European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2018:E121400
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit 833,88 EUR (darin 138,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.
Begründung:
Die Beklagte kontaktierte die Klägerin, eine Rechtsanwaltsgesellschaft, erstmals im September 2014 telefonisch, um mit einem Anwalt die Lage in einem bereits laufenden Gerichtsverfahren zu erörtern, in dem sie einen Schadenersatzanspruch von 239.500 EUR wegen Mobbings geltend gemacht hatte. Zu Beginn des Gesprächs erkundigte sie sich nach dem Honorar der Beklagten, worauf ihr erklärt wurde, dass manchmal bei längeren Mandaten ein fixer Stundensatz von 300 EUR netto (für Rechtsanwaltsanwärter 220 EUR netto) vereinbart wurde, grundsätzlich aber (oder) eine Abrechnung der Einzelleistungen nach dem RATG nach der gemeinsam festzulegenden Bemessungsgrundlage erfolge. Das Telefonat, in dem die Beklagte unter anderem den Inhalt ihres laufenden Schadenersatzverfahrens schilderte, dauerte rund 50 Minuten. Unentgeltlichkeit wurde dafür nicht vereinbart.
Am 8. 10. 2014 erschien die Beklagte zu einer Besprechung in der Kanzlei der Klägerin und brachte verschiedene Verfahrensunterlagen, insbesondere zum Schadenersatzprozess (239.500 EUR) mit, die der Rechtsanwalt mit ihr durchsah. Die Beklagte nahm immer wieder auf dieses Verfahren Bezug und stellte Fragen dazu, äußerte aber auch zahlreiche andere juristische Anliegen, die sie durchsetzen wolle. In dem Gespräch, das von 16:20 bis 20:00 Uhr dauerte, wurden mögliche Konfliktstrategien erörtert und wie der hohe Schadenersatzanspruch durchzusetzen wäre.
Am folgenden Tag besprach der Rechtsanwalt mit einem Konzipienten die Strategie und das weitere Vorgehen im Fall der Beklagten. Sie arbeiteten ausschließlich an diesem Fall von kurz vor 9:00 Uhr bis 19:30 Uhr, je mit einer Stunde Mittagspause.
Ein zweiter Besprechungstermin mit der Beklagten fand am 16. 10. 2014 in der Dauer von 150 Minuten statt. Dieser hatte unter anderem die Frage der Finanzierung zum Gegenstand. Der Rechtsanwalt erörterte der Beklagten wieder verschiedene Abrechnungsvarianten – nach Stundensatz, nach Einzelleistungen und Einheitssatz – wobei er ihr diese auf einer Skizze erläuterte und ein Rechenbeispiel anhand ihres eigenen Aktes und eines Streitwerts von 250.000 EUR erstellte. Er erklärte der Beklagten ferner, dass wenn nichts anderes vereinbart werde, die Honorarabrechnung nach dem RATG erfolge. Die Beklagte erwiderte darauf, sich beim Gesetz ohnehin „am besten aufgehoben“ zu fühlen.
Am 9. 12. 2014 tätigte der Rechtsanwalt bei der Beklagten einen erbetenen Rückruf. In dem rund 5 Minuten dauernden Telefonat vereinbarten sie, dass vorerst nichts zu unternehmen sei und sich die Beklagte nach Weihnachten wieder melden werde.
Nachdem dies in der Folge nicht geschah, übersandte die Klägerin der Beklagten am 16. 11. 2015 die streitgegenständliche Honorarnote, in der sie für 15/2 Stunden telefonischer und persönlicher Besprechungen nach TP 8 Abs 1 und 2 RATG bei einer Bemessungsgrundlage von 235.000 EUR insgesamt 9.526,56 EUR verrechnete.
Die Beklagte bestritt die Höhe der Forderung und das Ausmaß des verrechneten Aufwands. Sie wandte ein, es sei ein fixer Stundensatz von 300 EUR vereinbart worden.
Aufgrund einer Zahlung der Beklagten von 2.040,98 EUR schränkte die Klägerin ihr Begehren um diesen Betrag ein.
Das Erstgericht gab dem eingeschränkten Klagebegehren statt. Zwischen den Streitteilen sei ein Vertrag über die Erbringung anwaltlicher Leistungen geschlossen worden. Mangels anderer Vereinbarung seien die Leistungen der Rechtsanwalts nach dem RATG zu entlohnen, dessen § 3 in Zivilrechtssachen den Wert des Streitgegenstands als Bemessungsgrundlage festlege. Auch wenn die Klägerin die Beklagte in ihrem Schadenersatzverfahren letztlich nicht vor Gericht vertreten habe, sei dieses Verfahren doch das zentrale Thema aller Besprechungen gewesen und daher sein Streitwert mangels anderer Vereinbarung für die Bemessung heranzuziehen.
Das Berufungsgericht gab dem Rechtsmittel der Beklagten keine Folge. Es übernahm die getroffenen Feststellungen als Ergebnis einer mangelfreien Beweiswürdigung und billigte im Ergebnis die darauf gegründete rechtliche Beurteilung des Erstgerichts.
