OGH 9Ob6/22f

OGH9Ob6/22f31.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie den Hofrat Mag. Ziegelbauer, die Hofrätin Hon.‑Prof. Dr. Dehn, den Hofrat Dr. Hargassner und die Hofrätin Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B*, vertreten durch Dr. Oliver Peschel, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei H*G* ENC, *, Malta, vertreten durch BRANDL TALOS Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen 14.002,50 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 14. Dezember 2021, GZ 22 R 305/21p‑21, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichts Neumarkt bei Salzburg vom 20. September 2021, GZ 4 C 144/21v‑17, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00006.22F.0831.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 848,88 EUR (darin enthalten 141,48 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Beklagte (in Folge auch: H ENC) ist eine Gesellschaft mit Sitz in Malta, die – als Teil der b*‑Gruppe – weltweit online Wett- und Glücksspieldienstleistungen anbietet; sie verfügt über eine maltesische online Glücksspiellizenz, nicht jedoch über eine Konzession nach dem österreichischen Glücksspielgesetz. Seit 27. 11. 2018 betreibt die Beklagte die Website www.b*.com (in Folge: Website), auf der Online‑Casinospiele angeboten werden. Davor wurde die Website von der in Gibraltar lizenzierten H*G* LP (in Folge: H LP) betrieben.

[2] Der Kläger richtete im Jahr 2018 auf der Website einen Online‑Account unter der Kennung „*“ ein und nutzte diesen zwischen 24. 5. 2018 und 25. 8. 2018. Bei den Online‑Glücksspielen auf dieser Website verlor der Kläger in diesem Zeitraum insgesamt 14.002,50 EUR. Nach diesem Zeitpunkt spielte der Kläger nie wieder auf der Website, ließ sein Konto jedoch auch nicht sperren.

[3] Mit Wirkung vom 27. 11. 2018 wurden auf der Website die Geschäftsbedingungen aktualisiert und erklärt, dass mit diesem Tag die Beziehung der Kunden mit der H* (S*) LP zu H* (S*) ENC transferiert und die Beziehung mit der H LP zu H ENC transferiert wird. Die Internetdomain „www.b*.com“ blieb unverändert. Die Beklagte bot ebenso wie die vorherige Betreiberin Online‑Glücksspiele und Online‑Sportwetten auf der Internetseite an. Im Zuge des Unternehmensübergangs wurde erklärt (Beil ./1): „Diese Änderungen haben keine Auswirkungen auf die Ihnen angebotenen Dienste; ihre Kontodaten, einschließlich Guthaben, ausstehende Wetten und laufende Boni, bleiben unverändert bestehen. […] Als Teil dieses Prozesses werden ihre persönlichen Daten entsprechend von H* (S*) LP an H* (S*) ENC und von H* LP zu H* ENC transferiert. […] Bitte klicken Sie das Kästchen an, um zu bestätigen, dass Sie (i) den Bedingungen; (ii) dem Transfer Ihrer persönlichen Daten; und (iii) dem Transfer Ihres Guthabens zustimmen“. Wann diese Meldung auf der Website veröffentlicht wurde, steht nicht fest.

[4] Am 9. 2. 2021 loggte sich der Kläger mit seinen Benutzerdaten auf der Website der Beklagten ein und erstellte einen Screenshot von der Seite. Es steht nicht fest, ob der Kläger die Aktualisierung der Geschäftsbedingungen und die Datenschutzerklärung akzeptiert hat. Die Website sah optisch gleich aus wie im Jahr 2018 und der Zugriff erfolgte so wie zur aktiven Spielzeit des Klägers. Nach einer Anfrage via Kontaktbutton auf der Website erhielt der Kläger im Jahr 2021 von der Beklagten eine Aufstellung über alle ihn betreffenden Ein‑ und Auszahlungen.

[5] Der Kläger begehrt die Rückzahlung der erlittenen Spielverluste von 14.002,50 EUR sA aus dem Titel der Bereicherung und – hilfsweise – des Schadenersatzes. Er sei Verbraucher und habe die Einsätze aufgrund eines unerlaubten und damit unwirksamen Glücksspielvertrags erlitten. Die Passivlegitimation der Beklagten sei gegeben, weil die Beklagte seinen Vertrag von der früheren Betreiberin der Website übernommen habe. Sie habe die Website und die Daten der Mitglieder übernommen und das Konto des Klägers fortgeführt. Der Kläger habe sich nach dem 27. 11. 2018 noch einmal in sein Konto eingeloggt. Die Beklagte habe das Unternehmen der früheren Betreiberin im Weg der Gesamtrechtsnachfolge übernommen. Selbst wenn eine Einzelrechtsnachfolge vorliege, habe die Beklagte das Unternehmen fortgeführt, sodass die Rückforderungsansprüche des Klägers auf sie übergegangen seien. Der automatische Übergang finde gemäß § 38 UGB auch bei Ansprüchen aus Bereicherung statt.

