European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2023:008OBA00060.23S.1117.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Fachgebiet: Arbeitsrecht
Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 2.644,98 EUR (darin enthalten 440,83 EUR an Umsatzsteuer) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung:
[1] Der Kläger war von Mai 2004 bis Dezember 2019 als Prüfer am Rechnungshof des Bundes tätig. Er ist seit 2. 1. 2020 beim beklagten Land in einem privatrechtlichen Dienstverhältnis vollzeitbeschäftigt, an dessen Rechnungshof er nunmehr als Prüfer arbeitet. Auf sein Dienstverhältnis finden neben dem Dienstvertrag vom 21. 1. 2020 aufgrund von Art 65 Stmk Landes-Verfassungsgesetz 2010 (L‑VG, LGBl 2010/77) die Bestimmungen des Gesetzes über das Dienst‑ und Besoldungsrecht der Bediensteten des Landes Steiermark (Stmk L‑DBR, LGBl 2003/29 idgF) Anwendung.
[2] In Anwendung des § 155 Abs 1 Stmk L‑DBR („Der Vorrückungsstichtag ist dadurch zu ermitteln, dass Zeiten 1. nach dem 30. Juni des Jahres, in dem nach der Aufnahme in die erste Schulstufe neun Schuljahre absolviert worden sind oder worden wären, im Ausmaß von bis zu drei Jahren zur Gänze und darüber hinaus 2. bis zu höchstens 10 Jahre zu 60 % dem Tag der Anstellung vorangestellt werden.“) wurden dem Kläger vom beklagten Land (nach Z 1 leg cit) drei Schul‑/Ausbildungsjahre zur Gänze und (nach Z 2 leg cit) sechs volle Jahre als Vordienstzeiten beim Rechnungshof des Bundes angerechnet. Im Verfahren ist unstrittig, dass diese Anrechnung ausgehend von der Gültigkeit des § 155 Abs 1 Z 2 Stmk L‑DBR korrekt ist, strittig ist aber, ob – wie vom Kläger vertreten – die in § 155 Abs 1 Z 2 Stmk L‑DBR enthaltene Limitierung wegen Inländerdiskriminierung gleichheits‑ und die Bestimmung damit verfassungswidrig ist.
[3] Die Vorinstanzen wiesen die vom Kläger mit der Notwendigkeit einer Anrechnung von weiteren neun Jahren und acht Monaten an Vordienstzeiten bei Berechnung des Vorrückungsstichtags begründete Zahlungs‑ und Feststellungsklage ab. Sie begründeten dies im Wesentlichen damit, dass Art 21 Abs 4 B‑VG gegenüber den den Gleichheitsgrundsatz statuierenden Verfassungsbestimmungen lex specialis sei und der VfGH bereits mehrfach ausgesprochen habe, dass folglich ein Vergleich innerstaatlicher Sachverhalte mit unionsrechtlichen Sachverhalten unter dem Gesichtspunkt des Gleichheitsgrundsatzes nicht in Betracht komme. Das Berufungsgericht ließ jedoch die Revision zu, weil seines Erachtens der Frage, ob von einer Verfassungsmäßigkeit der Anrechnungsbeschränkung in § 155 Abs 1 Stmk L‑DBR im Hinblick auf Art 21 Abs 4 B‑VG ausgegangen werden könne, eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukomme.
Rechtliche Beurteilung
[4] Die gegen das Berufungsurteil gerichtete Revision des Klägers ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden (§ 508a Abs 1 ZPO) – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.
