OGH 8ObA26/24t

OGH8ObA26/24t26.6.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichter Mag. Elisabeth Schmied (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Karl Schmid‑Wilches (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei C*, vertreten durch Dr. Gerhard Taufner und andere Rechtsanwälte in Melk, gegen die beklagte Partei Stadt Wien, *, vertreten durch die Joklik Katary Richter Rechtsanwälte GmbH & Co KG in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 27. März 2024, GZ 10 Ra 7/24h‑14, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00026.24T.0626.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Unionsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

 

Begründung:

[1] Die * 1986 geborene Klägerin war aufgrund Dienstvertrags vom 29. 7. 2005 von 1. 7. 2005 bis 28. 2. 2007 in einem Gesundheitszentrum der Beklagten als Hausarbeiterin beschäftigt.

[2] Von 2007 bis 2010 besuchte die Klägerin eine Krankenpflegeschule. Vom 16. 4. 2010 bis 15. 4. 2011 war sie bei der Beklagten als diplomierte psychiatrische Krankenpflegerin beschäftigt.

[3] Aufgrund Dienstvertrags vom 29. 5. 2017 ist die Klägerin seit 1. 6. 2017 bis heute (wieder) durchgehend bei der Beklagten als diplomierte psychiatrische Krankenpflegerin beschäftigt.

[4] Der Klägerin wurden im Dienstvertrag vom 29. 5. 2017 die in Pkt 2.1 genannten Zeiten von 1. 7. 2005 bis 28. 2. 2007 sowie von 16. 4. 2010 bis 15. 4. 2011 im Gesamtausmaß von zwei Jahren und acht Monaten gemäß § 14 DO 1994 in Verbindung mit § 18 VBO 1995 als Vordienstzeiten für das Besoldungsdienstalter voll angerechnet.

[5] Am 23. 11. 2022 erhielt die Klägerin von der Beklagten die Mitteilung nach § 18 VBO 1995 in Verbindung mit § 15c DO 1994, dass aufgrund der Neuberechnung von Vordienstzeiten das Besoldungsdienstalter am Tag der Aufnahme 1. 6. 2017 nunmehr ein Jahr – für den Zeitraum gleichwertiger Tätigkeit von 16. 4. 2010 bis 15. 4. 2011 – betrage und sich das Besoldungsdienstalter somit um ein Jahr und acht Monate verringere.

[6] Die Vorinstanzen wiesen übereinstimmend das Feststellungsbegehren der Klägerin ab, dass ihr Besoldungsdienstalter am 1. 6. 2017 bei richtiger, verfassungs- und unionsrechtskonformer Auslegung zwei Jahre und acht Monate betrage.

Rechtliche Beurteilung

[7] Die dagegen erhobene außerordentliche Revision der Klägerin zeigt dagegen keine Rechtsfrage der in § 502 Abs 1 ZPO genannten Qualität auf.

[8] 1.1. Im Zuge der Dienstrechts- und Besoldungsreform 2018 wurde das Wiener Bedienstetengesetz – W‑BedG, Wr LGBl 2017/33, erlassen, das nach seinem § 1 Abs 1 für alle nach dem 31. 12. 2017 neu in den Dienst der Gemeinde Wien eintretenden Bediensteten gilt. Für Vertragsbedienstete wie die Klägerin, die bereits vor 1. 1. 2018 ihre Beschäftigung bei der Gemeinde Wien aufgenommen haben, gilt weiterhin das Gesetz über das Dienstrecht der Vertragsbediensteten der Gemeinde Wien (Vertragsbedienstetenordnung 1995 – VBO 1995), Wr LBGl 1995/50.

[9] 1.2. § 18 VBO 1995 lautet wie folgt:

„Anrechnung von Zeiten für die Vorrückung

§ 18. (1) §§ 14 und 15 der Dienstordnung 1994, LGBl Nr 56, gelten für den Vertragsbediensteten mit der Maßgabe, dass der Unterstellung unter die Dienstordnung 1994 (Anstellung) sowohl der Beginn des Dienstverhältnisses als Vertragsbediensteter als auch der Wegfall einer Sonderregelung gemäß § 54 hinsichtlich des Gehaltes entsprechen.

