OGH 8Os233/59 (RS0101955)

OGH8Os233/595.11.2024

Rechtssatz

Das Berufungsgericht ist zu einer amtswegigen Maßnahme gemäß dem § 477 StPO nur dann berechtigt und verpflichtet, wenn dies zum Vorteil des Angeklagten ausschlägt. Es ist daher unzulässig, im Fall einer nur zu Gunsten des Angeklagten erhobenen Berufung die Tat einem strengeren Strafgesetz zu unterstellen, als vom Erstgericht angewendet wurde. Ein solcher Vorgang ist auch, wenn das Berufungsgericht keine strengere Strafe verhängte und es aussprach, daß allenfalls schwerere mit der Verurteilung verbundene rechtliche Wirkungen nicht einzutreten haben, zwar nicht im Hinblick auf das in Abs 2 des § 477 StPO enthaltene Verschlechterungsverbot, wohl aber im Hinblick auf Abs 1 des § 477 StPO unzulässig.

Normen

StPO §477 Abs1
StPO §290

8 Os 233/59OGH10.07.1959

Veröff: SSt XXX/73 = EvBl 1959/328 S 553 = RZ 1959,140 = RZ 1959,154

12 Os 209/72OGH20.02.1973

Veröff: EvBl 1973/191 S 407 = ÖBl 1973,88

13 Os 8/94OGH16.03.1994

Vgl; Beisatz: Das Vorliegen eines für eine Maßnahme gemäß § 477 Abs 1 StPO erforderlichen und auf der unrichtigen Gesetzesanwendung beruhenden Nachteils für den Angeklagten darf nicht mit dem Verbot der reformatio in peius (§ 477 Abs 2 StPO) verwechselt werden. Dieses Verbot wird erst aktuell, wenn in der Sache selbst entschieden wird. (T1)

13 Os 146/97OGH24.09.1997

Ähnlich; nur: Das Berufungsgericht ist zu einer amtswegigen Maßnahme gemäß dem § 477 StPO nur dann berechtigt und verpflichtet, wenn dies zum Vorteil des Angeklagten ausschlägt. (T2)

11 Os 152/00OGH16.01.2001

Auch

13 Os 7/03OGH29.01.2003

vgl; Beisatz: In Erledigung einer Nichtigkeitsberufung (und nach §477 Abs 1 zweiter Satz StPO) ist das Berufungsgericht nur insoweit zu (eigenen) Feststellungen über schulderhebliche Tatsachen befugt, als sich diese als begründet erwiesen hat, das erstgerichtliche Urteil also aufzuheben ist. (T3)<br/>Anm: Änderung der versehentlich ein zweites Mal vergebenen Beisatznummer (T2) auf (T3) - November 2024

14 Os 95/24pOGH05.11.2024

vgl; Beisatz: Amtswegige Wahrnehmung eines Rechtsfehlers (nach Z 9 lit a oder Z 10 des § 281 Abs 1 StPO) gemäß § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall (iVm § 489 Abs 1 zweiter Satz und § 471) StPO setzt voraus, dass dieser sich zum Nachteil des Angeklagten auswirkt. Bei der Nachteilsbetrachtung ist grundsätzlich zwischen der unmittelbaren Konsequenz amtswegiger Wahrnehmung, nämlich der – für den Angeklagten stets vorteilhaften – Aufhebung des fehlerhaften Schuldspruchs, und folgenden weiteren Verfahrensschritten zu unterscheiden.<br/>Hält es das Rechtsmittelgericht allerdings für ausgeschlossen, dass im weiteren Verfahren (keinen erheblichen Bedenken begegnende) Feststellungen als ausreichende Grundlage für einen Schuldspruch nach dem gleichen oder einem milderen Strafsatz getroffen werden können, ist dies – ausnahmsweise – bei der Nachteilsbetrachtung zu berücksichtigen. Dies gilt gleichermaßen für eine Entscheidung in der Sache nach Beweisaufnahme durch das Berufungsgericht wie für eine Rückverweisung, die lediglich der Prüfung der Verwirklichung einer strenger strafbedrohten Handlung dient. Dies hat zur Konsequenz, dass in einer solchen Konstellation das Rechtsmittelgericht eine auf Beseitigung des von einem solchen Rechtsfehler behafteten Schuldspruchs gerichtete Berufung wegen Nichtigkeit (ebenso wie eine Nichtigkeitsbeschwerde) mangels Beschwer zurückweisen oder von einem entsprechenden amtswegigen Vorgehen absehen muss. (T4)

Dokumentnummer

JJR_19590710_OGH0002_0080OS00233_5900000_001

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