European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:008OBA00033.18P.0719.000
Spruch:
Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO iVm § 2 Abs 1 ASGG).
Begründung:
1.1 Die Klägerin rügt, das Berufungsgericht habe zu Unrecht unter Annahme einer Verletzung des Neuerungsverbots ihr Vorbringen außer Acht gelassen, dass ihr Dienstverhältnis zur Beklagten wegen Dissenses nicht einvernehmlich zum 31. 3. 2017 aufgelöst worden sei.
Rechtliche Beurteilung
1.2 Die unrichtige Wiedergabe, unzutreffende Auslegung oder gänzliche Übergehung von Tatsachenbehauptungen oder sonstigem Parteivorbringen im Urteil des Berufungsgerichts kann einen wesentlichen Verfahrensmangel oder eine unrichtige rechtliche Beurteilung (RIS‑Justiz RS0041814 [T8]), jedoch entgegen der Meinung der Klägerin keine Nichtigkeit nach § 477 Abs 1 Z 4 ZPO begründen (3 Ob 280/06g).
Ein Verfahrensfehler des Berufungsgerichts liegt nicht vor, weil sich die Klägerin in erster Instanz tatsächlich ausschließlich auf die Unwirksamkeit der Auflösungsvereinbarung nach § 104a Abs 1 ArbVG sowie darauf gestützt hat, von der Beklagten über die wirtschaftlichen Auswirkungen der Vereinbarung in die Irre geführt worden zu sein. Hingegen hat die Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren nicht geltend gemacht, dass diese Vereinbarung mangels Konsenses gar nicht erst zustande gekommen sei.
1.3 Allerdings bringt die Klägerin mit der Behauptung, sie sei davon ausgegangen, als Abfertigung das Nettogehalt bis zu ihrem Pensionsantritt zu bekommen, angesichts des festgestellten Sachverhalts ohnehin keinen Dissens zur Darstellung.
Dissens liegt nach ständiger Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0014701) nur vor, wenn
- die Vereinbarung wegen des Offenbleibens von Hauptpunkten des Vertrags unvollständig ist,
- wegen der (äußerlichen) Unvereinbarkeit von Antrag und Annahme eine Diskrepanz der Erklärungen besteht, oder
- das Vereinbarte trotz (äußerlicher) Übereinstimmung zwischen Antrag und Annahme mehrdeutig ist und von den Parteien jeweils anders ausgelegt wird (4 Ob 96/13s).
Kommt die (angeblich) abweichende Auffassung des Annehmenden nicht zum Ausdruck, dann liegen übereinstimmende Erklärungen vor. Das Missverständnis bewirkt nicht, dass der Antrag unter anderen Bestimmungen angenommen worden ist; es liegt also kein Dissensfall vor (4 Ob 248/97t; zur Abgrenzung von Irrtum und Dissens vgl auch Rummel in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 871 Rz 10). Weicht der wahre Wille eines Partners vom objektiven Erklärungswert ab und stimmt der Wille insoweit nicht mit dem Vertragsinhalt überein, ist dieser Vertragsteil auf eine Anfechtung des Vertrags gemäß den Regeln der §§ 870 ff ABGB verwiesen ( Pletzer in Kletečka/Schauer , ABGB-ON 1.02 § 869 Rz 4).
Nach den Feststellungen bot die Beklagte der Klägerin hier eine „Abfertigung für einen Zeitraum bis zum Pensionsantritt der Klägerin“ an, nachdem die Klägerin erklärt hatte, dass dann, „wenn sie dieses Geld gerechnet bis zu ihrem Pensionsantritt [am 1. 12. 2022] bekommen würde, das für sie ok wäre“. Daraufhin unterfertigte die Klägerin am 2. 12. 2016 die schriftliche Auflösungsvereinbarung, die eine „freiwillige Abfertigung“ von brutto 233.766 EUR [ds 81 Bruttomonatsgehälter ausgehend vom zuletzt bezogenen Bruttomonatsgehalt der Klägerin von 2.886 EUR] beinhaltete.
Von einer objektiven Mehrdeutigkeit bei gleichzeitiger Nichtübereinstimmung des Gewollten hinsichtlich der von der Beklagten zu zahlenden Abfertigung kann daher keine Rede sein.
2.1 Auch wenn die Klägerin anlässlich der Unterfertigung der Auflösungsvereinbarung der Fehlvorstellung unterlegen sein sollte, die darin genannte Bruttoabfertigung würde ihren Nettoentgeltausfall bis zur (angenommenen) Pensionierung kompensieren, haben die Vorinstanzen in vertretbarer Weise die Voraussetzungen einer Irrtumsanfechtung verneint.
Eine nach § 871 ABGB zur Beachtlichkeit führende Veranlassung liegt nur vor, wenn das Verhalten der Gegenseite für den Irrtum adäquat ursächlich war (RIS-Justiz RS0016195). Das trifft bei der Vorformulierung einer in jeder Hinsicht eindeutigen Vertragserklärung nicht zu (4 Ob 96/13s). Der Klägerin ist daher nicht damit geholfen, dass die Textierung der Vereinbarung von der Beklagten stammte. Woraus sich hier eine Verpflichtung der Beklagten ergeben sollte, die Klägerin weiter über die „Nettoberechnungen und netto-Auswirkungen“ aufzuklären, zeigt die Revision nicht auf.
2.2 Letztlich vermag die Klägerin nicht darzulegen, dass sie die Auflösungsvereinbarung in Kenntnis der Nettobeträge nicht abgeschlossen hätte, steht doch fest, dass sie im – vom Erstgericht als (weitere) Annahme beurteilten – E-Mail vom 15. 12. 2016 um Auszahlung der vereinbarten Bruttoabfertigung in zwei Tranchen ersuchte, und zwar nachdem ihr mit E-Mail vom 12. 12. 2016 vom Steuerberater der errechnete (unter ihren Erwartungen liegende) Nettobetrag zur Kenntnis gebracht worden war.
3. Welche „Feststellung des Berufungsgerichts“ die Revisionswerberin als aktenwidrig ansieht, lässt sich dem Rechtsmittel nicht entnehmen. Nach den Feststellungen ließ die Klägerin den sich aus dem Bruttobetrag ergebenden Nettobetrag (erst) nach der Unterzeichnung der Auflösungsvereinbarung berechnen. Nichts anderes legten die Vorinstanzen ihren Entscheidungen zugrunde.
4. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision zurückzuweisen.
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