Spruch:
Die Revision der klagenden Partei wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.259,64 EUR (darin 209,94 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die ordentliche Revision wurde vom Berufungsgericht nachträglich (§ 508 Abs 3 ZPO) zur Frage der Auslegung der Punkte 8.2.3.3. und 6.4.3. der ÖNORM B 2110 zugelassen.
Diese für den Fall relevanten Bestimmungen lauten wie folgt:
„6. Leistung, Baudurchführung
6.4 Regieleistungen:
6.4.3. Der AN hat über alle Regieleistungen täglich Aufzeichnungen zu führen und diese innerhalb einer zu vereinbarenden Frist ‑ bei Fehlen einer solchen binnen 7 Tagen ‑ dem AG zur Bestätigung und Anerkennung der Art und des Ausmaßes zu übergeben.
8. Rechnungslegung, Zahlung, Sicherstellungen
8.2.3. Mengenermittlung nach Aufmaß
8.2.3.3 Aufmaße, die aus triftigen Gründen nur von einem der beiden Vertragspartner festgestellt wurden, sind dem anderen ehestens schriftlich mitzuteilen. Sie gelten als von diesem anerkannt, wenn er nicht innerhalb von 2 Wochen ab Erhalt der Mitteilung schriftlich dagegen Einspruch erhoben hat. Dies gilt auch für Regiebestätigungen gemäß 6.4.3“.
Rechtliche Beurteilung
Nach der Rechtsprechung sind ÖNORMEN objektiv unter Beschränkung auf den Wortlaut, das heißt unter Verzicht auf außerhalb des Textes liegende Umstände, gemäß § 914 ABGB auszulegen. Sie sind so zu verstehen, wie sie sich einem durchschnittlichen Angehörigen des angesprochenen Adressatenkreises erschließen; im Zweifel bildet die Übung des redlichen Verkehrs einen wichtigen Auslegungsbehelf (6 Ob 151/05g; 1 Ob 51/05i; 3 Ob 211/07m ua).
An diese Grundsätze hat sich das Berufungsgericht bei der Auslegung der Punkte 8.2.3.3. und 6.4.3. der ÖNORM B 2110 gehalten, wenn es zu dem Ergebnis gelangte, die Anerkennungsfiktion im Sinne des Punktes 8.2.3.3. gelte nur für Regiebestätigungen gemäß Punkt 6.4.3. der ÖNORM B 2110, also für tägliche Aufzeichnungen des Auftragnehmers, die dem Auftraggeber binnen einer Frist von sieben Tagen zur Bestätigung und Anerkennung der Art und des Ausmaßes übergeben wurden, nicht jedoch für die von der Klägerin als Auftragnehmerin der Beklagen als Auftraggeberin übergebenen, den übermittelten Rechnungen angeschlossenen und von der Klägerin als „Regieberichte“ bezeichneten Auflistungen, die als bloße Leistungsaufstellung anzusehen seien. Die Beweislast für die Durchführung der Arbeiten ‑ dazu traf das Erstgericht eine von der Klägerin in ihrer Berufungsbeantwortung unbekämpft gebliebene Negativfeststellung ‑ treffe daher die Klägerin.
Richtig ist zwar, dass die ÖNORM B 2110 keine bestimmte Form von Regiebestätigungen vorgibt und daher die Aufzeichnungen im Sinne des Punktes 6.4.3. der ÖNORM B 2110 in jeder geeigneten Form vorgenommen werden können (Karasek, ÖNORM B 2110² Rz 952). Die Klägerin bestreitet aber gar nicht, dass sie ungeachtet dessen den Vorgaben des Punktes 6.4.3. der ÖNORM B 2110 nicht nachgekommen ist. Mit dieser Bestimmung soll ein hohes Maß an Aktualität der Aufzeichnungen gewährleistet sein, weil die Überprüfung des tatsächlichen Aufwands später nur mehr schwer möglich ist (Kropik, Der Bauvertrag und die ÖNORM B 2110², 228). Eine durchgehende Dokumentation ist aus Beweisgründen unerlässlich (Gölles/Link,ÖNORM‑Bauvertrag‑Praxiskommentar, Rz 207).
Die Ansicht der Revision, die Genehmigung des Auftraggebers werde fingiert, wenn er die Nichteinhaltung der im Punkt 6.4.3. der ÖNORM B 2110 enthaltenen 7‑tägigen Frist durch den Auftragnehmer nicht binnen 14 Tagen gerügt habe, läuft über das weitest mögliche Verständnis des Wortlauts der in Rede stehenden Bestimmungen hinaus, überschreitet also die Grenze der Auslegung iSd § 6 ABGB. Die ÖNORM B 2110 sieht auch keine Begründungspflicht des Auftraggebers vor, wenn er nur einen Teilbetrag des vom Auftragnehmer in Rechnung gestellten Werklohns zahlt. Die Behauptung der Klägerin, durch die Bezahlung eines Teils der Rechnung habe die Beklagte die Form der „Regieberichte“ und die Einhaltung der 7‑tägigen Frist anerkannt, stellt eine im Revisionsverfahren unzulässige Neuerung dar (§ 504 ZPO).
Die von der Revisionswerberin behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde vom Senat geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
Die Revision war entgegen dem, den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts (§ 508a Abs 1 ZPO) mangels Darstellung einer erheblichen Rechtsfrage (§ 502 Abs 1 ZPO) nicht zulässig. Die Zurückweisung konnte sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 Satz 4 ZPO).
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41, 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen (RIS‑Justiz RS0035979).
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