OGH 8ObS56/00v

OGH8ObS56/00v13.4.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Eberhard Piso und Dr. Heinz Nagelreiter als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Margit S*****, kaufmännische Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Hans Werner Mitterauer, Kammer für Arbeiter und Angestellte für Salzburg, Salzburg, Markus-Sittikusstraße 10, dieser vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, wider die beklagte Partei Bundessozialamt Salzburg, Auerspergstraße 67a, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17-19, wegen Insolvenz-Ausfallgeld (S 453.804,-- netto sA; Revisionsinteresse S 405.550,67; Rekursinteresse S 48.253,33 sA), infolge Revision der klagenden Partei und des Rekurses der beklagten Partei gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 2. Dezember 1999, GZ 11 Rs 215/99p-15, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Mai 1999, GZ 19 Cgs 126/98i-11, als Teilurteil bestätigt und im Übrigen aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der Klägerin wird nicht Folge gegeben.

Dem Rekurs der beklagten Partei wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluss aufgehoben und in der Sache selbst zu Recht erkannt, dass unter Einbeziehung des bestätigten Teilurteiles das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt wird.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsmittelverfahrens selbst zu tragen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin war seit 1. 5. 1979 bei ihrem Arbeitgeber, der eine Verlagsagentur betrieb, als Büroangestellte beschäftigt. Bereits in den Jahren 1984 bis 1986 war der Klägerin die schwierige Lage ihres Arbeitgebers bekannt, der für ihre Gehaltsforderungen in den Jahren 1984 bis 1986 S 91.141,--; S 87.367 und S 87.096,92 netto schuldig blieb und hiefür Schuldscheine ausstellte. Obwohl sich die finanzielle Lage des Unternehmens vom Beginn an schwierig darstellte, ging die geschäftliche Entwicklung bis 1993 stets etwas aufwärts. Danach gingen die Umsätze aber ständig zurück.

Ab August 1993 erhielt die Klägerin keine Gehaltszahlungen mehr. Gegen Ende des Jahres 1993 wurde die Klägerin vom Arbeitgeber über die angespannte finanzielle Lage des Unternehmens informiert. Nachdem der Arbeitgeber 1994 erkrankte und in der Folge selten im Unternehmen anwesend war, versuchte die Klägerin, die im Unternehmen anfallenden Aufgaben nach ihren Möglichkeiten selbständig zu übernehmen.

Die Klägerin urgierte die offenen Gehaltszahlungen zwar mehrmals beim Arbeitgeber, wurde von diesem aber immer wieder damit vertröstet, dass es dem Unternehmen wieder besser gehen würde und sie setzte wohl auf Grund der persönlichen Situation des Arbeitgebers (Krankheit und Scheidung) keine weiteren Schritte.

1995 erholte sich der Arbeitgeber wieder von seiner Krankheit und nahm Mitte des Jahres Kontakte mit einem Interessenten auf, der sich mit einer Summe zwischen S 500.000,-- und S 1 Mio an der Firma beteiligten wollten. Es fanden mehrere Gespräche zwischen dem Arbeitgeber und dem Interessenten statt, an denen auch die Klägerin mehrmals teilnahm. Ende 1995 konnten durch einen Wechsel der Druckerei die Produktionskosten wesentlich gesenkt werden. Vor dem endgültigen Geschäftsabschluss mit dem Interessenten starb der Arbeitgeber am 6. 6. 1996. Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 7. 1. 1997 wurde der Antrag der Klägerin auf Eröffnung des Konkursverfahrens mangels hinreichenden Vermögens abgewiesen.

Mit Bescheid vom 23. 3. 1998 hat die beklagte Partei den Antrag der Klägerin auf Zahlung von S 790.026,92 netto Insolvenz-Ausfallgeld abgelehnt.

Mit ihrer rechtzeitig überreichten Klage machte die Klägerin für rückständige Gehälter vom August 1993 bis Mai 1996, sowie Urlaubsentschädigung, Sonderzahlungen und Abfertigung einen Gesamtbetrag von S 453.804,-- netto geltend. Hiezu brachte sie vor, die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers ab dem Jänner 1993 sei für sie nicht rasch erkennbar gewesen. Zu diesem Zeitpunkt sei ein Mitbewerber am Markt aufgetreten, der mit "Schleuderpreisen" das Anzeigengeschäft des Arbeitgebers verschlechtert habe. Man habe erwartet, dass der Mitbewerber dieses Preisniveau nicht lange würde halten können und die Kunden nach Wiederherstellung des normalen Preisniveaus wieder zum Arbeitgeber zurückkehren würden.

