OGH 9Ob63/14a

OGH9Ob63/14a25.2.2015

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden und durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Dehn, Mag. Korn und Dr. A. Kodek als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** T*****, vertreten durch Kraft & Winternitz Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei U***** AG, *****, vertreten durch DLA Piper Weiss-Tessbach Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 119.422,74 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 29. April 2014, GZ 4 R 191/13g‑34, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Handelsgerichts Wien vom 29. Mai 2013, GZ 55 Cg 281/11a‑30, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 2.185,74 EUR (hierin enthalten 364,29 EUR an USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin erwarb am 25. 1. 2007 um 100.076,45 EUR 85 Anteile am Fonds „Herald USA Segregated Portfolio One“ (im Folgenden: Herald-Fonds), einem abgesonderten Portfolio der 2004 nach dem Recht der Cayman Islands gegründeten und dort situierten Emittentin H***** Fund SPC.

Der Herald-Fonds ist ein ausländischer Kapitalanlagefonds. Die Beklagte war seine (inländische) Repräsentantin, Prospektkontrollorin und Zahlstelle im Sinne der §§ 25 ff InvFG 1993. Verwalterin (im Wesentlichen) des gesamten Fondsvermögens im Rahmen eines sogenannten „Managed Account“ war die Bernard L. M***** LLC (im Folgenden: BLM*****), der die H***** Fund SPC das Management von im Wesentlichen allen Geldern des Fonds direkt oder indirekt übertragen hatte. Dies war der Beklagten bekannt.

2008 kam hervor, dass M*****/BLM***** sämtliche oder den Großteil der Veranlagungen/Transaktionen mit einem betrügerischen „Ponzi-Schema“ (Schneeballsystem) nur vorgetäuscht hatten.

Derzeit werden bei einem Rücknahmeersuchen für die Anteile keine Zahlungen geleistet. Der Wert der von der Klägerin nach wie vor gehaltenen Anteile wurde auf Null korrigiert.

Der zum Investitionszeitpunkt aktuelle Verkaufsprospekt vom 31. 7. 2005 lautet auszugsweise wie folgt:

„ANLAGEZIELE UND -STRATEGIE

Das Ziel des Fonds ist es, eine langfristige Kapitalsteigerung durch Investitionsstreuung zu erreichen. Der Fonds wendet hinsichtlich der Veranlagung und Verwaltung des Fondskapitals einen Multi-Strategy Ansatz an. Der Fonds wird, ausgehend von Empfehlungen eines Investmentmanagers in Absprache mit Anlageberatern, auf kontinuierlicher Basis Investment Manager bestellen („Manager“), welche Formen der gemeinschaftlichen Veranlagung und/oder diskretionär verwaltete Portfoliokontoen („Konten“) führen, welche verschiedene Hintergründe in Bezug auf die Modalitäten für Anlagestrategien, Märkte und Finanzinstrumente haben. Der Investment Manager hat in Absprache mit den Anlageberatern eine Vielzahl von Faktoren bei der Aufsicht über die Wahl der Manager zu berücksichtigen. Entscheidende Faktoren sind beispielsweise Erfahrung und Marktentwicklungen, Handelsstrategien und Handelstechniken, Fachkenntnis und Einschätzungen.

Vom Investment Manager ausgewählte und vom Fonds bestellte Manager bekommen bestimmte Anteile des Fondsvermögens zugeteilt, um diese in Konten und/oder in Formen der gemeinschaftlichen Veranlagung zu investieren. Die Zuteilung des Fondsvermögens kann sich mit der Zeit ändern und der Investment Manager, in Absprache mit den Anlageberatern, ist ermächtigt, neue Manager auszuwählen und zu engagieren, das Vermögen unter mehreren Managern umzuverteilen und die Geschäftsbeziehung zu einem oder mehreren der Manager zu beenden. Es ist möglich, dass der Investment Manager selbst bzw durch ein verbundenes Unternehmen bestimmte Vermögen des Fonds verwaltet. Der Investment Manager kann in Absprache mit den Anlageberatern mitunter das gesamte oder Teile des Fondsvermögens in Bargeld bzw Bargeldgegenwerte veranlagen.

