OGH 9Ob53/18m

OGH9Ob53/18m2.10.2018

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsrekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner, Mag. Korn und Dr. Stefula als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Minderjährigen K* P*, geboren am * 2000, *, Deutschland, wegen Unterhalt, über den Revisionsrekurs des Vaters R* F*, Tschechische Republik, vertreten durch GKP Gabl Kogler Leitner Stöglehner Bodingbauer Rechtsanwälte OG in Linz, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 30. April 2018, GZ 1 R 99/18p‑192, mit dem dem Rekurs des Vaters gegen den Beschluss des Bezirksgerichts Fürstenfeld vom 16. März 2018, GZ 23 Pu 315/17d‑184, teilweise Folge gegeben wurde, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:E123296

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

 

Begründung:

Das am * 2000 geborene Kind und der Vater, der seine Vaterschaft – seit 12. 12. 2000 wirksam – anerkannte, sind österreichische Staatsbürger. Sie lebten beide zunächst in Österreich. Die Obsorge kommt der Mutter zu. Das Kind verzog, nachdem es in Österreich mehrmals den Wohnsitz gewechselt hatte, am 24. 2. 2017 nach Deutschland.

Der Vater verzog nach seinem Vorbringen im Mai 2001 „Hals über Kopf in jugendlichem Leichtsinn“ nach Tschechien, ohne sein Mietverhältnis an der Adresse E*straße * Wien zu kündigen und sich polizeilich abzumelden. Er habe in Tschechien zunächst an der Adresse „* Český Krumlov“ gewohnt, sei im September 2001 nach Česke Budějovice verzogen und wohne seit Februar 2002 in * Velešín, *.

Mit Schreiben vom 2. 4. 2001 beantragte das Kind (vertreten durch das Amt für Jugend und Familie des Magistrats der Stadt Wien), den Vater zu einem vorläufigen Unterhalt gemäß § 382a EO von monatlich 1.450 ATS und zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von 3.247,43 ATS (= 236 EUR) zu verpflichten. Es brachte dabei vor, dass der Vater bei Austrian * inklusive anteiligen Sonderzahlungen ein Nettoeinkommen von 20.445 ATS erziele und keine weiteren Sorgepflichten habe.

Mit einstweiliger Verfügung vom 9. 4. 2001 wurde der Vater bis zur rechtskräftigen Beendigung des mit Antrag vom 6. 4. 2001 eingeleiteten Unterhaltsfestsetzungsverfahrens zur Zahlung eines einstweiligen Unterhalts von monatlich 1.450 ATS verpflichtet.

Dem Vater wurde am 18. 4. 2001 an der Adresse E*straße * Wien, die einstweilige Verfügung samt Rechtsbelehrung und die Aufforderung gemäß § 185 Abs 3 AußStrG aF, sich zum Antrag des Kindes binnen 14 Tagen zu äußern, nicht aber der Unterhaltsantrag vom 2. 4. 2001 selbst durch Hinterlegung am 18. 4. 2001 (Beginn der Abholfrist) zugestellt. Nachdem vom Gericht bemerkt worden war, dass die Gleichschrift des Antrags vom 2. 4. 2001 nach wie vor im Akt lag, wurde am 21. 5. 2001 die neuerliche Zustellung des Antrags samt der Aufforderung gemäß § 185 Abs 3 AußStrG aF an der Adresse E*straße * Wien, verfügt. Auch dieser RSa‑Brief wurde in weiterer Folge mangels Abholung an das Gericht retourniert. Eine Äußerung des Vaters zum Unterhaltsantrag des Kindes erfolgte nicht.

Mit Beschluss vom 8. 6. 2001 wurde dem Kind vom 1. 5. 2001 bis 30. 4. 2002 ein monatlicher Unterhaltsvorschuss von 1.450 ATS gewährt und die Zustellung des Beschlusses an den Vater per Adresse E*straße * Wien verfügt. Der RSb‑Brief wurde nach Ablauf der Hinterlegungsfrist an das Gericht retourniert.