1994 habe der Arbeitgeber zu einer Druckerei mit wesentlich günstigeren Anboten gewechselt, wodurch eine Verbesserung der finanziellen Situation absehbar gewesen sei. Gegen Ende des Jahres sei der Arbeitgeber plötzlich erkrankt und es sei auf Grund der gesundheitlich bedingten Abwesenheit des Arbeitgebers zu finanziellen Schwierigkeiten gekommen. 1995 habe sich die gesundheitliche Situation des Arbeitgebers gebessert. Im Herbst dieses Jahres habe sich ein Interessent für eine Beteiligung gefunden, der seine Absicht bekundet habe, ca S 1 Mio in das Unternehmen einzubringen. Der Arbeitgeber habe der Klägerin versichert, dass mit der Zuführung dieser finanziellen Mittel ihre Entgeltrückstände befriedigt werden würden. Ihr sei von Seiten des Arbeitgebers auch zugesichert worden, dass ihr nach dem für das Jahr 1997 beabsichtigten pensionsbedingten Ausscheiden des Arbeitgebers die Leitung des Unternehmens übertragen werde. Am 6. 6. 1996 sei der Arbeitgeber überraschend verstorben.

Die beklagte Partei bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte ergänzend vor, dass die Klägerin im Mai 1979 die Beschäftigung beim Arbeitgeber aufgenommen habe. Bereits 1984 sei die wirtschaftliche Situation des Unternehmens so angespannt gewesen, dass sie bis 1986 keinerlei Gehaltszahlungen erhalten habe. Von 1987 bis 1992 habe sich die Situation gebessert. Die Klägerin habe zwar in diesem Zeitraum Gehaltszahlungen erhalten, jedoch keine Bemühungen unternommen, das für drei Jahre ausständige Gehalt zu bekommen. Schließlich habe die Klägerin von 1993 bis Juni 1996 ebenfalls keine Gehaltszahlungen erhalten. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe insgesamt ca 17 Jahre gedauert, wovon sie 6 1/2 Jahre kein Gehalt bezogen habe.

Diese Gesamtbetrachtung mache deutlich, dass die Klägerin durch die Stundung der gesamten offenen Entgeltansprüche die Weiterführung eines offensichtlich insolventen Betriebes mit der Konsequenz ermöglicht habe, dass der Insolvenz-Ausfallgeldfonds somit die öffentliche Hand die Entgeltansprüche zu tragen hätten. Die Aufrechterhaltung des "Arbeitsvertrages" zwischen der Klägerin und ihrem Dienstgeber sei gemäß § 879 ABGB insoweit nichtig, soweit daraus Ansprüche gegen den Insolvenz-Ausfallgeldfonds abgeleitet würden. Die Klägerin sei über die prekäre wirtschaftliche Situation von Anfang an informiert gewesen.

Das Erstgericht wies das (gesamte) Klagebegehren ab und führte in rechtlicher Hinsicht aus, es sei Zweck des IESG in seinem Kernbereich, dass die von den Arbeitnehmern typischerweise nicht abwendbaren und absicherbaren Gefahren des gänzlichen oder teilweisen Verlustes der Entgeltansprüche, auf die diese zur Bestreitung ihres Lebensunterhaltes angewiesen seien, hintangehalten würden. Ein "Fremdvergleich" zeige, dass normalerweise ein Arbeitnehmer unter den gegebenen Voraussetzungen das Arbeitsverhältnis nicht aufrechterhalten hätte, sondern vorzeitig ausgetreten wäre, sodass sich das finanzielle Risiko des Verlustes seiner Entgeltansprüche in Grenzen gehalten hätte. Da sich die Klägerin trotz Nichtzahlung des Gehalts in voller Kenntnis der prekären finanziellen Lage aus persönlichen Gründen dazu veranlasst gesehen habe, im Unternehmen zu bleiben, stehe ihr kein Anspruch auf Insolvenz-Ausfallgeld zu.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge; es bestätigte das (abweisende) Urteil als Teilurteil mit einem Betrag von S 405.550,67 samt 4,5 % Zinsen vom 7. 1. 1997 bis 7. 7. 1997 und hob das erstgerichtliche Urteil hinsichtlich eines Teilbetrages von S 48.253,33 samt 4,5 % Zinsen für die Zeit vom 7. 1. 1997 bis 7. 7. 1997 auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht. Weiters erklärte es die ordentliche Revision und den Rekurs für zulässig.