Das dem Rechtsanwalt grundsätzlich gebührende angemessene Entgelt sei, soweit dafür ein gesetzlicher Tarif bestehe, mit den dort vorgesehenen Beträgen anzusetzen. Die Beklagte sei auch hinreichend über die Berechnung des Honorars aufgeklärt worden. Die Bemessungsgrundlage sei ebenfalls angemessen, weil die Beklagte das anhängige Verfahren mit dem Streitwert von 239.500 EUR zu einem zentralen Thema der Besprechungen erhoben habe und zahlreiche weitere juristische Anliegen noch hinzugekommen seien.
Das Berufungsgericht erklärte über Antrag der Beklagten nachträglich die ordentliche Revision für zulässig, weil der Frage, ob auch bei fehlender unmittelbarer Anwendbarkeit des RATG im Wege des § 1152 ABGB ein Honoraranspruch nach den Ansätzen dieses Gesetzes zu berechnen sei, über den Einzelfall hinaus Bedeutung zukomme.
Rechtliche Beurteilung
Die von der Klägerin beantwortete Revision der Beklagten ist entgegen dem – nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig, weil keine entscheidungswesentlichen Rechtsfragen von der im § 502 Abs 1 ZPO beschriebenen Art zu lösen sind.
1. Es entspricht der höchstgerichtlichen Rechtsprechung, dass das Honorar eines Rechtsanwalts a) vorrangig entsprechend einer getroffenen Vereinbarung, b) mangels Vereinbarung nach dem RATG, sowie c) mangels eines in Frage kommenden Tarifs nach § 1152 ABGB zu ermitteln ist, wobei jede Rechtsgrundlage in dieser Reihe die nachfolgende ausschließt (RIS‑Justiz RS0071999).
Da für die von der klagenden Partei erbrachten Leistungen nach TP 8 RATG ein Tarif vorgesehen ist, entspricht dessen Verrechnung der nach den für den Obersten Gerichtshof bindenden Feststellungen ohnehin zugrunde zu legenden vereinbarten Anwendung. Die Frage einer lediglich in Ermangelung eines Tarifs erforderlichen subsidiären Ermittlung des Entgelts nach § 1152 ABGB stellt sich in dieser Konstellation überhaupt nicht.
2. Die Anwendung der Tarifansätze des RATG ist nicht davon abhängig, ob sich der Anwalt mit dem Klienten ausdrücklich auf eine Bemessungsgrundlage geeinigt hat, weil das Gesetz selbst Kriterien für deren objektive Bestimmung enthält.
Die konkrete Bemessung hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Wenn die Vorinstanzen hier davon ausgegangen sind, dass der Streitwert des anhängigen Prozesses, dessen Unterlagen die Beklagte dem Rechtsanwalt vorlegte und der im Zentrum ihrer mit ihm erörterten rechtlichen Anliegen stand, als Bemessungsgrundlage heranzuziehen war, ist dies jedenfalls nicht unvertretbar. Dazu ist anzumerken, dass die gesetzlichen Honorarbeträge nach TP 8 RATG gedeckelt sind und der hier verrechnete höchste Tarif schon ab einer Bemessungsgrundlage von 141.700 EUR erreicht wird. Selbst wenn die Vorinstanzen nur von dieser wesentlich geringeren Bemessungsgrundlage ausgegangen wären, hätte sich daher an der Honorarsumme nichts geändert.
3. Wenn die Revision schließlich vorbringt, dass die Klägerin ihr den festgestellten kanzleiinternen Rechercheaufwand von 2 x 9 1/2 Stunden nicht in Rechnung gestellt habe und dies als Indiz für die Vereinbarung eines Einzelstundensatzes zu werten sei, unternimmt sie den in dritter Instanz unzulässigen Versuch einer Bekämpfung der Beweiswürdigung.
Die Argumentation der Beklagten ist darüber hinaus unschlüssig. Das RATG sieht für rechtliche Recherchen und interne Besprechungen des Rechtsanwalts keinen eigenen Tarifansatz vor, sodass die Klägerin folgerichtig bei Anwendung des RATG keinen solchen Aufwand in Rechnung stellen konnte.
Wohl hätte die Klägerin aber diesen Rechercheaufwand verrechnen können, wenn es zu der von der Beklagten behaupteten Vereinbarung einer Abrechnung nach fixen Stundensätzen gekommen wäre. In diesem Fall wären dafür zu den angefangenen 8 Stunden an Besprechungen bzw Telefonaten noch 9,5 Rechtsanwaltsstunden á 300 EUR und 9,5 Konzipientenstunden á 220 EUR hinzugetreten, woraus sich ein Honorar von 8.808 EUR inklusive USt (also nicht wesentlich weniger als der verrechnete Betrag) ergeben hätte.
4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die klagende Partei hat in ihrer Revisionsbeantwortung zutreffend auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen (vgl RIS‑Justiz RS0035962).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)