European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:0090OB00017.22Y.0628.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen, die in der Abweisung des Hauptbegehrens gegenüber der zweitbeklagten Partei (Spruchpunkt 1. des Ersturteils) in Rechtskraft erwachsen sind, werden im Übrigen (Eventualbegehren Spruchpunkte 2. und 3. des Ersturteils) aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Begründung:
[1] Die Klägerin hat mit Kaufvertrag vom 20. 7. 2017 von der erstbeklagten Händlerin einen Seat Alhambra Business TDI 127g, um 25.991,99 EUR erworben. Im Fahrzeug ist ein von der Zweitbeklagten hergestellter Dieselmotor des Typs EA288 verbaut. Feststellungen darüber, ob in diesem Motor eine unzulässige Abschalteinrichtung gemäß Art 5 Abs 1 VO 715/2007/EU (siehe 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023) verbaut ist, wurden vom Erstgericht bislang nicht getroffen.
[2] Da es sich beim Fahrzeug um ein Dienstauto eines Mitarbeiters der Klägerin handelte, war zwar der CO2‑Ausstoß des Fahrzeugs ein Thema im Rahmen der Kaufanbahnung, nicht hingegen der Stickoxid-Ausstoß. Selbst bei Kenntnis bzw gebotener Aufklärung durch die Beklagten, dass in das Klagsfahrzeug rechtswidrigerweise unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut wurden, dass ohne diese Abschaltvorrichtungen die gesetzlichen Grenzwerte außerhalb des Prüfstandtests nicht eingehalten werden, dass es ohne diese Manipulationen keine Typisierung gegeben hätte, sowie dass ein unverhältnismäßiger Wertverlust vorliegt, hätte die Klägerin das klagsgegenständliche Fahrzeug gekauft. Für dieses Fahrzeug besteht eine aufrechte Zulassung.
[3] Die Klägerin begehrt mit ihrem gegen beide Beklagten gerichteten Hauptbegehren die Aufhebung des Kaufvertrags und ebenfalls von beiden Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 18.239,53 EUR sA Zug um Zug gegen Rückgabe des Fahrzeugs. In eventu begehrt die Klägerin von den Beklagten zur ungeteilten Hand die Zahlung von 8.000 EUR sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden, der der Klägerin aus dem Einbau einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Motortyp EA288 des gekauften Fahrzeugs entstehen werde. Dazu brachte sie zusammengefasst vor, dass sie zum Zeitpunkt des Ankaufs des Fahrzeugs davon ausgehen habe können, dass das Fahrzeug der Euro Abgasnorm 6 entspreche. Nun sei jedoch der verbaute Motor des Typs EA288, wie dessen Vorgänger EA189, vom Abgasmanipulationsskandal betroffen und entspreche in Wahrheit nicht der Abgasnorm Euro 6. Tatsächlich sei eine unzulässige Abschalteinrichtung verbaut, was dazu führe, dass abgasmindernde Einrichtungen nur am Prüfstand voll funktionsfähig seien. Im Realbetrieb würden die NOx‑Grenzwerte jedoch nicht eingehalten. Die Abgasrückführung funktioniere lediglich bei Außentemperaturen von 15 bis 33 Grad Celsius (sogenanntes Thermofenster). Im Realbetrieb werde die Abgasrückführrate reduziert. Das Fahrzeug entspreche nicht den gesetzlichen Vorgaben der einschlägigen europäischen Normen. Die für das Fahrzeug erteilte EU‑Typengenehmigung sei ex lege erloschen, was zudem einen Rechtsmangel darstelle. Angesichts dieses Mangels stünden der Klägerin Gewährleistungsansprüche zu. Es handle sich um keinen geringfügigen Mangel, dieser sei auch nicht verbesserungsfähig. Das Fahrzeug entspreche nicht dem nach der VO (EG) 715/2007 technischen Mindeststandards, den sich ein Fahrzeugkäufer erwarten dürfe. Darüber hinaus werde das Klagebegehren gegenüber der Zweitbeklagten auch auf List, Irrtum und Schadenersatz gestützt. Überdies seien § 2 UWG und § 37c Kartellgesetz verletzt. Hätte die Klägerin gewusst, dass das Fahrzeug in Wahrheit nicht den Umweltstandards für Euro‑6 Fahrzeuge entspreche, hätte sie es nicht erworben. Die Klägerin rechne sich ein Benutzungsentgelt von 7.752,46 EUR an, das sich daraus ergebe, dass die gefahrene Kilometerlaufleistung bei 89.479 km liege und die noch zu erwartende Gesamtlaufleistung bei 300.000 km (Bruttokaufpreis x gefahrene Kilometer / zu erwartende Gesamtlaufleistung).
[4] Sollte das Erstgericht wider Erwarten zum Ergebnis gelangen, dass es sich um einen geringfügigen Mangel handle bzw um einen unwesentlichen Irrtum, werde als erstes Eventualbegehren ein Betrag von 8.000 EUR aus dem Titel der Preisminderung gegenüber der Erstbeklagten begehrt. Gegenüber der Zweitbeklagten werde derselbe Betrag aus dem Titel der Vermögensschädigung gefordert. Die Beklagten hafteten schadenersatzrechtlich auch aus Delikt. Das weitere Eventualbegehren (Feststellungsbegehren) werde deshalb gestellt, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass aufgrund des Software-Updates ein heute nicht einschätzbarer erhöhter Verschleiß im Bereich des Abgassystems, insbesondere im Bereich AGR‑System eintrete.
[5] Die Beklagten bestritten, beantragten Klagsabweisung und wandten zusammengefasst ein, dass im Motor des Typs EA288 keine unzulässige Abschalteinrichtung zum Einsatz komme. Die temperaturabhängige Emissionsregelung durch das Abgasrückführsystem (Thermofenster) in einem Bereich von -24 Grad Celsius bis +70 Grad Celsius sei zulässig. Dementsprechend sei der Motor auch nicht von der Rückrufaktion des Deutschen Kraftfahrbundesamtes betroffen. Der Typengenehmigungsbescheid sei rechtskräftig aufrecht. Ein Mangel liege nicht vor, das Fahrzeug entspreche dem Vertragsinhalt. Gewährleistungsansprüche seien verjährt, ein Irrtum liege nicht vor, überdies sei der Klägerin kein Schaden entstanden. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass das Abgasverhalten des Fahrzeugs oder die Software die eigene Kaufentscheidung beeinflusst habe. Die Zweitbeklagte habe weder rechtswidrig noch schuldhaft gehandelt. Bei einem (allfälligen) Verstoß gegen VO (EG) Nr 715/2007 handle es sich nicht um eine Schutzgesetzverletzung.
[6] Das Erstgericht wies mit Teilurteil die gegen die Zweitbeklagte gerichteten Haupt- und Eventualbegehren ab.
[7] Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge. Es ließ die ordentliche Revision nachträglich zu, weil der Oberste Gerichtshof zu 10 Ob 44/19x ein Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH gestellt habe, das auch im gegenständlichen Verfahren von Bedeutung sei.
[8] In ihrerRevision beantragt die Klägerin die Abänderung des Berufungsurteils im Sinne einer gänzlichen Klagsstattgabe; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
[9] Die Zweitbeklagte beantragt in ihrerRevisionsbeantwortung, die Revision der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihr keine Folge zu geben.
[10] Die Revision der Klägerin ist zulässig und im Sinne ihres hilfsweise gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt.
Rechtliche Beurteilung
[11] 1. Die Klägerin begehrt ua Schadenersatz aus deliktischer Schädigung durch die Zweitbeklagte, gestützt auf eine Schutzgesetzverletzung der VO (EG) 715/2007 (in der Folge: VO 715/2007/EG ). Die von der Zweitbeklagten vertretene Rechtsansicht, der Schutzzweck von (unter anderem) Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG erfasse Vermögensschäden der Fahrzeughalter nicht, kann nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C‑100/21 , QB gegen Mercedes Benz Group AG, nicht geteilt werden.
