Spruch:
Der Revision wird Folge gegeben.
Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben; die Rechtssache wird zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die klagende Partei begehrt von der Beklagten die Zahlung einer Konventionalstrafe in der Höhe des Klagsbetrages mit dem Vorbringen, diese sei vom 1.Juni 1993 bis 31.August 1994 bei ihr als Verkaufsrepräsentantin beschäftigt gewesen, habe das Arbeitsverhältnis von sich aus gekündigt und sei danach bei einem Konkurrenzunternehmen tätig geworden. Die vereinbarte Vertragsstrafe werde im Hinblick auf das richterliche Mäßigungsrecht nur in der Höhe von 75 % des vereinbarten Betrages gefordert.
Die Beklagte bestritt das Klagsvorbringen, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und brachte vor, die klagende Partei habe die Kündigung der Beklagten durch eine rechtswidrige Änderung des Provisionssystems schuldhaft veranlaßt, weshalb sie eine Konventionalstrafe zu fordern nicht berechtigt sei.
Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Dabei stellte es folgenden Sachverhalt fest:
Der zwischen den Streitteilen am 1.Juni 1993 geschlossene (schriftliche) Arbeitsvertrag (Beilage./A) enthielt unter anderem folgende Klausel (Punkt 4.3.3.):
"Zusätzlich zu dem in 4.2. vereinbarten Grundgehalt erhält der Arbeitnehmer eine Provision auf der Basis der in ihrer derzeitigen Fassung bekanntgegebenen C*****-Provisionsrichtlinien. Der Arbeitnehmer akzeptiert, daß diese Richtlinien jährlich der geschäftlichen, technischen und rechtlichen Entwicklung angepaßt werden und unterwirft sich dieser Anpassung.
Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Dienstvertrages gab es bei der klagenden Partei folgendes Provisionssystem:
Einerseits mußte pro Produktsegment eine bestimmte Stückzahl verkauft werden, bei Erreichen dieser Stückzahl wurden Stückzahlprämien ausbezahlt; andererseits gab es Umsatzprovisionen, wobei die zu erreichenden Umsatzvorgaben von der klagenden Partei halbjährlich festgesetzt wurden. Die Dienstnehmer durften den Kunden bis zu 33 % Rabatt ohne Rücksprache gewähren, ab Überschreiten dieser Grenze war Rücksprache mit dem Verkaufsleiter erforderlich. Dieses Provisionssystem wurde mit Wirkung vom 1.1.1994 durch die klagende Partei wie folgt abgeändert:
Nunmehr wurden von den Fakturenwerten aller verkauften Geräte die Gesamtkosten der Produkte abgezogen, weiters die Gesamtkosten, die der entsprechende Dienstnehmer dem Betrieb verursacht; die sich daraus ergebende Differenz zwischen den Gesamtkosten und dem Umsatz wurde gestaffelt verprovisioniert. Dabei wurden die Provisionssätze erhöht, und gleichzeitig die Ermächtigung erteilt, ohne Rücksprache bis zu 50 % Rabatt zu gewähren.
Die Beklagte hat die klagende Partei nicht darauf hingewiesen, mit dieser Änderung des Provisionssystems nicht einverstanden zu sein, weil sie dies nicht für aussichtsreich erachtete und diese Maßnahme für den gesamten Betrieb angeordnet wurde. Die Beklagte erlitt durch diese Änderung des Provisionssystems keine Einkommenseinbuße, allerdings deshalb, weil sie ihre Verkaufsleistung steigerte, um auf die gleichen Summen zu kommen (es mußte die Stückzahl der verkauften Geräte erhöht werden). Die Bestimmungen des Dienstvertrages über die Provision hatte die Beklagte bei Vertragsabschluß durchgelesen und darauf vertraut, die klagende Partei werde als renommiertes Unternehmen diese Provisionsrichtlinien nicht zu Lasten der Dienstnehmer ändern. Gesondert wurde dieser Punkt bei Vertragsabschluß jedoch nicht besprochen. Die Beklagte hat ihr Dienstverhältnis zur klagenden Partei einerseits wegen der bei ihr entstandenen Verunsicherung wegen Änderung des Provisionssystems gekündigt, darüber hinaus hatte sie sich bei der Firma A***** dreimal beworben gehabt. Vor ihrer Kündigung kam es zu einem Gespräch bei der Firma A*****, bei dem die Beklagte darauf hinwies, daß sie im Indirektvertrieb tätig sein wolle. Dies wurde ihr bei ihrem neuen Arbeitgeber in Aussicht gestellt, wenn auch erst