OGH 8ObA12/99v

OGH8ObA12/99v28.1.1999

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer und Dr. Adamovic sowie die fachkundigen Laienrichter Divr. Mag. Dr. Gerhard Fuchs und Ernst Boran als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Rainer M*****, Metallfacharbeiter, ***** vertreten durch Dr. Gerhard Hiebler, Rechtsanwalt in Leoben, wider die beklagte Partei G*****gesellschaft mbH in Liquidation, ***** vertreten durch Dr. Peter Bartl und Dr. Anton Cuber, Rechtsanwälte in Graz, wegen S 152.077,14 (Revisionsstreitwert S 130.000,--) netto sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 21. Oktober 1998, GZ 7 Ra 203/98x-33, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Leoben als Arbeits- und Sozialgericht vom 4. Juni 1998, GZ 25 Cga 53/97v-25, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt.

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Der Kläger ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 7.605,-- bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin S 1.267,50 USt) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Rechtliche Beurteilung

Der als Metallfacharbeiter bei der beklagten Partei beschäftigte Kläger war überwiegend auf einer Baustelle in Berlin eingesetzt. Für seine und die Zureise von Arbeitskollegen stand zunächst immer ein Firmen-KFZ zur Verfügung; als dieses nicht verwendet werden konnte, fuhr der Kläger über Weisung seines Arbeitgebers mit seinem eigenen PKW mit einem Arbeitskollegen nach Berlin. Dabei war vereinbart, daß die Fahrt nach Berlin und die (jeweiligen) Fahrten von der Wohnung zur Baustelle (und zurück) als Dienstreisen anerkannt werden. Anläßlich eines Besuches in einer Diskothek wurde dem Kläger sein PKW am Kurfürstendamm in Berlin gestohlen (Golf GTI, Baujahr 1991, Zeitwert S 95.000,--). Streitgegenstand im Rechtsmittelverfahren ist nur mehr der vom Kläger geforderte Ersatz für den von ihm mit S 130.000,-- bewerteten PKW.

Die rechtliche Begründung des Berufungsgerichtes, dem Kläger gebühre für den aus Anlaß einer privaten Freizeitgestaltung gestohlenen PKW im Rahmen der Risikohaftung des Arbeitgebers (für "arbeitsadäquate" Schäden) kein Ersatz, ist zutreffend (§ 510 Abs 3 ZPO).

Den Revisionsausführungen ist zu erwidern:

Der in erster Instanz qualifiziert vertreten gewesene Kläger hat es unterlassen rechtzeitig vorzubringen, daß am Zielort seines Auslandseinsatzes gegenüber der Verwendung seines privaten PKW im Heimatbereich des Klägers ein deutlich erhöhtes Diebstahlrisiko bestünde; dies erst im Rechtsmittelverfahren nachzuholen, ist ihm durch das Neuerungsverbot verwehrt. Die vom Kläger bemühte Notorietät im Sinne des § 269 ZPO bedeutet eine Beweisbefreiung, enthebt ihn aber nicht von der Verpflichtung, die Tatsachen des anspruchsbegründenden Sachverhaltes vollständig vorzubringen. Die Ansicht von Fasching, diese offenkundigen Tatsachen müßten nicht einmal behauptet werden (LB2 Rz 852; Rechberger-Rechberger ZPO Rz 4 zu § 269), mag für wirklich offenkundige Erfahrungssätze usw erwogen werden. Dies trifft aber für die angeblich deutlich höhere Diebstahlsgefährdung in Berlin (im Vergleich zur Steiermark) mit Sicherheit nicht zu. Der Hinweis auf "ärmere Gebiete, insbesondere im ehemaligen Ostblock oder nahe diesem" trifft auf Berlin (und Teile des ehemaligen Westteils im Stadtzentrum von Berlin) sicher nicht zu, kann aber jedenfalls nicht ohne diesbezügliche Tatsachenbehauptung als notorisch angesehen werden. Der in einer Kleinstadt beheimatete Kläger wird sich für Freizeitveranstaltungen auch häufig in urbanere Gebiete begeben haben, ohne daß damit nach seiner subjektiven Einschätzung eine Erhöhung des typischen Diebstahlsrisikos verbunden gewesen wäre. Insoweit hat der Sachverhalt gewisse Ähnlichkeiten mit dem der Entscheidung 9 ObA 148/88 zugrundeliegenden (Rückfahrt nach einem Stadtbummel während einer Dienstreise), weshalb der Anwendungsbereich des DHG verneint wurde.

Der besondere Risikozusammenhang (Löschnigg/Reissner, Arbeitgeberhaftung für Sachschäden auf der Dienstreise, ecolex 1991, 110, 114) mit der Erfüllung des Arbeitsauftrages ist bei einem Diebstahl während einer Freizeitgestaltung grundsätzlich zu verneinen. Entscheidend ist die von F. Bydlinski (in Die Risikohaftung des Arbeitgebers, 1986), hervorgehobene Abgrenzung des "allgemeinen Lebensriskos" (aaO 73 ff) gegenüber dem spezifischen Risiko der Erfüllung des Auftrages oder Dienstvertrages, wobei die Auffassung eines erfahrenen und sorgfältigen Durchschnittsbeobachters darüber, ob bei Begründung (bzw relevanter Ausgestaltung, etwa durch Weisung) des Auftrages oder des Dienstvertrages die Wahrscheinlichkeit des später tatsächlich eingetretenen Schadens höher erscheint, als würde der Auftrag - oder Dienstnehmer im voraussehbaren Zeitraum dieses Vertrages (oder seiner relevanten Ausgestaltung) statt dessen nur im Privatleben (bzw im Dienst ohne Sacheinsatz, was ein privates Risiko ausschließt) tätig sein (aaO 75), den Maßstab bildet. Eine Erhöhung des Risikos des Verlustes oder der Beschädigung des PKW des Klägers in einem erheblichen Ausmaß ist bei Besuchen von Diskotheken in Berlin gegenüber solchen im Umkreis der Heimat des Klägers nicht erkennbar. Allenfalls erhöhte Risken der Großstadt (Diebstahl, Parkschäden usw) werden durch die erhöhten Risken der Hin- und Rückfahrt im ländlichen Bereich soweit aufgewogen, daß hinsichtlich der durch die Entsendung des Klägers in das Ausland bewirkten örtlichen Veränderung im Freitzeitbereich des Klägers kein signifikanter Unterschied der Risikoprognose bewirkt wird. Die bei Bydlinski (aaO 80 f) angeführten Haftungsvoraussetzungen treffen für den privat veranlaßten Diskothekenbesuch des Klägers nicht zu. Ein wirtschaftlicher Vorteil durch die Verwendung des Dienstnehmerfahrzeuges (aaO 82) im Freizeitbereich des Arbeitnehmers ist für den Arbeitgeber typischerweise nicht gegeben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.

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