Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 4.058,88 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 676,48 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Kläger war vom 26.9.1988 bis 31.10.1995 als Arbeiter bei der beklagten Partei beschäftigt; ab 8.4.1994 befand sich der Kläger im Krankenstand. Er kündigte das Arbeitsverhältnis zum 31.10.1995 wegen Zuerkennung einer Invaliditätspension.
Mit der am 22.4.1996 bei Gericht eingelangten Klage begehrte er den Zuspruch der der Höhe nach unstrittigen Urlaubsentschädigung für den Zeitraum vom 26.9.1994 bis 25.9.1995 (die zunächst noch zusätzlich begehrte Urlaubsabfindung wurde während des Verfahrens von der beklagten Partei gezahlt und demzufolge das Klagebegehren eingeschränkt).
Das Erstgericht gab dem (eingeschränkten) Klagebegehren statt. Dem Kläger gebühre für das am 26.9.1994 begonnene Urlaubsjahr 1994/95 die geforderte Urlaubsentschädigung zufolge der durch das Sozialrechtsänderungsgesetz 1995, BGBl 1995/832, bewirkten rückwirkenden Klarstellung, daß der Berechnung der Urlaubsentschädigung eines Arbeitnehmers, der zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses an der Erbringung der Dienstleistung verhindert gewesen sei und keinen Anspruch auf Entgelt habe, dennoch das ungeschmälerte Entgelt zugrundezulegen sei, das zum Beendigungszeitpunkt bei Fortfall der Dienstverhinderung zugestanden wäre.
Das Berufungsgericht gab der aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung erhobenen Berufung der beklagten Partei Folge - der weiters geltend gemachte Rechtsmittelgrund der Aktenwidrigkeit wurde durch eine nachfolgende Berichtigung eines Schreibfehlers im erstinstanzlichen Urteil gegenstandslos - und wies das Klagebegehren ab. Weiters wies es den Antrag der beklagten Partei, die Übergangsregelung des SRÄG 1995 beim Verfassungsgerichtshof wegen Verfassungswidrigkeit anzufechten, zurück und erklärte die Revision für zulässig. Eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zum zeitlichen Geltungsbereich des SRÄG 1995 sei noch nicht ergangen.
In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Berufungsgericht aus:
Systematisch voranzustellen ist zur Abgrenzung des Umfanges der Inkrafttretens - und Übergangsbestimmungen, daß es vorliegend nicht um die Frage des Urlaubsanspruches geht, also um den Anspruch, in der für den Urlaub vorgesehenen Zeit die Wiederherstellung der Arbeitskraft des Arbeitsnehmers, seine körperliche und geistige Erholung, die Aufrechterhaltung seiner Gesundheit sowie die Selbstbestimmung und Entfaltung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers (auch Weiterbildung und Lebensbereicherung) zu gewährleisten (vgl dazu Kuderna, Die durch das Sozialrechtsänderungsgesetz vorgenommenen Ergänzungen der §§ 2, 9, 10 und 19 UrlG, DRdA 1996, 467), sondern um das an die Stelle des Naturalurlaubs tretende Surrogat, die Urlaubsentschädigung (vgl etwa Schwarz-Löschnigg, Arbeitsrecht, 458).
§ 9 Abs 1 UrlG legt dies nun in der Höhe "des noch ausstehenden Urlaubsentgeltes" fest. Auch insoweit geht es nun nicht um den diesem zugrundeliegenden Urlaubsanspruch, sondern um das Urlaubsentgelt. Das Urlaubsentgelt als solches richtet sich gemäß § 6 Abs 3 UrlG bei einem regelmäßigen Entgelt - wie offenbar hier vorliegend - nach dem Entgelt, das dem Arbeitnehmer gebührt hätte, wenn der Urlaub nicht angetreten worden wäre. Abzustellen ist also auf den konkreten Zeitraum des Urlaubsverbrauches, der jedoch naturgemäß im Falle der Urlaubsentschädigung, bei der es eben zu keiner Urlaubskonsumation mehr kommen kann, nicht wie bei einem Verbrauch des Naturalurlaubs feststeht. Stellt man dabei auf Perioden ab, in denen kein Entgelt gebührt, so kann auch dann, wenn man von einem vollen Urlaubsanspruch ausgeht, demnach keine Urlaubsentschädigung gebühren, da das Urlaubsentgelt für diese Zeit eben Null ist (vgl im übrigen etwa zum Anspruch auf Urlaubsverbrauch auch bei unentgeltlich zu leistenden Arbeiten Kuderna, aaO, 464).