(2) §§ 15a bis 15c der Dienstordnung 1994 und § 49v der Besoldungsordnung 1994 gelten für den Vertragsbediensteten sinngemäß mit der Maßgabe, dass

1. …

2. an die Stelle der bescheidmäßigen Neufeststellung des Besoldungsdienstalters die Neufeststellung durch die Dienstgeberin tritt, die dem Vertragsbediensteten nachweislich und schriftlich mitzuteilen ist;

(5) Eine unrichtige Nichtanrechnung von Vordienstzeiten hat der Vertragsbedienstete spätestens bis zum Ablauf von sechs Monaten nach dem Tag der Mitteilung gemäß Abs 2 Z 2 gerichtlich geltend zu machen, widrigenfalls eine weitere Neufestsetzung der besoldungsrechtlichen Stellung, abgesehen von der Berichtigung offenkundiger Schreib- und Rechenfehler, ausgeschlossen ist. In der Mitteilung gemäß Abs 2 Z 2 ist auf diese Rechtsfolge ausdrücklich hinzuweisen.

…“

[10] 1.3. Die hier einschlägigen Bestimmungen des Gesetzes über das Dienstrecht der Beamten der Bundeshauptstadt Wien (Dienstordnung 1994 – DO 1994), Wr LGBl 1994/56, lauten:

„Besoldungsdienstalter

§ 14. (1) Das Besoldungsdienstalter umfasst, soweit sich aus § 11 Abs 7, § 13 Abs 3, § 17 Abs 4, § 18 Abs 3 bis 5 und 7 bis 9, §§ 40e, 40f, 40g, 40i, 40j und 40k der Besoldungsordnung 1994 nichts anderes ergibt, die Dauer der im Dienstverhältnis verbrachten für die Vorrückung wirksamen Zeiten (Dienstzeit) zuzüglich der Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten.

(2) Folgende, dem Tag der Anstellung vorangegangene Zeiten (Vordienstzeiten) sind auf das Besoldungsdienstalter anzurechnen:

1. die Zeit, die in einem Dienstverhältnis zu einer inländischen Gebietskörperschaft oder zu einem inländischen Gemeindeverband zurückgelegt wurde;

2. die Zeit der Leistung eines Grundwehrdienstes nach § 20 Wehrgesetz 2001 – WG 2001, BGBl I Nr 146/2001, oder eines entsprechenden Ausbildungsdienstes gleicher Dauer nach § 37 Abs 1 WG 2001 oder des ordentlichen Zivildienstes nach § 1 Abs 5 Z 1 Zivildienstgesetz 1986 – ZDG, BGBl Nr 679/1986;

...

(5) Der Beamte ist anlässlich der Aufnahme in das Dienstverhältnis zur Stadt Wien vom Magistrat nachweislich über die Bestimmungen zur Anrechnung von Vordienstzeiten zu belehren. Er hat sodann alle vor Beginn des Dienstverhältnisses zurückgelegten Vordienstzeiten nach Abs 2 oder 3 mitzuteilen. Der Magistrat hat aufgrund dieser Mitteilung und bei Vorliegen entsprechender Nachweise die Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten festzustellen, um welche die für die Vorrückung wirksame Dienstzeit bei der Ermittlung der Einstufung zu verlängern ist.

§ 15c. (1) Die besoldungsrechtliche Stellung des Beamten, der nicht gemäß § 49l der Besoldungsordnung 1994 in das Besoldungssystem der Dienstrechts-Novelle 2015 übergeleitet wurde und dessen Vordienstzeiten in unmittelbarer Anwendung des § 14 in einer nach dem 31. Juli 2015 geltenden Fassung auf das Besoldungsdienstalter angerechnet wurden, ist von Amts wegen mit der Maßgabe neu festzusetzen, dass anstelle der bisher gemäß § 14 Abs 2, 3 und 7 angerechneten Vordienstzeiten die dem Tag der Anstellung vorangegangenen Zeiten einer berufseinschlägigen Tätigkeit bis zu einem Höchstausmaß von zehn Jahren auf die Dienstzeit anrechenbar sind, wenn diese in einem Land, das Vertragspartei des Europäischen Wirtschaftsraums ist oder dessen Staatsangehörige die gleichen Rechte wie österreichische Staatsangehörige auf den Zugang zu einem Beruf haben, ausgeübt worden ist. Die Neufestsetzung hat durch bescheidmäßige Neufeststellung des Besoldungsdienstalters am Tag der Aufnahme in den Dienst der Stadt Wien zu erfolgen. Die Berufseinschlägigkeit ist anhand jener Tätigkeiten zu beurteilen, die mit dem konkreten Dienstposten verbunden sind, den der Beamte am Tag der Aufnahme in den Dienst der Stadt Wien innehatte.