Der Vater wurde mit Beschluss des Bezirksgerichts Innere Stadt Wien vom 24. 7. 2001 antragsgemäß zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbeitrags von 3.247,43 ATS (= 236 EUR) verpflichtet. Der Beschluss wurde ihm laut Rückschein am 27. 7. 2001 (Beginn der Abholfrist) durch Hinterlegung zugestellt; auch dieser Brief wurde im Weiteren mangels Abholung an das Gericht retourniert. Am 27. 8. 2001 wurde dem Beschluss vom 24. 7. 2001 die Rechtskrafts- und Vollstreckbarkeitsbestätigung erteilt.

Mit Beschluss vom 7. 9. 2001 wurde mit Wirksamkeit vom 30. 9. 2001 der gewährte Unterhaltsvorschuss von 1.450 ATS eingestellt. Mit Beschluss vom 29. 11. 2001 wurde dem Kind ein monatlicher Unterhaltsvorschuss von 236 EUR vom 1. 11. 2001 bis 31. 10. 2004 gewährt.

Mit Beschluss vom 24. 9. 2004 wurde Rechtsanwältin Dr. L* „für den unbekannten Aufenthaltes befindlichen Vater R* F*, geb. * 1977, zuletzt wohnhaft in * Wien, E*straße *, gemäß § 116 ZPO für das gesamte Pflegschaftsverfahren zum Kurator bestellt“ und im Spruch festgehalten, dass diese den Vater auf dessen Gefahr und Kosten vertreten werde, bis dieser selbst auftrete oder einen Bevollmächtigten namhaft mache.

Mit weiterem Beschluss vom 24. 9. 2004 wurde die weitere Gewährung von Unterhaltsvorschüssen in Höhe von monatlich 236 EUR vom 1. 11. 2004 bis 31. 10. 2007 beschlossen, am 8. 10. 2007 die Weitergewährung vom 1. 11. 2007 bis 31. 10. 2010 und am 27. 10. 2010 die Weitergewährung vom 1. 11. 2010 bis 31. 10. 2015. Letzterer Unterhaltsvorschuss wurde mit Beschluss vom 24. 7. 2014 mit Ablauf des Juni 2014 eingestellt und mit Beschluss vom selben Tag dem Kind ein monatlicher Unterhaltsvorschuss in der jeweiligen Höhe des § 6 Abs 2 UVG vom 1. 7. 2014 bis 30. 11. 2018 gewährt.

Mit Beschluss vom 29. 5. 2015 wurde Rechtsanwältin Dr. L* ihres Amtes mit der Begründung enthoben, es habe nunmehr deren Antrag auf Enthebung samt der Aufforderung zur Äußerung an den Vater an der Adresse * Český Krumlov, in der Tschechischen Republik tatsächlich zugestellt werden können. Mit weiterem Beschluss vom selben Tag wurden die Unterhaltsvorschüsse mit Ablauf des Mai 2015 eingestellt.

Mit Schriftsatz vom 2. 6. 2015 wandte sich der Vater – anwaltlich vertreten – erstmals an das Gericht. Er brachte vor, bisher dem Verfahren nicht beigezogen worden zu sein, weshalb er Akteneinsicht beantrage. Als seine Adresse war im Rubrum * Velešín, *, Tschechische Republik, angeführt. Am 15. 6. 2015 nahm er durch seinen anwaltlichen Vertreter Akteneinsicht.

Mit Beschluss vom 2. 7. 2015 wurden dem Kind vom 1. 6. 2015 bis 30. 11. 2018 monatliche Unterhaltsvorschüsse in Höhe von 236 EUR gewährt.

Am 23. 7. 2015 brachte der Vater vor, es sei versucht worden, ihm unter der Adresse * Český Krumlov, zuzustellen, wo er aber nicht wohnhaft und auch nicht gemeldet sei. Es möge die Zustellung an die einschreitenden Rechtsanwälte erfolgen. Unter einem beantragte er, den monatlichen Unterhaltsbeitrag mit 61 EUR festzusetzen und erstattete zu seinem aktuellen Einkommen ein Vorbringen.