nach einer Übergangsphase. Ab 1.1.1996 wird die Beklagte bei der Firma A***** in leitender Funktion den Indirektvertrieb übernehmen, was für sie einen Karriere-Aufstieg bedeutet. Auch dies war ein Grund für die Kündigung der Beklagten. Sie hatte nämlich bei der klagenden Partei keine Aussicht auf eine Verwendung im Indirektvertrieb. Bei der neuen Arbeitgeberin hatte die Beklagte für die ersten Monate des Arbeitsverhältnisses bis Ende 1994 eine Garantieprovision, ab 1.1.1995 eine Provision so wie bei Beginn des Arbeitsverhältnisses zur klagenden Partei. Bei der neuen Arbeitgeberin gab es zu Beginn des Arbeitsverhältnisses der Beklagten gleichfalls ein deckungsbeitragsabhängiges Provisionssystem, das mit Wirkung vom 1. Jänner 1995 auf ein umsatzabhängiges umgestellt wurde. Die Beklagte betreut auch bei der neuen Arbeitgeberin einen Produktbereich, der mit den von der klagenden Partei vertriebenen Geräten vergleichbar ist. Die Beklagte war bis Jahresende 1994 bei ihrer neuen Arbeitgeberin Verkaufsrepräsentantin für Wien-Liesing und angrenzende Teile Niederösterreichs; im Direktvertrieb seit Jänner 1995 Verkaufsleiterin für Teile von Wien.
Die Beklagte ist verheiratet, hat keine Sorgepflichten. Das Einkommen ihres Ehegatten beträgt nach Abzug seiner Sorgepflichten ca 12.000 S netto monatlich. Zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses bei der neuen Dienstgeberin verdiente sie über 40.000 S brutto monatlich, ihr derzeitiges Einkommen beträgt ca 35.000 S brutto zuzüglich einer der Höhe nach nicht feststellbaren Stückzahlprämie.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes wird wiederholt, die Beklagte habe durch die Änderung des Provisionssystems keine tatsächliche Entgeltminderung erlitten, sie habe jedoch dafür mehr Vertragsabschlüsse erzielen müssen, womit sich ihre Entgeltbedingungen zumindest relativ verschlechtert hätten. Durch das neue Provisionssystem sei zufolge Gewährung höherer Rabatte ein erleichterter Abschluß der Verträge ermöglicht worden (S 11 des Ersturteils = AS 91).
In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Änderung der Provisionsregelung verstoße sittenwidrig gegen die ursprüngliche Entgeltvereinbarung. Eine Entgeltver schlechterung werde in dieser der klagenden Partei nicht ermöglicht, insbesondere werde durch den Wechsel der umsatzabhängigen Provision zu einer deckungsbeitragsabhängigen das Arbeitgeberrisiko einseitig auf den Arbeitnehmer überwälzt. Die Beklagte habe zwar keine tatsächliche Entgeltminderung erfahren, aber mehr Verträge zustande bringen müssen, womit sich ihre Entgeltbedingungen relativ verschlechtert hätten. Diese sittenwidrige Verschlechterung der Provisionsregelung sei schuldhaft und habe die Kündigung der Beklagten veranlaßt, weshalb der klagenden Partei ein Anspruch auf Vertragsstrafe nicht zustehe (§ 37 Abs 1 AngG).
Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei nicht Folge; es billigte die erstgerichtlichen Feststellungen und führte in rechtlicher Hinsicht aus, die klagende Partei habe durch die einseitige Einführung des Deckungsbeitragssystems wesentliche Vertragspflichten verletzt, "mögen auch beide Systeme - System der umsatzabhängigen und der deckungsbeitragsabhängigen Provision - kalkulatorisch das Erreichen der Gewinnzone voraussetzen, unterschieden sie sich schwerwiegend in dem Fall, daß die kalkulatorischen Prognosen nicht erfüllt werden und ein Gewinn nicht erzielt werde". Die klagende Partei habe die Vertrauensgrundlage des Arbeitsverhältnisses zerrüttet, weshalb sie gemäß § 37 Abs 1 AngG die Rechte aus der Konkurrenzklausel nicht in Anspruch nehmen könne. Ein Protest der Beklagten gegen die Vertragsänderung sei nicht zumutbar gewesen, zumal dieser kaum zur Wiederherstellung des (früheren) vertragskonformen Provisionssystems geführt hätte.
Die Revision sei zulässig, weil eine höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Veranlassung einer Kündigung durch den Angestellten im Falle eines Wechsels des Provisionssystems fehle.
