeckt, könne die Klägerin ihren Anspruch auch nicht auf eine Anscheinsvollmacht stützen. Dass dem Leiter der Personalstelle der Krankenanstalt die Vereinbarung bekannt gewesen sei, begründe keine wirksame Duldungsvollmacht.
Rechtliche Beurteilung
[3] In ihrer außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
[4] 1. Im Revisionsverfahren ist unstrittig, dass einem ärztlichen Leiter einer Krankenanstalt nach § 7 KAKuG grundsätzlich keine dienstvertragliche Regelungskompetenz zukommt. Er kann daher für den Rechtsträger der Krankenanstalt auch keine Sonderverträge nach § 10a NÖ SAG 1992 idF LGBl 2020/11 (zum Zeitpunkt 1. 10. 2008 galt der inhaltsgleiche § 1b NÖ SAG 1992) abschließen.
[5] 2. Mit ihrem erstmals in der außerordentlichen Revision erstatteten (nicht weiter begründeten) Vorbringen, der ärztliche Leiter sei von der Beklagten bevollmächtigt gewesen, eine rechtsgültige Vereinbarung mit ihr abzuschließen, verstößt die Klägerin gegen das im Revisionsverfahren geltende Neuerungsverbot des § 504 Abs 2 ZPO. Überdies finden sich im Sachverhalt keine Feststellungen, die die behauptete Bevollmächtigung tragen würden. Sekundäre Feststellungsmängel macht die Klägerin nicht geltend.
[6] 3.1. Erklärungen unzuständiger Organe hat der (öffentlich-rechtliche) Dienstgeber nur dann gegen sich gelten zu lassen, wenn ihm diese zugerechnet werden können. In der Regel erfolgt diese Zurechnung durch Anscheins- oder Duldungsvollmachten, die dann im konkreten Fall ausnahmsweise die Wirksamkeit des eigenmächtigen Vertragsabschlusses rechtfertigen (RS0014110 [T10]; RS0014726 [T6]) können. Nach der zutreffenden Rechtsauffassung des Berufungsgerichts, die die außerordentliche Revision auch nicht in Abrede stellt, wird der Dritte in seinem Vertrauen auf den äußeren Tatbestand dann geschützt, wenn das kompetente Organ den Anschein erweckt hat, die Handlung sei durch seine Beschlussfassung gedeckt oder es würde die Handlung des nicht kompetenten Organs dulden. Immer muss aber das Vertrauen des Dritten seine Grundlage in einem für ihn erkennbaren Verhalten des Vertretenen haben (vgl RS0020145 [T10]). Es müssen Umstände vorliegen, die geeignet sind, im Dritten den begründeten Glauben an die Berechtigung des Vertreters zum Abschluss des beabsichtigten Geschäfts zu erwecken (RS0019609; RS0020004). Das Vorliegen der genannten Voraussetzungen ist einer strengen Überprüfung zu unterziehen (RS0019609 [T18]; RS0020145 [T3, T11, T24]).
[7] 3.2. Ob die Voraussetzungen einer Anscheinsvollmacht oder Duldungsvollmacht vorliegen, richtet sich nach den Umständen des jeweils zu beurteilenden Falls, denen keine über diesen hinausgehende Bedeutung zukommt (RS0020145 [T15, T24]; RS0019609 [T9, T18]). Die Entscheidung des Berufungsgerichts bewegt sich im Rahmen der Grundsätze der Rechtsprechung.
[8] 3.3. Der Dienstvertrag der Klägerin wurde von Organen der * Landesregierung unterfertigt. Eine Handlung oder Unterlassung der Beklagten, die aus Sicht der Klägerin den berechtigten Schluss zuließe, die Beklagte als ihr Dienstgeber habe dem ärztlichen Leiter der Krankenanstalt eine Vollmacht zum Abschluss eines Sondervertrags für eine gegenüber § 8 Abs 3 NÖ SAG 1992 günstigere Abgeltung von Zeiten der Rufbereitschaft erteilt, ist nicht erkennbar. Dass der kaufmännische Direktor der Krankenanstalt und der Leiter der Personalstelle der Krankenanstalt über diese Vereinbarung informiert waren, ist kein dem beklagten Dienstgeber zurechenbares Verhalten. Dass die Abrechnung der Dienste der Klägerin in der für die Landesbediensteten zuständigen Abteilung der beklagten Gebietskörperschaft vorgenommen wurde, steht nicht fest. Ein entsprechendes Vorbringen hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren auch nicht erstattet.
[9] Mangels Geltendmachung einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin zurückzuweisen.
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