Der Fonds hat keine im Vorhinein festgesetzte Minimal- oder Maximalanzahl an Managern, welche vom Fonds eingesetzt werden. Der Investment Manager kann das gesamte bzw den Hauptanteil des Fondsvermögens an einen Manager vergeben. […]

ANLAGERISIKEN

[…]

Verwaltete Konten („Managed accounts“)

Der Fonds kann Managern, welche diskretionär Vermögensverwaltungskonten führen, das Vermögen des Fonds zuteilen. In diesem Fall erhalten der Administrator und die Depotbank Kontoauszüge sowie Transaktionsbe-stätigungen nur für Wertpapiertransaktionen. Jeder Verlust, der sich aus einem Investment in ein derartiges Konto ergibt, wird von den Anlegern getragen, wenn er nicht durch Betrug, grobe Fahrlässigkeit oder vorsätzliche Pflichtversäumnis durch den Investment Manager oder die Anlageberater entstanden ist.

[...]

ADMINISTRATOR UND DEPOTBANK

[...]

Depotbank

[…]

Die H***** (Luxemburg) S.A. ist mit der Verwahrung des Fondsvermögens beauftragt. Ihre Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Gesetz, dem Depotvertrag sowie dem Administrationsvertrag, welche zwischen dem Fonds und der Depotbank mit Wirkung vom 29. 3. 2004 abgeschlossen wurden.

[…]

Die Depotbank ist somit für die Sicherung des Fondsvermögens verantwortlich. Wird das Fondsvermögen allerdings von Maklern oder in verwalteten Konten („managed accounts“) gehalten, ist die Depotbank für solches Vermögen nicht verantwortlich. Sub-Depotbanken dürfen von der Depotbank ernannt werden. […] Die Depotbank ist gegenüber der Gesellschaft für die Dauer des Subdepotvertrags für die laufende Eignung der Sub‑Ddepotbank zur Erbringung der Subdepotleistungen verantwortlich.

[…]

Die Depotbank übernimmt die Verantwortung für das Handeln und Unterlassen jeder Sub-Depotbank, ist aber nicht verantwortlich für Verluste, die aus der Liquidierung oder der Insolvenz einer Sub-Depotbank entstehen. […]“

In den Jahresberichten 2004 bis 2007 wurde zum Managed Account Folgendes ausgeführt:

„GETRENNT VERWALTETE KONTEN

Der Investmentmanager legt die meisten Vermögenswerte des Herald USA Segregated Portfolio One mit Hilfe eines getrennten, verwalteten Kontos an. Dieses getrennte, verwaltete Konto wird durch eine Makler-/Händler-Investmentfirma verwaltet. Die Treuhandbank hat diese Makler-/Händler-Investmentfirma als ihren Sub-Treuhänder bestellt, um die Vermögenswerte des Herald USA Segregated Portfolio One zu halten und aufrechtzuerhalten.“

Die Klägerin wurde bei ihrem Investment von ihrem Ehemann beraten und vertreten, der Leiter des Bereichs „Private Banking & Asset Management“ einer großen österreichischen Bank ist. Dieser kannte den Herald Fonds ebenso wie den Primeo Fonds aus den in der Bank aufliegenden Unterlagen und ging davon aus, dass der Herald Fonds der Nachfolger des Primeo sei und die gleiche Strategie wie jener verfolge. Vor der Investition las er den Emissionsprospekt, dem er entnahm, dass es sich um einen Offshore-Fonds handelte, der nicht den europäischen Richtlinien unterlag, dass es aber eine Gewaltentrennung, eine renommierte Depotbank und einen renommierten Wirtschaftsprüfer gab. Einen Fonds ohne Gewaltentrennung hätte er nicht akzeptiert. Er hielt ein Managed Account für eine übliche Form der Verwaltung eines Hedgefonds, bei dem ein Manager das Geld bei sich am Konto führe, und nahm an, dass dies lediglich die zur Absicherung der Strategie verwendeten Derivate betreffe, womit maximal 10 % des Fondsvermögens beim Manager sein könnten. Er dachte, dass das restliche Vermögen von der Depotbank gehalten würde. Entscheidendes Kaufargument für ihn waren die Performance und die geringe Volatilität. Insofern hielt er das Produkt für die konservative Anlagestrategie der Klägerin für geeignet.