[5] Der erkennende Senat hat bereits – unter Zugrundelegung der Rechtsprechung der beiden Gerichtshöfe öffentlichen Rechts – ausgeführt, dass Art 21 Abs 4 Satz 2 B‑VG den zuständigen (Bundes‑ oder Landes‑)Gesetzgeber nicht verpflichtet, bei in den öffentlichen Dienst eintretenden Personen eine Anrechnung von Dienstzeiten vorzusehen, dass, wenn er dies aber tut, es unzulässig ist, dabei danach zu differenzieren, ob die Dienstzeiten beim Bund, bei einem Land, bei einer Gemeinde oder bei einem Gemeindeverband zurückgelegt worden sind, und dass es vor dem Hintergrund des Art 21 Abs 4 B‑VG daher auch unbedenklich wäre, dass der zuständige Gesetzgeber gar keine Anrechnung vorsieht (8 ObA 71/19b [Pkt 4.3.] mwN). Dem zuständigen Gesetzgeber steht es folglich auch frei, bei Eintritt in den öffentlichen Dienst zwar eine Anrechnung von Vordienstzeiten vorzusehen, diese aber zu limitieren, solange er dabei nicht eine nach Art 21 Abs 4 Satz 2 B‑VG verbotene Differenzierung vornimmt. Eine solche Differenzierung enthält § 155 Abs 1 Stmk L‑DBR nicht. Anders als § 41 Abs 12 Kärntner Landesvertragsbedienstetengesetz 1994 (K‑LVBG 1994), LGBl 73/1994 idF LGBl 81/2021, differenziert die Bestimmung des § 155 Abs 1 Stmk L‑DBR für die Ermittlung des Vorrückungsstichtags auch nicht zwischen Zeiten innerhalb und außerhalb Österreichs, weshalb sie – anders als die genannte Kärntner Vorschrift (dazu 8 ObA 82/22z) – auch insofern keinen Anlass für verfassungsrechtliche Bedenken bietet (vgl nurmehr auch VfGH G 192/2023).
[6] Der VfGH vertritt bei der Anrechnung von Vordienstzeiten die Ansicht, dass selbst unter der Annahme dessen, dass bei einem Sachverhalt mit Unionsrechtsbezug eine nationale Anrechnungsbestimmung wegen des Anwendungsvorranges des Unionsrechts nicht zur Anwendung käme und sie damit nur Inlandssachverhalte betrifft, kein Verstoß dieser Bestimmung gegen Art 7 B‑VG bzw Art 2 StGG vorliegen kann, weil zu ihnen Art 21 Abs 4 B‑VG lex specialis ist (VfGH G 17/2022 [Pkt IV.2.5.3.] mwH; G 59/2022 [Pkt IV.1.]). Vor diesem Hintergrund bestehen – wie von den Vorinstanzen zutreffend erkannt – die vom Kläger mit „Inländerdiskriminierung“ begründeten Bedenken (auch) gegen § 155 Abs 1 Z 2 Stmk L‑DBR nicht, weshalb aber die Frage der Verfassungswidrigkeit die Revision nicht zulässig machen kann.
[7] Es wäre dem Kläger im Übrigen freigestanden, anlässlich seines Rechtsmittels gegen das Ersturteil nach Art 140 Abs 1 Z 1 lit d B‑VG seine – weder von den Vorinstanzen noch vom Obersten Gerichtshof geteilten – Bedenken gegen § 155 Abs 1 Z 2 Stmk L‑DBR an den VfGH heranzutragen, was er jedoch unterließ.
[8] Dass er sich, weil er nur Vordienstzeiten im Inland aufweist, nicht direkt auf das Unionsrecht stützen kann, gesteht der Kläger in seiner Revision selbst zu.
[9] Für die der Hoheitsverwaltung zuzurechnende Tätigkeit am Stmk Landesrechnungshof besteht ein Inländervorbehalt (Art 47 Stmk L‑VG iVm § 9 Abs 1 Z 1 lit a Stmk L‑DBR). Der Frage, ob damit nicht bereits wegen Art 45 Abs 4 AEUV hier keine Arbeitnehmerfreizügigkeit bestehen kann (zum Begriff der „öffentlichen Verwaltung“ zB Windisch‑Graetz in Jaeger/Stöger, EUV/AEUV [2019] Art 45 AEUV Rz 122 und 124 mwH) und damit der vom Kläger angestrebte, von der Arbeitnehmerfreizügigkeit ausgehende Vergleich innerstaatlicher Sachverhalte mit unionsrechtlichen Sachverhalten von vornherein ausscheidet, kommt keine Entscheidungsrelevanz mehr zu.
[10] Insgesamt bieten die Ausführungen der Revision keine Grundlage für weitere Bedenken.
[11] Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0112296).
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