[12] 2. Dies hat der Oberste Gerichtshof jüngst in seinen Entscheidungen 10 Ob 2/23a und 10 Ob 16/23k, je vom 25. 4. 2023, wie folgt begründet:
„In der erwähnten Entscheidung C‑100/21 , QB gegen Mercedes Benz Group AG hat der EuGH die an ihn gestellten Vorlagefragen wie folgt beantwortet:
1. Art 18 Abs 1, Art 26 Abs 1 und Art 46 der Richtlinie 2007/46/EG in Verbindung mit Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG sind dahin auszulegen, dass sie neben allgemeinen Rechtsgütern die Einzelinteressen des individuellen Käufers eines Kraftfahrzeugs gegenüber dessen Hersteller schützen, wenn dieses Fahrzeug mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art 5 Abs 2 dieser Verordnung ausgestattet ist.
2. Das Unionsrecht ist dahin auszulegen, dass es in Ermangelung einschlägiger unionsrechtlicher Vorschriften Sache des Rechts des betreffenden Mitgliedstaats ist, die Vorschriften über den Ersatz des Schadens festzulegen, der dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinne von Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG ausgestatteten Fahrzeugs tatsächlich entstanden ist, vorausgesetzt, dass dieser Ersatz in einem angemessenen Verhältnis zum entstandenen Schaden steht.
II.2.2. In seiner Entscheidungsbegründung rekapituliert der EuGH zunächst, dass ein individueller Käufer, der ein Fahrzeug erwirbt, das zur Serie eines genehmigten Fahrzeugtyps gehört und somit mit einer Übereinstimmungsbescheinigung versehen ist, vernünftiger Weise erwarten kann, dass die VO 715/2007/EG und insbesondere deren Art 5 bei diesem Fahrzeug eingehalten werden (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 81 unter Hinweis auf C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 54).
Diese ursprünglich (in C‑145/20 , Porsche Inter Auto und Volkswagen, Rn 54) für das Vertragsverhältnis zwischen Fahrzeugkäufer und Händler konstatierte berechtigte Verkehrserwartung ist nach dem Urteil C‑100/21 auch für das außervertragliche Verhältnis zwischen einem Fahrzeugerwerber und dem Fahrzeughersteller relevant.
Konkret leitet der EuGH aus den Bestimmungen über die Übereinstimmungsbescheinigung (Art 18 Abs 1 und Art 26 Abs 1 der Rahmen‑RL [RL 2007/46/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. September 2007 zur Schaffung eines Rahmens für die Genehmigung von Kraftfahrzeugen und Kraftfahrzeuganhängern sowie von Systemen, Bauteilen und selbstständigen technischen Einheiten für diese Fahrzeuge; künftig: RL 2007/46 ]) ab, dass die Übereinstimmungsbescheinigung 'eine unmittelbare Verbindung zwischen dem Automobilhersteller und dem individuellen Käufer eines Kraftfahrzeugs herstellt, mit der diesem gewährleistet werden soll, dass das Fahrzeug mit den maßgeblichen Rechtsvorschriften der Union übereinstimmt' (C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 82).
Weiters folgert der EuGH aus den von ihm zitierten unionsrechtlichen Bestimmungen (Art 18 Abs 1, 24 Abs 1 RL 2007/46 über die Übereinstimmungsbescheinigung, Art 46 RL 2007/46 betreffend Sanktionen), dass ein individueller Käufer eines Kraftfahrzeugs gegen den Hersteller dieses Fahrzeugs einen Anspruch darauf hat, dass dieses Fahrzeug nicht mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung im Sinn von Art 5 Abs 2 der VO 715/2007/EG ausgestattet ist (Rn 89).
Auf der Rechtsfolgenseite müssen die Mitgliedstaaten daher einen Anspruch auf Schadenersatz durch den Hersteller des Fahrzeugs vorsehen, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist (Rn 91).
In Ermangelung unionsrechtlicher Vorschriften über die Modalitäten für die Erlangung eines solchen Ersatzes durch die betreffenden Käufer wegen des Erwerbs eines solchen Fahrzeugs ist es Sache jedes einzelnen Mitgliedstaats, diese Modalitäten festzulegen (Rn 92), wobei nationale Rechtsvorschriften es dem Käufer nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren dürfen, einen angemessenen Ersatz des entstandenen Schadens zu erhalten (Rn 93).
