OGH 9Ob8/16s

OGH9Ob8/16s21.4.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Hargassner und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr in der Rechtssache der 1. A***** E*****, und 2. M***** E*****, vertreten durch MMag. Dr. Peter Schartner, Rechtsanwalt in Eben im Pongau, gegen die Antragsgegnerin Agrargemeinschaft S*****, vertreten durch Mag. Wilfried Huber, Rechtsanwalt in Zell am Ziller, wegen Ersetzung einer Zustimmung (Streitwert: 8.720 EUR), über die Revisionsrekurse der Parteien gegen den Beschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 12. November 2015, GZ 4 R 242/15i‑70, mit dem der Rekurs der Erstantragstellerin gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Zell am Ziller vom 24. Juni 2015, GZ 1 Nc 300/11f‑62, zurückgewiesen und der Beschluss des Bezirksgerichts teilweise aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0090OB00008.16S.0421.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen wird, soweit er von der Zweitantragstellerin erhoben wurde, zurückgewiesen. Im Übrigen wird ihm keine Folge gegeben.

Auch dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin wird keine Folge gegeben.

Die jeweiligen Kosten des Revisionsrekursverfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

 

Begründung:

A***** E***** (idF: Erstantragstellerin) war Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 41 GB ***** bestehend aus den Grundstücken *****. Mit dieser Liegenschaft ist das Miteigentum zum Hälfteanteil an der Liegenschaft EZ 58 GB ***** verbunden, die die Liegenschaft EZ 41 umgibt. Die zweite Hälfte der Liegenschaft EZ 58 steht im ideellen Eigentum der Antragsgegnerin.

Mit Antrag vom 16. 11. 2011 begehrte die Erstantragstellerin, die Zustimmung der Antragsgegnerin zu bereits errichteten Bauwerken auf der EZ 58 (zuletzt: Holzhütte, Zubau, Viehunterstand, Mistlege) zu ersetzen.

Die Antragsgegnerin bestritt, beantragte die Zurück-, in eventu Abweisung des Antrags und wandte ein, die Erstantragstellerin sei bereits rechtskräftig verpflichtet worden, die konsenslos errichteten Bauwerke zu entfernen. Sie würden auch nicht landwirtschaftlich, sondern zT touristisch genutzt.

Aufgrund des Übergabsvertrags vom 8. 1. 2014 wurde die Tochter der Erstantragstellerin (idF: Zweitantragstellerin) grundbücherliche Alleineigentümerin der Liegenschaft EZ 41.

Dem von ihr begehrten Parteiwechsel auf Antragstellerseite (ON 37, 37a) stimmte die Antragsgegnerin nicht zu (ON 38).

Am 20. 8. 2014 stellte der (auch von der Zweitantragstellerin bevollmächtigte) Antragstellervertreter einen Antrag „auf Beitritt“ der Zweitantragstellerin (ON 42).

Der Antrag auf Beitritt wurde vom Erstgericht mit Beschluss desselben Tages zurückgewiesen (ON 43). Dem Außerstreitverfahren sei die Bestimmung des § 234 ZPO zwar fremd und sei ein Wechsel in der Parteistellung vor Schluss des Verfahrens erster Instanz daher grundsätzlich beachtlich. In den dem außerstreitigen Verfahren zuzuzählenden Materien, die vermögensrechtliche Ansprüche zwischen den Parteien betreffen, die deren freien Disposition unterliegen und in denen daher unübersehbare Parallelen zu den maßgeblichen Grundsätzen des streitigen Zivilprozesses bestehen, sei allerdings eine Ausnahme möglich, die hier verwirklicht sei. Gegen diesen Beschluss wurde kein Rechtsmittel erhoben.

In der Tagsatzung vom 12. 5. 2015 (ON 60) erklärte der Antragstellervertreter namens der Zweitantragstellerin neuerlich den Beitritt zum Verfahren auf Seiten der Erstantragstellerin.

