European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2014:0080OB00091.14M.0929.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).
Die Antragstellerin ist schuldig, den Antragsgegnern die mit 492,57 EUR (darin enthalten 82,09 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
Die Antragstellerin ist Alleineigentümerin von zwei Grundstücken, die im aktuellen Flächenwidmungsplan der Gemeinde als „Freifläche Landwirtschaft“ gewidmet sind. Eines dieser Grundstücke ist eine Wiese, auf dem anderen befindet sich eine Hütte, die einen Wohnteil aufweist. Am 4. 11. 1993 langte in Bezug auf die Hütte beim Gemeindeamt die „Anzeige von privaten Ferienwohnungen“ (gemäß Art II Abs 2 und 3 des [Vorarlberger] Gesetzes über eine Änderung des Raumplanungsgesetzes, LGBl 1993/27) ein. Seit etwa dem Jahr 2002 vermietet die Antragstellerin die Hütte im Sommer und im Winter an Feriengäste. Die Grundstücke der Antragstellerin werden über einen geschotterten Weg erschlossen, der von der Gemeindestraße über die Grundstücke der früheren Erst‑ und Zweitantragsgegner (mit diesen wurde ein Vergleich geschlossen) sowie über die Grundstücke des Viertantragsgegners und der Drittantragsgegnerin führt. Die in Rede stehende Hütte ist rund 200 m vom öffentlichen Wegenetz entfernt; 120 m verlaufen über fremde Grundstücke, rund 62 m davon auf dem Grundstück des Viertantragsgegners. Hinsichtlich der Grundstücke der Dritt- und Viertantragsgegner steht der Antragstellerin ein Geh‑ und Fahrrecht zu landwirtschaftlichen Zwecken zu. Die Dritt- und Viertantragsgegner akzeptieren zudem, dass die Gäste der Antragstellerin über den vorhandenen Schotterweg zur Hütte zugehen, sowie dass die Klägerin und ihre Familienangehörigen im Zusammenhang mit der Vermietung der Hütte zu dieser zufahren. Mit einem Zufahren auch der Gäste der Antragstellerin mittels PKW sind sie aber nicht einverstanden.
Die Antragstellerin begehrte die Einräumung eines Notwegerechts in Form eines Fahrrechts durch Mitbenützung des Schotterwegs auf den Grundstücken der Dritt- und Viertantragsgegner für Fahrzeuge aller Art zur Erschließung ihrer Grundstücke zum Zweck der Nutzung der darauf befindlichen Ferienwohnung. Ohne Notweg bestehe keine Möglichkeit, ihre Grundstücke und damit die Ferienwohnung ordentlich zu bewirtschaften. Bei der Hütte handle es sich um ein Ferienhaus, das über die Widmung „Ferienwohnung“ verfüge. Eine Untersagung der Nutzung der Hütte als Ferienwohnung durch die Gemeinde sei nicht erfolgt.
Die Dritt- und Viertantragsgegner entgegneten vor allem, dass die Grundstücke der Antragstellerin im Flächenwidmungsplan der Gemeinde als „Freifläche Landwirtschaft“ gewidmet seien. Bei der Hütte handle es sich demnach nicht um ein Ferienhaus. Vielmehr werde das Gebäude im Rahmen der landwirtschaftlichen Nutzung fallweise an Gäste vermietet. Ein Zugangsrecht zum Zweck der Gästevermietung werde zugestanden. Ein Fahrrecht zu Ferienzwecken sei aber nicht erforderlich.
Das Erstgericht gab (im zweiten Rechtsgang) dem Antrag statt und räumte der Antragstellerin ein Notwegerecht in Form eines Fahrrechts über den Schotterweg auf den Grundstücken der Dritt- und Viertantragsgegner ‑ in einer Breite von 3,2 m für Fahrzeuge aller Art ‑ zur Erschließung der Grundstücke der Antragstellerin ein. Gleichzeitig wurde die Antragstellerin zur Zahlung eines Entschädigungsbetrags von 3.000 EUR an die Drittantragsgegnerin und von 3.500 EUR an den Viertantragsgegner verpflichtet.
Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung hinsichtlich der Einräumung des Notwegerechts. Die Entschädigungsbeträge setzte es auf 500 EUR für die Drittantragsgegnerin und 1.000 EUR für den Viertantragsgegner herab. Auf Basis des Gesetzes über eine Änderung des Raumplanungsgesetzes, LGBl 1993/27, sei eine Nutzung der Hütte als Ferienwohnung nach dem Raumplanungsgesetz zulässig. Dass es sich dabei nicht um eine „Widmung“ handle, ändere nichts an der Zulässigkeit der Nutzung sowie am Umstand, dass die Grundstücke der Antragstellerin notleidend seien. Für die Entschädigung wegen Wertminderung sei im Fall einer Mitbenützung fremder Privatwege die Differenz der Verkehrswerte der Grundstücke des Eigentümers des belasteten Grundstücks vor und nach der Einräumung des Notweges maßgeblich. Zudem seien die Mehrauslagen für die Wegerhaltung durch die Mehrbelastung zu berücksichtigen. Konkret handle es sich dabei um die Mehrkosten, die dadurch entstünden, dass auch die Feriengäste der Antragstellerin zur Hütte zufahren. Die Höhe dieser Mehrkosten könne nur nach § 34 AußStrG eingeschätzt werden. Nicht zu berücksichtigen seien die Kosten der Schneeräumung, weil es sich dabei nicht um Kosten für die Erhaltung der Weganlage, sondern um Kosten handle, die durch die Benützung des Weges entstünden. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob im Fall der Einräumung eines Notweges durch Mitbenutzung eines schon bestehenden Weges die Schneeräumungskosten als Kosten der Wegbenützung in die Entschädigungssumme fielen, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs der Antragsgegner, der auf eine Abweisung des Antrags auf Einräumung des Notweges abzielt.