(5) Ergibt sich aus der Neufestsetzung gemäß Abs 1 eine Verringerung des Besoldungsdienstalters, wird diese im Höchstausmaß von zwei Jahren mit dem dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens gemäß Abs 1 folgenden Monatsersten wirksam. Die damit verbundene Verschlechterung der besoldungsrechtlichen Stellung ist für die bis zum Eintritt der Rechtskraft erreichte Einstufung und die daraus abgeleiteten besoldungsrechtlichen Ansprüche unbeachtlich; sie ist bei zukünftigen Vorrückungen in die nächste Gehaltsstufe und bei sonstigen zukünftigen vom Besoldungsdienstalter abhängigen besoldungsrechtlichen Verbesserungen zu berücksichtigen.

(6) Teilt der Beamte eine Vordienstzeit nicht innerhalb von drei Monaten nach dem Beginn des Dienstverhältnisses mit, ist ein späterer Antrag auf Anrechnung dieser Vordienstzeit unzulässig. Der Nachweis über eine Vordienstzeit ist spätestens bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Beginn des Dienstverhältnisses zu erbringen. Erfolgt die Belehrung gemäß Abs 5 erst nach Beginn des Dienstverhältnisses, beginnen die in diesem Absatz genannten Fristen mit dem Tag der Belehrung. Wird der Nachweis nicht fristgerecht erbracht, ist die Vordienstzeit nicht anrechenbar.

…“

 

[11] 2.1. Nach dem klaren Wortlaut des § 14 Abs 5 DO 1994 in Verbindung mit § 18 VBO 1995 hat der Magistrat nach Belehrung des Vertragsbediensteten und dessen entsprechender Mitteilung sowie bei Vorliegen entsprechender Nachweise die Dauer der anrechenbaren Vordienstzeiten festzustellen. Diese Feststellung hat „anlässlich“ der Aufnahme in das Dienstverhältnis zu geschehen, ist jedoch – wie insbesondere auch aus § 14 Abs 6 DO 1994 erhellt – nicht mit dessen Begründung ident oder Teil seines Begründungsaktes bzw – hier – des Dienstvertrags: Nach den Materialien zur Dienstrechts-Novelle 2015, Wr LGBl 2015/28 (LG – 02036-2015/000 – KSP/LAT, Erläut Blg 20/2015, 2 f), seien die § 14 Abs 2 bis 7 DO 1994 den Regelungen des Bundes in § 12 Abs 2 bis 7 GehG nachgebildet. Da die anrechenbaren Vordienstzeiten in aller Regel bereits vor Dienstantritt, nämlich im Aufnahmeverfahren erhoben würden, solle die Belehrung über die Vordienstzeitenanrechnung bereits anlässlich der Aufnahme in das Dienstverhältnis zur Stadt Wien erfolgen, der Lauf der in § 14 Abs 6 DO 1994 vorgesehenen Fristen beginne jedoch erst mit dem Beginn des Dienstverhältnisses.

[12] Die Revision hält dem nur ihre weder näher begründete noch belegte Meinung entgegen, die Anrechnung im Dienstvertrag sei als Vertragsbestandteil anzusehen, von dem die Beklagte nicht einseitig abgehen könne. Dazu hat schon das Berufungsgericht zutreffend und unter Hinweis auf das Schrifttum (Ziehensack, VBG: Praxiskommentar § 26 [2019] Rz 62 f) festgehalten, dass auch der Zweck dieser Bestimmungen, objektive Normen zur Sicherstellung einer fairen und nicht gleichheitswidrigen Besoldung (vgl RS0059610) sowie zur Vermeidung von Nepotismus und Bevorzugung zu schaffen, die Anwendung einer Vertragskonstruktion ausschließt. Darauf geht die Revision gar nicht ein; sie zeigt keine aufzugreifende Fehlbeurteilung auf.