Gegen das berufungsgerichtliche Urteil richtet sich die Revision der klagenden Partei aus dem Grunde der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, es abzuändern und dem Klagebegehren stattzugeben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Die Rechtsmittelausführungen lassen sich dahin zusammenfassen, daß den Urteilen der Vorinstanzen Feststellungsmängel dahin anhafteten, inwiefern die Änderung des Provisionssystems sittenwidrig sei bzw die Änderung dem nach billigem Ermessen vom Arbeitgeber auszuübenden Gestaltungsrecht zuwider laufe. Selbst wenn die Änderung des Provisionssystems vertragswidrig sein sollte, so wäre dies als vertretbare Rechtsauffassung der klagenden Partei nicht als Verschulden im Sinne des § 37 Abs 1 AngG anzulasten. Weiters hätte die Beklagte zufolge der Treuepflicht der Änderung widersprechen müssen.
Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist im Sinne des Aufhebungsantrages berechtigt.
Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß die Klausel 4.3.3 des Dienstvertrages der Beklagten eine einvernehmliche Änderung der Provisionsrichtlinien nur in Form der jährlichen Anpassung an die "geschäftliche, technische und rechtliche Entwicklung" vorsah. Insoweit fehlt es an ausdrücklichen Behauptungen der klagenden Partei und an entsprechenden Feststellungen.
Nach Lehre (Krejci, Grenzen einseitiger Entgeltbestimmung durch den Arbeitgeber, ZAS 1983, 203; Richardi/MünchAR § 14 Rz 41 ff) und Rechtsprechung (8 ObA 220/95 = ZAS 1995/21, 190 = DRdA 1996/13, 148 mwN) verstößt eine dem Arbeitgeber nach billigem Ermessen eingeräumte Gestaltungsbefugnis nicht gegen die guten Sitten. Die Prüfung, ob eine vom Arbeitgeber vorgenommene Vertragsänderung sich im Rahmen der zu subintelligierenden Grenzen des vereinbarten Gestaltungsrechts hält (Krejci aaO, 206 bei FN 21), ist nach der schwer konkretisierbaren Generalklausel des "billigen Ermessens" (Krejci aaO, 210) vorzunehmen. Dabei sind rechtsethische Erwägungen (Richardi aaO, Rz 60), die Risikoverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Richardi aaO, Rz 70), grobe Äquivalenzstörungen (Richardi aaO, Rz 58; Mayer/Maly, Bewegliches System und Konkretisierung der guten Sitten, 117 in F.Bydlinski ua Hgr, Das bewegliche System im geltenden und künftigen Recht, 122) infolge Ausnützung der Machtposition bzw Übermacht des Arbeitgebers (Adamovic, Zur Sittenwidrigkeit von Entgeltvereinbarungen, ZAS 1991, 153, 155) einer Gesamtwürdigung (Adamovic aaO, 61 unter Hinweis auf Mayer/Maly, aaO, 123) zu unterziehen (vgl auch den Hinweis auf die umfassende Interessenprüfung und die bewegliche Beurteilung in Arb
10.810 = RdW 1989, 370 = DRdA 1990, 141 = Infas 1990 A 51 zur Prüfung der Sittenwidrigkeit eines Provisionsplanes). Bei dieser im Sinne des beweglichen Systems vorzunehmenden Gesamtwürdigung sind insbesondere die Auswirkungen der Änderung des Provisionssystems auf die Beklagte und auch das Verhältnis ihres überkollektivvertraglichen Entgelts zum kollektivvertraglichen Mindeststandard (vgl Adamovic, aaO 156; ähnlich zur Anrechnung von Provisionen auf Überstundenentgelt Arb
10.624 = RdW 1987, 382 = WBl 1987, 195; siehe auch Krejci aaO, 210 mit dem Hinweis, daß bei erheblich überdurchschnittlichem Einkommen eher mit einer Anpassung durch den Arbeitgeber zu rechnen sei. "Denn ein Zweck der Anpassungsklausel kann wohl auch darin gesehen werden, Einkommensentwicklungen hintanzuhalten, die mehr "vom Glück der Umstände" als vom persönlichen Einsatz des Dienstnehmers abhängen". Krejci erwähnt aaO auch ua, daß das Lohngestaltungsrecht des Arbeitgebers dazu dienen könne, Provisionsansprüche von Vertretern [in der Versicherungswirtschaft] auf ein gerechtes Maß zu reduzieren.) zu berücksichtigen.
