OGH 9Ob66/22d

OGH9Ob66/22d31.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Familienrechtssache des Antragstellers *, vertreten durch Dr. Schartner Rechtsanwalts GmbH in Altenmarkt im Pongau, gegen den Antragsgegner *, vertreten durch Berger Daichendt Grobovschek Perfeller Rechtsanwälte OG in Salzburg, wegen Feststellung der Vaterschaft, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 23. Juni 2022, GZ 3 R 90/22b‑24, mit dem dem Rekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Spittal/Drau vom 9. Mai 2022, GZ 3 FAM 36/21s‑20, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00066.22D.0831.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs des Antragsgegners wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Im vorliegenden Abstammungsverfahren wurde mit Beschluss vom 21. 1. 2022 (ON 14) Mag. * H* zur Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Gentechnik bestellt und ihr aufgetragen, ein erbbiologisches DNA‑Gutachten zur Klärung der Frage zu erstatten, ob der Antragsgegner der Vater des Antragstellers ist.

[2] Mit Schriftsatz ON 15 teilte der Antragsgegner mit, dass er sich weigere, eine DNA‑Probe abzugeben. Die Einholung des Sachverständigenbeweises stelle eine Überspannung des Untersuchungsgrundsatzes dar, weil das bisherige Verfahren keinerlei Anhaltspunkte für eine weitere Aufklärungsbedürftigkeit der Vaterschaft ergeben habe. Eine Pflicht zur Mitwirkung im Sinn des § 85 Abs 1 AußStrG bestehe nicht, weil mit der Befundaufnahme zur Aufnahme des angeordneten Sachverständigenbeweises eine ernste oder dauernde Gefahr für Leben oder Gesundheit des Antragsgegners verbunden wäre. Er leide an starker Demenz, wodurch ihn jegliche außerordentliche Ereignisse wie auch Arztbesuche und Behandlungen stark verunsicherten.

[3] Die Sachverständige erklärte in ihrer Stellungnahme, dass das Prozedere der Befundaufnahme einfach und völlig schmerzfrei und mit Mitwirkung auch komplikationslos sei. Die Probenentnahme würde durch den Hausarzt des Pflegeheims, dem von der Sachverständigen ein Testset übermittelt werde, vorgenommen werden. Der Test erfolge durch einen Mundhöhlenabstrich oder eine Fingernagel‑Probe, allerdings wären noch andere Ausgangsmaterialien aus dem Körper möglich, wie Ohrenschmalz oder Nasenspur. Durch die Entnahme solcher Proben werde die körperliche Integrität in keiner Weise verletzt. Der Vorgang sei wie bei Schnäuzen, Ohrenputzen, Kämmen oder Nägelschneiden.

[4] Das Erstgericht sprach aus, dass die Weigerung des Antragsgegners zur Mitwirkung an der Befundaufnahme nicht berechtigt sei.

[5] Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Antragsgegners nicht Folge. Nach dem Antragsvorbringen und den Beweisergebnissen gebe es Anhaltspunkte für eine Vaterschaft des Antragsgegners. Die Untersuchung zur Feststellung der Abstammung durch Vornahme eines DNA‑Testes sei erforderlich (geeignet), um die erbbiologische Sachverhaltsfrage zu klären.

[6] In seinem außerordentlichen Revisionsrekurs beantragt der Antragsgegner die Abänderung des Beschlusses des Rekursgerichts im Sinn eines Aufhebungs- und Zurückverweisungsbeschlusses zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Beschlussfassung durch das Erstgericht; hilfsweise werde die Aufhebung des Beschlusses des Rekursgerichts und Zurückverweisung des Verfahrens an dieses beantragt.

Rechtliche Beurteilung

[7] Der Rekurs ist unzulässig.

[8] 1. § 85 AußStrG regelt die Mitwirkungspflichten von Personen im Abstammungsverfahren wie folgt:

(1) Soweit es zur Feststellung der Abstammung erforderlich ist, haben die Parteien und alle Personen, die nach den Ergebnissen des Verfahrens zur Aufklärung des Sachverhalts beitragen können, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, insbesondere an der notwendigen Gewinnung von Gewebeproben, Körperflüssigkeiten und Blutproben, mitzuwirken.

(2) Die Pflicht zur Mitwirkung besteht nicht, soweit diese mit einer ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden wäre. Vor einer Befundaufnahme hat das Gericht die zur Mitwirkung aufgeforderten Personen über die Weigerungsgründe zu belehren und zur Äußerung aufzufordern. Über die Weigerung ist mit besonderem, selbständig anfechtbaren Beschluss zu entscheiden. Im Fall einer rechtmäßigen Weigerung hat das Gericht eine nicht mit der angeführten Gefahr verbundene Methode der Abstammungsuntersuchung anzuordnen.

(3) – (4) ...

[9] 2. Der Antragsgegner vermisst Rechtsprechung zur Frage, ab wann von einer Zeugungsvermutung tatsächlich gesprochen werden könne bzw wo hier die Grenze liege, wonach bloße Gerüchte einen Feststellungsantrag begründen könnten.

