Spruch:
Der Rekurs wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung bleibt dem Endurteil vorbehalten.
Text
Begründung
Die minderjährigen Kläger verkauften am 9. 4. 2001, jeweils vertreten durch ihren Vater, der Rechtsvorgängerin der beklagten Partei 110 Stück Aktien (Erstkläger) und 100 Stück Aktien (Zweitkläger) zu einem Kaufpreis von 69,04 EUR pro Aktie.
Die Kläger begehren die Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kaufverträge und Zahlung von 21.247,69 EUR sA an den Erstkläger und 19.316,08 EUR sA an den Zweitkläger. Die Aktienkaufverträge hätten zu ihrer Wirksamkeit nicht nur der Zustimmung der Kindesmutter, sondern auch der Genehmigung des Pflegschaftsgerichtes bedurft. Die Kindesmutter habe keine Zustimmung erteilt. Eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung liege nicht vor. Es habe daher eine Rückabwicklung der Kaufverträge stattzufinden. Infolge zwischenzeitig eingetretener Verschmelzungsvorgänge existierten die ursprünglich hingegebenen Aktien nicht mehr. Die beklagte Partei schulde daher den bereicherungsrechtlichen Wert der untergegangenen Sache abzüglich des erhaltenen Kaufpreises.
Die beklagte Partei wendet ein, die Mutter der Kläger hätte den Aktienkaufverträgen zumindest konkludent zugestimmt. Solange das Pflegschaftsgericht eine Genehmigung nicht versagt habe, bestehe kein Rückabwicklungsanspruch.
Das Erstgericht wies das Feststellungsbegehren mit Teilurteil ab. Es ging rechtlich davon aus, dass die Mutter der Kläger eine konkludente Zustimmung zum Kaufvertrag erteilt habe. Sie habe zwar gegenüber dem Kindesvater vor Vertragsabschluss geäußert, dass sie einen Verkauf der Aktien nicht wünsche, weil diese Taufgeschenke des Großvaters der Kläger darstellten. Sie habe jedoch insbesondere dem Vertragspartner der Kläger gegenüber ihre fehlende Zustimmung nicht kundgetan. Aufgrund der vorbehaltlosen Zustimmung des Kindesvaters in Verbindung mit der reibungslosen Auszahlung des Kaufpreises habe die beklagte Partei davon ausgehen können, dass auch die Zustimmung der Kindesmutter vorliege. Die fehlende pflegschaftsbehördliche Genehmigung der Aktienkaufverträge bewirke nur die schwebende Unwirksamkeit bei gleichzeitiger Bindung beider Vertragsteile. Erst nach Verweigerung der Genehmigung werde der Vertrag schlechthin unwirksam.
Das Berufungsgericht gab der dagegen von den Klägern erhobenen Berufung Folge, hob das Teilurteil des Erstgerichtes auf und verwies die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung und Verfahrensergänzung an das Erstgericht. Es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstandes jeweils 20.000 EUR übersteige und der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zulässig sei, weil Rechtsprechung zur verfahrensrechtlichen Frage des Umfanges und der Grenzen der das Gericht aufgrund des § 182a ZPO treffenden Erörterungspflicht nicht vorliege.
Rechtlich vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, dass eine konkludente Zustimmung der Mutter der Kläger zum Abschluss der Verträge nicht vorliege: Die Mutter habe der beklagten Partei gegenüber weder vor noch nach dem Vertragsabschluss ein Verhalten gesetzt, aus welchem die beklagte Partei den Schluss hätte ziehen dürfen, sie habe dem Aktienverkauf zugestimmt. Bis zum Vertragsabschluss sei die Mutter den Rechtsvorgängern der beklagten Partei gegenüber in keiner Weise in Erscheinung getreten. Im Zweifel komme aber einem Schweigen kein Erklärungswert zu. Das gelte auch für die mangelnde Reaktion der Kindesmutter auf den Abschluss des Kaufvertrages und die Überweisung der Kaufpreise. Auch in dieser Phase sei sie gegenüber den Vertragspartnern ihrer Kinder in keiner Weise in Erscheinung getreten.