Der Übergang von einem System der umsatzabhängigen Provision zu einem vom "Deckungsbeitrag" abhängigen Provision verändert zwar die Berechnungsgrundlage und auch die Riskenverteilung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer, ist aber im Rahmen der Inhaltskontrolle des Vertrages und der Gesamtbeurteilung, ob der Rahmen billigen Ermessens überschritten wurde, lediglich ein Indiz von mehreren für eine allenfalls damit verbundene Äquivalenzstörung. Beide Provisionen sind im Rahmen der Leistungsentlohnung - im Gegensatz zu einem nach zeitlichen Abschnitten bestimmten Entgelt - nicht dermaßen verschieden, daß hiedurch schon allein auf das Vorliegen einer unbilligen Benachteiligung des Arbeitnehmers im Falle der Ausübung der dem Arbeitgeber eingeräumten Gestaltungsbefugnis geschlossen werden könnte. Auch bei einer Umsatzprovision steht dem Arbeitgeber die Preisgestaltung und Festlegung der Unternehmensziele frei; Rechte des Arbeitnehmers würden nur verletzt, wenn der Arbeitgeber gegen den Inhalt des Arbeitsvertrages verstieße oder seine Maßnahme nur das Ziel verfolgte, dem Angestellten Schaden zuzufügen (9 ObA 235/90 tw veröffentlicht ARD 4237/30/91 = Jus extra 1991 Z 734 = ÖJZNRsp 1991/39).
Das Erstgericht hat festgestellt, daß die Beklagte tatsächlich keine Entgeltverminderung erlitt; dies wäre ein Indiz dafür, daß die Änderung des Provisionssystems den Rahmen billigen Ermessens nicht überschritt. Es ist aber der Umstand zu berücksichtigen, daß die Beklagte hiezu eine größere Anzahl von Verträgen dg früher abschließen mußte. Im Urteil erster Instanz wird hiezu ausgeführt, daß infolge der erhöhten Rabatte des neuen Provisionssystems der Abschluß aber leichter als früher gewesen sei.
Beim Günstigkeitsprinzip sind sachlich zusammengehörige Regelungen, die sich auf dasselbe tatsächliche Ereignis beziehen, im Hinblick auf den sozialpolitischen Zweck der Mindestnorm zu berücksichtigen (Krejci in Rummel, ABGB2 Rz 8 zu 1164 in Kritik zu WBl 1989, 25 = ZAS 1989/13, 87). Ob die Vermehrung der Vertragsabschlüsse zwecks Wahrung des früheren Einkommensniveaus, für die Beklagte mit einer unbilligen Erhöhung ihres Arbeitsaufwandes verbunden war, bedarf daher noch ergänzender Feststellungen. Es könnte im Extremfall die Halbierung des (zeitbestimmten) Entgeltes durch eine Verdoppelung der Arbeitszeit ausgeglichen werden; dies machte aber eine grobe Äquivalenzstörung - schon wegen der Notwendigkeit, im Vergleich zur früheren Normalarbeitszeit dann unzulässige Überstunden zu leisten (vgl § 9 AZG) - offensichtlich. Andererseits wird etwa bei der Arbeitszeitverkürzung (vgl § 3 Abs 2 AZG) unter Umständen bei unvermindertem Arbeitspensum eine gewisse, verhältnismäßige Erhöhung der Arbeitsintensität vom Gesetz gebilligt (vgl zur Variabilität der Intensität innerhalb zumutbarer Grenzen WBl 1987, 19 = RdW 1987, 132 = ZAS 1988/14, 124). Da die Rechtsprechung jedoch die Anrechnung von (zusätzlichen) Provisionen (Leistungsentgelt) auf Überstundenentgelt nicht grundsätzlich ablehnt (vgl Arb 10.624 = RdW 1987, 382 = WBl 1987, 195), könnte im Rahmen des "billigen Ermessens" eine mäßige Vermehrung der Arbeitszeit allein noch nicht den Ausschlag dafür geben, die Handhabung des Gestaltungsrechtes durch den Arbeitgeber bei der Umstellung des Provisionssystems als sittenwidrig zu beurteilen.
Während das Mindestentgelt eines Handelsangestellten durch den
Kollektivvertrag bestimmt wird (§ 3 Abs 1 ArbVG), ist das diesen
Rahmen überschreitende Provisionsentgelt weitgehend privatautonom zu
gestalten (vgl insoweit die Anführung nur der §§ 10 Abs 5, 12 und 14
Abs 2 AngG in § 40 AngG), soferne dabei nicht die Grenzen zur
Sittenwidrigkeit überschritten würden (vgl Arb 10.816; SZ 66/168 =
DRdA 1994/33, 387 [Mayer/Maly überwiegend zustimmend, nicht aber
hinsichtlich des Vergleiches mit Kettendienstverhältnissen] = ecolex
1994, 244 = Infas 1994 A 92 = RdW 1994, 215 = WBl 1994, 270).