Für den Fall, daß ein Arbeitnehmer - wie hier - während des gesamten Urlaubsjahres - mangels anderen Vorbringens ist hier vom Arbeitsjahr auszugehen - offensichtlich unstrittig überhaupt keinen Entgeltanspruch in Zeiten hatte, in denen ein Urlaubsverbrauch möglich gewesen wäre und dann das Arbeitsverhältnis während dieser Zeit auch endet, hat nun der Oberste Gerichtshof im Ergebnis in zwei Fällen ausgesprochen, daß dann kein Anspruch auf Urlaubsentschädigung zusteht (vgl OGH 25.5.1994, 9 ObA 38/94 = DRdA 1995, 336 = RdW 1994, 405 und OGH 27.10.1994, 8 ObA 279/94 = RdW 1995, 143 = DRdA 1995, 339). Diese Judikatur wurde im Zusammenhalt mit einer weiteren Entscheidung (OGH 31.8.1994, 8 ObA 268/94 = WBl 1995, 34 = RdW 1995, 147 = DRdA 1995/19, 251) dahin verstanden, daß damit eine Aliquotierung des Urlaubsanspruches als solcher für entgeltfreie Zeitperioden einzutreten habe.
Soweit die Judikatur aber nur ausgehend von einem uneingeschränkten Urlaubsanspruch auch dahin verstanden werden kann, daß die Berechnung des Urlaubsentgeltes mangels Entgeltanspruches in den relevanten Zeiträumen eine Urlaubsentschädigung in der Höhe "Null" ergibt, konnte sie sich auch bereits auf davor liegende Literatur (vgl Kuderna, Urlaubsrecht, § 9 Rz 3) stützen und fand insoweit auch weitgehend Zustimmung in der Literatur (vgl Runggaldier, Sozialrückbau durch Rechtsprechung, DRdA 1996, 105; Kuderna, Ergänzungen des Urlaubsrechtes, aaO, 467; Goricnik, RdW 1995, 475; Pfeil, DRdA 1995, 255 ua; ablehnend, Schindler, DRdA 1995, 106 ff insbesonders 115 der sich auf die Judikatur zur Berechnung der Abfertigung stützt, jedoch nicht beachtet, daß hier eben primär kein Entgeltanspruch besteht, sondern nur während des Naturalurlaubs das Entgelt weiter zu zahlen ist). Auch allfällige ausdrückliche gegenteilige Vorentscheidungen sind, soweit überblickbar, nicht vorhanden.
Abschließend ist also festzuhalten, daß nur die Auslegung der Übergangsbestimmung der neuen Regelung zur Frage der Berechnung der Höhe des Urlaubsentgeltes bei Urlaubsentschädigungen hier maßgeblich ist.
Inhaltlich lautet die neue Bestimmung des § 9 Abs 1 letzter Satz UrlG:
"Ist zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses der Arbeitnehmer an der Dienstleistung verhindert, ohne daß der Anspruch auf das Entgelt zur Gänze fortbesteht, so ist bei Berechnung der Urlaubsentschädigung das ungeschmälerte Entgelt zugrundezulegen, das zum Beendigungszeitpunkt bei Fortfall der Dienstverhinderung zugestanden wäre".
Die Übergangsbestimmung des § 19 Abs 3 UrlG lautet wie folgt:
"§ 2 Abs 2, § 9 Abs 1 und § 10 Abs 1 dieses Bundesgesetzes in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl Nr 832/1995 treten mit 1.Dezember 1995 in Kraft und gelten ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen hat."
