OGH 8ObA18/24s

OGH8ObA18/24s22.5.2024

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch die Senatspräsidentin Dr. Tarmann‑Prentner als Vorsitzende sowie die Hofräte MMag. Matzka und Dr. Stefula und die fachkundigen Laienrichter Helmut Purker (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Mag. Susanne Haslinger (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei I*, vertreten durch Dr. Christoph Orgler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei D* GmbH & Co KG, *, vertreten durch die Engelbrecht Rechtsanwalts GmbH in Wien, wegen Feststellung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 22. Februar 2024, GZ 6 Ra 33/23d‑33.1, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2024:008OBA00018.24S.0522.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

Fachgebiet: Arbeitsrecht

Entscheidungsart: Zurückweisung mangels erheblicher Rechtsfrage

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] Die Beklagte zeigt in ihrer außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der in § 502 Abs 1 ZPO geforderten Qualität auf.

[2] Gemäß § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG kann „auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses geklagt werden“, wenn „ein befristetes, auf die Umwandlung in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis angelegtes Arbeitsverhältnis wegen des Geschlechtes des/der Arbeitnehmers/in oder wegen der nicht offenbar unberechtigten Geltendmachung von Ansprüchen nach diesem Gesetz durch Zeitablauf beendet worden [ist]“.

[3] 1. Wann ein befristetes Arbeitsverhältnis auf die Umwandlung in ein unbefristetes „angelegt“ ist, kann – entgegen der Zulassungsbeschwerde – nicht generell beantwortet werden, sondern hängt von den Umständen des jeweiligen Falls ab. Der festgestellte Sachverhalt lässt keinen Zweifel aufkommen, dass hier das befristete Dienstverhältnis darauf angelegt war, bei Bewährung der Klägerin in ein unbefristetes reguläres Dienstverhältnis überzugehen. Dass Erprobungsfälle grundsätzlich als auf Umwandlung iSv § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG angelegt anzusehen sind, entspricht auch der von der Beklagten selbst zitierten Literaturstelle (Kletečka/Köck in Windisch‑Graetz, GlBG2 [2022] § 12 Rz 49d). Zumal die Klägerin als Schätzmeisterin für die Beklagte arbeiten sollte, was eine entsprechende Grundausbildung und eine weitere Spezialausbildung voraussetzt, ist vom anfänglichen Willen (auch) der Beklagten, die Klägerin im Falle ihrer Bewährung dauerhaft (mithin unbefristet) zu beschäftigen, auszugehen.

[4] 2. Die Beklagte bestreitet, die Klägerin wegen ihres Geschlechts diskriminiert zu haben, mit der Begründung, sich allein deshalb für das Auslaufen des Dienstverhältnisses mit 15. 10. 2022 entschieden zu haben, weil die Klägerin den Antritt der Schwerpunktausbildung in Wien zum vereinbarten Zeitpunkt abgelehnt habe bzw mit ihr die ab Dezember 2022 in Graz zu besetzende Position nicht besetzt werden hätte können.

[5] 2.1. Dass die Klägerin den Antritt der Schwerpunktausbildung in Wien zum vereinbarten Zeitpunkt „ablehnte“, ist dem Sachverhalt nicht zu entnehmen; sie teilte bloß mit, schwangerschaftsbedingt „wahrscheinlich“ die Schwerpunktausbildung nicht termingerecht antreten zu können. Eine Verweigerung der Schwerpunktausbildung an sich lag damit nicht vor.

[6] 2.2. Eine Diskriminierung aufgrund des „Geschlechts“ liegt auch dann vor, wenn sie wegen Schwangerschaft erfolgt (EuGH C‑177/88 , Rs Dekker, Rn 10 ff; Rebhahn/Windisch‑Graetz in Windisch‑Graetz, GlBG2 [2022] § 3 Rz 39 mwN). Wird eine Frau einzig aufgrund ihrer Schwangerschaft anders behandelt als wäre sie nicht schwanger, so ist dies entgegen der Ansicht der Beklagten anerkanntermaßen zudem eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (vgl EuGH C‑438/99 , Rs Jiménez, Rn 46; C‑109/00 , Rs Tele Danmark, Rn 31; Brenn in Reissner, AngG4 [2022] § 19 Rz 100; Engshuber in MünchKommBGB9 [2023] Vor § 620 Rz 226; Gruber‑Risak in Franzen/Gallner/Oetker, Kommentar zum europäischen Arbeitsrecht5 [2024] RL 92/85/EWG Art 1 Rz 3; siehe zudem ErläutRV 415 BlgNR 23. GP  6: „nur aus diskriminierenden Gründen nicht verlängert wird, z.B. weil die Arbeitnehmerin im befristeten Arbeitsverhältnis schwanger geworden ist.“).

[7] Hier beruhte die – wahrscheinliche – Unfähigkeit der Klägerin, termingerecht die Spezialausbildung in Wien zu beginnen, einzig auf ihrer Schwangerschaft. Damit stellt ihre ungünstigere Behandlung im Zusammenhang mit ihrer Schwangerschaft – ihre Nichtverlängerung – eine (unmittelbare) Diskriminierung dar.

[8] 3. Die gesetzliche Regelung des § 12 Abs 7 GlBG wirft, soweit sie – Satz 2 – als Rechtsfolge anordnet, dass das Arbeitsverhältnis, dessen Befristungsvereinbarung nicht diskriminierend war und daher grundsätzlich mit Fristablauf endete, im Falle der diskriminierenden Nichtverlängerung doch zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses führt, zwar aus dogmatischer und systematischer Sicht Bedenken auf. Diese müssen aber, wie bereits vom Obersten Gerichtshof in 9 ObA 5/14x (Pkt III mwH) festgehalten, ausgehend von der ausdrücklichen Regelung des Gesetzgebers, unberücksichtigt bleiben. Dem Gesetzgeber ist es unbenommen, Rechtsfolgen anzuordnen, die sich in die bisherige Rechtsordnung und die daraus resultierende Dogmatik schwer einfügen lassen (zutr Burger, Entschädigung trotz Entfristung? DRdA 2015, 16 [17]).

[9] 4. Im Ergebnis läuft die Bestimmung des § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG, indem sie in den angeführten Diskriminierungsfällen dem Arbeitnehmer das Recht einräumt, auf Feststellung des unbefristeten Bestehens des Arbeitsverhältnisses zu klagen, auf einen bei der Begründung eines Arbeitsverhältnisses nicht vorgesehenen Kontrahierungszwang des Arbeitgebers hinaus (Windisch‑Graetz in Neumayr/Reissner, ZellKomm3 § 12 GlBG Rz 10/1 aE; zu anderen solchen Fällen Schickmair, Kontrahierungszwang [2020] 96 ff). Dass der deutsche Gesetzgeber keinen solchen in Fällen wie dem hier vorliegenden statuiert hat (vgl Thüsing in MünchKommBGB9 [2021] § 15 AGG Rz 42; Horcher in Hau/Poseck, BeckOK BGB [69. Edition 2024] § 15 AGG Rz 62 ff), ändert nichts an der Gültigkeit der Gesetzesbestimmung. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Vorschrift des § 12 Abs 7 Satz 2 GlBG bestehen nicht, weshalb auch insofern kein Grund zur Zulassung der außerordentlichen Revision besteht (vgl RS0116943; RS0122865).

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