II.3.1. Aus der zitierten Entscheidung des EuGH – insbesondere im Zusammenhang mit dem Ausgangsverfahren (vgl EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 23 u 69) – ergibt sich somit, dass ein Verstoß gegen Art 5 der VO 715/2007/EG den Hersteller auch dann ersatzpflichtig machen kann, wenn er in keinem Vertragsverhältnis mit dem Käufer steht (vgl das Endurteil 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023).
II.3.2. Für diesen Schadenersatzanspruch macht der EuGH grundsätzliche Vorgaben, nämlich in dem Sinn, dass die Mitgliedstaaten in einem solchen Fall einen Schadenersatzanspruch zu Gunsten eines Käufers gegenüber dem Hersteller vorzusehen haben, wenn dem Käufer durch diese Abschalteinrichtung ein Schaden entstanden ist (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 91). Dabei handelt es sich um einen im nationalen Recht wurzelnden Schadenersatzanspruch, der am unionsrechtlichen Effektivitätsgrundsatz zu messen ist (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 93), also eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion für den Verstoß darstellen muss (vgl EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 90). Im Übrigen richten sich die Modalitäten dieses Schadenersatzanspruchs nach nationalem Recht (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 92), hier also unstrittig nach österreichischem Recht.
II.3.3.1. Eine unionsrechtliche Vorgabe eines Schadenersatzanspruchs ist das Vorliegen eines Schadens: Der EuGH betont, dass dem Käufer eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs ein Schadenersatzanspruch zusteht, wenn ihm ein Schaden entstanden ist (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG.
Als nachteilige Folge – vor der ein Fahrzeugkäufer durch das Unionsrecht geschützt werden soll – sieht der EuGH an, dass durch die Unzulässigkeit der Abschalteinrichtung die Gültigkeit der EG‑Typengenehmigung und daran anschließend die der Übereinstimmungsbescheinigung in Frage gestellt werden, was wiederum (unter anderem) zu einer Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit (Anmeldung, Verkauf oder Inbetriebnahme des Fahrzeugs) und „letztlich“ zu einem Schaden führen kann (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 84). Damit stellt der EuGH klar, dass ein deliktischer Schadenersatzanspruch nicht als ein von einem Schadenseintritt losgelöster Akt der privaten Durchsetzung von Emissionsnormen zu sehen ist. Vielmehr geht es um den Ausgleich der objektiven Unsicherheit hinsichtlich der Fahrzeugnutzung, mit der der individuelle Fahrzeugerwerber konfrontiert ist.
Der Schadensbegriff des ABGB wird diesen unionsrechtlichen Voraussetzungen gerecht. Als Schaden im Sinn des § 1293 ABGB ist jeder Zustand zu verstehen, der rechtlich als Nachteil aufzufassen ist, an dem also ein geringeres rechtliches Interesse als am bisherigen besteht (RS0022537). Im vorliegenden Fall des Erwerbs eines mit einer im Sinn des Art 5 VO 715/2007/EG unzulässigen Abschalteinrichtung ausgestatteten Fahrzeugs besteht dieses geringere rechtliche Interesse – den unionsrechtlichen Vorgaben entsprechend – in der (objektiv) eingeschränkten Nutzungsmöglichkeit.
Ein Schadenseintritt wäre lediglich dann zu verneinen, wenn das objektiven Verkehrserwartungen nicht genügende Fahrzeug dennoch konkret dem Willen des Käufers entsprach.“
[13] 3. Im vorliegenden Fall kann (anders als in dem der Entscheidung 10 Ob 2/23a vom 25. 4. 2023 zugrunde liegenden Fall) nicht abschließend beurteilt werden, ob dem Kläger ein ersatzfähiger Schaden entstanden ist:
[14] 3.1. Zunächst steht hier noch gar nicht fest, ob im gegenständlichen Fahrzeug, das mit einem von der Zweitbeklagten hergestellten Dieselmotor des Typs EA288 ausgestattet ist, eine – wie von der Klägerin behauptete, von den Beklagten aber bestrittene – unzulässige Abschalteinrichtung im Sinn der Art 3 Z 10 und Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verbaut ist (vgl dazu 10 Ob 2/23a vom 21. 2. 2023). Ist dies der Fall, dann ist das Fahrzeug des Klägers latent mit einer Unsicherheit hinsichtlich der rechtlichen Nutzungsmöglichkeit behaftet (vgl zu dieser Unsicherheit auch die mit der Entscheidung des EuGH vom 8. 11. 2022, C‑873/19 , Deutsche Umwelthilfe e.V., eröffnete Möglichkeit bestimmter Umweltvereinigungen, Verwaltungsentscheidungen anzufechten, mit denen eine EG‑Typengenehmigung für Fahrzeuge erteilt oder geändert wurde, die möglicher Weise gegen Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verstoßen [10 Ob 16/23k vom 11. 5. 2023 Rz 45]).