[13] 2.2. Zur ebenfalls weder begründeten noch belegten Meinung der Revision, der – durch die 4. Dienstrechtsnovelle 2019, Wr LGBl 2019/63, eingeführte – § 15c DO 1994 sei nicht auf bei der Beklagten direkt absolvierte Vordienstzeiten anzuwenden, genügt es neuerlich, auf den klaren Wortlaut der Bestimmung zu verweisen, die sich ohne jede Differenzierung auf in einem Land, das Vertragspartei des EWR ist oder dessen Staatsangehörige die gleichen Rechte wie österreichische Staatsangehörige auf den Zugang zu einem Beruf haben, ausgeübte berufseinschlägige Tätigkeiten bezieht. Dass Vordienstzeiten bei der Beklagten selbst oder andere reine Inlandssachverhalte von dieser generellen Regelung ausgenommen werden sollten, ist der Bestimmung nicht zu entnehmen (zum Anwendungsbereich des Unionsrechts und der Zulässigkeit von Inländerdiskriminierung sowie deren Grenzen vgl im Übrigen 9 ObA 29/21m Rz 38 mwH); entgegen der Ansicht der Revision ergibt sich dies auch aus den Materialien zur 4. Dienstrechtsnovelle 2019, Wr LGBl 2019/63, wonach die Anrechnung von Vordienstzeiten – den nunmehr seit 1. 1. 2018 geltenden Regeln des W‑BedG entsprechend – ausschließlich für Zeiten einer berufseinschlägigen Tätigkeit zu erfolgen hat, unabhängig davon, ob diese Zeiten bei einem (= irgendeinem) öffentlichen oder einem privaten Arbeitgeber zurückgelegt wurden (Erläut IA LG-985229-2019-LAT, Blg 36/2019, insb 4 f). Warum diese Wendung die Beklagte nicht einschließen sollte, legt die Revision weder in sprachlicher noch in systematischer Hinsicht nachvollziehbar dar; eine Fehlbeurteilung der Vorinstanzen wird somit nicht aufgezeigt und ist auch nicht ersichtlich.

[14] 2.3. In der Revision vermeinte Verfassungswidrigkeit ist nicht gegeben:

[15] 2.3.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in seinem schon vom Berufungsgericht ins Treffen geführten Erkenntnis vom 29. 11. 2023, AZ G 323/2023, eingehend und umfassend mit den hier einschlägigen Bestimmungen, ihrer Entstehungsgeschichte und ihren Vorgängerbestimmungen sowie der nunmehr seit 1. 1. 2018 geltenden Rechtslage nach dem W‑BedG auseinandergesetzt und die Verfassungswidrigkeit unter anderem des § 15c DO 1994 mit folgender Begründung verneint:

„2.3.1. Nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes liegt die Art der Gestaltung des Gehaltsschemas der Beamten und des Entlohnungsschemas der Vertragsbediensteten in der rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit des Gesetzgebers, sofern er mit seiner Regelung nicht gegen das – sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ergebende – Sachlichkeitsgebot verstößt (vgl VfSlg 9607/1983, 16.176/2001, 18.934/2009).

Zum sich aus dem Sachlichkeitsgebot ergebenden Vertrauensschutz hat der Verfassungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass das bloße Vertrauen auf den unveränderten Fortbestand der gegebenen Rechtslage als solches keinen besonderen verfassungsrechtlichen Schutz genießt (vgl zB VfSlg 13.657/1993, 16.687/2002, 19.933/2014). Es bleibt vielmehr dem Gesetzgeber auf Grund des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes grundsätzlich unbenommen, die Rechtslage auch zu Lasten des Betroffenen zu verändern (zB VfSlg 16.754/2002, 18.010/2006 jeweils mwN), sofern keine besonderen Umstände vorliegen, wie etwa ein plötzlicher und intensiver Eingriff in Rechtsansprüche, auf die sich Betroffene nach ihrer Zweckbestimmung (zB auf Pensionsleistungen bestimmter Höhe) rechtens einstellen durften (vgl VfSlg 11.288/1987, 16.764/2002, 17.254/2004).