In rechtlicher Hinsicht verwies das Berufungsgericht auf die Ausführungen des Erstgerichtes zum Zwecke des IESG. Auf Grund des festgestellten Sachverhaltes könne keinesfalls davon ausgegangen werden, die Klägerin hätte auf eine Nachzahlung aller offenen Gehaltsansprüche tatsächlich vertraut und darauf auch aus objektiver Sicht vertrauen dürfen. Nur dann könnte das Stehenlassen von Gehaltsforderungen über längere Zeit, ohne den vorzeitigen Austritt aus dem Arbeitsverhältnis zu erklären, allenfalls nicht als rechtsmissbräuchlich angenommen werden. Die Klägerin habe von ihrem Arbeitgeber über die angespannte finanzielle Lage des Unternehmens gewusst und sei trotz ihrer Urgenz immer wieder damit vertröstet worden, dass es dem Unternehmen besser gehen werde. Alleine das Senken von Produktionskosten, die Gesundung des Arbeitgebers und die Hoffnung, einen finanzkräftigen Partner zu finden, seien keinesfalls geeignet, das jahrelange Verbleiben der Klägerin im Unternehmen trotz Nichtzahlung des Gehalts als nicht rechtsmissbräuchliche Verhaltensweise gegenüber dem Insolvenz-Ausfallgeldfonds anzusehen. Die atypische, einem Fremdvergleich nicht standhaltende Gestaltung des Arbeitsverhältnisses, mit der der Arbeitnehmer zur Finanzierung des Unternehmens beitrage, sei nicht vom Schutzzweck des IESG erfasst.

Der Gesetzgeber habe mit der IESG-Novelle 1997 zum Ausdruck gebracht, dass eine Verpflichtung des Arbeitnehmers zur vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch Austritt dann bestehe, wenn vom Arbeitgeber die Entgelte über einen Zeitraum von 6 Monaten nicht mehr gezahlt worden seien, daher stünden der Klägerin zumindest für diesen Zeitraum Ansprüche nach dem IESG zu. Zur Beurteilung, welche Ansprüche nach dem IESG gesichert seien, müsse im Fremdvergleich geprüft werden, zu welchem objektiven Zeitpunkt ein (unbeteiligter) Arbeitnehmer anstelle der Klägerin den vorzeitigen Austritt erklärt hätte, um nicht in sittenwidriger Weise den Fonds zu schmälern. Eine Überlegungsfrist von höchstens zwei Monaten erscheine dabei in Anlehnung an die Entscheidung 8 Ob 254/97d angemessen. Dieser gebotene Fremdvergleich sei vom Berufungssenat in Behandlung der Rechtsrüge der Klägerin vorzunehmen. Vorauszuschicken sei, dass aus der inzwischen erfolgten zeitlichen Begrenzung des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt für Zeiten vor der Konkurseröffnung nur zu schließen sei, dass nunmehr das Zuwarten von mehr als sechs Monaten (§ 3a IESG idF der IESG-Novelle 1997, BGBl I Nr 107) zum Verlust der Sicherung führe. Daraus folge aber nicht, dass ein Lohnrückstand von sechs Monaten für die Zeit vor Konkurseröffnung (oder einem nach § 1 Abs 1 IESG gleichgestellten Sachverhalt) jedenfalls gesichert sei. Vor und nach der IESG-Novelle 1997 seien Ansprüche aus dem Zweck des Gesetzes in seinem Kernbereich nicht entsprechenden Arbeitsverhältnissen nicht gesichert, sodass die Klägerin auch nicht für die letzten sechs Monate vor Konkurseröffnung rückständigen Lohn gegen den Fonds erfolgreich geltend machen könne (8 ObS 48/99p mwN). Abgesehen davon sei die Bestimmung des § 3 Abs 1 idF IESG-Novelle 1997 erst mit 1. 4. 1998 in Kraft getreten und daher für das gegenständliche Verfahren noch nicht anwendbar.