Hätte der Ehegatte der Klägerin gewusst, dass das gesamte Vermögen des Herald Fonds im Rahmen eines Managed Account gehalten wurde, hätte er von diesem Investment Abstand genommen und stattdessen in andere festverzinsliche Wertpapiere, etwa eine Staats- oder Unternehmensanleihe oder einen anderen Hedgefonds investiert. In diesem Fall hätte er 4 % Zinsen erzielt, somit 19.346,29 EUR.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 119.423,74 EUR sA Zug um Zug gegen Übergabe der 85 Anteile am „Herald EUR“, hilfsweise die Feststellung der Haftung der Beklagten für ihren Schaden aus dem Erwerb dieser Anteile. Sie brachte im Wesentlichen vor, die Beklagte, die über umfassendes Sonderwissen verfügt habe, habe seit Gründung des Fonds gewusst, dass M***** und BLM***** alle maßgeblichen Fonds-Funktionen, sogar jene der Depotbank, auf sich vereint hätten, wodurch jede effektive Kontrolle im Fonds, insbesondere bei der Gebarung des Managements, ausgeschaltet gewesen sei, und dass eine echte „Streuung“ oder die Betrauung mehrerer Manager, wie im Prospekt suggeriert, nie stattgefunden habe, vielmehr alle Gelder zu BLM***** (als Treuhänder und Schuldner des Fonds) geflossen seien.

Die Klägerin habe sich auf die sachliche Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektinformation verlassen. Sie hätte nicht in den Fonds veranlagt, wenn sie gewusst hätte, dass BLM***** seit der Gründung als ausschließlicher Manager engagiert gewesen sei und auch als Depotbank fungiert habe, dass die Haftung der „offiziellen Depotbank“ durch die Übertragung sämtlicher Gelder des Fonds am BLM***** ausgeschlossen worden sei, dass BLM***** kein einziges Wertpapier gekauft habe, dass M***** keine Gebühren für das Management verrechnet habe, weshalb die Managementgebühren ohne effektive eigene Leistung voll bei der Managementgesellschaft verblieben seien, wovon auch die Beklagte als Miteigentümerin der Bank Me*****, in deren Alleineigentum die Managementgesellschaft gestanden sei, profitiert habe, dass M***** darauf bestanden habe, dass alle Gelder an ihn transferiert würden und er als (nicht offen gelegte) Depotstelle akzeptiert werde, dass er Kooperationspartner angehalten habe, ihn als Manager nicht auszuweisen, und dass BLM***** nach US-Recht für zum öffentlichen Vertrieb zugelassene Fonds gar nicht als Manager habe tätig werden dürfen. Die Beklagte habe all diese Umstände gekannt und zustimmend in Kauf genommen.

Die Ausschaltung der wesentlichen, prospektmäßig vorgesehenen Kontrollmechanismen gehe aus den Verkaufsprospekten, Fact-Sheets und anderen Verkaufsmaterialien nicht hervor. Die Prospekte seien daher inhaltlich falsch oder zumindest irreführend. Die Klägerin habe den Begriff „Managed Account“, dessen Funktionsweise der Prospekt ebenso wenig wie das daraus entstehende Risiko beschreibe, nicht dahin verstehen müssen, dass dem Manager die Gelder treuhändig zur Verfügung gestellt würden, er Schuldner werde und gleichzeitig auch als Depotbank und Broker fungiere.

Die Beklagte hafte als Repräsentantin und Prospektkontrollorin, weil ihr zurechenbare Mitarbeiter die Unrichtigkeit bzw Unvollständigkeit der Prospektangaben gekannt hätten. Sie habe deshalb grob schuldhaft ihre Pflichten als Prospektkontrollorin verletzt. Hätte sie eine sorgfältige Prospektprüfung vorgenommen, wäre es in Österreich zu keinem öffentlichen Angebot des Fonds in der vorliegenden Form gekommen.

Die Beklagte wendete zusammengefasst ein, sie sei ihrer Pflicht, den Prospekt auf formale Vollständigkeit und die vorliegenden Unterlagen der Emittentin stichprobenartig auf ihre Richtigkeit und Vollständigkeit hin zu kontrollieren, in stetiger Absprache mit der Finanzmarktaufsicht nachgekommen. Für Handlungen der Depotbank und der Emittentin sei sie ebenso wenig verantwortlich wie sie den Manager des Herald Fonds (die BLM*****) zu überwachen habe.

Dem Emissionsprospekt sei zu entnehmen, dass Veranlagungen über einen Manager erfolgen können, der seinerseits die auf sein Managed Account übertragenen Vermögenswerte ‑ was eine in der internationalen Finanzwelt übliche Vorgangsweise sei ‑ diversifiziert zu veranlagen habe. Bernard M***** und BLM***** seien damals renommierte Broker-Dealer und Investment Adviser gewesen. M*****s betrügerisches Handeln sei nicht erkennbar gewesen.

