OGH 9Nc29/19t

OGH9Nc29/19t31.10.2019

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf als Vorsitzenden, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Hon.‑Prof. Dr. Dehn und Mag. Korn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. M*****, 2. C*****, vertreten durch Heinke . Skribe + Partner, Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die beklagte Partei *****, wegen 1.200 EUR sA, über den Ordinationsantrag nach § 28 JN, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2019:0090NC00029.19T.1031.000

 

Spruch:

Dem Ordinationsantrag der klagenden Parteien wird stattgegeben.

Als örtlich zuständiges Gericht wird das Bezirksgericht Schwechat bestimmt.

 

Begründung:

Mit der an das Bezirksgericht Schwechat gerichteten Klage begehrten die Kläger, das beklagte Flugunternehmen mit Sitz in *****, Zweigniederlassung *****, zur Zahlung von 1.200 EUR sA zu verurteilen. Sie stützen sich dabei auf die Verordnung 261/2004/EG über Fluggastrechte.

Mit Beschluss vom 19. 12. 2018 wies das Bezirksgericht Schwechat die Klage mangels internationaler Zuständigkeit zurück. Mit Beschluss vom 28. 5. 2019 bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung, sodass der Zurückweisungsbeschluss in Rechtskraft erwuchs.

Mit ihrem – an den Obersten Gerichtshof gerichteten – Ordinationsantrag gemäß § 28 JN beantragen die Kläger die Ordination des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien als für die Klage örtlich zuständiges Gericht. Die Ansprüche würden aus Unionsrecht abgeleitet, weshalb Österreich sicherstellen müsse, dass die Ansprüche effektiv durchgesetzt werden können. Außerdem sei die Rechtsverfolgung im Ausland unzumutbar, weil die Klagsführung im Ausland ein übermäßiges Erschwernis begründe und die Durchsetzung der Ansprüche am Gericht des Sitzes der Beklagten aussichtslos erscheine.

Rechtliche Beurteilung

Die Voraussetzungen für eine Ordination durch den Obersten Gerichtshof sind gegeben:

1. Die Kläger stützen ihren Ordinationsantrag auf § 28 Abs 1 Z 2 JN, also auf den Fall der Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland. Die dafür erforderliche allgemeine Voraussetzung des Naheverhältnisses zum Inland ist hier schon im Hinblick auf den Wohnsitz der Kläger in Österreich erfüllt; zudem lag der Abflugort in Wien‑Schwechat.

2. Die Unzumutbarkeit der Rechtsverfolgung im Ausland liegt nach der Rechtsprechung insbesondere dann vor, wenn die ausländische Entscheidung in Österreich nicht anerkannt oder vollstreckt würde und eine Exekutionsführung im Inland geplant ist (RS0046148).

Zwischen Österreich und ***** besteht kein bilaterales Abkommen oder multilaterales Übereinkommen über die Vollstreckung von gerichtlichen Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen bzw von Entscheidungen über Ansprüche aus Flugverspätungen.

Aus dem Vorbringen im Ordinationsantrag ergibt sich, dass die Kläger die Durchsetzung ihrer durch die FluggastrechteVO eingeräumten Rechte in ***** für aussichtslos halten. Daraus lässt sich (noch) ausreichend deutlich ableiten, dass sie die Vollstreckung in Österreich anstreben, was bei einem Exekutionstitel aus ***** – mangels Gegenseitigkeit – allerdings nicht möglich ist. Der Ordinationsantrag ist daher berechtigt (siehe auch zu vergleichbaren Sachverhalten 7 Nc 21/19a; 8 Nc 27/19s).

3. Dieses Ergebnis wird durch folgende – vom Ordinationswerber aufgezeigten und mittlerweile von der herrschenden Rechtsprechung geteilten (7 Nc 21/19a; 6 Nc 19/19z; 6 Nc 25/19g) – unionsrechtlichen Überlegungen bekräftigt:

Die Kläger leiten ihre Ansprüche aus der FluggastrechteVO, also aus einem unionsrechtlichen Sekundärrechtsakt ab. Für solche Ansprüche haben die Mitgliedstaaten nach Art 47 GRC einen effektiven gerichtlichen Rechtsschutz sicherzustellen (vgl RS0132702). Diesem Unions‑Verfahrensgrundrecht kommt insbesondere dann Bedeutung zu, wenn der Kläger sonst gehalten wäre, seine Ansprüche außerhalb der Europäischen Union geltend zu machen (vgl 4 Nc 11/19h mwN). Aus diesem Grund sind alle interpretativen Möglichkeiten auszuschöpfen, um – bei einem ausreichenden Inlandsbezug – Fluggästen, die von einem in der Europäischen Union gelegenen Flughafen abfliegen, die Durchsetzung von in der FluggastrechteVO normierten Ansprüchen grundsätzlich auch gegen ein Flugunternehmen mit Sitz in einem Drittstaat zu ermöglichen, zumal eine Verweigerung der Ordination geradezu einer Rechtsschutzverweigerung gleichkäme.

4. Für die Auswahl des zu ordinierenden Gerichts ist nach der Rechtsprechung auf die Kriterien der Sach- und Parteinähe sowie der Zweckmäßigkeit Bedacht zu nehmen (RS0106680 [T13]).

Unter Berücksichtigung dieser Vorgaben hat eine Zuweisung der vorliegenden Rechtssache an das Bezirksgericht Schwechat zu erfolgen, weil der Abflugort im Sprengel dieses Gerichts gelegen war; zudem wurde die vorliegende Klage bei diesem Gericht bereits behandelt (vgl etwa 4 Nc 11/19h; 6 Nc 1/19b ua).

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte