European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:008OBA00053.22K.0830.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Begründung:
Rechtliche Beurteilung
[1] 1. Der Oberste Gerichtshof ist nicht Tatsacheninstanz. Eine mangelhafte und unzureichende Beweiswürdigung kann im Revisionsverfahren nicht angefochten werden. Nur wenn sich das Berufungsgericht mit der Beweisfrage überhaupt nicht befasst, ist sein Verfahren mangelhaft (RIS‑Justiz RS0043371). Das Berufungsgericht muss sich aber nicht mit jedem einzelnen Beweisergebnis und jedem Argument des Berufungswerbers auseinandersetzen. Auch eine knapp gehaltene Begründung, die noch erkennen lässt, dass eine Prüfung stattgefunden hat, genügt (RS0043371 [T4, T18]). Diese Rechtsmittelbeschränkung kann auch nicht dadurch umgangen werden, dass ein unerwünschtes Ergebnis der Behandlung der Beweisrüge als Mangel des Berufungsverfahrens releviert wird. Vom Revisionsgericht ist nicht zu prüfen, ob eine vom Berufungsgericht gezogene Schlussfolgerung richtig oder fehlerhaft ist (RS0043150 [T5]).
[2] Das Berufungsgericht hat sich entgegen der Revision mit der ca 200‑seitigen Beweisrüge des Klägers auseinandergesetzt. Auch wenn es dabei nicht auf jedes einzelne Argument des Klägers eingegangen ist, hat es jeweils dargelegt, aus welchen Gründen es die Ausführungen des Erstgerichts als überzeugend erachtete und dabei auch auf konkrete Beweisergebnisse verwiesen. Einzelne Feststellungen wurden als rechtlich nicht relevant nicht übernommen. Weder kann daher davon gesprochen werden, dass sich das Berufungsgericht nicht mit der Beweisrüge befasst hat, noch dass nur eine Scheinbegründung vorliegt. Eine vom Obersten Gerichtshof aufzugreifende Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wird daher nicht aufgezeigt. Eine inhaltliche Überprüfung der Richtigkeit der Ausführungen des Berufungsgerichts hat – wie dargelegt – nicht zu erfolgen.
[3] 2. Die Beurteilung, ob im Einzelfall ein Kündigungs- oder Entlassungsgrund verwirklicht wurde, stellt regelmäßig keine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO dar (vgl etwa RS0106298 [insb T13, T14]).
[4] 3. Nach § 22 Abs 2 lit a des Kollektivvertrags für ArbeitnehmerInnen der Universitäten kann ein Arbeitnehmer, der erweiterten Kündigungsschutz nach Abs 1 leg cit genießt, gekündigt werden, wenn er seine arbeitsvertraglichen Pflichten gröblich verletzt, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt. Nach § 22 Abs 2 lit f des KV kann ein Arbeitnehmer gekündigt werden, wenn sich erweist, dass das Verhalten des Arbeitnehmers den dienstlichen Interessen der Universität abträglich ist, sofern nicht die Entlassung in Frage kommt.
[5] Richtig ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass diese Kündigungstatbestände im Wesentlichen denen des § 32 Abs 2 Z 1 und Z 6 VBG 1948 entsprechen und daher zur Auslegung auf die zu diesen Bestimmungen ergangene Judikatur zurückgegriffen werden kann. Demnach kann eine gröbliche Verletzung von Dienstpflichten dann den Kündigungsgrund verwirklichen, wenn das beanstandete Verhalten des Dienstnehmers diesem vorwerfbar ist (vgl RS0114667) und über bloße Ordnungswidrigkeiten hinausgeht (RS0105940). Je bedeutsamer die Pflicht anzusehen ist, die vom Vertragsbediensteten verletzt wurde, desto weniger häufig muss die Verletzung erfolgt sein. Umgekehrt werden kleinere Dienstpflichtverletzungen das Gewicht einer gröblichen Dienstpflichtverletzung entweder nicht oder nur bei besonders beharrlicher Verletzung erreichen können (RS0105940 [T4]).
[6] 4. Das Berufungsgericht hat diese Kündigungstatbestände als erfüllt angesehen, weil der Kläger nach seiner Abberufung als Institutsvorstand zahlreiche Dienstpflichtverletzungen zu verantworten habe, die jedenfalls in ihrer Gesamtheit eine gröbliche Dienstpflichtverletzung darstellen, bzw Verhaltensweisen an den Tag gelegt, die in ihrer Gesamtheit unter Anlegung eines objektiven Maßstabs nach der Verkehrsauffassung mit dem Ansehen und den Interessen des Dienstes unvereinbar sind. Diese Beurteilung hält sich im Rahmen des gesetzlich eingeräumten Ermessensspielraums.