Auch die Stellungsnahmen zur Auslegung dieser Übergangsvorschriften in der Literatur sind äußerst kontroversiell (vgl etwa Wilhelm, Die jüngste Urlaubsnovelle und deren Rückwirkung, ecolex 1996, 6; Andexlinger, Gegenreform im Urlaubsrecht, ecolex 1996, 39; Drs, Neues aus dem Arbeits- und Sozialrecht, RdW 1996, 65; Müller, Zur Rückwirkung von Rechtsprechung und Urlaubsaliquotierung bei Krankheit, ecolex 1996, 190; Schrank, Zur Beseitigung der Urlaubsaliquotierungsjudikatur durch die UrlG-Nov - eine Replik, ecolex 1996, 290; Kuderna, Ergänzungen des Urlaubsgesetzes, aaO, 470 f; Adamovic, Die Novelle zum Urlaubsgesetz - eine Verwirrung?, RdW 1996, 118; Vonkilch, Zur Wirkung der Urlaubsgesetznovelle auf laufende und abgeschlossene Verfahren, ecolex 1996, 905).
Vorweg ist zur Auslegung des § 19 Abs 3 UrlG voranzustellen, daß es sich nach der Überschrift dieses Paragraphen um eine Bestimmung über das Inkrafttreten handelt.
Zur Frage der Anwendung der neuen Bestimmungen des Urlaubsgesetzes ist einleitend zur terminogischen Klarstellung festzuhalten, daß es sich um eine Frage des Geltungsbereiches handelt (vgl zur Unterscheidung zu Fragen der zeitlichen Geltung einer Norm - der Zugehörigkeit zur Rechtsordnung -, die mit Abschluß des letzten Rechtserzeugungsaktes anzunehmen ist, etwa Thienel, Art 49 B-VG und die Bestimmung des zeitlichen Geltungsbereiches von Bundesgesetzen, ÖJZ 1990, 161, Thienel, Was ist ein außer Kraft getretenes Gesetz, JBl 1994, 26 ff ua).
Die Frage des zeitlichen Geltungsbereiches, also die Frage, inwieweit in Geltung stehende Normen auf konkrete menschliche Verhalten in einem bestimmten Zeitraum anzuwenden sind, wird wieder unterteilt. Die Frage des zeitlichen Rechtsbedingungsbereiches ist die Frage jenes zeitlichen Bereiches, in dem sich die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllen müssen, an die dann bestimmte Rechtsfolgen geknüpft sind. Die Frage des zeitlichen Rechtsfolgenbereiches ist die Frage jenes Zeitraumes, in dem die aus einer Rechtsnorm ableitbaren Sanktionen gesetzt werden können (vgl dazu ebenfalls Thienel, aaO, ebenso aber Walter/Mayer, Grundriß des österr. Bundesverfassungsrechtes6, Rz 487 bis 492 ua).
Gerade bei komplexeren Tatbeständen kann es aber auch erforderlich sein, innerhalb des Bedingungsbereiches weitere Differenzierungen hinsichtlich des zeitlichen Geltungsbereiches vorzunehmen (vgl im Zusammenhang Thienel, FS Walter, 715 f). Wenn sich der Gesetzgeber nicht auf Inkrafttretensanordnungen beschränken will, ist es erforderlich, ein eigenes Übergangsrecht zu schaffen.
§ 19 Abs 2 UrlG stellt nun hinsichtlich der hier maßgeblichen Frage der Urlaubsentschädigung auf § 9 Abs 1 UrlG ab und sieht für diesen gemeinsam mit den neuen Bestimmungen des § 10 Abs 1 und § 2 Abs 2 UrlG, in der Fassung der Novelle, ein Inkrafttreten mit 1.12.1995 vor, ordnet aber ergänzend an, daß diese Bestimmungen ab dem Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen hat, gelten.