Im Falle der Klägerin habe der Entgeltrückstand mit der Lohnperiode August 1993 begonnen. Der Arbeitgeber sei ab 1. 9. 1993 in Verzug gewesen, sodass unter Berücksichtigung des zuvor erwähnten angemessenen Überlegungszeitraumes - einschließlich einer allfälligen Nachfristsetzung gegenüber dem Arbeitgeber - im Fremdvergleich spätestens mit 31. 10. 1993 der Austritt aus dem Arbeitsverhältnis zu fingieren sei. Über diesen Zeitpunkt hinaus, in dem ein "unbeteiligter" Arbeitnehmer nicht im Unternehmen verblieben wäre, sondern seinen vorzeitigen Austritt erklärt hätte, könnten im Fall der nachfolgenden Insolvenz des Unternehmens keine Ansprüche gegen den Fonds geltend gemacht werden.

Hinsichtlich der beendigungsabhängigen Ansprüche der Klägerin (Urlaubsentschädigung, Abfertigung) müsse dann, wenn diese grundsätzlich zu Recht bestünden und auch gesichert seien, im Hinblick auf den im Fremdvergleich nicht rechtzeitig erfolgten Austritt geprüft werden, ob durch das unangemessene Zuwarten der Klägerin mit der Beendigungserklärung eine Änderung in der Anspruchshöhe eingetreten sei. Die Beendigungsansprüche könnten nämlich nur in dem Ausmaß, wie sie auch im Zeitpunkt des fingierten Austrittes (31. 10. 1993) bestanden hätten, erfolgreich gegen den Fonds durchgesetzt werden. Allfällige Änderungen, die wegen des Erwerbs zusätzlicher Dienstzeiten zu einer Erhöhung des Abfertigungsanspruches oder zu einem neuen Urlaubsanspruch geführt hätten, müssten dagegen zu einer Verneinung der daraus abgeleiteten (zusätzlichen) Beendigungsansprüche gegenüber dem Fonds führen, da insoweit in gleicher Weise das sittenwidrige Element der Verlagerung des Finanzierungsrisikos zu Lasten eines Dritten durchschlage wie beim laufenden Entgelt, das unangemessen lange Stehengelassen worden sei. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze bestehe die von der Klägerin geltend gemachte Urlaubsentschädigung für 43 Werktage nicht zu Recht, weil im Zeitraum 31. 10. 1993 bis 6. 6. 1996 zumindest zwei neue Urlaubsjahre begonnen hätten.

Die für die Abfertigung von 6 Monatsentgelten erforderliche Arbeitszeit von 15 Jahre sei von der Klägerin erst mit 30. 4. 1994 und daher fast ein halbes Jahr nach dem fingierten Austritt erreicht worden. Ihr gebühre daher das Insolvenz-Ausfallgeld allenfalls für die gesetzliche Abfertigung im Ausmaß von 4 Monatsentgelten, also allenfalls in der Höhe von S 48.253,33. Der Zulassungsausspruch berücksichtige, dass zwar eine reiche Judikatur des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, unter welchen Voraussetzungen das Belassen offener Gehaltsansprüche im Gesellschaftsvermögen als eigenkapitalersetzende Finanzierungsentscheidung zu beurteilen sei; zur Frage, welche Überlegungsfrist im Fremdvergleich einem unselbständig Beschäftigten einzuräumen sei, seinen vorzeitigen Austritt zu erklären, und ob dieser Fremdvergleich sinngemäß auch auf Beendigungsansprüche anzuwenden sei, fehle - soweit ersichtlich - eine oberstgerichtliche Rechtsprechung.

Gegen diese Entscheidung richten sich der Rekurs der beklagten Partei und die Revision der Klägerin jeweils aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit den Anträgen, in der Sache selbst zu entscheiden und das Klagebegehren zur Gänze abzuweisen (Rekurs der beklagten Partei) bzw das Teilurteil im klagestattgebenden Sinn abzuändern (Revision der Klägerin); hilfsweise stellt die Klägerin einen Aufhebungsantrag.

Die Rechtsmittel sind aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig; der Rekurs ist auch berechtigt, nicht aber die Revision.