[15] Das Erstgericht wird daher Feststellungen zur technischen Ausstattung des im Fahrzeug des Klägers verbauten Motors und zur Funktionsweise der Motorsteuerung zu treffen haben, die eine abschließende Beurteilung erlauben, ob eine unzulässige Abschalteinrichtung vorliegt. Die Beweislast trifft den Kläger (1 Ob 146/22k Rz 23).
[16] 3.2. Liegt eine unzulässige Abschalteinrichtung vor, dann fehlen aber auch ausreichende Feststellungen dazu, ob das den objektiven Verkehrserwartungen nicht genügende Fahrzeug dennoch konkret dem Willen der Käuferin entsprach. Die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen, selbst bei Kenntnis bzw gebotener Aufklärung durch die Beklagten, dass in das Klagsfahrzeug rechtswidrigerweise unzulässige Abschalteinrichtungen verbaut wurden, dass ohne diese Abschaltvorrichtungen die gesetzlichen Grenzwerte außerhalb des Prüfstandtests nicht eingehalten werden, dass es ohne diese Manipulationen keine Typisierung gegeben hätte, sowie dass ein unverhältnismäßiger Wertverlust vorliegt, hätte die Klägerin das klagsgegenständliche Fahrzeug gekauft, reichen nicht aus, um daraus den Schluss zu ziehen, der Klägerin sei kein Schaden entstanden:
[17] Die Klägerin begehrt von der Zweitbeklagten (ua) 8.000 EUR aus dem Titel der Vermögensschädigung, gestützt auf § 1331 ABGB. Die getroffenen Feststellungen geben keine Auskunft darüber, zu welchem Preis (zur Schadensberechnung vgl 5 Ob 100/22z) sie das Fahrzeug gekauft hätte, wenn sie gewusst hätte, dass es sich bei der vorhandenen Software („Umschaltlogik“) um ein verbotenes Konstruktionselement handelte, das der Typengenehmigungsbehörde verschwiegen wurde, sodass nur deshalb die EG-Typengenehmigung erteilt wurde (worauf die Klägerin mit ihrem Vorbringen, sie habe auf ein „manipulationsfreies“ Fahrzeug vertraut, Bezug genommen hat). Die bisher getroffenen Feststellungen lassen auch nicht erkennen, ob der Kläger die vom EuGH angesprochene Unsicherheit über die Nutzungsmöglichkeit des Fahrzeugs (EuGH C‑100/21 , QB gegen Mercedes-Benz Group AG, Rn 84; vgl zu dieser Unsicherheit auch die mit der Entscheidung des EuGH vom 8. 11. 2022, C‑873/19 , Deutsche Umwelthilfe e.V., eröffnete Möglichkeit bestimmter Umweltvereinigungen, Verwaltungsentscheidungen anzufechten, mit denen eine EG-Typengenehmigung für Fahrzeuge erteilt oder geändert wurde, die möglicher Weise gegen Art 5 Abs 2 VO 715/2007/EG verstoßen) in Kauf genommen und den gegenständlichen Neuwagen dennoch erworben hätte (vgl 10 Ob 16/23k Rz 45).
[18] 4. All dies macht die Aufhebung des angefochtenen Teilurteils und Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht erforderlich. Dieses wird im fortgesetzten Verfahren Feststellungen im dargestellten Sinn zu treffen haben. Auf die weiteren Revisionsargumente, mit denen die Klägerin ihren Schadenersatzanspruch dem Grunde nach begründet, musste daher nicht weiter eingegangen werden.
[19] Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO.
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