Allerdings sei nach der Rechtsprechung das Vorliegen eines rechtlichen Interesses Voraussetzung für die Berechtigung eines Feststellungsbegehrens. Ein solches Interesse sei dann gegeben, wenn ein aktueller Anlass zur präventiven Klärung des strittigen Rechtsverhältnisses bestehe. Ein Feststellungsinteresse sei dann zu verneinen, wenn der Kläger die Möglichkeit habe, bereits eine Leistungsklage zu erheben. Die Kläger hätten kein Vorbringen dazu erstattet, aus dem sich ein rechtliches Interesse an der begehrten Feststellung der Rechtsunwirksamkeit der Kaufverträge ableiten ließe. Dieser Umstand könne jedenfalls derzeit noch nicht zu einer Klageabweisung führen, weil die Frage des Feststellungsinteresses vom Erstgericht nicht erörtert worden sei und auch die Parteien ein diesbezügliches Vorbringen nicht erstattet hätten. Den Klägern sei daher Gelegenheit zu geben, in erster Instanz ihr Vorbringen entsprechend zu ergänzen.
Rechtliche Beurteilung
Der dagegen von der beklagten Partei erhobene Rekurs ist ungeachtet des den Obersten Gerichtshof nicht bindenden Zulässigkeitsausspruches des Berufungsgerichtes unzulässig:
Schon nach der Rechtslage bis zum Inkrafttreten der ZVN 2002 entsprach es der ständigen Rechtsprechung, dass das Gericht die Parteien nicht mit einer Rechtsansicht überraschen dürfe, die bis zum Schluss der Verhandlung erster Instanz vom Gericht nicht erörtert und von keiner der Parteien ins Treffen geführt wurde (SZ 74/198; 6 Ob 86/02v; RIS-Justiz RS0037300; zuletzt 7 Ob 13/04v; s. auch die Nachweise bei Schragel in Fasching/Konecny II/2² §§ 182, 182a Rz 10; Fucik in Rechberger² § 182 ZPO Rz 4). Genau dieser Fall liegt hier vor: Das Gericht erster Instanz, das eine inhaltliche Überprüfung der Berechtigung des Feststellungsbegehrens vornahm, hat offensichtlich das rechtliche Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung bejaht. Die beklagte Partei selbst hat im erstinstanzlichen Verfahren das Feststellungsbegehren nur inhaltlich bestritten, nicht jedoch ein fehlendes Feststellungsinteresse der Kläger behauptet. Erachtet in so einem Fall das Berufungsgericht im Gegensatz zum Erstgericht und entgegen den bisherigen Prozessstandpunkten der Parteien, dass ausreichende Behauptungen fehlen, aus denen sich ein rechtliches Interesse der Kläger an der begehrten Feststellung ableiten ließe, muss es entweder selbst den Kläger in mündlicher Verhandlung zur Verbesserung seines Begehrens anleiten oder das Urteil des Erstgerichtes aufheben und dem Erstgericht ein Verbesserungsverfahren auftragen. Die von der beklagten Partei angestrebte sofortige Abweisung der Klage hätte das Berufungsverfahren in einem solchen Fall auch nach der Rechtslage vor der ZVN 2002 mangelhaft gemacht (6 Ob 86/02v mwN).
Dass in diesem Punkt § 182a ZPO jedenfalls keine Verringerung der das Gericht treffenden Anleitungspflicht gebracht hat, kann angesichts des klaren Wortlautes dieser Bestimmung nicht zweifelhaft sein (vgl auch dazu Schragel aaO): Gemäß § 182a ZPO idF der ZVN 2002 darf das Gericht seine Entscheidung außer in Nebenansprüchen auf rechtliche Gesichtspunkte, die eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, nur stützen, wenn es diese mit den Parteien erörtert (§ 182 ZPO) und ihnen Gelegenheit zur Äußerung gegeben hat. Dass Zweifel über die Schlüssigkeit des Klagebegehrens auch nach der Rechtslage nach Inkrafttreten des § 182a ZPO nicht zu einer Abweisung des Klagebegehrens führen dürfen, sondern zum Anlass einer Anleitung zur Ergänzung der für die Entscheidung erheblichen tatsächlichen Angaben gemäß § 182 Abs 1, 182a ZPO genommen werden müssen, ergibt sich bereits aus der Entscheidung 9 Ob 55/04k.
