OGH 8ObA207/02b

OGH8ObA207/02b7.11.2002

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Spenling sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Martin Oedendorfer und Mag. Michael Zawodsky als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Theresia G*****, Angestellte, *****, vertreten durch Dr. Sabine Berger, Rechtsanwältin in Salzburg, gegen die beklagte Partei S*****GesmbH, *****, *****, vertreten durch Dr. Werner Steinwender ua, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen EUR 37.025,61 brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 19. Juni 2002, GZ 11 Ra 111/02a-23, womit über Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Arbeits- und Sozialgericht vom 20. November 2001, GZ 20 Cga 109/00g-19, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 1.756,62 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin EUR 292,77 Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Das Berufungsgericht vertrat die Rechtsauffassung, dass das Verhalten der Klägerin den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit nach § 27 Z 1 AngG, 3. Tatbestand, verwirklicht. Diese Rechtsauffassung ist zutreffend, sodass es insofern ausreicht, auf die Richtigkeit der eingehenden Begründung der angefochtenen Entscheidung zu verweisen.

Ergänzend ist den Revisionsausführungen entgegenzuhalten:

Nach den erstgerichtlichen Feststellungen berichtete die Klägerin dem Hauptgesellschafter der Muttergesellschaft der Beklagten von Kundenbeschwerden gegen den Geschäftsführer der Beklagten; diese Darstellung der Klägerin wurde aber bei Nachforschungen von den betroffenen Kunden als unrichtig bestritten. Unter Hinweis auf diese Feststellungen macht die Revisionswerberin die Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens geltend, weil das Berufungsgericht insofern nicht iS des § 473a ZPO vorgegangen sei. Dazu hat schon das Berufungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs die zweite Instanz zu einem Vorgehen nach § 473a ZPO nur dann verpflichtet ist, wenn sie ihre Entscheidung auf in der Beweiswürdigung oder in der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes "verborgene" Feststellungen gründet (RIS-Justiz RS0112020; SZ 72/75; 6 Ob 94/01v). Dazu kommt, dass sich die Beklagte in ihrer Berufung ausdrücklich auf die von der Revisionswerberin in ihrer Mängelrüge genannte Feststellung bezogen hat (§ 468 Abs 2 ZPO). Der behauptete Verfahrensmangel liegt daher nicht vor.

Auch der Umstand, dass das Berufungsgericht den Entlassungsgrund der Vertrauensunwürdigkeit als verwirklicht ansieht, obwohl die Beklagte diesen Entlassungsgrund in ihrer Berufung nicht ausdrücklich genannt hat, begründet keinen Verfahrensmangel, zumal der vom Berufungsgericht als die Entlassung rechtfertigend erachtete Sachverhalt in erster Instanz vorgetragen und auch in zweiter Instanz releviert wurde. Die rechtliche Qualifikation dieses Sachverhalts durch den Arbeitgeber ist nicht entscheidend (RIS-Justiz RS0028983; zuletzt etwa 9 ObA 246/01v).

Im Übrigen hat das Berufungsgericht zu Recht darauf verwiesen, dass die Klägerin nicht bereit war, die Autorität des neuen Geschäftsführers zu akzeptieren und dass sie dies dadurch zum Ausdruck brachte, dass sie eine Vielzahl von Weisungen ganz offen nicht befolgte. Dies wiegt umso schwerer, als die ignorierten Weisungen großteils wichtiger Natur waren, wie etwa die Anordnung, an einen Kunden nur mehr gegen genau bestimmte Zahlungen zu liefern, die Anordnung einer Neugestaltung des Mahnwesens unter Einbeziehung der Außendienstmitarbeiter oder die Neuregelung der Postbearbeitung. Dieses rechtswidrige Verhalten der Klägerin, das geeignet war (und ganz offensichtlich auch darauf abzielte), die Autorität des Geschäftsführers erheblich zu untergraben, wurde von den Vorinstanzen nur deshalb nicht dem Entlassungsgrund des § 27 Z 4 AngG, 2. Tatbestand, unterstellt, weil es immer wieder neue und unterschiedliche Weisungen betraf und vom Geschäftsführer nie zum Anlass für eine Ermahnung oder eine Androhung der Entlassung gemacht wurde.

Das durch dieses Verhalten der Klägerin entstehende Problem führte dazu, dass der Hauptgesellschafter der Muttergesellschaft der Beklagten aus Deutschland anreiste und bei seinem Bemühungen, die Situation zu bereinigen, zur Kenntnis nehmen musste, dass Behauptungen der Klägerin über Kundenbeschwerden gegen den Geschäftsführer der Beklagten von den betroffenen Kunden bestritten wurden, dass die Klägerin die Bestellung des Geschäftsführers als verfehlt bezeichnete und dass sie im Zuge eines persönlichen Gesprächs das vom Hauptgesellschafter geäußerte Ansinnen, sie müsse die persönliche Gesprächskultur mit dem Geschäftsführer verbessern, ablehnte. Vor diesem Hintergrund erweist sich die Einschätzung des Berufungsgerichtes als richtig, dass die Klägerin nach ihrem Gesamtverhalten als des dienstlichen Vertrauens des Arbeitgebers unwürdig erscheinen musste, zumal dieser befürchten musste, dass die Klägerin ihre Pflichten nicht mehr getreulich erfüllen sondern weiterhin die Autorität des Geschäftsführers ständig in Frage stellen werde.

Dass der Entlassungsgrund nur durch schuldhaftes Verhalten verwirklicht wird, trifft zu. Allerdings gilt - wenngleich den Arbeitgeber die Beweislast für den Entlassungsgrund und somit auch für das Verschulden des Arbeitnehmers trifft - auch im Entlassungsrecht der Grundsatz, dass die (hier vom Arbeitgeber bewiesene) Pflichtwidrigkeit eines Verhaltens im Allgemeinen auch das Verschulden indiziert. Der Mangel des Bewusstseins der Pflichtwidrigkeit ist ebenso wie die mangelnde Zurechnungsfähigkeit oder ein Irrtum vom Arbeitnehmer zu behaupten und zu beweisen (9 ObA 305/99i). Derartiges wurde aber hier von der Klägerin weder behauptet noch bewiesen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.

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