Mit dem in der Folge angefochtenen Beschluss wies das Erstgericht 1. das Begehren der Erstantragstellerin auf Ersetzung der Zustimmung der Antragsgegnerin zur Errichtung der Bauwerke zurück und ab, 2. die Beitrittserklärung der Zweitantragstellerin vom 12. 5. 2015 wegen rechtskräftig entschiedener Rechtssache zurück und verpflichtete 3. die Erstantragstellerin zum Ersatz der Verfahrenskosten.

Das Rekursgericht wies mit Spruchpunkt 1. den dagegen erhobenen Rekurs der Erstantragstellerin zurück und gab mit Spruchpunkt 2. dem gegen die Zurückweisung der Beitrittserklärung gerichteten Rekurs der Zweitantragstellerin keine Folge, hob aber aus Anlass ihres Rekurses den erstgerichtlichen Beschluss in den Punkten 1. und 3. auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück.

Es sei zwischen Parteiwechsel und Parteibeitritt zu unterscheiden. Hinsichtlich des in der Tagsatzung vom 12. 5. 2015 neuerlich erklärten Beitritts der Zweitantragstellerin liege eine bereits rechtskräftig entschiedene Rechtssache vor. Dies habe aber keine Auswirkungen auf ihre sonstige Parteistellung. § 234 ZPO sei im Außerstreitverfahren nicht analog anzuwenden. Das gelte auch im Verfahren nach den §§ 834 ff ABGB. Zu 5 Ob 205/14d sei klargestellt worden, dass § 234 ZPO auch im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren nicht anwendbar sei, weshalb ein Wechsel in der Parteistellung vor Schluss des Verfahrens erster Instanz beachtlich sei und den Käufern des Miteigentumsanteils eines Antragstellers, der sein Antragsrecht verloren habe, die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Antrags zu geben sei. Den Veräußerern komme keine Rechtsmittellegitimation mehr zu. Da dasselbe auch in Fällen der §§ 834, 835 ABGB zu gelten habe, habe die Erstantragstellerin vor Abschluss des Verfahrens erster Instanz ihre Parteistellung verloren. Ihr Rekurs sei daher zurückzuweisen. Da der vom Gesetz zwingend gebotene Parteiwechsel mit der Zweitantragstellerin nicht erörtert worden sei und ihr nie die Möglichkeit zur Aufrechterhaltung des Antrags der Erstantragstellerin bei deren gleichzeitigem Ausscheiden gegeben worden sei, sei der bekämpfte Beschluss in den Punkten 1. und 3. aufzuheben und die Sache an das Erstgericht zurückzuverweisen. Dies sei im Hinblick auf den Grundsatz des rechtlichen Gehörs amtswegig möglich.

Der Revisionsrekurs sei mangels Rechtsprechung zu den genannten Fragen jeweils zulässig.

In ihrem dagegen gerichteten Revisionsrekurs bekämpfen die Antragstellerinnen Spuchpunkt 1. des rekursgerichtlichen Beschlusses und beantragen dessen Aufhebung; in eventu, den Beschluss aufzuheben und die Rechtssache hinsichtlich des Spruchpunkts 1. zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an die Vorinstanzen zurückzuverweisen.

Die Antragsgegnerin beantragt in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Die Antragsgegnerin bekämpft in ihrem Revisionsrekurs Spruchpunkt 2. des Beschlusses und beantragt, ihn aufzuheben und dem Rekursgericht die Entscheidung in der Sache aufzutragen; hilfsweise wird (noch) ein Aufhebungsantrag zur Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die Vorinstanzen gestellt.

Die Antragstellerinnen beantragen in ihrer Revisionsrekursbeantwortung, den Revisionsrekurs der Antragsgegnerin zurück-, in eventu abzuweisen.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind im Hinblick auf § 89d GOG jeweils rechtzeitig. Der Revisionsrekurs der Antragstellerinnen ist, soweit er von der Zweitantragstellerin erhoben wird, unzulässig; soweit er von der Erstantragstellerin erhoben wird, zulässig, aber nicht berechtigt. Auch der Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 2 Abs 1 AußStrG sind Parteien

1. der Antragsteller,

2. der vom Antragsteller als Antragsgegner oder sonst als Partei Bezeichnete,

3. jede Person, soweit die rechtlich geschützte Stellung durch die begehrte oder vom Gericht in Aussicht genommenen Entscheidung oder durch eine sonstige gerichtliche Tätigkeit unmittelbar beeinflusst würde, sowie

4. jede Person oder Stelle, die aufgrund gesetzlicher Vorschriften in das Verfahren einzubeziehen ist.