Mit Note vom 24. 7. 2015 ersuchte das Gericht den Vater um Bekanntgabe, ab wann der Unterhaltsantrag auf monatlich 61 EUR gestellt werde. Am 31. 7. 2015 teilte der Vater mit, dass ihm der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss vom 24. 7. 2001 niemals wirksam zugestellt worden sei. Zum Zeitpunkt der Erlassung dieses Beschlusses habe er sich nicht mehr an der Abgabestelle E*straße * Wien, aufgehalten sondern bereits in Tschechien gewohnt. Er habe bis Mai 2015 von der Festsetzung eines Unterhaltsbeitrags für das Kind keine Kenntnis gehabt.

Am 24. 8. 2015 beantragte der Vater mit dem Vorbringen, von der Hinterlegung des Beschlusses vom 24. 7. 2001 keine Kenntnis erlangt zu haben, weil er sich zum Hinterlegungszeitpunkt nicht mehr an der Zustelladresse, sondern dauerhaft in Tschechien aufgehalten habe, die Aufhebung der Vollstreckbarkeitsbestätigung gemäß § 7 Abs 3 EO. Unter einem erstattete er ein Vorbringen zu seinen Einkünften. Dem Antrag wurde mit in Rechtskraft erwachsenem Beschluss vom 10. 2. 2016 stattgegeben. Das Gericht begründete seine Entscheidung damit, dass insbesondere die Angaben des Vater und seiner Lebensgefährtin die Annahme zuließen, dass er sich im Zustellungszeitpunkt bzw im Hinterlegungszeitraum nicht mehr an der Abgabestelle E*straße * Wien, aufgehalten habe. Im Zweifel sei davon auszugehen, dass die Zustellung des Unterhaltsbeschlusses vom 24. 7. 2001 nicht ordnungsgemäß gewesen sei. Unter einem wurde die Zustellung des Unterhaltsbeschlusses an den anwaltlichen Vertreter des Vaters beschlossen.

Einem hierauf vom Vater binnen 14 Tagen und damit rechtzeitig gegen den Beschluss vom 24. 7. 2001 erhobenen Rekurs gab das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien mit Beschluss vom 28. 4. 2016 nicht Folge. Die Aufforderung gemäß § 185 Abs 3 AußStrG aF sei dem Vater zusammen mit einer Gleichschrift des Unterhaltsfestsetzungsantrags im April 2001 – und damit vor dem behaupteten Verlassen Wiens – ordnungsgemäß zugestellt worden. Da er sich nicht geäußert habe, habe das Bezirksgericht Innere Stadt Wien bei Beschlussfassung am 24. 7. 2001 annehmen können, dass keine Einwendungen gegen die Angaben des Kindes oder gegen eine beabsichtigte Entscheidung auf der Grundlage des bekannt gegebenen Inhalts der Erhebungen bestünden. Ausgehend vom im Unterhaltsfestsetzungsantrag erstatteten Vorbringen sei die angefochtene Entscheidung nicht zu beanstanden. Dem vom Vater im Rekurs erstatteten Vorbringen stehe das Neuerungsverbot entgegen.

Ein Revisionsrekurs wurde nicht erhoben.

Der Vater beantragte am 7. 9. 2016, den monatlich zu zahlenden Unterhalt ab 1. 11. 2001 bis November 2006 mit monatlich 48 EUR, ab Dezember 2006 bis November 2010 mit 54 EUR, ab Dezember 2010 bis August 2011 mit 60 EUR, ab September 2011 bis November 2015 mit 57 EUR und ab Dezember 2015 mit 63 EUR festzusetzen. Er erstattete ein umfangreiches Vorbringen über Änderungen der Umstände seit zumindest 1. 11. 2001 (Einkommen, Geburt eines weiteren Kindes).

Das Kind trat, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld, dem Unterhaltsherabsetzungsantrag entgegen und wendete, soweit das Unterhaltsherabsetzungsbegehren über den Zeitraum der drei letzten Jahre hinausgehe, Verjährung ein.

