OGH 8Ob83/22x

OGH8Ob83/22x30.8.2022

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.‑Prof. Dr. Kuras als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen Dr. Tarmann‑Prentner und Mag. Korn und die Hofräte Dr. Stefula und Dr. Thunhart als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei M*, vertreten durch die Kinberger‑Schuberth‑Fischer Rechtsanwälte GmbH in Zell am See, gegen die beklagten Parteien 1. J*, und 2. H* GesmbH, *, beide vertreten durch Mag. Friedrich Kühleitner und Mag. Franz Lochbichler, Rechtsanwälte in Schwarzach im Pongau, wegen 14.944,20 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 24. März 2022, GZ 53 R 36/22h‑14, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 3. Februar 2022, GZ 5 C 506/21a-9 und das vorangegangene Verfahren wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs als nichtig aufgehoben wurden, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2022:0080OB00083.22X.0830.000

Rechtsgebiet: Zivilrecht

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei ist schuldig den beklagten Parteien die mit 1.205,96 EUR (darin 200,99 EUR USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

 

Begründung:

[1] Die Klägerin begehrte mit ihrer Mahnklage 14.944,20 EUR sA an Rechtsanwaltskosten und brachte dazu vor, dass es auf ihrer Liegenschaft aufgrund von Baumängeln auf der benachbarten Liegenschaft der Beklagten zu einem Wassereintritt gekommen sei, der das Mauerwerk beschädigt habe. Die Beklagten hätten zugesagt die Schäden zu beheben und „sämtliche im Zusammenhang stehenden Aufwendungen und Kosten (auch Anwaltskosten)“ zu übernehmen. Das Klagebegehren werde sowohl auf den Titel des Schadenersatzes aufgrund von Immissionen als auch auf das Anerkenntnis gestützt. Später dehnte die Klägerin das Klagebegehren aufgrund der zwischenzeitlich anerlaufenen weiteren Rechtsanwaltskosten auf 21.740,14 EUR sA aus, zog diese Klagsausdehnung aber – nachdem die Beklagten die sachliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts eingewendet hatten – wieder zurück.

[2] Die Beklagten bestritten und beantragten die Abweisung des Klagebegehrens.

[3] Das Erstgericht wies die Klage wegen sachlicher Unzuständigkeit zurück, weil der Gesamtbetrag der geltend gemachten Forderung ungeachtet der Zurücknahme der Klagsausdehnung die für die sachliche Zuständigkeit des Bezirksgerichts geltende Wertgrenze überschreite.

[4] Das Rekursgericht hob den Beschluss des Erstgerichts sowie das vorangegangene erstinstanzliche Verfahren als nichtig auf und wies die Mahnklage wegen Unzulässigkeit des Rechtswegs zurück. Die von der Klägerin beanspruchten Aufwendungen für ihren Rechtsbeistand seien als vorprozessuale Kosten zu qualifizieren, die in Akzessorietät zum Hauptanspruch stünden. Nach dem Vorbringen der Klägerin sei ihr Schadenersatzanspruch bislang nicht befriedigt worden, weshalb der gesonderten Einklagung der zur Durchsetzung dieses Anspruchs aufgewendeten Anwaltskosten das von Amts wegen aufzugreifende Prozesshindernis der Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegenstehe.

[5] Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Klägerin mit dem Antrag, den Beschluss des Rekursgerichts aufzuheben, dem Rekurs der Klägerin Folge zu geben und dem Erstgericht die Fortsetzung des Verfahrens aufzutragen.

[6] Die Beklagten beantragen, den Rekurs der Klägerin zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[7] Da das Rekursgericht die Klage aus einem Grund zurückgewiesen hat, der nicht Gegenstand der erstgerichtlichen Entscheidung war, ist der Rekurs in Analogie zu § 519 Abs 1 Z 1 ZPO unabhängig vom Vorliegen einer Rechtsfrage von der Qualität des § 528 Abs 1 ZPO zulässig (RIS‑Justiz RS0116348; Musger in Fasching/Konecny 3 Ⅳ/1 § 519 ZPO Rz 64 mwN). Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

[8] 1. Der Anspruch auf Kostenersatz richtet sich nach den Regeln des Verfahrensrechts und kann deshalb nicht ohne weiteres auf allgemeine schadenersatzrechtliche Grundsätze gestützt werden (M. Bydlinski in Fasching/Konecny 3 § 40 ZPO Rz 14). Kostenforderungen müssen im Verfahren über den Hauptanspruch geltend gemacht werden und können deshalb grundsätzlich nicht gesondert eingeklagt werden, wenn über die Hauptsache noch gar kein Prozess anhängig ist (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rn 1.4 mwN). Einer gesonderten Einklagung dieser Kosten steht die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegen (Fucik in Rechberger/Klicka 5 Vor § 40 ZPO Rz 5). Dies gilt auch für vorprozessuale Kosten, wie sie etwa mit der Einmahnung des Anspruchs, der Beweissammlung oder der Prozessvorbereitung verbunden sind (RS0035770).

