European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2015:0090OB00070.15G.1126.000
Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Begründung:
Die am 13. 5. 1958 geborene Betroffene ist seit 2010 besachwaltert. Nach Ordnung und Abschluss der juristischen Problemfelder in ihrem Vermögen enthob das Erstgericht mit Beschluss vom 18. 7. 2013 Rechtsanwalt Dr. Gruböck seines Amtes als Sachwalter und bestellte die Tochter der Betroffenen zur neuen Sachwalterin für alle Angelegenheiten (ON 76). Nachdem es in der Folge zur erheblichen Verminderung des Vermögens der Betroffenen gekommen war und die Tochter wiederholt eine Kooperationsbereitschaft mit dem Pflegschaftsgericht vermissen ließ, enthob das Erstgericht mit Beschluss vom 2. 4. 2015 (ON 104) die Tochter ihres Amtes und bestellte in Ermangelung eines verfügbaren Vereinssachwalters eine Rechtsanwältin zur neuen Sachwalterin. Das Rekursgericht bestätigte den Umbestellungsbeschluss.
Rechtliche Beurteilung
In ihrem dagegen gerichteten außerordentlichen Revisionsrekurs zeigt die Betroffene keine Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG auf.
Die Auswahl des Sachwalters bestimmt sich nach § 279 ABGB. Die Bestimmung wird von der Rechtsprechung im Sinne eines Stufenbaus jener Personenkreise verstanden, die für die Bestellung als Sachwalter potenziell in Frage kommen (RIS‑Justiz RS0123297): Primär ist als Sachwalter eine von der betroffenen Person selbst gewählte oder von einer nahe stehenden Person empfohlene Person (§ 279 Abs 1 S 2 ABGB) heranzuziehen. Sekundär ist eine der betroffenen Person nahestehende Person zum Sachwalter zu bestellen (§ 279 Abs 2 ABGB). Ist eine solche Person nicht verfügbar, so ist ein geeigneter Verein oder, wenn auch ein solcher nicht in Betracht kommt, ein Rechtsanwalt oder Notar oder eine andere geeignete Person zu bestellen (§ 279 Abs 3 ABGB).
Beherrschender Grundsatz für die Auswahl des Sachwalters ist das Wohl der behinderten Person. Allerdings ist bei Beurteilung der Eignung einer dem Behinderten nahestehenden Person zum Sachwalter auf mögliche Interessenkollisionen Bedacht zu nehmen (RIS‑Justiz RS0048982).
Beim Kreis jener Personen, welche zum Sachwalter bestellt werden können, ist dem Gericht ein auf das Wohl der betroffenen Person zugeschnittener Ermessensspielraum eingeräumt (RIS‑Justiz RS0087131 [T1]). Die Beurteilung der Notwendigkeit der Umbestellung eines Sachwalters ist daher notwendig auf den Einzelfall bezogen und betrifft grundsätzlich keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (RIS‑Justiz RS0117813 [T2]). Eine Einzelfallentscheidung ist für den Obersten Gerichtshof nur dann überprüfbar, wenn im Interesse der Rechtssicherheit ein grober Fehler bei der Auslegung der anzuwendenden Rechtsnorm korrigiert werden müsste (RIS‑Justiz RS0044088). Das ist hier nicht der Fall:
Sowohl die Betroffene als auch ihre Tochter hatten sich gegen die Umbestellung ausgesprochen (ON 105, ON 108), wobei sich die Betroffene sehr positiv über ihre Tochter geäußert und dem Erstgericht mitgeteilt hatte, aufgrund der Umbestellung mit den Nerven „am Ende“ zu sein. Im Sinne der mit dem Sachwalterrechts-Änderungsgesetz 2006 ‑ SWRÄG 2006, BGBl I 2006/92, angestrebten Stärkung der Familienautonomie sowie einer stabilen Betreuungssituation (9 Ob 30/15z unter Verweis auf 6 Ob 129/12g) spräche dies gegen die Umbestellung. Allerdings kommt auch der Verlässlichkeit einer Person im Kontakt mit Behörden und insbesondere mit dem Pflegschaftsgericht Bedeutung zu, weil ohne ihre Mitwirkung die gerichtliche Kontrolle der dem Sachwalter obliegenden Verwaltung der Vermögensangelegenheiten des Betroffenen nicht wahrgenommen werden kann (s 3 Ob 125/12x; zur Kontrolle der Vermögensverwaltung Beck in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 133 Rz 3 ff).
Im vorliegenden Fall hatte sich unter der Sachwalterschaft der Tochter das Geldvermögen der Betroffenen über einen Zeitraum von 14 Monaten von 20.525,90 EUR auf 10.354,21 EUR halbiert, wobei zwei Überweisungen von 5.000 EUR und 5.500 EUR mit der Widmung „Autokauf Gatte nach Depot von Liegenschaftsverkauf“ und „Autokauf Tochter, Geschenk von Liegenschaftsverkauf“ auffielen, die Tochter schriftlich erklärte, auf eine Entschädigung zu verzichten, weil sie „unter der Erlaubnis der Mutter über das Jahr verteilt Geldbeträge überweisen“ dürfe (ON 91) und bekannt gab, dass die (beleglosen) Barabhebungen und Schenkungen der Geldbeträge von der Betroffenen genehmigt worden seien (ON 100). Trotz mehrfacher Ladung zur Erörterung der Rechnungslegung und Besprechung der Geldgeschenke und trotz Ankündigung der Prüfung einer Umbestellung des Sachwalters (ON 92, 97) erschien die Tochter nicht bei Gericht und erklärte, darin auch keinen Sinn zu sehen (ON 100). Das Fehlen der Aufklärung und ausreichender Belege über die Mittelverwendung führte schließlich zur Versagung der pflegschaftsbehördlichen Genehmigung der Rechnungslegung (ON 101). Da damit aber die Vermögensgebarung der Tochter im Hinblick auf das Wohl der Betroffenen nicht weiter überprüfbar war und Interessenkollisionen im Raum stehen, haben die Vorinstanzen mit der Umbestellung den ihnen eingeräumten Ermessensspielraum in keiner korrekturbedürftigen Weise überschritten.
Mangels einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs der Betroffenen daher zurückzuweisen.
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