OGH 8Ob7/79

OGH8Ob7/7910.5.1979

SZ 52/77

Normen

ABGB §1325
Eisenbahn-Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz §13
ABGB §1325
Eisenbahn-Kraftfahrzeug-Haftpflichtgesetz §13

 

Spruch:

Eine Rente nach § 1325 ABGB und § 13 Abs. 2 EKHG kann ohne zeitliche Begrenzung zuerkannt werden, wenn der Geschädigte infolge der Unfallsverletzung auch nach Erreichung der Altersgrenze keine Pension erlangen kann

Unter Entgang von Verdienst im Sinne des § 1325 ABGB kann auch der Entgang einer Sozialversicherungsrente verstanden werden

OGH 10. Mai 1979, 8 Ob 7/79 (OLG Linz 1 R 172/78; KG Ried im Innkreis 2 Cg 267/76)

Text

Die am 10. Dezember 1958 geborene Klägerin wurde am 7. März 1976 auf der S.-Bundesstraße im Gemeindegebiet als Mitfahrerin in dem vom Erstbeklagten gelenkten und gehaltenen, bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW schwerst verletzt, als das Fahrzeug gegen einem Baum stieß. Der Erstbeklagte wurde strafgerichtlich nach § 88 Abs. 1, 4 (§ 81 Z. 2) StGB verurteilt, weil er alkoholisiert und zu schnell gefahren war.

Die Klägerin erlitt durch den Unfall neben weiteren Verletzungen eine Verrenkung zwischen dem 4. und 5. Halswirbelkörper mit Trümmerbruch des 6. Halswirbelkörpers, wobei es zu einer totalen Querschnittlähmung C 6 kam. Sie bedarf ständiger Hilfe und Wartung; alle drei Stunden muß ihre Reflexblase beklopft werden, um eine Harnentleerung zu bewerkstelligen. Sie hat unter dem Brustbereich keine Empfindungen für Druck, Schmerz, Kälte, Wärme u. dgl. In den Armen sind Restbewegungsmöglichkeiten vorhanden, welche jedoch keinerlei wirtschaftlichen Wert besitzen. Tätigkeiten wie Suppenessen, Essenschneiden, Waschen, Frisieren sowie An- und Ausziehen müssen der Klägerin abgenommen werden. Die Klägerin ist 100%IG arbeitsunfähig und hilflos. Mit einer Besserung des Zustandes ist nicht mehr zu rechnen. Der Antrag der Klägerin auf Zuerkennung einer Invaliditätspension wurde mangels der erforderlichen Versicherungszeiten abgewiesen.

Die Klägerin erhob gegen die Beklagten ihre Schadenersatzansprüche, darunter ein Rentenbegehren von monatlich 2500 S ohne zeitliche Begrenzung.

Die Beklagten bestritten insbesondere den behaupteten Verdienstentgang und forderten die zeitliche Begrenzung der Rente mit dem Erreichen des Pensionsalters.

Das Erstgericht erkannte der Klägerin - neben anderen Ersatzansprüchen - die begehrte Monatsrente ohne zeitliche Begrenzung zu. Es stellte die Berufstätigkeit der im Unfallszeitpunkt 17jährigen Klägerin als Kellnerin samt erzielten Bezügen sowie deren Tätigkeit im Haushalt ihrer Großeltern fest und gelangte zu dem Ergebnis, daß der Klägerin infolge ihrer dauernden Arbeitsunfähigkeit monatlich 2500 S lebenszeitlich entgehen würden.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Aus den Entscheidungsgründen:

Hinsichtlich des Verdienstentganges vertritt die Revision die Auffassung, daß nach der Sachlage davon auszugehen sei, daß die Klägerin ohne die Unfallsverletzung nur 1200 S im Monat ins Verdienen gebracht hätte. Die Revision versucht dabei den Verdienstentgang in der Weise zu ermitteln, daß sie den Zeitraum der Tätigkeit der Klägerin als Kellnerin jenem zuschlägt, in dem diese im Haushalt ihrer Großeltern (ohne ziffernmäßiges Entgelt) tätig war und dann das von der Klägerin als Kellnerin erzielte Entgelt auf den gesamten Zeitraum verteilt. Diese Ermittlungsmethode ist abzulehnen. Bei Vergleich der Lage der Klägerin vor und nach dem Unfall hat das Berufungsgericht zutreffend darauf abgestellt, welche Einkünfte sie bei Ausnützung ihrer Erwerbsfähigkeit nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge gezogen hätte (2 Ob 186/78). Wenn auch im Sinne der Ausführungen der Vorinstanzen die Ausgangslage der Berufstätigkeit der Klägerin und ihr Ausbildungsstand als ungünstig zu beurteilen sind, so hat die Klägerin dem durch ihr mäßiges Begehren selbst hinreichend Rechnung getragen. Berücksichtigt man, daß die Klägerin nach den Feststellungen kurz vor dem Unfall als Kellnerin einmal im Monat 3000 S und einmal sogar im Monat 5000 S bezogen hat, dann kann in der Annahme eines durchschnittlichen Verdienstentganges der Klägerin mit 2500 S monatlich ein zu Lasten der Beklagten unterlaufener Rechtsirrtum nicht erblickt werden.

Was die Rentendauer anlangt, so vertreten die Beklagten in ihren zu § 503 Z. 3 und 4 ZPO erstatteten Revisionsausführungen die Auffassung, das Vorbringen und die Beweisergebnisse würden den Zuspruch einer Rente über das Pensionsalter nicht rechtfertigen. Abgesehen davon, daß damit eine dem Berufungsgericht unterlaufene Aktenwidrigkeit nicht aufgezeigt wird, kann dieser Ansicht aus folgenden Erwägungen nicht beigetreten werden: Wie der OGH in Übereinstimmung mit der Lehre.

(Ehrenzweig, Recht der Schuldverhältnisse, § 392 II 2) ausgesprochen hat, ist der Ausdruck "Verdienst" im § 1325 ABGB zu eng gefaßt (ZVR 1964/228) und darf daher nicht eng ausgelegt werden (ZVR 1978/165). Kann aber unter Verdienst auch eine Sozialversicherungsrente verstanden werden (ZVR 1964/228), dann muß wohl als "Entgang von Verdienst" auch der Entgang einer solchen Sozialversicherungsrente angesehen werden. Zur Auslegung der §§ 1325 bis 1327 ABGB sind, wie der OGH in Übereinstimmung mit Gschnitzer, Schuldrecht, Besonderer Teil und Schadenersatz, 174 f., dargelegt hat, die Haftpflichtgesetze, insbesondere das EKHG heranzuziehen (ZVR 1965/225). Erfaßt aber der Verdienstentgang im Sinne des § 1325 ABGB jenen Vermögensnachteil, den der Verletzte durch die zeitweise oder dauernde Aufhebung seiner Erwerbsfähigkeit erleidet (§ 13 Z. 2 EKHG), dann bestehen keine Bedenken, in Übereinstimmung mit dem Berufungsgericht die Berechtigung des geltend gemachten Rentenbegehrens auch in der Richtung zu prüfen, ob der Klägerin infolge der unfallskausalen Dauerfolgen dereinst die Alterspension entgehen könnte. Der Revision ist zuzugeben, daß der OGH mehrfach ausgesprochen hat, daß - mangels Gegenbeweises - von der offenkundigen Tatsache auszugehen sei, daß unselbständig Erwerbstätige mit der Erreichung ihres Pensionsalters von der Möglichkeit Gebrauch machen, die Alterspension in Anspruch zu nehmen (JBl. 1972, 615 u. a.). Damit ist aber für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen, weil - wie das Berufungsgericht richtig erkannt hat - bei gegebener Sach- und Rechtslage für die Klägerin die Möglichkeit, nach der Erreichung der Altersgrenze eine Alterspension dereinst zu beziehen, nicht besteht. Steht aber fest, daß die Klägerin infolge des Unfalles völlig erwerbsunfähig geworden ist und eine Änderung dieses Zustandes nicht erwartet werden kann, und hat die Klägerin auch bei Erreichen der Altersgrenze die Zuerkennung einer Alterspension nicht zu gewärtigen, dann kann, wie das Berufungsgericht unter Hinweis auf die von ihm herangezogene Rechtsprechung und Lehre richtig dargelegt hat, die Rente der Klägerin auf Lebenszeit zuerkannt werden. Da der zugesprochene Rentenbetrag nicht einmal jenen erreicht, den ein Alterspensionist nach geltender Rechtslage mindestens erhält, bestehen auch in dieser Hinsicht gegen die Höhe keine Bedenken.

Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.

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