[6] Die Beklagte wandte insbesondere die mangelnde Passivlegitimation für die ausschließlich vor dem 27. 11. 2018 bei der Vorgängergesellschaft der Beklagten erlittenen Verluste des Klägers ein. Eine Gesamtrechtsnachfolge habe nicht stattgefunden, insbesondere existiere die H LP noch. Im Weg der Einzelrechtsnachfolge sei die Beklagte bei Zustimmung der Spieler in die Bekanntmachung Beil ./1 in den Kontoführungsvertrag, nicht jedoch in die einzelnen Glücksspielverträge eingetreten, da diese von der H LP bereits vollständig erfüllt gewesen seien. Der Kläger habe der Bekanntmachung nie zugestimmt, sodass keine Vertragsbeziehung zur Beklagten bestehe. Für den Fall der Bejahung ihrer Passivlegitimation wandte die Beklagte insbesondere die Unionsrechtswidrigkeit des österreichischen Glücksspielmonopols ein. Den Kläger treffe ein Mitverschulden, er habe einen Betrag in Relation zum Unterhaltungswert des konsumierten Angebots zurückzuzahlen, der ziffernmäßig zu bestimmen sei und im Weg der Aufrechnung gegen das Klagebegehren eingewandt werde.

[7] Das Erstgericht sprach aus, dass die Klageforderung zu Recht, hingegen die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe und gab dem Klagebegehren statt. Die von der Beklagten in Österreich angebotenen Online‑Glücksspiele seien verboten, sodass der Kläger die bezahlte Spielschuld zurückfordern könne. Die Beklagte habe das Unternehmen vom früheren Betreiber, der H LP im Weg der Einzelrechtsnachfolge übernommen und fortgeführt, weil das Unternehmen seinem Wesen nach fortbetrieben wurde. Der automatische Übergang des Rechtsverhältnisses auf den Erwerber ersetze die Zustimmung der Vertragspartner des Veräußerers zum Übergang ihrer Vertragsverhältnisse auf den Erwerber. Das Konto des Klägers sei von der Beklagten weitergeführt worden, der Kläger habe sich problemlos mit seinen Kontodaten einloggen und von der Beklagten seine Spieldaten aus dem Jahr 2018 abfragen können. Auch aus bereits beiderseits erfülltem Vertrag könnten noch Sekundäransprüche vorhanden seien, die auf den Erwerber übergehen. Ein „Unterhaltungswert“ aus verbotenem Glücksspiel könne nicht zuerkannt werden, sodass die Gegenforderung nicht zu Recht bestehe.

[8] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge, hob das angefochtene Urteil des Erstgerichts auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an dieses zurück. Es bejahte die Unionsrechtskonformität des österreichischen Glücksspielmonopols. Die bisher getroffenen Feststellungen reichten jedoch nicht hin, um die Passivlegitimation der Beklagten bejahen zu können. Ein Übergang des Vertragsverhältnisses des Klägers mit der H LP auf die Beklagte scheitere daran, dass die Glücksspielverträge von Anfang an nichtig gewesen seien und daher nicht wirksam übertragen werden konnten. Im Zeitraum, in dem der Kläger gespielt habe, sei nicht die Beklagte, sondern die H LP Betreiberin der Website und daher Leistungsempfängerin gewesen. Auch eine schadenersatzrechtliche Haftung wegen Verletzung des Glücksspielgesetzes könne nur die H LP treffen. Dass das Vermögen der H LP im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die Beklagte übergegangen wäre, sei nur denkbar, wenn die H LP nicht mehr bestünde, wozu Feststellungen fehlten. Für das Bejahen einer Einzelrechtsnachfolge sei die Frage zu klären, nach welchem Recht der Betreiberwechsel zwischen der H LP und der Beklagten zu beurteilen sei. Kollisionsrechtlich sei dafür nicht an das Forderungsstatut, sondern – weil die Rom I‑VO dazu keine Regelung enthalte – gemäß § 1 Abs 1 IPRG das Recht maßgeblich, zu dem die stärkste Beziehung bestehe. Für die Haftung gemäß § 38 UGB wäre das ausgehend vom Sitz der Beklagten maltesisches Recht. Um dies zu klären, bedürfe es aber eines ergänzenden Vorbringens und in der Folge konkreter Feststellungen zu den von der Beklagten mit der H LP anlässlich des Wechsels der Betreibergesellschaft der Website getroffenen Vereinbarungen. Nur betreffend die Frage der Passivlegitimation der Beklagten erweise sich die Rechtssache daher noch nicht als spruchreif.