Dass BLM***** zugleich Managerin und Drittverwahrerin gewesen sei, sei unbedenklich gewesen, weil nach dem insoweit maßgeblichen ausländischen Recht (US‑amerikanischem wie auch dem Recht der Cayman-Inseln) dieselbe Person sowohl Händler als auch Manager und Depotbank sein dürfe. Auch sonst sei die Vereinigung mehrerer Funktionen bei einer Person international üblich und zulässig.

Die Depotbank hafte (unter anderem nach zwingendem luxemburgischen Recht) ohnehin für die Malversationen des Drittverwahrers BLM*****, weshalb kein Unterschied zu einer direkten Verwahrung durch die Depotbank bestehe. BLM***** sei nach dem Drittverwahrungsvertrag auch zur treuhänderischen Verwahrung des Vermögens des Herald Fonds verpflichtet gewesen und habe niemals Eigentümer des anvertrauten Vermögens werden dürfen, damit gewährleistet sei, dass die Depotbank und die Anleger selbst im Fall seiner Insolvenz oder der seiner Sub-Sub-Verwahrer bzw Lagerstellen ihre Ansprüche geltend machen könnten. M***** habe zudem vorgegeben, die Wertpapiere bei der D***** Trust Company, der größten Depotlagerstelle der Welt, gelagert zu haben. Der Betrug hätte auch mit einer in Österreich jedenfalls zulässigen Fondskonstruktion stattfinden können. Der Trennungsgrundsatz nach § 3 Abs 3 Z 4 InvFG sei hier nicht anzuwenden.

Die Klägerin treffe das alleinige Verschulden, zumindest aber ein ganz überwiegendes Mitverschulden an ihrem Schaden, weil ihr die nunmehr beanstandeten Umstände bei sorgfältiger Lektüre des Emissionsprospekts auffallen hätten müssen. Der Prospekt lasse nämlich deutlich erkennen, dass Veranlagungen über ein Managed Account erfolgen können, und das Zusammenfallen von Verwaltung und Sub-Verwahrung sei ‑ wie im Prospekt des Primeo Fonds ‑ eindeutig beschrieben und unmissverständlich erkennbar.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die Beklagte habe die Prüfung des ‑ wenngleich unvollständigen und irreführenden ‑ Emissionsprospekts auf seine formelle Vollständigkeit hin einwandfrei ausgeführt. Für dessen inhaltliche Vollständigkeit hafte sie nicht. Ihr Wissen um die Vereinigung von Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens bei BLM***** schade nicht, weil sie von der erfolgreichen Gestionierung des Fonds ausgehen habe dürfen.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung infolge Berufung der Klägerin im Sinne der Stattgebung ihres Hauptbegehrens ab. Zum Emissionsprospekt des Primeo Fonds, der in seiner Struktur und der Darstellung mit jenem des Herald Fonds vergleichbar sei, habe sich mittlerweile eine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Prospekthaftung nach dem InvFG 1993 in Verbindung mit dem KMG herausgebildet, wonach er nach dem maßgeblichen Gesamtbild ausreichend klare Hinweise auf den zentral risikoerhöhenden Umstand enthalten habe, dass der Manager (BLM*****) als Subdepotverwahrer bestellt worden sei und über das „Managed Account“ unmittelbar verfügen habe können, wobei die Depotbank in diesem Fall die ihr sonst zukommende und im Prospekt beschriebene Hauptaufgabe, die Gelder des Fonds bzw die mit diesen Geldern erworbenen Wertpapiere zu verwahren, nicht ausgeübt habe. Durch den Hinweis, dass der Fonds seit seiner Gründung durch einen (einzigen) Manager in Form eines Managed Account geführt werde, sei die Ist-Situation zum Zeitpunkt der Prospekterstellung richtig wiedergegeben worden.

Der Prospekt für den Herald Fonds lege demgegenüber nicht offen, dass im Wesentlichen das gesamte Fondsvermögen bei einem einzigen Manager verwahrt werde, sondern lege nur dar, dass die (bloße) Möglichkeit einer solchen Vereinigung von Verwaltung und (Sub-)Verwahrung bestehe. Damit werde aber der für den potenziellen Anleger wesentlich risikoerhöhende, nicht nur theoretisch denkbare, sondern aufgrund der aktuellen Fondsstruktur real gegebene Umstand, dass nicht die Depotbank, sondern vielmehr der Manager als (Sub-)Depotverwahrer die Gelder unmittelbar über ein „Managed Account“ verwalte und verwahre, geradezu verschleiert. Verstärkt werde diese Irreführung dadurch, dass der Emissionsprospekt mit etlichen seiner Aussagen auf eine Mehrzahl von Managern Bezug nehme.