Rechtliche Beurteilung

Aus der zeitlichen Begrenzung des Anspruches auf Insolvenz-Ausfallgeld für laufendes Entgelt für Zeiten vor der Konkurseröffnung ist nur zu schließen, dass nunmehr das Zuwarten von mehr als 6 Monaten (§ 3a IESG idF IESG-Novelle 1997, BGBl I 107) zum Verlust der Sicherung führt. Daraus folgt nicht, dass ein Lohnrückstand von 6 Monaten für die Zeit vor Konkurseröffnung (oder einem nach § 1 Abs 1 IESG gleichgestellten Sachverhalt) jedenfalls gesichert ist. Vor und nach der IESG-Novelle 1997 sind Ansprüche aus dem Zweck des Gesetzes in seinem Kernbereich nicht entsprechenden Arbeitsverhältnissen nicht gesichert, sodass ein solcher Arbeitnehmer auch nicht für die letzten 6 Monate vor Konkurseröffnung rückständigen Lohn gegen den Fonds erfolgreich geltend machen kann (WBl 1999/120; 8 ObS 295/98k; 8 ObS 306/98b; 8 ObS 32/99k und 8 ObS 48/99p). Das Verhalten der Klägerin hält dem "Fremdvergleich" mit einem typischen, auf die Sicherung durch das IESG angewiesenen Arbeitnehmer nicht stand. Die Klägerin hat über lange Zeiträume ihrer Beschäftigung beim Arbeitgeber kein Entgelt erhalten, sondern zum Teil nur "Schuldscheine" und wurde während dieser Zeit von ihren Eltern und ihrem Freund unterstützt. Wenn sich die Klägerin durch das Ausstellen von Schuldscheinen (in den Jahren 1984 bis 1986) vertrösten ließ und später durch die vage Hoffnung, durch eine Beteiligung am Unternehmen des Arbeitgebers würde sich eine Wendung zum Besseren ergeben, so hätte sich ein typischer Arbeitnehmer, der auf sein Entgelt angewiesen ist, nicht während so langer Zeiträume (von zweimal rund 3 Jahren während eines Arbeitsverhältnisses von rund 17 Jahren) hinhalten lassen, sondern hätte spätestens nach einigen wenigen Monaten der neuerlichen Säumnis der Entgeltzahlung ab 1. 9. 1993 seinen vorzeitigen Austritt erklärt. Ein Arbeitsverhältnis, in dem der Arbeitnehmer das völlige Vorenthalten des Entgelts in den letzten drei Jahren hingenommen hat und sich mit der überaus vagen Hoffnung auf eine Besserung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens vertrösten ließ, fällt nach dem anzustellenden Fremdvergleich nicht in den Schutzbereich des IESG (8 ObS 295/98k; zuletzt etwa 8 ObS 277/99i).

Selbst wenn man im Hinblick auf die Erfüllung der laufenden Entgeltansprüche von 1987 bis Mitte 1993 nicht entsprechend der von der beklagten Partei in ihrem Rekurs vertretenen Auffassung von einem fiktiven Austritt der Klägerin bereits im Zeitraum von 1984 bis 1986 ausgeht und sie damit bezüglich der Sicherung ihrer Ansprüche aus dem Zeitraum ab Mitte 1993 nicht schlechter stellt als bei Austritt vor dem Jahre 1987 und Begründung eines neuen Arbeitsverhältnisses bei ihrem bisherigen Arbeitgeber unter Erfüllung der laufenden Entgeltansprüche im Zeitraum 1987 bis Mitte 1993, fällt das Arbeitsverhältnis der Klägerin im Hinblick darauf, dass sie ungeachtet des offenen Entgeltrückstandes für den Zeitraum 1984 bis 1986 neuerlich die völlige Vorenthaltung des Entgeltes während der letzten drei Jahre des Arbeitsverhältnisses hingenommen hat, als atypisches, nicht auf die Erzielung von Entgelt für die Bestreitung des Lebensunterhaltes gerichtetes Arbeitsverhältnis insgesamt nicht in den Schutzbereich des IESG (8 ObS 183/98i = WBl 1999/120; 8 ObS 306/98b; 8 ObS 295/98k; 8 ObS 32/99k; 8 ObS 48/99p; zuletzt 8 ObS 69/00f).

Damit erweist sich das Klagebegehren als zur Gänze unberechtigt, sodass es der vom Berufungsgericht für erforderlich gehaltenen Verfahrensergänzung nicht mehr bedarf.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 77 Abs 1 Z 2 lit b ASGG; besondere Billigkeitsgründe für einen Kostenzuspruch ungeachtet der Abweisung des Klagebegehrens bestehen nicht.

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