[9] Den Rekurs an den Obersten Gerichtshof ließ das Berufungsgericht zu, weil

1.) zur Frage des anwendbaren Rechts für die gesetzliche Haftung aus einer Unternehmensübernahme noch keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung vorliege und

2.) der Oberste Gerichtshof auch noch nicht dazu Stellung genommen habe, ob ein Online‑Glücksspielbetreiber für Spielverluste haftet, die eingetreten sind, als die Glücksspiel‑Website noch von seinem Rechtsvorgänger betrieben wurde.

[10] Gegen diesen Beschluss richtet sich der von der Beklagten beantwortete Rekurs des Klägers, mit dem dieser die Wiederherstellung des Urteils des Erstgerichts anstrebt.

Rechtliche Beurteilung

[11] Der Rekurs ist entgegen dem den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig.

[12] 1. Voranzustellen ist, dass dem auch hier in der Rekursbeantwortung aufrecht erhaltenen Einwand der Beklagten, das österreichische Glücksspielmonopol sei unionsrechtswidrig, keine Berechtigung zukommt. Nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs entspricht das österreichische System der Glücksspielkonzessionen einschließlich der Werbemaßnahmen der Konzessionäre nach gesamthafter Würdigung aller tatsächlichen Auswirkungen auf den Glücksspielmarkt allen vom EuGH aufgezeigten Vorgaben und verstößt damit nicht gegen das Unionsrecht (3 Ob 44/22z Rz 30 mwN).

[13] 2.1 Zur zweiten, vom Berufungsgericht als erheblich bezeichneten Rechtsfrage, hat der Oberste Gerichtshof mittlerweile in mehreren, ebenfalls die Beklagte betreffenden Verfahren Stellung genommen (3 Ob 44/22z; 2 Ob 20/22p; 2 Ob 40/22d; 4 Ob 65/22w). In diesen Verfahren lag allerdings kein vergleichbarer Sachverhalt vor, weil in diesen Fällen die jeweils klagenden Parteien sowohl vor dem 27. 11. 2018 bei dem(n) früheren Betreiber(n) als auch nach dem 27. 11. 2018 bei der Beklagten auf der Website dem Online‑Glücksspiel nachgingen. Überdies stimmten in all diesen Fällen die klagenden Parteien dem Transfer ihrer „Beziehung“ zum (letzten) früheren Betreiber auf die Beklagte zu.

2.2 Rechtlich beurteilte dies der Oberste Gerichtshof zusammengefasst wie folgt (2 Ob 20/22p Rz 13–15):

„[13] 2.1. In der jüngst in einem die Beklagte und die gegenständliche Webseite betreffenden Parallelfall (3 Ob 44/22z) ergangenen Entscheidung ging der Oberste Gerichtshof demgegenüber davon aus, dass sich die Rechtsfolgen der nichtigen Verträge und somit ihre Rückabwicklung nach österreichischem Recht richten (Pkt 2.2), der von der Beklagten selbst so bezeichnete „Rahmenvertrag“ weitere, dauerhaft zu erbringende Dienstleistungen beinhaltete und es sich daher um ein Dauerschuldverhältnis handelte (Pkt 3.3), das nicht endgültig abgewickelt war (Pkt 6.4) und somit aufgrund einer – ebenso nach österreichischem Recht zu beurteilenden (Pkt 4.) – umfassenden Vertragsübernahme (Pkt 5.2), die nach der Parteienvereinbarung im konkreten Fall auch Kondiktionsansprüche der Restpartei gegen die Altpartei erfasste, die auf Leistungen an die ausgeschiedene Altpartei beruhen und deren Rückabwicklung aufgrund Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts zu erfolgen hat (Pkt 6.3), auf die Beklagte übergegangen war.