Da der Beklagten die tatsächliche Fonds-Struktur, insbesondere die Vereinigung von Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens bei BLM***** bekannt gewesen sei und sie dennoch den Prospekt bestätigt habe, statt gemäß § 8 Abs 2 KMG die erforderlichen klarstellenden Berichtigungen oder Ergänzungen zu veranlassen, sei ihr vor allem angesichts der besonderen Bedeutung des Trennungsgrundsatzes für den Anlegerschutz grobe Fahrlässigkeit bei der Prospektkontrolle anzulasten.

Der sogenannte Trennungsgrundsatz gelte auch für ausländische Investmentfonds, weil das Investmentgeschäft nach der gesetzlichen Konzeption ein koordiniertes Zusammenwirken zwischen der Kapitalanlagegesellschaft und der Depotbank im Sinne einer gegenseitigen Überwachung erfordere. Die grundsätzliche ratio legis für die Einbeziehung der Depotbank in das Investmentgeschäft liege gerade in der Wahrung der Interessen der Anteilsinhaber. Es müsse somit gewährleistet sein, dass die Depotbank ausschließlich im Interesse der Anleger handle und ihr dazu die notwendigen Kontroll- und Durchsetzungsmöglichkeiten zukämen.

Das Berufungsgericht ließ die ordentliche Revision zu, weil bislang höchstgerichtliche Rechtsprechung zum Emissionsprospekt des Herald Fonds ebenso fehle wie zur Frage, ob für ausländische Kapitalanlagefonds der Trennungsgrundsatz auf Delegationsebene anzuwenden sei.

In ihrer Revision beantragt die Beklagte die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben; wiederum hilfsweise stellt sie einen Aufhebungsantrag.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist wegen der gebotenen Auseinandersetzung mit den beiden mittlerweile zu diesem Emissionsprospekt ergangenen divergierenden Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (2 Ob 41/14i und 5 Ob 26/14f) zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin macht im Wesentlichen geltend, dass der Emissionsprospekt ohnehin richtig, vollständig und nicht irreführend sei, dass sie die Prospektkontrolle entsprechend den gesetzlichen Vorgaben durchgeführt habe, sodass ihr keinerlei ‑ und schon gar kein grobes ‑ Verschulden anzulasten sei, und dass die Klägerin jedenfalls ein ganz überwiegendes Mitverschulden treffe.

Dazu wurde vom Obersten Gerichtshof erwogen:

1. Im vorliegenden Fall sind die Vorschriften der §§ 24 ff InvFG 1993 anzuwenden.

1.1. Gemäß § 26 Abs 2 InvFG 1993 idF BGBl 2003/80 muss der Prospekt alle Angaben enthalten, die zum Zeitpunkt der Antragstellung für die Beurteilung der ausländischen Kapitalanlagefondsanteile von wesentlicher Bedeutung sind.

1.2. Der Zweck dieser Bestimmung liegt darin, dem potenziellen Anleger durch das Vorsehen verpflichtender Prospektinhalte eine umfassende und objektive Grundlage für seine Erwerbsentscheidung zu bieten (6 Ob 190/12b; 3 Ob 108/13y mwN).

1.3. An diesem Zweck orientiert sich auch der Inhalt und Umfang der in § 8 Abs 2 KMG geregelten Prüfpflicht des Prospektkontrollors. Nach dieser Bestimmung hat der Emittent dem Kontrollor sämtliche Unterlagen beizustellen, die eine zweifelsfreie Kontrolle der Richtigkeit und Vollständigkeit der Prospektangaben ermöglichen. Der Kontrollor hat aufgrund des letzten Berichts des Abschlussprüfers über den Emittenten gemäß § 273 HGB (nun: UGB), sofern eine gesetzliche Prüfpflicht besteht, und aufgrund der vom Emittenten beizustellenden Unterlagen mit berufsmäßiger Sorgfalt zu kontrollieren, ob der Prospekt die geforderten Angaben enthält und ob er die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse richtig wiedergibt. Ein Prospekt, der die rechtlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht richtig wiedergibt oder in einer für die Anlageentscheidung relevanten Weise missverständlich formuliert ist, entspricht daher den gesetzlichen Vorgaben nicht.