Konkrete Bedingungen für das Entstehen einer Urlaubsentschädigung im Sinne des § 9 Abs 1 UrlG sind einerseits ein Entstehen des Urlaubsanspruches und andererseits, daß das Arbeitsverhältnis vor Verbrauch des Urlaubes in einer bestimmten Art endet. Als Rechtsfolge ist dann der Anspruch auf Urlaubsentschädigung vorgesehen. Maßgeblich ist allerdings wohl primär, welche Art der Beendigung vorliegt, da bei bestimmten Beendigungsarten auch gar kein Surrogat für Urlaubsreste zustehen kann (vgl § 10 Abs 2 UrlG).
Beide Bereiche der Bedingungen (einerseits Entstehen des Urlaubsanspruches und andererseits Beendigung des Arbeitsverhältnisses in einer bestimmten Weise und Vorliegen eines Urlaubsrestes) liegen nun vor dem 1.12.1995. Nur hinsichtlich des einen Bedingungsbereiches, und zwar hinsichtlich des Urlaubsjahres sieht die Übergangsregelung ergänzend vor, daß sich die Bestimmungen auch auf Urlaubsjahre beziehen, die im Jahre 1994 begonnen haben. Für den Bedingungsbereich im Zusammenhang mit der Beendigung ist dies nicht angeordnet.
Daraus, daß der Gesetzgeber nicht einfach rückwirkend das Inkrafttreten mit 1.1.1994 angeordnet hat, ist zu schließen, daß es nach dem 1.1.1994 Sachverhalte geben muß, die nicht von den Regelungen erfaßt werden sollen. Dies kann jedoch im gegenständlichen Zusammenhang durchaus darin gesehen werden, daß solche Sachverhalte nicht erfaßt werden sollen, bei denen nur ein Teil des Bedingungsbereiches im Rahmen der über das Inkrafttretensdatum 1.12.1995 zurückgehenden weiteren Rückwirkungsanordnung umfaßt ist.
Konkret bedeutet dies, daß durch die Übergangsbestimmung klargestellt ist, daß eben bei Auflösungen nach dem 1.12.1995 auch für Urlaubsreste aus dem Urlaubsjahr, das im Jahre 1994 begonnen hat, die Urlaubsentschädigung unter Anwendung des § 9 Abs 1 UrlG in der Fassung der Novelle BGBl Nr 832/1995 zu berechnen ist, nicht jedoch bei Auflösungen vor dem 1.12.1995.
Diese Auslegung ergibt sich nun nicht nur aus dem Wortlaut und der Systematik des Gesetzes, sondern gibt diesem auch einen den erkennbaren Zielsetzungen entsprechenden Anwendungsbereich. Damit wird nämlich klargestellt, daß eben auch hinsichtlich dieses Urlaubsjahres bei der Berechnung des für den daraus herrührenden Urlaubsrest wohl auch bei etwa bis zu diesem Beendigungszeitpunkt dauernden Krankenständen selbst hinsichtlich dieses Urlaubsrestes das volle Entgelt im Zeitpunkt der Beendigung heranzuziehen ist. Insoweit ist also dann sowohl der Bedingungsbereich hinsichtlich der Beendigung des Arbeitsverhältnisses vor Verbrauch des Urlaubes - 1.12.1995 - als auch jener des Entstehens des Urlaubsanspruches (Urlaubsjahr, das im Jahre 1994 begonnen hat) im Rahmen dieser Bestimmung erfaßt.
Das bedeutet, daß also rückwirkend durch die Regelung des § 19 Abs 2 UrlG einerseits eine Aliquotierung des Urlaubsanspruches ausgeschlossen wurde und andererseits hinsichtlich der Beendigungsansprüche unter dem Aspekt des zeitlichen Bedingungsbereiches klargestellt wurde, daß für Urlaubsansprüche aus den rückwirkend erfaßten Zeiten bei Beendigung nach dem Inkrafttreten die gesonderten - inhaltlich neuen - Berechnungsbestimmungen des § 9 Abs 1 UrlG zur Anwendung gelangen. Dies erstreckt sich aber nicht auf die Berechnung von Beendigungsansprüchen vor dem Inkrafttreten.
Würde man die Geltung der neuen Regelung auch auf die vorliegenden Konstellationen erstrecken, so wäre nicht ersichtlich, warum nicht überhaupt ein einheitliches Inkrafttreten mit 1.1.1994 vorgesehen wurde.
Die Unterscheidung zwischen dem zeitlichen Bedingungsbereich hinsichtlich des Entstehens des Urlaubsanspruches und der Voraussetzungen im Zusammenhang mit der Beendigung lassen sich auch nicht nur aus dem unterschiedlichen Charakter des Urlaubsanspruches einerseits und des Surrogates "Urlaubsentschädigung" andererseits ableiten. Auch daraus, daß zwar grundsätzlich eine Zuordnung des Urlaubsanspruches zu einem bestimmten Urlaubsjahr vorgesehen ist (vgl dazu § 4 Abs 1 UrlG - "möglichst bis zum Ende des Urlaubsjahres ..... verbraucht werden ..."), daß im übrigen jedoch - ohne auf die näheren Voraussetzungen der Vereinbarung des Urlaubsverbrauches einzugehen - der Urlaub innerhalb der Verjährungsfrist auch in darauffolgenden Urlaubsjahren konsumiert werden kann ergibt sich, daß erst bei der tatsächlichen Beendigung sich die Art des Anspruches wandelt und die oben dargestellten Fragen der Berechnung relevant werden. Insoweit ist dieser Zeitpunkt der Auflösung auch als wesentlicher Anknüpfungspunkt anzusehen. Auf die Auflösung hat der Gesetzgeber aber in der Inkrafttretensbestimmung nicht Bezug genommen, sodaß die oben dargestellte Differenzierung vorzunehmen ist.
Daraus ergibt sich aber, daß in dem vorliegenden Fall, in dem die Auflösung noch vor dem Inkrafttreten liegt, die gegenständliche Regelung noch nicht anzuwenden ist. Im Hinblick darauf bedarf es auch keiner Auseinandersetzung mit der vielfach relevierten verfassungsrechtlichen Problematik der rückwirkenden Gesetzesänderung (vgl fast alle oben zitierten Beiträge zur Frage der Rückwirkungsbestimmung, teilweise die verfassungsrechtliche Bedenklichkeit bejahend, teilweise verneinend, jedoch zumeist ohne nähere Differenzierung hinsichtlich der verschiedenen Fallvarianten). Es ist also nicht auf Fallvarianten einzugehen, in denen ein Arbeitgeber im Vertrauen auf die Rechtslage bei einem lang erkrankten Arbeitnehmer, der plötzlich sein Arbeitsverhältnis auflösen will, statt auf einem möglicherweise unberechtigten Austritt zu beharren, etwa schon im Jahre 1994 der einvernehmlichen Auflösung zustimmte. Ob also dieser Arbeitgeber nunmehr in seinem Vertrauen auf die im gegenständlichen Zusammenhang auch weitgehend unstrittige Rechtslage im Hinblick auf die rückwirkende Entstehung von Urlaubsentschädigungsansprüchen beeinträchtigt wäre, ohne daß besondere Umstände diese Rückwirkung rechtfertigen könnten und damit eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Gleichheitsrechtes nachgewiesen wäre (vgl in diesem Zusammenhang etwa VfSlg 13.020/92), kann dahingestellt bleiben.
Gegen dieses Berufungsurteil richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben. Die beklagte Partei beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision des Klägers nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grunde zulässig, sie ist aber nicht berechtigt.