2.3.2. Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung ist zunächst festzuhalten, dass es dem Dienstgesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraumes grundsätzlich freisteht, die gehaltsrechtliche Stellung von Bediensteten (somit auch die Anrechnung von Vordienstzeiten) mit Wirkung für die Zukunft, also gemessen an der Lebensverdienstsumme, zu verschlechtern (vgl VfGH 7.6.2013, B19/2013; siehe in diesem Zusammenhang auch EuGH 14.3.2018, C-482/16 ,Stollwitzer/ÖBB Rz 28 ff.). Im vorliegenden Fall ist zu berücksichtigen, dass die Neuberechnung nach §15c Wr. DO 1994 mit einer Berücksichtigung bloß 'berufseinschlägiger' Tätigkeiten – die eine Angleichung an § 7 W‑BedG bezweckt – im Einzelfall sowohl zur Verbesserung als auch zur Verschlechterung der besoldungsrechtlichen Stellung im Hinblick auf die Vorrückung führen kann (vgl dazu die Erläuterungen zu IA LG-985229-2019-LAT BlgLT 20. GP, 4 f.). Eine rückwirkende Verschlechterung (im Sinne einer Rückzahlung) ist gemäß § 15 Abs 5 Wr. DO 1994 jedenfalls ausgeschlossen; auch die bestehenden Gehälter bleiben unberührt, weil eine allfällige Verschlechterung des Besoldungsdienstalters lediglich zu einer späteren Vorrückung in die nächsthöhere Gehaltsstufe führt. Darüber hinaus ist in dieser Bestimmung zur Vermeidung von Härtefällen als Begrenzung die Verringerung des Besoldungsdienstalters um höchstens zwei Jahre vorgesehen (vgl die Erläuterungen zu IA LG‑1323077-2021-LAT BlgLT 21. GP, 2). Damit besteht jedenfalls ein angemessener Ausgleich zwischen den künftigen gehaltsrechtlichen Wirkungen einer allfälligen Verringerung des Besoldungsdienstalters und dem Interesse an der Wahrung des bestehenden Gehaltes, sodass sich die Regelung in dieser Hinsicht als sachlich erweist (vgl auch VfSlg 20.073/2016).

2.4. …

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes kommt dem Gesetzgeber bei der Festsetzung von Stichtagsregelungen, die notwendig ein gewisses Maß an Beliebigkeit aufweisen und insofern Härtefälle in Kauf nehmen müssen, unter gleichheitsrechtlichen Gesichtspunkten ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu (vgl VfSlg 19.308/2011, 19.884/2014 mwN). Dieser Gestaltungsspielraum ist nicht überschritten, wenn der Gesetzgeber zur Harmonisierung der unionsrechtlich beeinflussten Anpassungen des Dienstrechtes, die mit einem sehr hohen verwaltungstechnischen Aufwand und hohen Kosten verbunden waren, und angesichts der komplexeren Anrechnungsbestimmungen vor dem 31. Juli 2015 (dem Inkrafttreten der Dienstrechts-Novelle 2015, LGBl 28/2015; vgl dazu die Erläuterungen zu IA LG-985229-2019-LAT BlgLT 20. GP, 5) bei der Neufestsetzung gemäß §15c Wr. DO 1994 nur auf jene Bediensteten abstellt, deren Vordienstzeiten nach dem 31. Juli 2015 angerechnet worden sind und die nicht in das Besoldungssystem der Dienstrechts-Novelle 2015 übergeleitet worden sind.“

 

[16] 2.3.2. Diesem auch für den vorliegenden Fall einschlägigen Erkenntnis setzt die Revision nichts Stichhältiges entgegen.

[17] Dass sich das Erkenntnis nur mit der Anrechnung von Präsenzdienstzeiten auseinandersetze, ist unrichtig.