1.4. Dabei hat der Prospektkontrollor die Prospektangaben auf formale Vollständigkeit zu überprüfen und die vom Emittenten zur Verfügung gestellten Unterlagen einer stichprobenartigen Überprüfung zu unterziehen. Er haftet nicht für die Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts selbst, sondern nur für erfolgte unrichtige oder unvollständige Kontrollen (10 Ob 69/11m; 6 Ob 190/12b; 2 Ob 108/13y).

1.5. Die organisatorische Trennung zwischen Verwahrung und Verwaltung des Fondsvermögens dient der Sicherung der Anleger vor dessen missbräuchlicher Verwendung. Im Hinblick darauf hat der Oberste Gerichtshof in den den Primeo Fonds betreffenden Entscheidungen betont, dass die Tatsache, dass de facto der Manager als Subdepotverwalter und nicht die Depotbank selbst die Gelder unmittelbar über ein „Managed Account“ verwahrte, eine wesentliche Risikoerhöhung für den potenziellen Anleger darstellt und es sich dabei deshalb um einen Umstand handelt, über den der Prospektkontrollor im Sinn des § 26 Abs 2 InvFG 1993 aufzuklären hatte (3 Ob 108/13y; 7 Ob 235/12b).

2. Zum hier zu beurteilenden Emissionsprospekt des Herald Fonds (in der Fassung vom 31. 7. 2005) sind bisher zwei Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs ergangen.

2.1. Der zweite Senat hat in der Entscheidung 2 Ob 41/14i zur Frage der Unrichtigkeit oder Unvollständigkeit des Prospekts die Auffassung vertreten, dass die Anleger ausgehend von den Prospektangaben auch beim Herald Fonds mit der Verwaltung des Fondsvermögens in Form von Managed Accounts und der Übertragung der Verwaltung an einen einzigen Manager rechnen hätten müssen. Insoweit bestehe kein gravierender Unterschied zwischen dem Primeo Fonds und dem Herald Fonds. Dem Emissionsprospekt sei die Möglichkeit der Verwaltung und Verwahrung durch einen einzigen Broker oder Manager noch ausreichend deutlich zu entnehmen. Im Prospekt des Primeo Fonds werde zwar auf die derzeitige Verbindung zwischen Fondsmanagement und Depotbank hingewiesen, während beim Herald Fonds nur die Möglichkeit dazu aufgezeigt werde. Allerdings müsse der Käufer auch dann, wenn nur die Möglichkeit der Verbindung bestehe, jederzeit mit deren Umsetzung rechnen und lasse sich mit dem Kauf darauf ein. Im Übrigen fehle es aber nach den Feststellungen ohnehin an der erforderlichen Kausalität einer allenfalls mangelhaften Prospektprüfung.

2.2. Demgegenüber hat der fünfte Senat in seiner Entscheidung 5 Ob 26/14f ‑ unter Ablehnung der Entscheidung 2 Ob 41/14i, soweit sie die „Primeo“ Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs auch für den Verkaufsprospekt des Herald Fonds als maßgeblich erachtete ‑ zu diesem Thema unter anderem Folgendes ausgeführt:

2.8 […] der Auffassung des Berufungsgerichts [ist] beizupflichten [...], dass der konkret zu beurteilende Verkaufsprospekt über den dargelegten, zentral risikoerhöhenden Umstand nicht ausreichend aufklärte:

a) Ein ganz wesentlicher Unterschied liegt darin, dass im Verkaufsprospekt betreffend den Primeo immerhin an zwei Stellen ganz klar zum Ausdruck gebracht wurde, dass der Fonds zur Zeit (seit seiner Gründung) von einem Manager in Form eines Managed Account geführt wird. Dieser Hinweis fehlt im hier zu beurteilenden Prospekt nicht nur; der Prospekt verklausuliert die Tatsache, dass der Manager ohne jede Kontrolle über das Vermögen gänzlich verfügungsberechtigt ist, auch durch die missverständliche Formulierung, dass der Fonds Managern „das Vermögen des Fonds zuteilen“ kann. Diese „Zuteilung“ ist zumindest mehrdeutig, berücksichtigt man den unter dem der Überschrift „Anlagerisiken“ unmittelbar nachfolgenden Hinweis, dass die Depotbank mit der Verwahrung des Fondsvermögens beauftragt und somit für die Sicherung des Fondsvermögens verantwortlich ist. Der weitere Hinweis, dass die Depotbank für solches Vermögen nicht verantwortlich ist, wenn das Fondsvermögen von Maklern oder in verwalteten Konten („Managed Accounts“) gehalten werde, ist zumindest mehrdeutig und könnte auch als Haftungsfreizeichnung der Depotbank und nicht dahin verstanden werden, dass die Depotbank von vornherein faktisch nicht kontrollieren kann, ob das dem Manager „zugeteilte“ Vermögen überhaupt in der behaupteten Art veranlagt wird bzw das Vermögen (oder an seine Stelle tretende Vermögenswerte/Wertpapiere) überhaupt vorhanden ist.