Der Vorwurf im Rekurs, das Berufungsgericht habe unberücksichtigt gelassen, dass hier die Kläger keinerlei Vorbringen zum rechtlichen Interesse erstattet hätten; ein gänzlich fehlendes Vorbringen dürfe nicht zum Anlass für eine Aufhebung genommen werden, ist ebenfalls unbegründet: Wenngleich richtig ist, dass es nach der Rechtsprechung unzulässig ist, ein erstrichterliches Urteil nur zu dem Zweck aufzuheben, um Erörterungen über Tatsachen zu veranlassen, die im bisherigen Verfahren nicht behauptet worden sind (vgl RIS-Justiz RS0042444), liegt dieser Fall hier nicht vor, weshalb es auch keiner Auseinandersetzung mit der Frage bedarf, ob diese Rechtsprechung auch nach Inkrafttreten des § 182a ZPO aufrechtzuerhalten ist: Die Kläger haben in erster Instanz ein umfangreiches Vorbringen zur behaupteten Unwirksamkeit der Aktienkaufverträge erstattet. Ihr Begehren richtet sich auf die Feststellung der Unwirksamkeit dieser Verträge. Von einem gänzlich fehlenden Vorbringen der Kläger zur Berechtigung des Feststellungsbegehrens - das durch die beklagte Partei ausschließlich inhaltlich, nicht aber mit dem Hinweis auf ein angeblich fehlendes rechtliches Interesse der Kläger bestritten wurde - kann daher hier nicht die Rede sein.
Aber auch sonst wirft der Rekurs der beklagten Partei keine erhebliche Rechtsfrage auf: Eine schlüssige ("stillschweigende") Erklärung im Sinne des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber auch ein Erklärungswert zukommt. Dieser Erklärungswert ist vornehmlich auch aus den Begleitumständen zu erschließen. Insgesamt muss das Verhalten nach der Verkehrssitte eindeutig in eine Richtung zu verstehen sein. Es darf also kein vernünftiger Grund bestehen, daran zu zweifeln, dass ein ganz bestimmter Rechtsfolgewille vorliegt. Dies kann nur nach den gesamten Umständen des Einzelfalls beurteilt werden (RIS-Justiz RS0109021). Die beklagte Partei erkennt in ihrem Rekurs selbst, dass die Beurteilung der Konkludenz einer Willenserklärung bzw der Schlüssigkeit eines Verhaltens regelmäßig keine über die besonderen Umstände des Einzelfalls hinausgehende Bedeutung hat (8 Ob 132/02y; 2 Ob 174/99y; 5 Ob 294/03a uva). Eine erhebliche Fehlbeurteilung durch das Berufungsgericht, die im Interesse der Rechtssicherheit bzw der Einzelfallgerechtigkeit wahrgenommen werden müsste, ist hier nicht zu erkennen: Es steht fest, dass sich die Mutter der Kläger gegenüber ihrem Gatten vor Abschluss der Verträge gegen den Verkauf der Aktien ausgesprochen hat. Die Auffassung des Berufungsgerichtes, einer konkludenten Zustimmung stehe insbesondere entgegen, dass die Mutter der Kläger keinerlei Verhalten gesetzt habe, aus denen die beklagte Partei bzw ihre Rechtsvorgängerin den berechtigten Schluss hätte ziehen dürfen, sie wolle dem Vertragsabschluss zustimmen, hält sich im Rahmen der oben wiedergegebenen Grundsätze der oberstgerichtlichen Rechtsprechung zu § 863 ABGB.
Im erstinstanzlichen Verfahren stützte die beklagte Partei ihre Behauptung der zumindest konkludent erteilten Zustimmung der Mutter der Kläger zum Verkauf der Aktien nicht darauf, dass die unwidersprochene Entgegennahme der Kaufpreise eine zumindest nachträglich erteilte Zustimmung der Kindesmutter impliziere. Das Erstgericht stellte dazu zwar - überschießend - fest, dass der Kindesmutter der Zufluss der Kaufpreise auf die "jeweiligen Konten" bekannt war. Daraus allein ergibt sich aber die Unvertretbarkeit der Auffassung des Berufungsgerichts nicht.
Der Rekurs ist daher mangels Geltendmachung einer erheblichen Rechtsfrage zurückzuweisen.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.
Auch dann, wenn der zugelassene Rekurs gegen einen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichtes mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen wurde und der Gegner - wie hier - in der Rekursbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen hat, ist die Entscheidung über die Kosten der Rekursbeantwortung der Endentscheidung vorzubehalten ( zum vergleichbaren Fall der zugelassenen Revision gegen ein Zwischenurteil siehe RIS-Justiz RS0117737).
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