Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluß wird aufgehoben.
Dem Rekursgericht wird die neuerliche Entscheidung unter Abstandnahme vom angezogenen Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Text
Begründung
Der Kläger führte in seiner am 26. September 1990 eingebrachten Ehelichkeitsbestreitungsklage aus, die eheliche Geburt der Beklagten aus mehrfachen Gründen zu bestreiten: Da sein erster Geschlechtsverkehr mit der Mutter der am 28. August 1990 geborenen Beklagten am 3. Dezember 1989 stattgefunden habe, sei die Beklagte bei einem vom behandelnden Arzt mit 3. September 1990 errechneten Geburtstermin "eigentlich zu früh auf die Welt gekommen, dies jedoch mit einem Geburtsgewicht von kg 4,30". Dies sei zwar kein Beweis dafür, daß er nicht der Vater sei, aber sicherlich ein Indiz, sodaß er sich Klarheit verschaffen müsse. Dazu komme, daß seine Schwiegermutter ihm gegenüber angedeutet habe, er sei nicht der Vater, und ihm von der Mutter der Beklagten, mit der er schon einige Wochen vor der Entbindung keinen Kontakt mehr gehabt und die er erst auf Grund von Nachforschungen im Spital gefunden habe, mitgeteilt worden sei, daß er "kein Kind hätte". Auch die Namensgebung der Beklagten sei ohne sein Wissen und Einverständnis erfolgt. Es erscheine daher die Klärung der Vaterschaft notwendig.
Die Beklagte hat die Richtigkeit des Klagevorbringens bestritten und die Abweisung des Klagebegehrens beantragt. Das Erstgericht faßte den Beweisbeschluß auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweise dafür, ob die Vaterschaft des Klägers zur Beklagten auf Grund der Verteilung der blutserologischen Merkmale ausgeschlossen sei, und trug dem Kläger den Erlag eines Kostenvorschusses von S 40.000,-- auf; es bestellte dann Univ.Prof. Dr. H***** zum Sachverständigen und beauftragte ihn zur Erstattung des Gutachtens unter Einbeziehung der Streitteile und der Mutter der Beklagten in die Begutachtung.
Abschließend führte es in diesem Beschluß aus:
"Diese Personen sind gemäß § 7 Abs 1 der VO DRGBl I S 80/1943 zur Duldung der Entnahme von Blutproben zum Zwecke der serologischen Untersuchung verpflichtet.
Weigern sie sich ohne triftigen Grund, der Aufforderung des Sachverständigen Folge zu leisten, so kann das Gericht unmittelbaren Zwang anwenden, insbesondere kann es die zwangsweise Vorführung zur Untersuchung anordnen (§ 7 Abs 2 der VO)."
Gegen diesen Beschluß erhob die Mutter der Beklagten in deren Namen und im eigenen Namen Rekurs mit dem Abänderungsantrag, von einer beschlußmäßigen Verpflichtung zur Duldung der serologischen Untersuchung Abstand zu nehmen; hilfsweise stellte sie einen Aufhebungsantrag. Für den Fall der Erfolglosigkeit des Rekurses mache sie triftige Weigerungsgründe im Sinne des § 7 Abs 2 FamRAnglVO geltend und beantrage, das Erstgericht möge die Weigerung für rechtmäßig erkennen. Zur Begründung führte sie aus, die Ehelichkeitsbestreitungsklage gemäß § 156 ABGB setze objektiv zureichende und nicht bloß gefühlsmäßig begründete Verdachtsmomente für die Vaterschaft voraus, andernfalls sei der Klageanspruch mangels Rechtsschutzinteresses nicht entstanden. Der Kläger gebe selbst zu, daß die von ihm geltend gemachten Umstände keinen Beweis darstellten, und stützte seine Klage im wesentlichen auf den Wunsch, sich Klarheit zu verschaffen. Der Rechtsmittelwerberin und der Beklagten stehe ein Rechtschutzinteresse zu, bei Vorliegen einer aus rein rechtlichen Gründen abzuweisenden Klage nicht zur Duldung der Blutabnahme gezwungen zu werden. Die Mutter der Rechtsmittelwerberin habe dem Kläger nie die von ihm behauptete "Andeutung" gemacht. Richtig sei, daß sie selbst gegenüber dem Kläger, nach dem er zu ihr wenige Tage nach der Geburt in der Gebärklinik erklärt habe, er werde sie und das Kind vernichten und solange sie lebten nicht in Ruhe lassen, in ihrer damaligen körperlichen und seelischen Verfassung - schwere Problemschwangerschaft, Auszug des Klägers einige Monate vor der Geburt der Beklagten aus der ehelichen Wohnung usw. - eine emotionelle Äußerung des Inhaltes gemacht habe, der Kläger habe keine Frau und kein Kind mehr, denn er habe sich weder vorher noch jetzt um sie gekümmert. Nach Einleitung des gegenständlichen Prozesses habe ihr der Kläger zwei Briefe geschrieben, in deren Mittelpunkt die Beklagte als "unsere Tochter" stehe. Schließlich führte die Rechtsmittelwerberin im einzelnen auch Umstände an, die als triftige Weigerungsgründe im Sinne des § 7 Abs 2 FamRAnglVO zu werten seien.