b) Diese Tatsachen in Verbindung mit der ebenfalls bereits vom Berufungsgericht zutreffend hervorgehobenen mehrfachen Verwendung der Mehrzahlform der „Manager“ rechtfertigt den vom Berufungsgericht gezogenen Schluss, dass der den Herald Fonds betreffende Verkaufsprospekt in entscheidenden Punkten wesentlich undeutlicher ist als jener des Primeo Fonds, den der Oberste Gerichtshof bisher als (noch) ausreichend vollständig und nicht irreführend beurteilt hat (zustimmend zu dieser Rechtsprechung Welser, Die Prospektkontrolle in der Rechtsprechung zu den „Madoff Fällen“, JBl 2014, 613 ff).

c) Es ist daher den Vorinstanzen und dem Kläger darin beizupflichten, dass ein Prospekt, der von der Möglichkeit der Verbindung der Funktion einer oder mehrerer Manager mit jener des Verwahrers spricht, obwohl die Verbindung der Funktion eines einzigen Managers mit jener des Verwahrers im Zeitpunkt der Prospekterstellung bereits verwirklicht war, das erst durch diese tatsächliche Verbindung entstehende, im Anlassfall auch schlagend gewordene Veruntreuungsrisiko nicht ausreichend darstellt (vgl Graf, Prospekthaftung beim Herald Fonds. Eine Anmerkung aus Anlass der E 2 Ob 41/14i, ecolex 2014, 855). Das bestehende Veruntreuungsrisiko erhöht sich dabei auch durch den im Prospekt verschleierten Umstand, dass seit Gründung des Fonds nur ein Manager bestellt war, der dadurch de facto über das gesamte Fondsvermögen ohne jegliche Kontrolle verfügen konnte.“

2.3. Der erkennende Senat schließt sich in dieser Frage den überzeugenden Ausführungen des fünften Senats zu 5 Ob 26/14f an, besteht doch tatsächlich ein entscheidender Unterschied zwischen dem Prospekt des Primeo Fonds, der jenes massive Risiko, das sich auch tatsächlich verwirklicht hat, (noch) ausreichend darlegt, und jenem des Herald Fonds, der dieses Risiko durch die gewählten Formulierungen offenbar bewusst verschleiern wollte.

Mit ihrer Argumentation, wonach es in der Praxis völlig unmöglich sei, dass im Prospekt immer die aktuelle Veranlagungsmethode dargestellt werde, zumal es vor allem im Interesse der Anleger stets möglich sein müsse, bei einer Änderung der Verhältnisse die gerade verfolgte Anlagestrategie rasch zu ändern, weshalb ‑ was jedem Anleger bekannt sein müsse ‑ aktuelle Informationen, insbesondere über die gerade aktuelle Veranlagungsmethode, vor allem in den regelmäßig erscheinenden Rechenschaftsberichten zu finden seien, übergeht die Beklagte, dass bei Erstellung des Primeo-Prospekts offensichtlich kein Hindernis für die Darlegung der aktuellen Situation bestand. Es ist deshalb kein Grund ersichtlich, warum es bei Erstellung des hier zu beurteilenden Herald‑Prospekts untunlich gewesen sein sollte, die von Anfang an bestehende Situation offenzulegen.

3. Die mangelhafte Prospektkontrolle war nach den Feststellungen der Vorinstanzen auch kausal für die Veranlagungsentscheidung der Klägerin, weil deren Gatte die Fondsanteile nicht für sie erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass das gesamte Fondsvermögen im Rahmen eines Managed Account gehalten wird.