[18] Ebenso unrichtig ist, dass dem Interesse an der Wahrung des bestehenden Gehalts nicht Rechnung getragen würde, zumal dieses gerade nicht angetastet wird, sondern durch die Regelungen eine künftige Vorrückung der Klägerin verzögert wird, und dies um weniger als die vom Gesetz vorgegebene Maximaldauer von zwei Jahren. Auch dass das Vertrauen der Klägerin auf die ursprünglich erfolgte Anrechnung durch § 15c DO 1994 nicht in einem den verfassungsrechtlichen, insbesondere durch den Gleichheitssatz gezogenen Rahmen sprengenden Ausmaß enttäuscht wurde, hat der Verfassungsgerichtshof ausführlich dargelegt, ohne dass die Revision nachvollziehbare Gegenargumente ins Treffen führt.

[19] Die Stichtagsregelung, die nur auf jene Bediensteten abstellt, deren Vordienstzeiten zufolge Dienstantritts nach dem 31. 7. 2015 angerechnet und die nicht in das Besoldungssystem der Dienstrechts-Novelle 2015 übergeleitet worden sind, hat der Verfassungsgerichtshof als vom Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers gedeckt angesehen. Auch der Oberste Gerichtshof hat bereits mehrfach ausgesprochen, dass eine zeitliche Differenzierung durch eine Stichtagsregelung grundsätzlich nicht gegen das Gleichheitsgebot verstößt (vgl RS0053393; RS0117654). Die Klägerin kann im Übrigen nicht ernsthaft der Meinung sein, der zweite Stichtag 31. 12. 2017 sei unsachlich und gleichheitswidrig, weil nicht erkennbar sei, was den Fall der Klägerin von Fällen mit Eintrittsdatum nach dem 31. 12. 2017 unterscheide: Letztere unterliegen – wie dargelegt – dem Regime des W‑BedG; § 15c DO 1994 soll gerade eine Angleichung von früheren, ab dem 31. 7. 2015 aufgrund nicht unionsrechtskonformer Reglungen erfolgten Fällen von Anrechnungen an die seit 1. 1. 2018 geltenden Regeln herstellen. Woran die Klägerin in diesem Zusammenhang Willkür festmachen will, legt sie nicht sachlich nachvollziehbar dar.

[20] Dasselbe gilt für die Meinung der Revision, die Regelung verstoße gegen das verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht der Erwerbsfreiheit nach Art 6 StGG, was sie bloß behauptet, aber nicht substanziiert dahin argumentiert, inwieweit die Stichtagsregelung bezüglich des Besoldungsdienstalters konkret die Ausübung der „Erwerbstätigkeit von Vertragsbediensteten“ – also deren Antritt oder Ausübung (vgl Muzak, B-VG6 [2020] Art 6 StGG Rz 4 mwN aus der Rsp des VfGH) – beschränken sollte. Mit der gegenständlichen Stichtagsregelung wurden weder Voraussetzungen des Erwerbsantritts noch (nachträgliche) Erwerbsausübungsvoraussetzungen eingeführt, sondern lediglich eine mögliche, nur in die Zukunft wirkende besoldungsrechtliche Änderung, bei der – wie dargelegt – nicht erkennbar ist, warum sie den von der Verfassung gezogenen Rahmen verlassen haben sollte.

[21] 2.3.3. Die Revision zeigt somit in verfassungsrechtlicher Hinsicht im Lichte der dargelegten Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs keine erhebliche Rechtsfrage auf, die im Senat Zweifel an der Verfassungskonformität der hier anzuwendenden Regelungen erwecken und ihn dazu veranlassen könnten, den Verfassungsgerichtshof neuerlich zu bemühen.

[22] 2.4. Auch eine Altersdiskriminierung ist nicht erkennbar.

[23] 2.4.1. Stichtagsregelungen waren bereits Gegenstand der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs zur RL 2000/78/EG vom 27. 11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf:

[24] Nach dem Urteil vom 14. 2. 2019,C‑154/18 , Horgan/Keegan, ist eine Regelung, wonach bei der Einstellung neuer Lehrkräfte ab einem bestimmten Zeitpunkt eine ungünstigere Entgeltskala und Einstufung zur Anwendung kommen als die, die gemäß den vor dieser Maßnahme geltenden Vorschriften bei vor diesem Zeitpunkt eingestellten Lehrkräften zur Anwendung gekommen sind, keine mittelbare Diskriminierung wegen des Alters im Sinne des Art 2 Abs 2 lit b der Richtlinie.