Das Rekursgericht wies den Rekurs zurück und erklärte den Revisionsrekurs für nicht zulässig. In seiner Entscheidungsbegründung verwies es darauf, daß nach der Anfechtungserklärung des Rechtsmittels und nach dem Rekursantrag nicht die grundsätzliche Anordnung des serologischen Sachverständigenbeweises, sondern lediglich die beiden letzten Absätze des erstgerichtlichen Beschlusses bekämpft worden seien. Diese begründeten jedoch keine Verpflichtung, sondern wiesen lediglich auf die bestehende Rechtslage hin und stellten sich daher als Belehrung dar. Somit sei der Rekurs mangels Rechtsschutzinteresses unzulässig. Die angeführten Rekursgründe könnten im übrigen auch als Weigerungsgründe verstanden werden und darüber sei die Entscheidung vom Erstgericht zu treffen.
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß erhebt die Mutter der Beklagten in deren Namen und im eigenen außerordentlichen Revisionsrekurs mit dem Antrag, in Abänderung der vorinstanzlichen Beschlüsse von der Verpflichtung zur Duldung der serologischen Untersuchung Abstand zu nehmen; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Zur Zulässigkeit des Rechtsmittels wird ausgeführt, es fehle zur Frage der Rekurslegitimation - des Rechtsschutzinteresses - im Verfahren nach der FamilienrechtsangleichungsVO, insbesondere im Zusammenhang mit den damit verbundenen schwerwiegenden Eingriffen in das Persönlichkeitsrecht, veröffentlichte oberstgerichtliche Rechtsprechung. Zwar habe die Anordnung der serologischen Begutachtung als solche nicht bekämpft werden können, die Einbeziehung der Beklagten und deren Mutter sei aber ausdrücklich bekämpft worden. Der Ausspruch des Erstgerichtes, Mutter und Kind seien zur Duldung der Blutabnahme im Sinne des § 7 Abs 2 FamRAnglVO verpflichtet und würden mangels triftiger Weigerungsgründe hiezu durch unmittelbaren Zwang verhalten werden, stelle keine bloße Rechtsbelehrung dar, sondern enthalte bereits eine im Rechtswege bekämpfbare Verpflichtung. Im vorliegenden Falle reichten die in materiellrechtlicher Hinsicht indifferenten Klagebehauptungen nicht aus, eine solche Duldungspflicht zu rechtfertigen. Der Kläger habe nämlich nicht einmal Tatsachen behauptet, geschweige denn unter Beweis gestellt, die geeignet seien, bei objektiver Beurteilung durch einen Durchschnittsmenschen die Ehelichkeit des Kindes ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Mangels eines Rechtsschutzinteresses sei ein Klageanspruch des klagenden Vaters im Sinne des § 156 ABGB also nicht existent geworden. Da der Mutter der Beklagten das Recht zu deren Pflege und Erziehung, das grundsätzlich auch das Vertretungsrecht umfasse, zustehe und die Mutter die Verantwortlichkeit für die Gesundheit und das Wohl des Kindes treffe, sei sie zur Erhebung des Rekurses auch für das Kind legitimiert.