Das Erstgericht wies ausgehend von dem von ihm festgestellten Sachverhalt den Unterhaltsherabsetzungsantrag ab. Hinsichtlich des länger als drei Jahre vor der Antragstellung zurückliegenden Zeitraums begründete es die Abweisung mit einer Verjährung nach § 1480 ABGB, hinsichtlich des verbleibenden Zeitraums damit, dass der Vater auf ein erzielbares Einkommen von 1.050 EUR (14 mal jährlich) anzuspannen sei, in welchem der monatliche Unterhalt von 236 EUR Deckung finde.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Vaters insoweit Folge, als es diesen hinsichtlich des Zeitraums ab 1. 10. 2013 aufhob und die Rechtssache diesbezüglich zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwies. Demgegenüber bestätigte es die Antragsabweisung für den Zeitraum vom 1. 11. 2001 bis 30. 9. 2013 aus der bereits vom Erstgericht angeführten Erwägung (Verjährung).

Den Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht nach Zulassungsvorstellung des Vaters gemäß § 63 Abs 3 AußStrG für zulässig, weil es denkbar wäre, dass im konkreten Fall mangels Kenntnis des Vaters von der Unterhaltsfestsetzung – auch im Zusammenhang mit der Rückforderung der seit 2001 ausbezahlten Unterhaltsvorschüsse – die dreijährige Verjährungsfrist einer Unterhaltsherabsetzung für den Zeitraum vor dem 1. 10. 2013 nicht im Wege stehe und diese Frage noch nicht Gegenstand höchstgerichtlicher Entscheidungen gewesen sei.

Gegen die Abweisung des Unterhaltsherabsetzungsantrags hinsichtlich des Zeitraums 1. 11. 2001 bis 30. 9. 2013 richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, den von ihm zu leistenden Unterhalt für diesen Zeitraum antragsgemäß herabzusetzen; hilfsweise wird ein Aufhebungs- und Zurückverweisungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Der – vom Kind nicht beantwortete – Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist jedoch nicht berechtigt.

Der Vater vertritt im Revisionsrekurs die Ansicht, die Begrenzung des Unterhaltsherabsetzungsbegehrens mit der Verjährungsfrist von drei Jahren könne dann nicht greifen, wenn der Unterhaltsschuldner nicht einmal Kenntnis von der Unterhaltsfestsetzung gehabt habe. Ihm sei der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss erst am (richtig) 17. 2. 2016 zugestellt worden, er sei aber dennoch mit der Rückforderung der seit 2001 bezahlten Unterhaltsvorschüsse konfrontiert. Es müsse ihm ein wirksamer Rechtsbehelf eingeräumt werden, um die tatsächlich richtige Höhe des Unterhaltsanspruchs des Kindes seit 2001 zu klären, soweit die Höhe des Unterhaltsanspruchs maßgeblich für den Anspruch auf Rückforderung des Unterhaltsvorschusses sei. Gemäß § 28 Abs 3 UVG habe der Unterhaltsschuldner, unabhängig vom Alter des Kindes, Einwendungen gegen die Rückzahlungspflicht ausschließlich beim Pflegschaftsgericht geltend zu machen, das im Verfahren außer Streitsachen entscheide. Derartige Einwendungen müsse er auch jetzt noch erheben können, soweit es um den Zeitraum von 1. 11. 2001 bis 30. 9. 2013 gehe. Eine Frist für die Erhebung von Einwendungen gemäß § 28 UVG sei nicht vorgesehen. Er könne nachweisen, dass er nach seinen Lebensverhältnissen außerstande gewesen sei, dem Kind Unterhaltsbeiträge bis zur Höhe der jeweils gewährten Vorschüsse zu leisten.

1. Vorauszuschicken ist, dass der Unterhaltsfestsetzungsantrag des Kindes vom 2. 4. 2001 dem Vater samt der Aufforderung, sich dazu zu äußern, im April 2001 nicht zugestellt wurde. Das Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien ging in seinem Beschluss vom 28. 4. 2016 aber gerade davon aus und gründete hierauf auch wesentlich seine damalige Entscheidung. Diese erwuchs unangefochten in Rechtskraft; von der Möglichkeit, eine Aktenwidrigkeit an den Obersten Gerichtshof heranzutragen (vgl 8 Ob 588/89), machte der Vater nicht Gebrauch. Stützte sich eine Entscheidung maßgeblich auf eine bestimmte Tatsache und erwächst sie in Rechtskraft, so ist aufgrund der materiellen Rechtskraft der Entscheidung selbst im Falle ihrer Aktenwidrigkeit von ebendieser Tatsache auszugehen (vgl RIS‑Justiz RS0007201). Der Vater ist somit so zu behandeln, als hätte er den Unterhaltsantrag des Kindes samt der Aufforderung, sich dazu zu äußern, im April 2001 zugestellt erhalten.