[25] 2.4.2.  Dass auch der Oberste Gerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, dass eine zeitliche Differenzierung durch eine Stichtagsregelung grundsätzlich nicht gegen das Gleichheitsgebot verstößt (vgl RS0053393; RS0117654), wurde oben bereits erwähnt. Eine Differenzierung der Anrechnung von Vordienstzeiten wäre nicht einmal dann eine Diskriminierung aufgrund des Alters oder eines an das Alter anknüpfenden Ereignisses, wenn sie nach Maßgabe unterschiedlicher Geburtsdaten erfolgte (vgl8 ObA 3/24k Rz 19 f; 9 ObA 87/22t Rz 23). Der parallele Bestand unterschiedlicher vertraglicher Systeme bedeutet nicht, dass ältere Regelungen, die für andere Gruppen von vornherein nicht gelten, in Zukunft einzementiert bleiben müssen und keiner verschlechternden Veränderung mehr unterliegen können (vgl 8 ObA 55/19z; vgl auch 9 ObA 86/20t Rz 10).

[26] 2.4.3. Im vorliegenden Fall stellt die Anwendung der Regelung des § 15c DO 1994 darauf ab, ob das Dienstverhältnis nach dem 31. 7. 2015 (und vor dem 31. 12. 2017) begründet wurde. Das einzige relevante Kriterium für die Anwendung der Regelung über die Vordienstzeitenanrechnung ist daher der Zeitpunkt der Begründung des Dienstverhältnisses im genannten Zeitrahmen, und zwar unabhängig vom Alter des Bediensteten zu diesem Zeitpunkt; es wird damit gerade an ein vom Alter unabhängiges, objektives und neutrales Element angeknüpft(vgl 8 ObA 3/24k Rz 20; EuGH C‑154/18 ,Horgan/Keegan , Rn 25 mwN; jüngst EuGH 20. 4. 2023, C‑650/21 ,LPD Niederösterreich ua , Rn 90). Aus dem in der Revision angesprochenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs vom 18. 7. 2023, Ra 2020/12/0068, ist für die Klägerin hier somit nichts zu gewinnen, zumal die Regelungen des GehG in der Fassung der 2. Dienstrechts-Novelle 2019, BGBl I 2019/58, wie sie Gegenstand des Verfahrens des Verwaltungsgerichtshofs und des Urteils des Europäischen Gerichtshofs, C‑650/21 , LPD Niederösterreich ua , waren, hier gerade nicht vorliegen: Bei der Anrechnung von Vordienstzeiten wird gerade keine Differenzierung zwischen vor der Vollendung des 18. Lebensjahres zurückgelegten Zeiten und solchen nach dem 18. Geburtstag oder sonst irgendeine Differenzierung nach dem Alter vorgenommen (vgl dagegen Ra 2020/12/0068, Rz 31 ff, insb Rz 37). Warum das Lebensalter der Klägerin für die Anwendung der nunmehr hier einschlägigen Regeln Bedeutung haben sollte, zeigt ihre Revision nicht nachvollziehbar auf.

[27] 2.4.4. Auch wenn man den Anwendungsbereich des Unionsrechts hier als eröffnet ansieht (vgl dazu nochmals 9 ObA 29/21m Rz 38 mwH), bedarf es angesichts dieser geklärten Unionsrechtslage auch keiner neuerlichen Befassung des Europäischen Gerichtshofs.

[28] Da die Darlegungen der Klägerin auf Seite 8 (letzter Absatz von Pkt 2.4) ihrer Revision wohl nicht als – ohnehin unzulässiger und zurückzuweisender (vgl RS0058452 [insb T5, T12, T14, T21]) – Antrag auf Stellung eines Vorabentscheidungsersuchens zu verstehen sind, musste darüber nicht formal abgesprochen werden.

[29] 3. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 510 Abs 3 ZPO in Verbindung mit § 2 Abs 1 ASGG).

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