Der Kläger führt in seinem Rechtsmittel aus, der Gesetzgeber habe durch die Rückwirkung für das Urlaubsjahr, das im Jahr 1994 begonnen habe, der sogenannten "Verkürzungsjudikatur" die Grundlage entzogen und im Sinne der früheren Rechtsprechung die Rechtslage klarstellen wollen. Die Geltung der Novelle mit 1.12.1995 solle im Sinne einer authentischen Auslegung durch den Gesetzgeber bewirken, daß die neue Auslegung des Gesetzes erstmals für Urlaubsjahre, die nach dem 1.1.1994 begonnen, angeordnet werde. Ab dem 1.12.1995 würden Entscheidungen über Ansprüche von der neuen Norm erfaßt, die nach der alten, vor dem 1.12.1995 geltenden Rechtslage ausgeschlossen seien. Die Anordnung der Rückwirkung bedeute, daß von der kundgemachten Regelung alle einschlägigen Sachverhalte erfaßt werden, die sich ab dem 1.1.1995 ereignet hätten. Gegen die Rückwirkung bestünden auch keine verfassungsrechtliche Bedenken, zumal ein Eingriff in die Vertrauensposition des Arbeitgebers durch die vielfach kritisierte Rechtsprechung zu den entgeltfortzahlungsfreien Perioden nicht bewirkt werde.
Die rechtliche Beurteilung des Berufungsgerichtes, die inzwischen in ecolex 1997, 252 (leicht gekürzt) veröffentlicht wurde, ist umfassend und zutreffend, sodaß grundsätzlich auf die zuvor wiedergegebenen Rechtsausführungen verwiesen werden kann.
Zusätzlich ist auf den Einwand einzugehen, bei § 9 Abs 1 UrlG idF der Novelle BGBl 1995/832 handle es sich um eine authentische Interpretation (Vonkilch, Zur "Rückwirkung" der Urlaubsgesetznovelle auf Urlaubsentschädigungen bei Dienstverhältnissen, die vor dem 1.12.1995 aufgelöst wurden, RdW 1997, 406).
Einer verfassungskonformen Auslegung (dazu JBl 1995, 319 mwN) gebührt der Vorzug, wenn zwei oder mehrere Auslegungsvarianten denkmöglich sind. Es ist nämlich davon auszugehen, daß der einfache Gesetzgeber bemüht ist, Verfassungswidrigkeiten in einfachen Gesetzen zu vermeiden. Die Rückwirkung von Gesetzen wird weder durch Art 49 Abs 1 B-VG, noch durch § 5 ABGB für unzulässig erklärt, sie steht aber in einem besonderen Spannungsverhältnis zur Rechtssicherheit und bedarf einer besonderen, den Eingriff in das Vertrauen in die (bestehende) Rechtslage begründenden sachlichen Rechtfertigung, ansonsten sie gegen den Gleichheitsgrundsatz verstieße (vgl VfSlg 12.241, 12.639, 12.688). Eine weniger weitreichende Rückwirkung ist daher eher geeignet, verfassungsrechtliche Bedenken zu vermeiden.
Die von Vonkilch (aaO) geforderte wertende intertemporale Kollisionsentscheidung ist vom Berufungsgericht überzeugend vorgenommen worden. Eine authentische Auslegung (dazu Schwimman/Posch, ABGB I2, Rz 2 f zu § 8) des Urlaubsgesetzes durch das SRÄG 1995 ist schon deshalb nicht anzunehmen, weil der Gesetzgeber eine ausdrückliche Stellungsnahme zur geänderten Rechtsprechung und ihrer Richtigkeit vermieden hat. In der Entscheidung vom 14.3.1996, 8 ObA 215/96 (DRdA 1997/21, 204 [krit. B. Trost]) wird die vom Revisionswerber als "Verkürzungsjudikatur" kritisierte Rechtsprechung überwiegend bestätigt, dies unter der Voraussetzung, daß auch zu Beginn des letzten Urlaubsjahres kein Entgeltanspruch mehr bestand (anders 8 ObA 268/94).