[7] 5. Soweit die Revision darauf verweist, dass vom Kläger in dieser Zeit keine Leitungstätigkeit ausgeübt wurde und von ihm keine Eigeninitiative gefordert worden sei, weshalb keine Dienstpflichtverletzung vorliege, übergeht sie, dass von Anfang an nur ein vorübergehender Entzug der Leitungsfunktion geplant war. Hintergrund war, dass unter anderem aufgrund gehäufter massiver Beschwerden der Eindruck entstanden war, dass der Kläger administrativ und persönlich überfordert war und im Hinblick auf bevorstehende Änderungen ein erheblicher Mehraufwand in der Organisation der Lehre erwartet wurde, dessen Bewältigung man dem Kläger offenbar nicht zutraute. Dem Kläger sollte damit Zeit gegeben werden, sich auch gegenüber seinen eigenen Mitarbeitern neu zu positionieren, die wissenschaftliche Tätigkeit neu zu ordnen sowie den Forschungsbetrieb wieder zu beleben. Ein eigeninitiatives Angehen der bestehenden Institutsprobleme durch den Kläger war daher gerade der Zweck der Enthebung von der Leitungsfunktion.
[8] Obwohl der Kläger vordergründig zu einer Zusammenarbeit mit den interimistischen Institutsleitern bereit war, hat er in der Folge weder einen aktiven Beitrag zu einer Verbesserung der Situation des Instituts und der persönlichen Beziehungen zu den Mitarbeitern geleistet, noch die Leitung in den administrativen Aufgaben unterstützt, obwohl dafür teilweise seine Fachkenntnisse erforderlich gewesen wären, noch sich sonst in irgendeiner Weise effektiv um die Behebung der Institutsprobleme bemüht. Nicht richtig ist auch, wenn die Revision vermeint, dass der Kläger an der Anlageninventur mitgearbeitet hat. Nach anfänglicher Verweigerung jeglicher Unterstützung hat er sich zwar doch auf ausdrückliche Aufforderung zu einer Mithilfe bereit erklärt, diese Bereitschaft durch ein darauffolgendes Mail aber sofort wieder konterkariert.
[9] Tatsächlich hat sich der Kläger im Wesentlichen neben einer Minimalerfüllung seiner Aufgaben darauf beschränkt, die interimistischen Institutsleiter zu kritisieren und ihnen die zumeist während seiner Leitung entstandenen Mängel bzw deren nicht sofortige Behebung zur Last zur legen. Dass das Schreiben ./9 keine konstruktive Kritik darstellt, sondern eine polemische Abrechnung mit der interimistischen Leitung, ist nach dem Inhalt der Urkunde (etwa mehrfach „handeln federführend gegen die Interessen des Instituts“) nicht zweifelhaft.
[10] Zuletzt hat der Kläger den notwendigen Beitrag für die Behebung der Laborschließung, die nicht zuletzt auf die von ihm verfasste Rüge sicherheitstechnischer Mängel zurückging, verweigert, indem er auch dabei zwar vorgab mitzuarbeiten, sich tatsächlich jedoch weder hinreichend um eine Erhebung des Istzustands noch um eine Darstellung der erforderlichen Maßnahmen zur Wiedereröffnung bemühte, obwohl er ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die zu diesem Zeitpunkt fachfremde interimistische Institutsleitung ohne sein Mitwirken eine zügige Wiedereröffnung der Labore nicht würde bewerkstelligen können. Dass der „Maßnahmenkatalog“ ./XX entgegen der Darstellung in der Revision keine auch nur ansatzweise taugliche Grundlage für eine Überprüfung und Behebung von konkreten Sicherheitsmängeln in den Laboren darstellt (etwa: Maßnahmen; „Behebung der dokumentierten Mängel in Raum T433, Begehung, Abnahme, Freigabe, Umsetzung“; verantwortliche Stelle: „Institutsleitung, Arbeitnehmerschutz und Sicherheit“; durch „Laborant, Techniker, Assistenten“; „Behebung der dokumentierten Mängel in Raum T435, Begehung, Abnahme, Freigabe, Umsetzung“ ...) ist dabei offenkundig. Dem Kläger musste auch bewusst sein, dass eine Fortdauer der Laborschließung geeignet war, den Lehr- und Forschungsbetrieb des Instituts nachhaltig zu beeinträchtigen. Dessen ungeachtet stellte er sich sogar noch in einem persönlichen Gespräch mit diesen Problemen konfrontiert auf den Standpunkt, dass der Katalog ausreichend und eine Konkretisierung nicht möglich sei.
[11] Gegen die Annahme, dass dieses Verhalten des Klägers in einer Gesamtschau eine gröbliche Verletzung von Dienstpflichten darstellt, bestehen keine Bedenken.
[12] 6. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf diese Zurückweisung nicht (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).
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