Spruch:
Die Revision wird gemäß § 2 ASGG, § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).
Text
Begründung
Die Klägerin, Vertragsbedienstete eines Bundeslandes in der Position einer Referatsleiterin, wurde am 7. 12. 2012 entlassen. Grund für die fristlose Beendigung des Dienstverhältnisses war, dass die Klägerin über einen längeren Zeitraum hindurch entgegen konkret bestehenden Weisungen und amtsinternen Vollmachten, die ein Vieraugen‑Prinzip vorgaben, Unterschriften eines Mitarbeiters auf Originaldokumenten kopiert und Protokolle über Finanzbeiratssitzungen, die vom Bundesrechnungshof im Zuge einer Sonderprüfung angefordert wurden, zwecks Verschleierung allenfalls das Land belastender Fakten nachträglich verändert hatte.
Bereits ab Sommer 2012 waren gegen die Klägerin schwerwiegende Vorwürfe wegen weisungswidriger Geschäftsabschlüsse erhoben worden, infolgedessen wurde ihr am 17. 7. 2012 ein Teil der bisherigen Entscheidungskompetenzen entzogen.
Von den für die Entlassung maßgeblichen Urkundenmanipulationen hatten aber bis 5. 12. 2012 weder der vorgesetzte Abteilungsleiter der Klägerin, noch der Leiter der Personalabteilung, der oberste Dienstvorgesetzte, noch die politisch Ressortverantwortlichen Kenntnis.
Das Erstgericht wies die auf Feststellung des aufrechten Vertragsbedienstetenverhältnisses gerichtete Klage ab. Es beurteilte die innerhalb von zwei Tagen ab Information der zuständigen Personalverantwortlichen ausgesprochene Entlassung sowohl als rechtzeitig, weil bei einer juristischen Person des öffentlichen Bereichs eine etwas langwierigere Willensbildung vorgegeben sei, als auch als berechtigt, da die Klägerin das Vertrauen des Dienstgebers verwirkt habe (§ 69 Abs 2 Z 2 Sbg L‑VBG).
Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass die ordentliche Revision wegen lediglich einzelfallbezogener Rechtsfragen nicht zulässig sei. Inhaltlich billigte es die Entscheidung des Erstgerichts sowohl hinsichtlich der Beurteilung der Rechtzeitigkeit des Entlassungsausspruchs als auch des Entlassungsgrundes. Bei Bediensteten mit größerer Vertrauensstellung sei generell ein strengerer Maßstab hinsichtlich der Vertrauenswürdigkeit anzulegen als bei Dienstnehmern mit untergeordneter Tätigkeit.
Sowohl das mehrfach wiederholte Fingieren einer zweiten Unterschrift auf Vertragsurkunden, um bei weisungswidrigen Geschäftsabschlüssen das Vieraugen‑Prinzip zu umgehen, als auch die eigenmächtige Manipulation von Unterlagen zur Weitergabe an den Rechnungshof seien je für sich besonders schwere Dienstverfehlungen, die dem Dienstgeber eine Weiterbeschäftigung unzumutbar machten.
Das von der Klägerin in ihrer außerordentlichen Revision erstattete Vorbringen lässt sich dahin zusammenfassen, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage fehle, ob dem öffentlich-rechtlichen Dienstgeber das Wissen eines Abteilungsleiters über einen Entlassungsgrund (hier: die Veränderung der Finanzbeiratsprotokolle) zurechenbar sei, und ob das Zusammenkürzen von Protokollen überhaupt geeignet sei, eine Dienstpflichtverletzung zu begründen. Die Klägerin habe sich durch ihre Eigenmächtigkeiten zudem nicht persönlich bereichert. Bei der Entlassung von Vertragsbediensteten dürfe kein strengerer Maßstab angelegt werden als bei der Entlassung von Beamten.
Rechtliche Beurteilung
Mit diesem Vorbringen wird keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dargestellt.
1. Ob eine Entlassung rechtzeitig oder verspätet vorgenommen wurde, lässt sich nur nach den Umständen des einzelnen Falls beurteilen. Der Grundsatz, dass Entlassungsgründe unverzüglich geltend zu machen sind, darf nicht überspannt werden (RIS‑Justiz RS0031587). Verzögerungen im Ausspruch der Kündigung von Vertragsbediensteten können insoweit anerkannt werden, als sie in der Sachlage, also in der Natur des Dienstverhältnisses oder sonst in den besonderen Umständen des Falls sachlich begründet sind (RIS‑Justiz RS0029273). Von Fällen krasser Fehlbeurteilung durch die zweite Instanz abgesehen kommt der Beurteilung der Rechtzeitigkeit einer Entlassungserklärung keine über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung zu (RIS‑Justiz RS0031571 [T9]).
Die Revisionsbehauptung, die Veränderung der Finanzbeiratsprotokolle durch die Klägerin sei mit Kenntnis und Genehmigung des vorgesetzten Abteilungsleiters erfolgt, steht mit den Feststellungen der Tatsacheninstanzen nicht im Einklang. Ein Wegsehen des Vorgesetzten kann noch nicht der positiven Kenntnis und noch weniger der ausdrücklichen Genehmigung von konkreten Manipulationen gleichgesetzt werden.
Im Übrigen bedarf die Rechtsansicht des Berufungsgerichts, die Verspätung der Entlassung könne nicht erfolgreich damit begründet werden, dass der unmittelbare Vorgesetzte des Entlassenen deswegen schon früher vom Entlassungsgrund Kenntnis hatte, weil er das Verhalten pflichtwidrig gebilligt bzw gedeckt hat, keiner Korrektur.
2. Soweit die Revision die Manipulation der Protokolle durch die Klägerin als unbedenkliche Herstellung üblicher Resümeeprotokolle darzustellen versucht, entfernt sie sich vom festgestellten Sachverhalt, der im Revisionsverfahren keiner Überprüfung mehr unterliegt.
3. Letztlich kommt es darauf auch nicht an, weil allein schon die Verfälschung von Urkunden durch das Einkopieren der Unterschrift des zweiten Zeichnungsberechtigten vom Berufungsgericht ohne im Einzelfall nach § 502 Abs 1 ZPO aufzugreifenden Rechtsirrtum als Entlassungsgrund gewertet wurde.
Die Revisionsausführungen gehen auch in der Bewertung dieses Entlassungsgrundes von einem bloßen Wunschsachverhalt aus und entfernen sich von den bindenden Feststellungen, nach welchen keinerlei Einverständnis des betroffenen Mitarbeiters vorlag und das Motiv für die zahlreichen Manipulationen nicht nur in organisatorischen Notwendigkeiten, sondern in der Verschleierung weisungswidriger Geschäftsabschlüsse lag.
4. Es wäre für die Entscheidung weiters ohne Relevanz, ob die Unterschriftenmanipulationen, wären sie von einem Beamten gesetzt worden, nach dem Dienstrecht der Landesbeamten ebenfalls eine Entlassung rechtfertigen würden. Auf die diesbezügliche Rechtsauffassung der Klägerin ist schon deswegen inhaltlich nicht einzugehen, weil eine unterschiedliche Gestaltung des Dienstrechts der privatrechtlichen und der öffentlich-rechtlichen Bediensteten der Länder nicht dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht (VfGH G 134/92 VfSlg 13.558).
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