4.1. In der Entscheidung 5 Ob 26/14f wurde das grobe Verschulden der Beklagten mit der Begründung bejaht, dass ihr positiv bekannt war, dass BLM***** zum Zeitpunkt der Prospektkontrolle auch Verwahrerin des Fondsvermögens war. Dass es sich dabei um einen zentral risikoerhöhenden Umstand handle, der die Malversationen des M***** überhaupt erst ermöglicht habe, müsse eine Großbank wissen. Es wäre daher an ihr als Prospektkontrollorin gelegen, darauf zu dringen, dass der Verkaufsprospekt diesen zentral risikoerhöhenden Umstand in ausreichend klarer Deutlichkeit zum Ausdruck bringe. In diesem Punkt liege eine ins Auge fallende Mangelhaftigkeit des Prospekts vor. Einer Großbank sei es daher als grober Sorgfaltsverstoß anzulasten, wenn sie dennoch den Bestätigungsvermerk erteile.

4.2. An dieser zutreffenden rechtlichen Beurteilung kann auch die in der Revision der Beklagten ins Treffen geführte Tatsache nichts ändern, dass jener Mitarbeiterin der Beklagten, die mit der inhaltlichen Prüfung des Prospekts auf Plausibilität betraut war und von der Verbindung der Funktion des einzigen Managers mit jener des (Sub-)Verwahrers Kenntnis hatte, bei der Prospektkontrolle nichts aufgefallen sei, was zu beanstanden gewesen wäre. Entscheidend ist nämlich nicht, was Mitarbeitern der Beklagten tatsächlich (nicht) aufgefallen ist, sondern vielmehr, was ihnen bei gehöriger Aufmerksamkeit auffallen hätte müssen.

4.3. Dass die Finanzmarktaufsicht den Prospekt ebenfalls nicht beanstandet hat, ist ohne Bedeutung, ist doch ein allfälliges Fehlverhalten dieser Behörde nicht Thema dieses Verfahrens.

4.4. Auch auf die behauptete Marktüblichkeit der Struktur des Herald Fonds kommt es hier nicht an, weil der Beklagten nicht, wie die Revision meint, der Vorwurf gemacht wird, die Doppelfunktion der BLM***** nicht als wesentlichen Umstand im Sinn des § 26 InvFG erkannt zu haben, sondern vielmehr die Unterlassung der Beanstandung der diese Tatsache verschleiernden Formulierung im Prospekt.

4.5. Ob die Depotbank mit Sitz in Luxemburg für die Veruntreuung des Fondsvermögens haftet, ist von der hier relevanten Frage zu trennen, ob der Klägerin durch die mangelhafte Prospektkontrolle der Beklagten ein im Erwerb der Anteile liegender Schaden entstanden ist.

5. Das Berufungsgericht hat den Mitverschuldenseinwand der Beklagten zu Recht (wenn auch nur implizit) verneint. Dem Ehegatten der Klägerin könnte nämlich lediglich angelastet werden, dass er die (bloße) Möglichkeit eines Zusammenfallens von Verwaltung und (Sub-)Verwahrung des gesamten Fondsvermögens nicht erkannt oder nicht beachtet hat, nicht aber, dass er bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte erkennen können, dass eine solche Verbindung von Verwahrung und Verwaltung bereits (und zwar von Anfang an) bestand.

Ein Mitverschulden der Klägerin lässt sich auch nicht aus dem Umstand ableiten, dass in den Jahresberichten 2004 bis 2007 festgehalten wurde, dass der Investmentmanager die meisten Vermögenswerte des Fonds mit Hilfe eines getrennt verwalteten Kontos anlege, das von einer ‑ nicht namentlich genannten ‑ „Makler/Händler-Investmentfirma“ verwaltet werde. Es steht nämlich nicht fest, dass der Ehegatte der Klägerin diese Berichte gelesen hat, und er durfte jedenfalls darauf vertrauen, dass der Verkaufsprospekt selbst alle für die Veranlagungsentscheidung relevanten Umstände enthält. Selbst wenn man aber das Nichtlesen der Berichte als Sorgfaltsverstoß werten wollte, wäre dieser jedenfalls gegenüber dem groben Verschulden der Beklagten zu vernachlässigen.

7. Die Revision der Beklagten muss daher erfolglos bleiben, ohne dass es auf die Frage der Geltung des Trennungsgrundsatzes zum Zeitpunkt der Prüfung des Verkaufsprospekts ankäme.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Der Erhöhungsbetrag gemäß § 23a RATG beträgt allerdings nur 1,80 EUR, weil es sich bei der Revisionsbeantwortung nicht um den verfahrenseinleitenden Schriftsatz handelt.

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