[14] 2.2. Auch im vorliegenden Fall wurde die Klägerin beim Einloggen in ihr Kundenkonto darüber informiert, dass ihre 'Beziehung' zur Beklagten transferiert werde, dies keine Auswirkungen auf die angebotenen Dienste habe und ihre Kontodaten einschließlich Guthaben und laufenden Boni unverändert blieben. Nach dem objektiven Verständnis redlicher Vertragsparteien war unter der transferierten 'Beziehung' nicht ein einzelner Glücksspielvertrag, sondern die gesamte Rechtsbeziehung zur Klägerin zu verstehen. Die Klägerin stimmte diesem Transfer zu, sodass die Voraussetzungen für eine umfassende Vertragsübernahme erfüllt sind. [...]

[15] 2.3. Die von der Beklagten in der Revisionsbeantwortung gegen ihre Passivlegitimation wie schon im Verfahren 3 Ob 44/22z erhobenen Einwände sind nicht berechtigt. Es lagen nicht einzelne, isoliert zu betrachtende Glücksspielverträge vor, sondern ein Rahmenvertrag, der insbesondere das Führen und Verwalten eines Kundenkontos vorsah. Dieses Dauerschuldverhältnis war im Zeitpunkt des Betreiberwechsels nicht abgewickelt oder beiderseitig erfüllt, sondern sollte nach dem Inhalt der von der Beklagten abgegebenen Erklärung weiter aufrecht bleiben und entsprechend transferiert werden. Dabei geht es auch nicht um die Frage, ob ein nichtiger Vertrag übertragen wurde oder werden konnte, sondern darum, ob die daraus resultierenden Kondiktionsansprüche der Klägerin aufgrund der abgegebenen Erklärung von der Beklagten als Schuldnerin übernommen werden sollten. Angesichts des mit dem Betreiberwechsel intendierten Zwecks einer Befreiung der Rechtsvorgängerin der Beklagten aus dem Leistungsaustausch und der ausdrücklichen Erklärung, dass die Kontodaten, einschließlich Guthaben, ausstehende Wetten, laufende Boni, unverändert bestehen bleiben, ist diese Frage zu bejahen.“

[14] 2.3 Insofern wendet sich der Rekurswerber daher zwar zu Recht gegen die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach eine Vertragsübernahme schon daran scheitere, dass nichtige Verträge nicht übertragen werden könnten. Damit macht er allerdings im Hinblick auf die mittlerweile ergangenen zitierten Entscheidungen keine erhebliche Rechtsfrage (mehr) geltend (RS0112769). Darüber hinaus ging der Kläger im vorliegenden Fall erstens nach dem 27. 11. 2018 nicht mehr dem Online‑Glücksspiel auf der ab diesem Zeitpunkt von der Beklagten betriebenen Website nach. Zweitens steht nach den den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen des Erstgerichts hier gerade nicht fest, dass der Kläger dem Transfer seiner „Beziehung“ zur früheren Betreiberin der Website auf die Beklagte zugestimmt hat. Dafür reicht entgegen den Ausführungen des Klägers im Rekurs nicht, dass er sich lediglich im Jahr 2021 auf der Website einloggte und seine Kontodaten abfragte. Vielmehr wäre erforderlich gewesen, sich den AGB der Beklagten zu unterwerfen und dem Transfer der Daten zuzustimmen (vgl 4 Ob 65/22w).

[15] 2.4 Im vorliegenden Fall kann daher – anders als in der Entscheidung 2 Ob 20/22p – nicht davon ausgegangen werden, dass der vom Kläger geltend gemachte Kondiktionsanspruch aufgrund der von der Beklagten abgegebenen Erklärung und der Zustimmung zu dieser durch den Kläger von der Beklagten als Schuldnerin übernommen werden sollte. Soweit die Rekursausführungen dennoch von einer Vertragsübernahme – die nach österreichischem Recht grundsätzlich eine Übereinkunft aller Beteiligten, nämlich der verbleibenden, der ausscheidenden und der an ihre Stelle tretenden Partei erfordert (RS0032607) – und vom Vorliegen eines „dreipersonalen“ Vertrags vom 27. 11. 2018 ausgehen, weichen sie in unzulässiger Weise von den Sachverhaltsfeststellungen ab. Mangels vertraglicher Beziehung des Klägers zur Beklagten kann weder vom Vorliegen eines Verbrauchervertrags im Sinn des Art 6 Rom I‑VO ausgegangen werden, noch kann der Kläger seinen Anspruch gegenüber der Beklagten auf § 1406 ABGB stützen.

[16] 3.1 Zur ersten von ihm als erheblich bezeichneten Rechtsfrage hat das Berufungsgericht die weitere vom Kläger geltend gemachte Anspruchsgrundlage der Erwerberhaftung im Sinn des § 1409 ABGB oder § 38 UGB als möglich erachtet und seine rechtliche Beurteilung dafür auf die Entscheidung 3 Ob 183/13b gestützt.