Der Revisionsrekurs ist entgegen der - unbegründet gebliebenen - Ansicht des Rekursgerichtes im Sinne der nachstehenden Ausführungen gemäß § 528 Abs 1 ZPO zulässig; er ist auch gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revisionsrekurswerber stellten schon in ihrem gegen den erstgerichtlichen Beschluß gerichteten Rechtsmittel in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung und Lehre (siehe hiezu Fasching ÖJZ 1981, 149 und Lehrbuch Rz 993 ff) nicht in Frage, daß § 7 Abs 2 FamRAnglVO für alle Beteiligten eine grundsätzliche Pflicht zur Duldung der Blutabnahme anordnet, vielmehr vertreten sie den Standpunkt, die Einholung eines serologischen Gutachtens und damit die Notwendigkeit eines Eingriffes in ihre körperliche Integrität setze voraus, daß der Kläger zureichende konkrete Verdachtsmomente für die Nichtvaterschaft behaupte; solche lägen aber, wie sich aus seinem eigenen Sachverhaltsvorbringen in Zusammenhalt mit seinem tatsächlichen Verhalten ergebe, in keiner Weise vor, sodaß es am Rechtsschutzinteresse an der auf § 156 ABGB gegründeten Klageführung fehle.
Damit beriefen sich die Revisionsrekurswerber also darauf, daß die Blutabnahme als ein erheblicher Eingriff in ihre körperliche Integrität grundsätzlich nur dann erfolgen dürfe, wenn sie zur Klärung des Sachverhaltes offenbar "erforderlich" sei, wie dies § 7 FamRAnglV verlangt. Ob bereits der beschlußmäßige Auftrag an den Sachverständigen zur Durchführung einer Blutabnahme und die zu seiner Durchführung ergehenden richterlichen Anordnungen, wie der Ausspruch der Duldungspflicht und die Androhung von Zwangsmaßnahmen zur Erzwingung der Blutentnahme, einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit der davon betroffenen Menschen darstellen und im Hinblick auf den hohen Stellenwert der Persönlichkeitsrechte in der Rechtsordnung nur als zulässig erachtet werden dürfen, wenn ihre Notwendigkeit hinreichend gerechtfertigt erscheint, stellt eine Rechtsfrage dar, deren Lösung von der im Rahmen des § 7 Abs 2 FamRAnglVO vorgesehene Geltendmachung von subjektiven Weigerungsgründen unabhängig ist und ungeachtet der Unanfechtbarkeit des Beweisbeschlusses (§ 277 Abs 4 ZPO) der Überprüfung im Rechtsmittelwege unterliegt. Fraglos stellt schon der beschlußmäßige Auftrag an den Sachverständigen, die Blutabnahme vorzunehmen, umsomehr aber jede zur Erfüllung dieses Auftrages ergehende gerichtliche Anordnung (Ausspruch der Duldungspflicht und Androhung von Zwangsmaßnahmen zur Erzwingung der Blutentnahme) ein das Beschwerderecht der Betroffenen auslösendes aktuelles Eingriffspotential dar. Das Anfechtungsrecht kann hier von der betroffenen Mutter der Beklagten Kleinkindes aufgrund des ihr zuerkannten Rechtes auf Pflege und Erziehung des Kindes, aus dem die Verantwortlichkeit für die Sorge um dessen Gesundheit und Wohl hervorgeht, auch für die betroffene Beklagte ausgeübt werden (vgl. Fasching ÖJZ 1981, 149).