Das Urlaubsjahr des Klägers begann zufolge des Beginns seines Arbeitsverhältnisses am 26.9.1988 jeweils am 26.9. eines folgenden Jahres. Für das am 26.9.1995 beginnende und durch Arbeitnehmerkündigung zum 31.10.1995 beendete Urlaubsjahr hat der Kläger eine Urlaubsabfindung erhalten (Einschränkung des Klagebegehrens AS 17), sodaß der Streitgegenstand nur mehr die Urlaubsentschädigung für das Urlaubsjahr 26.9.1994 bis 25.9.1995 umfaßt. Der Kläger befand sich seit 8.4.1994 ununterbrochen im Krankenstand. Bei Berücksichtigung des gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruches gemäß § 2 Abs 1 EFZG von 6 Wochen (bei einer Dauer des Arbeitsverhältnisses von mehr als fünf Jahren) kann im Hinblick auf die Dauer des Krankenstandes im Urlaubsjahr 26.9.1993 bis 25.9.1994 von 5 Monaten und 18 Tagen (rund 23 Wochen) davon ausgegangen werden, daß der Kläger zu Beginn des Urlaubsjahres 26.9.1994 bis 25.9.1995 keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung mehr hatte. Im Falle der Entscheidung 8 ObA 215/96 wurde auf das Bestehen eines Entgeltanspruches zu Beginn des jeweiligen Urlaubsjahres als dem für das Entstehen des Urlaubsanspruches im zweiten und im folgenden Urlaubsjahr maßgeblichen Zeitpunkt abgestellt und damit die vermeintliche "Urlaubsaliquotierung" abgelehnt (insoweit zust B.Trost, DRdA 1997, 205).
Hätte das SRÄG 1995 wirklich (nur) eine authentische Interpretation bzw Richtigstellung des schon stets als richtig angesehenen Rechts bewirken wollen, dann müßte eine Rückwirkung ohne zeitliche Schranke eintreten und wäre eine Übergangsregelung schlechthin entbehrlich, denn die Anwendung des als richtig verstandenen Rechts darf nicht von zeitlichen Zufälligkeiten abhängig gemacht werden. Es wäre auch vorstellbar, daß zum Zeitpunkt des Inkrafttretens des SRÄG 1995 am 1.12.1995 noch Urlaubsansprüche, die im Urlaubsjahr, das im Jahr 1993 (und davor) begonnen hat, offen sein könnten (zB bei lang anhängigen Verfahren infolge Unterbrechung dieser Verfahren gemäß den §§ 155 Abs 1, 159 und 190 ZPO; § 7 KO ua). In diesen Fällen ist kein sachlicher Grund ersichtlich, weshalb bei Ansprüchen aus einem Urlaubsjahr, das im Jahr 1993 (und davor) begonnen hat, die als richtig angesehene Rechtsfolge (noch) nicht eintreten sollte. Gegen die weitergehende Rückwirkung des SRÄG 1995 spricht auch das Argument der Sachgerechtigkeit im Sinne einer leicht zu handhabenden, praktikablen Regelung. Eine solche, die für Kollektivverträge postuliert wird (Arb 10.480; Arb 11.231; DRdA 1994/18, 244), muß auch vom Gesetz erwartet werden. Es ist nicht ohne zwingenden Grund anzunehmen, daß sämtliche vor dem Inkrafttreten des SRÄG 1995 am 1.12.1995 beendeten Arbeitsverhältnisse einer neuerlichen "Endabrechnung" unterzogen werden sollten, wodurch die als abschließend angesehenen Zahlungen nachträglich den Charakter von Abschlagszahlungen (im Sinne eines auf den neuen gesetzlichen Anspruch bloß anzurechnenden Vorschusses) erhielten. Auch dieser pragmatische Gesichtspunkt im Zusammenhalt mit den zuvor aufgezeigten Erwägungen gibt den Ausschlag dafür, daß der erkennende Senat der vom Berufungsgericht vertretenen "beschränkten" Rückwirkung beipflichtet, wodurch auch die mit einer weitergehenden Rückwirkung verbundenen verfassungsrechtlichen Bedenken vermieden werden.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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