[17] 3.2 Eine Entscheidung, die zwar bisher die einzige ist, die aber ausführlich begründet und mehrfach veröffentlicht wurde, zu der gegenteilige Entscheidungen nicht vorliegen und die auch vom Schrifttum ohne Kritik übernommen wurde, reicht für das Vorliegen einer gesicherten Rechtsprechung aus (RS0103384).

[18] 3.3 In der Entscheidung 3 Ob 183/13b ist der Oberste Gerichtshof zu dem Ergebnis gekommen, dass die Haftung aus Vermögensübernahme (§ 1409 ABGB) kollisionsrechtlich nicht an das Forderungsstatut anzuknüpfen sei (RS0129147). Die Rom I‑VO enthalte keine Regelung, nach welchem Recht die gesetzliche Haftung aus Vermögens‑/Unternehmensübernahme zu beurteilen sei (Musger in KBB6 Art 14 Rom I‑VO Rz 5 aE). Auch das IPRG enthalte keine ausdrückliche Kollisionsnorm zur gesetzlichen Haftung aus Vermögens‑/Unternehmensübernahme. Fehle es für einen Sachverhalt an gesetzlichen Anhaltspunkten, sei gemäß § 1 Abs 1 IPRG an jene Rechtsordnung anzuknüpfen, zu der die stärkste Beziehung bestehe. Ohne diese Frage abschließend klären zu müssen, legte der Oberste Gerichtshof den Meinungsstand dar und hielt fest, dass die Haftung nach § 38 UGB nach dem Recht des tatsächlichen Sitzes des übertragenen und fortgeführten Unternehmens zu beurteilen sei. Für die Haftung aus Vermögensübernahme im Sinn des § 1409 Abs 1 ABGB stelle die überwiegende Meinung auf das Recht des Staates ab, in dem sich das übernommene Vermögen befinde.

[19] 3.4 Die Entscheidung 3 Ob 183/13b wurde in der Literatur zustimmend aufgenommen (Ofner, Anknüpfung der gesetzlichen Haftung aus Vermögens‑Unternehmens-übernahme, ZfRV‑LS 2014/9, 38 [39]; Wenger, Erwerberhaftung bei Unternehmensnachfolge mit Auslandsbezug, RWZ 2014/11, 37 [38]; Rudolf in Schwimann/Neumayr, ABGB TaKomm5 § 1409 ABGB Rz 14). Dass für die kollisionsrechtliche Einordnung der Erwerberhaftung gerade auch nach § 38 UGB das Unternehmensstatut (der Sitz des Unternehmens) maßgeblich sei, vertreten insbesondere Karollus (in Artmann, UGB³ § 38 Rz 78) und Czernich (Kollisionsrechtliche Fragen grenzüberschreitender Unternehmens‑ und Anteilskäufe in Althuber/Schopper, Unternehmenskauf & Due Diligence – Band 1², Rz 49 f, zum Asset‑Deal; ebenso Martiny in MüKomm zum BGB8 [2021] Art 15 Rom I‑VO Rn 36; Kieninger in Ferrari/Kieninger/Mankowski, Internationales Vertragsrecht Anh zu Art 14–16 Rom I‑VO Rn 13 je mwN).

[20] 3.5 Das Berufungsgericht hat diese Rechtsprechung zutreffend beachtet. Der Kläger zeigt im Rekurs keine Korrekturbedürftigkeit dieser Entscheidung auf. Soweit er von der Übernahme seines Vertrags mit der früheren Betreiberin durch die Beklagte und seiner Zustimmung zur Erklärung der Beklagten betreffend die Übernahme seiner Daten ausgeht, entfernt er sich aus den dargestellten Gründen in unzulässiger Weise vom festgestellten Sachverhalt.

[21] 4. Ist die dem Aufhebungsbeschluss zugrunde liegende Rechtsansicht nicht zu beanstanden, so kann der Oberste Gerichtshof, der nicht Tatsacheninstanz ist, nicht überprüfen, ob sich die vom Berufungsgericht angeordnete Ergänzung des Verfahrens oder der Feststellungen tatsächlich als notwendig erweist (RS0042179; RS0043414).

[22] Der Rekurs war daher mangels Vorliegens einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO zurückzuweisen.

[23] Die Entscheidung über die Kosten des Rekursverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses hingewiesen.

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