[10] Bereits das Rekursgericht hat darauf verwiesen, dass das Kind nach der Rechtsprechung die Wahl zwischen Feststellung durch positiven Vaterschaftsbeweis und Zeugungsvermutung hat (RS0122643, zuletzt 4 Ob 131/20y). Bei der Feststellung durch positiven Vaterschaftsbeweis durch Vornahme eines DNA‑Tests kommt es daher gerade nicht darauf an, ob auch die Zeugungsvermutung für die Vaterschaft des Antragsgegners spricht.

[11] 3. In der Rechtsprechung wurde auch ausgesprochen, dass das Gericht zwar die Pflicht hat, alle für die Entscheidung wichtigen Tatumstände – auch von Amts wegen – aufzuklären, dass aber nicht sämtliche erdenklichen Beweise, insbesondere auch nicht der Sachverständigenbeweis, aufgenommen werden müssen, denen der Charakter eines Erkundungsbeweises zukommt; das Gericht ist nicht genötigt, Beweise aufzunehmen, die nach der Sachlage überflüssig sind. Der bloße Wunsch des Klägers, sich „Klarheit zu verschaffen“, reicht für eine Bestreitungsklage nicht aus. Ob konkrete Verdachtsmomente vorliegen, die die Einholung eines (dort:) serologischen Gutachtens erforderlich machen, obliegt der pflichtgemäßen Ermessensentscheidung durch das Gericht (s dazu 8 Ob 514/92 mwN).

[12] 4. Die Notwendigkeit der „Erforderlichkeit“ findet sich auch in § 85 Abs 1 AußStrG. Die in § 85 Abs 1 AußStrG verlangte „Erforderlichkeit“ war auch bereits in der Vorgängerbestimmung des § 7 Abs 1 FamRAnglV enthalten. Schon dazu wurde judiziert, dass es bei den sogenannten Statusklagen zwar nicht eines besonderen rechtlichen Interesses an der Klageführung bedarf, weil das Gesetz schon aufgrund des Tatbestands von einem solchen als unmittelbarem Ausfluss des allgemeinen Persönlichkeitsrechts ausgeht. Eine Blutabnahme wurde dann als erforderlich angesehen, wenn sie zur Klärung des Sachverhalts offenbar notwendig war (RS0058782). Allgemein wird angenommen, dass die Mitwirkung im Abstammungsverfahren gemäß § 85 Abs 1 AußStrG dann erforderlich ist, wenn sie im konkreten Fall geboten ist (s 9 Ob 3/17g Pkt 4.1. mwN). Ob dies der Fall ist, lässt sich nur nach den Umständen des Falls beurteilen.

[13] 5. Den Vorinstanzen ist hier kein aufzugreifender Fehler in ihrer Ermessensbeurteilung unterlaufen. Nach der Aktenlage sind die Mutter und der „urkundliche“ Vater verstorben. Das Erstgericht hat im Rahmen seiner materiellen Prozessleitung durch Zeugeneinvernahmen die Klärung der Frage, ob es des Sachverständigenbeweises bedarf, herbeigeführt (vgl 8 Ob 614/91). Der Antragsgegner zeigt auch keine anderen vergleichbar verlässlichen Mittel, insbesondere auch keine weniger invasiven Methoden als die Einholung des Sachverständigengutachtens zur Feststellung der Abstammung des Antragstellers auf.

[14] 6. Zur vom Antragsgegner aufgeworfenen Frage der Zumutbarkeit einer Mitwirkung, vor allem auch im Zusammenhang mit seiner Demenzerkrankung, ist festzuhalten, dass die Mitwirkung darin besteht, bei der Befundaufnahme durch einen vom Gericht bestellten Sachverständigen, insbesondere an der notwendigen Gewinnung von Gewebeproben, Körperflüssigkeiten und Blutproben mitzuwirken. Die Mitwirkung kann von Gesetzes wegen nur verweigert werden, wenn damit eine ernste oder dauernde Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden wäre. Es ist nicht erkennbar, dass die Anordnung eines DNA‑Tests durch einen Mundhöhlenabstrich, eine Fingernagel‑Probe oder Sicherung von Ohrenschmalz oder einer Nasenspur mit einer solchen ernsten oder dauernden Gefahr für Leben oder Gesundheit verbunden ist, zumal hier explizit festgestellt wurde, dass durch die Entnahme derartiger Proben die körperliche Integrität in keiner Weise verletzt würde und der Vorgang wie bei Schnäuzen, Ohrenputzen, Kämmen oder Nägelschneiden ist. Im vorliegenden Fall bestehen auch keine Hinweise darauf, dass bei einer Probenentnahme beim Antragsgegner weiterreichende Wirkungen zu befürchten wären, weil die Probenentnahme vor Ort und durch einen vertrauten Arzt vorgenommen werden könnte. Die Beurteilung, dass die Mitwirkung des Antragsgegners „erforderlich“ im Sinne des § 85 Abs 1 AußStrG ist, ist danach nicht korrekturbedürftig.

[15] 7. Mangels einer erheblichen Rechtsfrage von der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG ist der außerordentliche Revisionsrekurs des Antragsgegners zurückzuweisen.

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