Inhaltlich ist den Rekurswerbern zunächst zu entgegnen, daß bei den sogenannten Statusklagen, so auch der in § 156 ABGB normierten Ehelichkeitsbestreitungsklage als einer (rückwirkenden) Rechtsgestaltungsklage, es nicht eines besonderen rechtlichen Interesses an der Klageführung bedarf, weil das Gesetz schon auf Grund des Tatbestandes von einem solchen als unmittelbarem Ausfluß des allgemeinen Persönlichkeitsrechtes ausgeht (vgl Fasching III 15 ff, 51 ff; Lehrbuch Rz 2367 f, 740 ff, 1528; Fasching, Das Verfahren zur Feststellung der ehelichen und unehelichen Abstammung 68; SZ 20/60; SZ 14/60; vgl SZ 47/59). Das rechtliche Interesse ist eine Erscheinungsform des inhaltlich noch darüber hinausgehenden Rechtsschutzbedürfnisses. Auch dieses wird bei Rechtsgestaltungsklagen "vermutet", weil das Erheben solcher Ansprüche an sich schon die Annahme rechtfertigt, daß der Kläger in seinen Rechten gekränkt sein könnte (Fasching III 6, 170; 1 Ob 545/81). Wird mangelndes Rechtschutzbedürfnis behauptet, so wird damit das Fehlen einer verfahrensrechtlichen Voraussetzung geltend gemacht (Fasching III 6; 6 Ob 219/74; 5 Ob 643/81 ua). Angebliche Mängel der materiell-privatrechtlichen Berechtigung des Klagebegehrens sind vom prozessualen Tatbestand des mangelnden Rechtschutzbedürfnisses aber streng zu trennen. Es ist insbesondere ausgeschlossen, daß die materiell-privatrechtliche Berechtigung des Klageanspruches und damit die Begründetheit der Klage zur Vorfrage für das Bestehen eines Rechtschutzbedürfnisses erhoben wird (SZ 48/79; RZ 1985/78 S 225).
Die Rechtsansicht der Rekurswerber, die in materiellrechtlicher Hinsicht indifferenten Klagebehauptungen reichten nicht aus, um eine Pflicht zur Duldung der Blutabnahme zu rechtfertigen, woraus der Mangel eines Rechtschutzbedürfnisses folge, verkennt somit den prozessualen Charakter eines solchen Einwandes. Dennoch kommt dem Rechtsmittel Berechtigung zu.
Im Sinne der bisherigen Rechtsprechung und gestützt auch auf das Erkenntnis der Europäischen Menschenrechtskommission ÖJZ 1980, 469, ist zwar die auf Grund des § 7 FamRAnglVO erfolgte Anordnung einer zwangsweisen Blutabnahme verfassungsrechtlich nicht bedenklich. Sie stellt jedoch zweifellos einen Eingriff in die körperliche Integrität eines Menschen dar (siehe hiezu Fasching ÖJZ 1981, 169 ff). Wenn sie den Beteiligten im Interesse der materiellen Wahrheitsfindung grundsätzlich zugemutet werden kann, so muß doch - wie dies aus § 7 Abs 2 FamRAnglVO klar hervorgeht, arg. "erforderlich" - ihre offenbare Notwendigkeit zur Klärung des Sachverhaltes verlangt werden. Läßt sich auf Grund des Sachvorbringens der Parteien, insbesondere des vom Kläger vorgetragenen Klagegrundes, noch nicht beurteilen, ob es eines solchen Beweises überhaupt bedarf, so ist zunächst im Rahmen der materiellen Prozeßleitung die erforderliche Klärung herbeizuführen. Ob es dieses Eingriffes bei der dann behaupteten Sachlage auch noch bedarf, obliegt der pflichtgemäßen Ermessensbeurteilung durch das Gericht.
Die Rekurswerber behaupten, nach seinem bisherigen Sachvorbringen bezweifle der Kläger selbst die Ehelichkeit der Beklagten gar nicht ernstlich. Er habe keine Tatsachen behauptet und unter Beweis gestellt, die geeignet sind, bei objektiver Beurteilung durch einen Durchschnittsmenschen die Ehelichkeit des Kindes ernsthaft in Zweifel zu ziehen. Der bloße Wunsch des Klägers, sich "Klarheit zu verschaffen" - wie er selbst angegeben habe -, reiche für eine Bestreitungsklage nicht aus. Die Mutter des Kindes habe zum Kläger in seelischer Notlage emotionell geäußert, er habe keine Frau und kein Kind mehr, denn er habe sich nicht um sie gekümmert.
Auf all diese Einwände ist das Rekursgericht aufgrund seiner abweichenden Rechtsansichten gar nicht eingegangen. Dem Obersten Gerichtshof ist jedoch eine sachliche Entscheidung im Hinblick darauf verwehrt, daß diese Frage wegen der Bestimmung des § 528 Abs 2 Z 2 ZPO an ihn allenfalls nicht herangetragen werden könnte.
Demgemäß war der rekursgerichtliche Beschluß aufzuheben und dem Rekursgericht die neuerliche Entscheidung aufzutragen.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 ZPO.
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