2. Seit der Entscheidung des verstärkten Senats zu 6 Ob 544/87 = JBl 1988, 586 (Pichler) entspricht es der ständigen Rechtsprechung, dass gesetzliche Unterhaltsansprüche grundsätzlich auch für die Vergangenheit – also rückwirkend – gestellt werden können (RIS‑Justiz RS0034969). Ebenso ist es anerkannt, dass Unterhaltsverpflichtungen auch rückwirkend aufgehoben oder eingeschränkt werden können, sofern sich der hiefür maßgebliche Sachverhalt in der Vergangenheit verwirklichte (RIS‑Justiz RS0034794; RS0053283). Eine Neufestsetzung des Unterhalts – werde sie vom Gläubiger (Erhöhungsbegehren) oder vom Schuldner (Herabsetzungs- oder Aufhebungsbegehren) angestrebt – darf nur nicht in die materielle Rechtskraft einer bestehenden Unterhaltsentscheidung eingreifen. Dies ist dann nicht der Fall, wenn das Begehren, die Unterhaltsverpflichtung in anderer Weise festzusetzen, (wie hier) auf eine wesentliche Änderung der Verhältnisse gestützt wird (vgl RIS‑Justiz RS0007161; RS0053297; RS0047398).

3. Die Möglichkeit, Unterhaltsansprüche auch für die Vergangenheit zu stellen oder auch für die Vergangenheit eine Erhöhung zu begehren, ist allein insoweit limitiert, als die dreijährige Verjährungsfrist des § 1480 ABGB gilt (vgl RIS‑Justiz RS0034969). Die dreijährige Verjährungsfrist des § 1480 ABGB gilt nach Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (1 Ob 122/97; 1 Ob 109/99g; 8 Ob 92/16m) und zweitinstanzlicher Judikatur (LGZ Wien 44 R 402/09g = EFSlg 122.642; 43 R 599/10x = EFSlg 126.200; 43 R 437/10y = EFSlg 129.922) sowie der überwiegenden Ansicht in der Literatur (Pichler, JAP 1990/91, 44 [Glosse zu 6 Ob 544/87]; Neuhauser, Die wesentlichen Auswirkungen der EO‑Novelle 2014 auf minderjährige Unterhaltsberechtigte und den Kinder- und Jugendwohlfahrtsträger, iFamZ 2014, 216 [217]; ders in Schwimann/Neumayr, ABGB-TaKom4 § 231 Rz 183; ders in Schwimann/Kodek, ABGB-Praxiskommentar4 Ia § 231 Rz 47; Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht8 89; Nademleinsky in Gitschthaler/Höllwerth, AußStrG § 101 Rz 63; Limberg in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 231 Rz 23; R. Madl in Kletečka/Schauer, ABGB-ON1.05 § 1480 Rz 13; krit Gitschthaler, (A)Symmetrische Verjährungsfragen im Unterhaltsrecht, EF-Z 2017, 114) auch für ein Unterhaltsherabsetzungs- oder Unterhaltsaufhebungsbegehren. Als Grund hierfür wird eine Gleichbehandlung von Unterhaltsberechtigten und Unterhaltspflichtigen angeführt (so Neuhauser, iFamZ 2014, 217). Da eine Unterhaltsforderung nur für einen bis zu drei Jahre zurückliegenden Zeitraum geltend gemacht werden könne, bestehe kein Anlass, asymmetrisch dem Unterhaltspflichtigen einen längeren Zeitraum für die rückwirkende Geltendmachung seines Herabsetzungs- oder Enthebungsantrags einzuräumen. Vom Unterhaltspflichtigen bereits bezahlte Unterhaltsbeiträge könnten über den Dreijahreszeitraum wegen Verjährung ohnedies nicht rückgefordert werden. Auch der Berechtigte könne laufende Unterhaltsbeiträge immer nur für die letzten drei Jahre begehren. Mit dem Standpunkt, es werde ausschließlich ein Feststellungsbegehren erhoben, das als solches überhaupt nicht verjähren könne, wäre höchstens einem jahrelang säumigen Unterhaltspflichtigen gedient, der einer exekutiven Geltendmachung der aufgelaufenen Rückstände entgehen wolle; eine Besserstellung desjenigen, der seine Unterhaltspflicht verletzt habe, gegenüber einem pflichtgetreuen Elternteil wäre aber nicht zu rechtfertigen (so 8 Ob 92/16m). Diese Rechtsprechung stellt der Revisionsrekurswerber nicht in Frage.