Dem Außerstreitverfahren ist die Bestimmung des § 234 ZPO ‑ der anordnet, dass die Veräußerung einer streitverfangenen Sache (oder Forderung) auf den Prozess keinen Einfluss hat ‑ fremd. Ein Wechsel in der Parteistellung vor Schluss des Verfahrens erster Instanz ist daher zu beachten (RIS-Justiz RS0005764; RS0005786). Der Grund für die Unanwendbarkeit dieser Schutzbestimmung gegen die Vereitelung des Verfahrenserfolgs durch eine Verfügung über den Verfahrensgegenstand während des Verfahrens liegt darin, dass in den betreffenden außerstreitigen Verfahren ohnehin die Verpflichtung des Richters besteht, von Amts wegen jederzeit alle Personen, deren Rechte durch die Entscheidung betroffen werden, auch noch im Laufe des Verfahrens in dieses einzubeziehen. Lediglich in den dem außerstreitigen Verfahren zuzuzählenden Materien, in welchen unübersehbare Parallelen zu den maßgeblichen Grundsätzen des streitigen Zivilprozesses bestehen, ist eine Ausnahme möglich (RIS‑Justiz RS0005786 [T2] = 5 Ob 515/92).

Davon ausgehend wurde eine analoge Anwendung des § 234 ZPO im Aufteilungsverfahren (6 Ob 602/85; Kodek in Gitschthaler/Höllwerth AußStrG § 2 Rz 268) und im Verfahren nach den §§ 15 ff MunitionslagerG als unbedenklich erachtet (RIS-Justiz RS0005747). Dagegen wird eine Analogie im wohnrechtlichen Außerstreitverfahren verneint (5 Ob 59/11d = RIS‑Justiz RS0005764 [T3]; 5 Ob 43/15g mwN). Der Außerstreitrichter hat vielmehr im Verfahren nach § 52 WEG von Amts wegen alle jeweiligen Mit- und Wohnungseigentümer beizuziehen und den Käufern des Miteigentumsanteils des Antragstellers, der sein Antragsrecht verloren hat, durch Beiziehung zum Verfahren die Möglichkeit zu geben, den Antrag aufrecht zu erhalten (5 Ob 59/11d mwN der Rspr). Auch im Verfahren nach den §§ 834 ff ABGB wird eine Analogie zu § 234 ZPO verneint (RIS‑Justiz RS0005771 = 5 Ob 515/92).

Zum Zeitpunkt des Übergangs der Parteistellung wurde bereits ausgesprochen, dass im Verfahren nach den §§ 834 f ABGB der Eigentumsstand im Zeitpunkt der Sachentscheidung maßgebend ist (5 Ob 515/92 mwN). Bei Eigentumsübergang scheidet der frühere Eigentümer aus dem Verfahren aus und tritt der Erwerber ein (5 Ob 59/11d; s auch 5 Ob 205/14d).

Im vorliegenden Fall ist das Rekursgericht daher zutreffend davon ausgegangen, dass auf der Antragstellerseite im erstinstanzlichen Verfahren die Prozesssituation eines Wechsels in der Parteistellung vorlag.

2. Die Antragstellerinnen bekämpfen mit ihrem Revisionsrekurs ausschließlich die Zurückweisung des Rekurses der Erstantragstellerin. Diese habe nach wie vor ein rechtliches Interesse am laufenden Verfahren, für das einerseits die emotionale Bindung der Erstantragstellerin an die streitgegenständliche Liegenschaft, andererseits der Ausgang des Verfahrens in kostenrechtlicher Hinsicht ins Treffen geführt wird.