Mit ihrer Revisionsrekursbeantwortung beantragt die Antragstellerin, das Rechtsmittel der Gegenseite zurückzuweisen, in eventu, diesem den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem ‑ den Obersten Gerichtshof nicht bindenden ‑ Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
1. Ein vom Rekursgericht verneinter Verfahrensmangel erster Instanz kann im vorliegenden Außerstreitverfahren in dritter Instanz nicht mehr geltend gemacht werden (RIS‑Justiz RS0030748; RS0050037). Mit ihren Ausführungen im Zusammenhang mit dem eingeholten Sachverständigengutachten vermögen die Antragsgegner daher keine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Worin sie konkret eine Aktenwidrigkeit erblicken (vgl dazu RIS‑Justiz RS0043284), lässt sich dem Revisionsrekurs nicht entnehmen.
2. Inhaltlich vertreten die Antragsgegner im Wesentlichen die Ansicht, dass die vorliegende Nutzung dem (Vorarlberger) Raumplanungsgesetz widerspreche, weil die (notleidenden) Grundstücke im Flächenwidmungsplan als „Freifläche Landwirtschaft“ ausgewiesen seien, die maßgebende öffentlich‑rechtliche Widmung daher auf „Landwirtschaft“ laute und eine Nutzung als Ferienwohnung iSd § 14 Abs 15 des Raumplanungsgesetzes (iVm dem Gesetz über eine Änderung des Raumplanungsgesetzes, LGBl 1993/27), keine Widmung im Sinn des Raumplanungsgesetzes sei. Auf eine landwirtschaftliche Nutzung sei das Notwegegesetz nicht anzuwenden. Zur Entschädigung verweisen sie vor allem auf eine (andere) Entscheidung des Rekursgerichts, in der auch die Kosten für Steuen, Räumen und Reinigen für den Zeitraum von 25 Jahren, abgezinst, in den Entschädigungsbetrag hineingerechnet worden seien.
3. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass trotz Zulässigerklärung des Revisionsrekurses der Rechtsmittelwerber eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen muss. Auch allein der Umstand, dass Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu einer bestimmten Fallgestaltung fehlt, bedeutet noch nicht, dass die Entscheidung auch von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt (RIS-Justiz http://www.ris.bka.gv.at/Ergebnis.wxe?Abfrage=Justiz&Rechtssatznummer=RS0102181&SkipToDocumentPage=True ).
4.1 Die aus dem Rechtssatz zu RIS‑Justiz RS0070979 von den Antragsgegnern abgeleitete Ansicht, dass es für die Einräumung eines Notweges nicht auf die derzeit faktische Nutzung, sondern ausschließlich auf die öffentlich‑rechtliche Widmung ankomme, ist verkürzt. Dieser Rechtssatz lautet vollständig wie folgt: „Ist ein Grundstück in dem Bebauungsplan als Bauparzelle einbezogen, dann ist sein Bedarf nach einem entsprechendem Notweg nicht nach seiner derzeitigen Kulturgattung oder Nutzung, sondern nach seiner Widmung als Baugrund zu beurteilen.“
Wie schon das Rekursgericht zutreffend hervorgehoben hat, betreffen die zugrunde liegenden Entscheidungen Fälle, in denen ein als Bauland gewidmetes Grundstück tatsächlich noch nicht als bebautes Grundstück genutzt wurde. Dennoch war die zulässige künftige Nutzung zu berücksichtigen. Nach der Judikatur ist nämlich auch auf einen durch einen Willensentschluss des Eigentümers geschaffenen Bedarf Bedacht zu nehmen (7 Ob 208/02t mwN). Selbst eine angestrebte Widmungsänderung kann die Einräumung eines Notweges rechtfertigen, sofern die angestrebte Widmungsänderung nicht dem öffentlichen Recht widerspricht (8 Ob 504/93; 7 Ob 616/93).
4.2 Es ergibt sich somit, dass unter den Begriffen der ordentlichen Bewirtschaftung oder Benützung iSd § 1 NWG jede nach den öffentlich‑rechtlichen Vorschriften zulässige Bewirtschaftungsart zu subsumieren ist. Dabei ist unter der für eine ordentliche Bewirtschaftung oder Benützung erforderlichen Wegverbindung jener Nutzen zu verstehen, den die Liegenschaft nach ihrer Natur und Beschaffenheit gewähren kann (RIS‑Justiz RS0070994).