[9] 2. Auch mit der Einführung des § 1333 Abs 3 ABGB wurde keine selbständige Anspruchsgrundlage betreffend den Ersatz anwaltlicher Kosten für außergerichtliche Betreibungs‑ und Einbringungsmaßnahmen geschaffen, weshalb sie, solange die Kosten anwaltlicher Tätigkeit in Akzessorietät zum Hauptanspruch stehen, durch Rechtsanwälte weiterhin als vorprozessuale Kosten im Kostenverzeichnis geltend zu machen sind, sodass ihrer klagsweisen Geltendmachung die Unzulässigkeit des Rechtswegs entgegensteht (RS0120431).

[10] 3. Nach ständiger Rechtsprechung können vorprozessuale Kosten erst dann selbständig eingeklagt werden, wenn kein Hauptanspruch mehr besteht (RS0035826; RS0111906). Das ist nur dann der Fall, wenn kein Prozess in der Hauptsache mehr eingeleitet werden kann (RS0111906). Die Voraussetzungen für die selbständige Einklagbarkeit sind vom Kläger zu behaupten (RS0035826 [T14]). Im vorliegenden Fall hat die Klägerin nicht vorgebracht, dass die eingetretenen Schäden bereits behoben oder zumindest ersetzt worden wären, weshalb der Schadenersatzanspruch – auch wenn er von den Beklagten anerkannt worden wäre – nach wie vor eingeklagt werden könnte.

[11] 4. Dennoch können vorprozessuale Kosten auch dann mit selbständiger Klage geltend gemacht werden, wenn sie Inhalt einer privatrechtlichen Vereinbarung, insbesondere eines Vergleichs oder eines Anerkenntnisses geworden sind und so ihren öffentlich-rechtlichen Charakter verloren haben (RS0035770; RS0035837). In einem solchen Fall verdrängt die privatautonome Vereinbarung die verfahrensrechtlichen Kostenersatzvorschriften (M. Bydlinski, Der Kostenersatz im Zivilprozess [1992] 133 f). Eine solche Verselbständigung des Kostenanspruchs tritt aber nur ein, wenn eine abschließende über die Verfahrensvorschriften hinausgehende und von der zwangsweisen Durchsetzung des Hauptanspruchs unabhängige vertragliche Regelung über die Kostentragung vorliegt (RS0002209).

[12] 5. Eine selbständige Einklagung des Kostenersatzanspruchs ist deshalb möglich, wenn sich der Schuldner zum Ersatz der mit einem bestimmten Geldbetrag pauschalierten Vertretungskosten verpflichtet hat (so etwa 3 Ob 264/54). Hingegen führen Vereinbarungen, wonach sich ein Schuldner zum Ersatz „sämtlicher Mahn‑ und Inkassokosten“, der „notwendigen Kosten“ oder der „Kosten anwaltlicher Mahnschreiben“ verpflichtet, noch nicht zu einer Verselbständigung des Kostenersatzanspruchs (Hofmann, Vorprozessuale Kosten aus dem Titel „Vereinbarung“ oder „Schadenersatz“, RZ 1997, 52 [53]; Breycha, Mahn‑ und Inkassospesen in der Praxis des Mahnverfahrens, RZ 1998, 50 [53]; Ziehensack, Praxiskommentar Kostenrecht, § 40 ZPO Rz 177).

[13] 6. Ob ein Anerkenntnis vorliegt, welches die Zulässigkeit des Rechtswegs für die geltend gemachte Kostenforderung eröffnet, istnach den Klagsbehauptungen zu beurteilen (RS0045584; RS0005896). Nach dem Vorbringen der Klägerin haben die Beklagten zugesagt, sämtliche Kosten, auch Anwaltskosten zu übernehmen. Es handelt sich dabei um ein Anerkenntnis dem Grunde nach, das sich auf alle Prämissen des erhobenen Anspruchs, insbesondere auf die Haftung für das eingetretene Schadensereignis erstreckt (RS0023343; RS0040880).

[14] 7. Ein solches Anerkenntnis dem Grunde nach stellt aber keinen selbständigen Verpflichtungsgrund dar, weil keine Einigung über die Höhe des Anspruchs vorliegt und der Umfang der Zahlungspflicht sich deshalb nach den für den ursprünglichen Anspruch geltenden Vorschriften richtet. Die pauschale Zusage einer Kostenübernahme ist deshalb nicht geeignet, den Kostenersatzanspruch der Klägerin seines öffentlich‑rechtlichen Charakters zu entkleiden und eine selbständige Anspruchsgrundlage zu schaffen. Besteht kein selbständiger Privatrechtstitel, ist die Durchsetzung vorprozessualer Kosten im Rechtsweg unzulässig (RS0035770).

[15] 8. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

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