4. Er macht geltend, dass ihm der Unterhaltsfestsetzungsbeschluss erst Jahre später zugestellt wurde. Darauf kann sich der Vater hier jedoch nicht berufen. Die gesetzliche Unterhaltsschuld entsteht unmittelbar mit den Bedürfnissen des nicht selbsterhaltungsfähigen Kindes, das keine eigenen Einkünfte hat, und nicht erst durch deren gerichtliche Geltendmachung (oder gar erst durch den Unterhaltsfestsetzungsbeschluss). Die Unterhaltsschuld ist eine Bringschuld, die der Unterhaltspflichtige dem Kind laufend zu erbringen hat (4 Ob 253/97b; 7 Ob 130/08f; RIS‑Justiz RS0108476). Tatsächlich war der Vater mit seiner Unterhaltspflicht hier über viele Jahre säumig. Obgleich er die Vaterschaft zum Kind noch im Jahr 2000 anerkannt und er im April 2001 zur Zahlung einstweiligen Unterhalts verpflichtet wurde, verließ er – nach seinem eigenen Vorbringen „Hals über Kopf in jugendlichem Leichtsinn“ – Österreich, ohne dem im Antrag als Vertreter des Kindes ausgewiesenen Amt für Jugend und Familie oder dem für die Führung des Unterhaltsverfahrens zuständigen, aus dem Gerichtsschreiben ersichtlichen Pflegschaftsgericht (damals noch Bezirksgericht Innere Stadt Wien) seine neue Adresse mitzuteilen.

5. Aus der Vorschrift des § 26 Abs 3 UVG, wonach die Pflicht des Unterhaltsschuldners zur Leistung der Unterhaltsbeiträge insoweit nicht verjährt, als auf sie Vorschüsse gewährt worden sind, ist für den Vater nichts zu gewinnen. Diese Bestimmung begünstigt ausschließlich die Unterhaltsvorschüsse gewährende Republik Österreich, die im gesamtstaatlichen Interesse (Gemeinschaft der Steuerzahler) bei der Verjährung begünstigt wird (§§ 1472, 1485 ABGB4 Ob 198/09k = RIS‑Justiz RS0125605; Neumayr in Schwimann/Kodek, ABGB-Praxiskommentar4 I § 26 UVG Rz 7).

6. Soweit sich der Vater auf § 28 Abs 3 UVG beruft, wonach der Unterhaltsschuldner Einwendungen gegen die Rückzahlungspflicht, unabhängig vom Alter des Kindes, ausschließlich beim Pflegschaftsgericht geltend zu machen hat, das im Verfahren außer Streitsachen entscheidet, übersieht er, dass sich diese Bestimmung – was sich aus dem Zusammenhang mit § 28 Abs 1 UVG ergibt – für Verfahren über die „Rückzahlungspflicht“, nämlich die Verpflichtung des Unterhaltsschuldners, bestimmte Vorschüsse dem Präsidenten des Oberlandesgerichts zurückzuzahlen, bezieht. Verfahrensgegenstand eines solchen Verfahrens ist die Berechtigung des Rückforderungsanspruchs des Bundes (6 Ob 2087/96x). Ein solches Verfahren liegt hier nicht vor.

7. Es erweist sich daher die Abweisung des Unterhaltsherabsetzungsantrags in Hinsicht auf den länger als drei Jahre zurückliegenden Zeitraum als richtig. Dem Revisionsrekurs war somit der Erfolg zu versagen.

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