Bei der Gesamtbeurteilung darf daher der weitere Inhalt der Entgeltvereinbarung der Beklagten (Beilage A) keinesfalls außer Acht gelassen werden, wozu jedoch bisher keine Feststellungen getroffen wurden. Nach dem im Akt erliegenden Dienstvertrag (Beilage A), dessen Richtigkeit nach der Äußerung der Beklagten als bestritten zu gelten hat (vgl AS 31), hatte die Beklagte ein das kollektivvertragliche Entgelt übersteigendes Fixum sowie zunächst während der ersten drei Monate eine Garantieprovision von 10.000 S. Sollte aus der Garantieprovision ein Rückschluß auf die realistisch zu erwartende Provision der Beklagten gerechtfertigt sein und sollte sich die Änderung ihres Provisionseinkommens im deutlich überkollektivvertraglichen Bereich nur geringfügig - insbesondere hinsichtlich eines vermehrten Aufwandes an Mühe, um durch vermehrte Vertragsabschlüsse das frühere Provisionsniveau zu halten - auswirken, verstieße dies bei einer gleichzeitig eintretenden Erleichterung des Vertragsabschlusses nicht gegen die dem Gestaltungsrecht der klagenden Partei laut Arbeitsvertrag innewohnenden Grenzen des billigen Ermessens.
Erst wenn die zur Gesamtbeurteilung notwendigen Umstände nach Erörterung mit den Parteien ergänzend festgestellt sind, kann eine abschließende Beurteilung erfolgen, ob sich die Änderung des Provisionssystems im Rahmen des billigen Ermessens hielt oder dieses überschritt. Dabei ist nicht nur ein auf den Zeitpunkt der Umstellung bezogener Vergleich vorzunehmen, sondern auch eine Prognose der voraussichtlichen Entwicklung - etwa im nächsten Geschäftsjahr (bzw nach den Gepflogenheiten der klagenden Partei auch im Halbjahr) einzubeziehen; sollte nämlich eine in naher Zukunft drohende Verschlechterung des Einkommens die der Beklagten zumutbare Kompensationsmöglichkeit durch vermehrte Vertragsabschlüsse übersteigen, könnte ihre "Verunsicherung" allenfalls gerechtfertigt sein. Geringfügige Verschlechterungen des Provisionseinkommens zufolge der dem Arbeitgeber offenstehenden Gestaltungsmöglichkeiten (9 ObA 235/90), die indirekt eine Provisionsbeeinträchtigung zur Folge haben können (vgl auch SZ 63/18 = Arb 10.854), könnten die Kündigung der Beklagten nicht als durch ein Verschulden der klagenden Partei gerechtfertigt erscheinen lassen, da gerade bei einer Erfolgsentlohnung (Provision) mit erhöhten Schwankungen gegenüber einem Zeitentgelt zu rechnen ist. Eine fortgesetzte Aufwertung, wie dies bei kollektivvertraglichen Zeitentgelten überwiegend der Fall ist, darf redlicherweise unter Berücksichtigung der sich ständig ändernden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen nicht erwartet werden.
Erst bei der anzustellenden Gesamtwürdigung aller dargestellten Umstände kann somit die Änderung des Provisionssystems durch die klagende Partei als vertrags- und gesetzmäßig oder als rechtswidrig beurteilt werden; diese Gesamtwürdigung fällt auch mit der Prüfung einer vertretbaren Rechtsauffassung (vgl § 49 a ASGG) über den Umfang des der klagenden Partei eingeräumten billigen Gestaltungsermessens zusammen, sodaß eine zusätzliche Prüfung insoweit nicht mehr anzustellen sein wird. Davon ausgehend wird das "schuldbare Verhalten" der klagenden Partei im Sinne des § 37 Abs 1 AngG zu beurteilen sein. Im Falle der Verneinung eines schuldbaren Verhaltens der klagenden Partei werden die für das richterliche Mäßigungsrecht erheblichen Umstände - gleichfalls im Sinne eines "kombinatorisch" zu beurteilenden Tatbestandes - zu erörtern und festzustellen sein.
Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens gründet sich auf § 52 Abs 1 zweiter Satz ZPO.
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