4.3 Nach dem hier maßgebenden Gesetz über eine Änderung des Raumplanungsgesetzes, LGBl 1993/27, dürfen davon betroffene Wohnungen und Wohnräume als Ferienwohnungen iSd § 14 Abs 5 des Raumplanungsgesetzes benützt werden. Damit handelt es sich um eine öffentlich‑rechtliche zulässige Nutzung bzw Bewirtschaftungsart der Hütte der Antragstellerin, sodass die Voraussetzungen des § 1 NWG gegeben sind.
4.4 Die Argumentation des Rekursgerichts entspricht diesen Grundsätzen. Mit ihren gegenteiligen Ausführungen zeigen die Antragsgegner keine erhebliche Rechtsfrage auf. Dies gilt auch für ihre Überlegung, ob überhaupt von einer Anzeige nach dem Gesetz über eine Änderung des Raumplanungsgesetzes ausgegangen werden könne. Es steht nämlich fest, dass am 4. 11. 1993 auf dem Gemeindeamt hinsichtlich des in Rede stehenden Objekts die Anzeige von privaten Ferienwohnungen gemäß Art II Abs 2 und 3 des erwähnten Gesetzes einlangte. Dass die Gemeinde die Nutzung als Ferienwohnung untersagt hätte, haben die Antragsgegner nicht einmal behauptet.
Den Ausführungen der Antragsgegner, die von einer landwirtschaftlichen Nutzung der notleidenden Grundstücke ausgehen und die sich auf eine Privatzimmervermietung im Rahmen einer Nebenerwerbslandwirtschaft beziehen, kommt keine Bedeutung zu. Soweit die Antragsgegner auf Egglmeier (Notweg und Rechtsprechung, bbl 1998, 62) Bezug nehmen, sind sie auf deren Aussage zu verweisen, wonach die (Be‑)Nutzung einer ‑ landwirtschaftlichen Zwecken gewidmeten ‑ Liegenschaft zu Wohnzwecken nicht unter den Anwendungsbereich des GSGG fällt, sondern für diesen Fall nur eine Notwegseinräumung im außerstreitigen Verfahren in Betracht kommt. Für die Frage der zulässigen Nutzung der Hütte ist hier auch unerheblich, ob die Antragstellerin das Gebäude selbst bewohnt, zumal nach den einschlägigen Gesetzesmaterialien die Bewilligung zur Nutzung als Ferienwohnung (iSd § 14 Abs 15 des Raumplanungsgesetzes) auch die Überlassung an Dritte zu Ferienzwecken umfasst.
5.1 Das Rekursgericht hat den Revisionsrekurs zur Frage zugelassen, ob in die vom Notwegeberechtigten zu leistende Entschädigungssumme auch die Kosten der Wegbenützung, konkret die Schneeräumungskosten, fallen.
Bei Einräumung einer Mitbenützung fremder Privatwege umfasst die dem Grundeigentümer zu leistende Entschädigung die Wertminderung der betroffenen Grundstücke und abweichend von § 483 Satz 2 und § 494 ABGB auch die Mehrauslagen der künftigen Wegerhaltung (vgl 6 Ob 108/99x). Wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben, sind hinsichtlich der Erhaltungskosten nur die Mehrkosten zu berücksichtigen, die durch das Zufahren auch der Feriengäste der Antragstellerin zu ihrer Hütte entstehen. Die Antragsgegner begründen inhaltlich nicht, warum die Schneeräumungskosten aus diesem Grund höher sein sollen. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt dazu nicht vor.
5.2 Ob eine Entschädigungssumme angemessen ist, stellt stets eine Entscheidung des Einzelfalls dar (vgl RIS‑Justiz RS0087732). Auf die von der Rechtsprechung und Lehre bei der Festsetzung der Höhe der Entschädigung zu berücksichtigenden Kriterien nach den §§ 5 Abs 1 und 6 NWG hat das Rekursgericht ausreichend und ohne Überschreitung seines Ermessensspielraums Bedacht genommen.
5.3 Mit den übrigen Ausführungen im Revisionsrekurs wiederholen die Antragsgegner lediglich schlagwortartig ihre Argumentation im Rekurs zu typischen Umständen des Einzelfalls, die das Rekursgericht mit in jedem Fall vertretbarer Begründung entkräftet hat. Auch die wiederholt monierten sekundären Feststellungsmängel liegen nicht vor. Schließlich kann die Kostenentscheidung des Rekursgerichts vor dem Obersten Gerichtshof nicht bekämpft werden.
6. Insgesamt gelingt es den Antragsgegnern damit nicht, mit ihren Ausführungen eine erhebliche Rechtsfrage aufzuzeigen. Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Verfahrenskosten in dritter Instanz gründet sich auf § 25 Abs 1 NWG. Eine Kostenersatzpflicht trifft nur den Eigentümer des notleidenden Grundstücks (vgl RIS‑Justiz RS0071335).
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