Da derjenige, dem im Verfahren die Parteistellung abgesprochen wurde, grundsätzlich legitimiert ist, die Überprüfung dieser Rechtsansicht zu verlangen (s RIS‑Justiz RS0035423; RS0039313 [T1]), ist die Erstantragstellerin zur Erhebung des Revisionsrekurses legitimiert. Keiner der genannten Gründe vermag aber eine Parteistellung iSd § 2 AußStrG hervorzurufen, zumal auch eine Pflicht zum Ersatz der Verfahrenskosten die Erstantragstellerin infolge des Parteiwechsels nicht mehr treffen könnte. Dass sie im „worst case“ zusehen müsste, „wie ihre Tochter aufgrund der hohen Prozessgebühren und der nervenaufreibenden Verfahren die Durchsetzung von zustehenden Rechten unterlässt“, ist ebenso wenig geeignet, eine Parteistellung der Erstantragstellerin fortwirken zu lassen. Zutreffend hat das Rekursgericht ihren Rekurs daher zurückgewiesen.

Da dem Revisionsrekurs, soweit er von der Erstantragstellerin erhoben wurde, daher keine Berechtigung zukommt, ist er abzuweisen.

Die Zweitantragstellerin ist dagegen nicht revisionsrekurslegitimiert, weil mit der Verneinung der Parteistellung der Erstantragstellerin nicht in ihre eigene verfahrensrechtliche Stellung eingegriffen wird. Insoweit ist der Revisionsrekurs, soweit er von der Zweitantragstellerin erhoben wurde, zurückzuweisen.

3. Die Antragsgegnerin meint, ein amtswegiger Parteiwechsel sei hier nicht möglich. Mit der Übergabe der Liegenschaften habe die Zweitantragstellerin der Erstantragstellerin das höchstpersönliche, unentgeltliche, landwirtschaftliche Mitbenützungsrecht am neuen Alpgebäude samt Nebengebäuden und Mistlege, insbesondere zum Einstellen von zwei Tieren, als außerbücherliche Dienstbarkeit eingeräumt, sodass die Parteistellung der Erstantragstellerin weiterhin gegeben sei. Es sei daher ausschließlich die Zulässigkeit des Beitritts der Zweitantragstellerin zu prüfen, der jedoch rechtskräftig zurückgewiesen worden sei.

Da ein solches Vorbringen im bisherigen Verfahren von keinem der Streitteile ‑ insbesondere auch nicht von den Antragstellerinnen ‑ erstattet wurde, kann darauf schon im Hinblick auf das Neuerungsverbot des § 66 Abs 2 AußStrG nicht Bedacht genommen werden (RIS‑Justiz RS0079200).

Die Antragsgegnerin meint auch, dass kein Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs und insoweit auch kein die Aufhebung und Zurückverweisung rechtfertigender Verfahrensmangel vorgelegen sei, weil A***** E***** und ihre Tochter vom selben Rechtsanwalt vertreten würden und die Tochter faktisch am Verfahren beteiligt gewesen sei. Es wäre daher in der Sache selbst zu entscheiden gewesen.

Das trifft nicht zu, weil das Erstgericht mangels Zustimmung der Antragsgegnerin den von der Zweitantragstellerin begehrten Parteiwechsel nicht zuließ und auch ihr Bestreben nach einem Parteibeitritt erfolglos blieb. Ihr wurde bislang daher gerade nicht in prozessual wirksamer Weise die Möglichkeit gegeben, sich im Sinne der genannten Rechtsprechung zur Aufrechterhaltung des Antrags zu äußern und in der Folge das Verfahren als neue Eigentümerin fortzusetzen. Auch dem Revisionsrekurs der Antragsgegnerin ist danach keine Folge zu geben.

4. Die Kostenentscheidung entspricht der Erfolglosigkeit der Rechtsmittel und der Billigkeit (§ 78 AußStrG): Zwar ist die Anspruchsberechtigung der Zweitantragstellerin noch Gegenstand des fortzusetzenden Verfahrens. Im Revisionsrekursverfahren wurde jedoch die Frage des Parteiwechsels bei Veräußerung der streitverfangenen Sache abschließend geklärt. Es wäre nicht sachgerecht, die der Antragsgegnerin entstandenen Kosten des Revisionsrekursverfahrens dem Verfahrensausgang in der Sache vorzubehalten, zumal die Antragsgegnerin die Zulässigkeit des Parteiwechsels auf Antragstellerseite zu Unrecht bekämpfte.

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