OGH 8Ob63/16x

OGH8Ob63/16x17.8.2016

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Spenling als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner, den Hofrat Dr. Brenn und die Hofrätinnen Mag. Korn und Dr. Weixelbraun‑Mohr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Z***** AG, *****, vertreten durch Destaller Mader, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei C*****gesellschaft mbH als Insolvenzverwalterin der Ö*****gesellschaft ***** mbH, *****, vertreten durch De Cillia - Kalmann, Rechtsanwälte in Klagenfurt, wegen 18.262,60 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 8. April 2016, GZ 2 R 47/16y‑17, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. Jänner 2016, GZ 39 Cg 74/15d‑12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.253,88 EUR (darin enthalten 208,98 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Begründung

Die Bestellerin schloss mit einem Energieunternehmen einen Vertrag über die Installation einer Solaranlage ab. Das Energieunternehmen bediente sich eines Solarunternehmens als Subunternehmen. Auch dieses bediente sich einer Subunternehmerin, und zwar der Rechtsvorgängerin der späteren Schuldnerin. Über das Vermögen der Schuldnerin wurde am 19. 3. 2013 das Insolvenzverfahren eröffnet und die Beklagte zur Insolvenzverwalterin bestellt. Die Klägerin ist der Haftpflichtversicherer des Solarunternehmens.

Aufgrund mangelhafter Ausführung der Werkleistungen trat bei der Bestellerin ein Schaden ein. Da eine Sanierung nicht erfolgte, erhob die Bestellerin im Vorprozess Klage gegen das Energieunternehmen. Das Solarunternehmen und der Haftpflichtversicherer der Schuldnerin traten dem Rechtsstreit im Vorprozess auf der Seite des Energieunternehmens bei. Der Haftplichtversicherer der Schuldnerin nahm dabei den Standpunkt ein, dass die schadensursächliche Ableitung der Regenwässer zwar im Arbeitsauftrag der Schuldnerin enthalten gewesen sei, eine Verantwortlichkeit der Schuldnerin aber nicht objektivierbar sei. Im Vorprozess obsiegte die Bestellerin zu 50 %; das von der Bestellerin zu vertretende Mitverschulden bezog sich auf Leistungen des Architekten, des Dachdeckers und des Zimmermeisters. Von einer Pflichtverletzung des Energieunternehmens und des Solarunternehmens wurde im Vorprozess nicht ausgegangen.

Der Haftpflichtversicherer der Schuldnerin erfüllte das Urteil im Vorprozess in Bezug auf Zinsen und Kapital. Demgegenüber beglich die Klägerin die übrigen Forderungen, und zwar 375 EUR an Barauslagen der Bestellerin, 12.184,06 EUR an Prozesskosten des Energieunternehmens und 5.703,54 EUR an Prozesskosten des Solarunternehmens.

Die vorliegende Klage in der Insolvenz der Schuldnerin betrifft einen Absonderungsanspruch. Wenn über das Vermögen des Versicherungsnehmers ein Insolvenzverfahren eröffnet ist, so kann der geschädigte Dritte gemäß § 157 VersVG wegen des ihm gegen den Versicherungsnehmer zustehenden Anspruchs abgesonderte Befriedigung aus der Entschädigungsforderung des Versicherungsnehmers verlangen. Die Beklagte unterwarf sich im Hinblick auf die Ursache des aufgetretenen Schadens den Verfahrensergebnissen aus dem Vorprozess.

Die Klägerin begehrte die Zahlung von 18.262,60 EUR sA. Der Vorprozess sei im Interesse der Schuldnerin geführt worden. Der Haftpflichtversicherer der Schuldnerin habe nicht nur die Hälfte des Schaden samt Zinsen, sondern auch die der Bestellerin zuerkannten Barauslagen sowie die Verfahrenskosten des Energieunternehmens und des Solarunternehmens zu ersetzen.

Die Beklagte entgegnete, dass das Energieunternehmen und das Solarunternehmen den Vorprozess im eigenen Interesse geführt hätten. Schon vor Beginn des Prozesses sei dem Solarunternehmen bekannt gewesen, dass die Schadensursache in der mangelhaften Montage der Solarpaneele durch die Schuldnerin bestanden habe. Sie hätten sich in den Vorprozess daher nicht einlassen dürfen.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt. Im Vorverfahren sei ein gleichteiliges Mitverschulden der dortigen Klägerin festgestellt worden. Dem Energieunternehmen und dem Solarunternehmen könne daher nicht vorgeworfen werden, das Verfahren geführt zu haben. Der geltend gemachte Schaden sei vielmehr von der Schuldnerin rechtswidrig und schuldhaft verursacht worden. Da der Verfahrensaufwand durch das Verhalten der Schuldnerin entstanden sei, seien die gesamten Kosten des Vorprozesses, die das Energieunternehmen und das Solarunternehmen aufgewendet hätten, zu ersetzen.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach der Rechtsprechung könne der Generalunternehmer, der für einen Subunternehmer als Erfüllungsgehilfen einstehen müsse, von diesem Regress fordern. Der Rückersatzanspruch des Geschäftsherrn umfasse auch die Verfahrenskosten des verlorenen Prozesses zwischen dem Geschäftsherrn und dem Dritten (Besteller). Der in den Kosten eines Passivprozesses bestehende Schaden sei in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner dazu verpflichteten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. In einer solchen Fallkonstellation bedürfe es für den Prozesskostenregress nicht der Verletzung weiterer Vertragspflichten. Eine Warnpflichtverletzung des Solarunternehmens sei im Vorprozess nicht festgestellt worden.

Über Antrag der Beklagten nach § 508 ZPO sprach das Berufungsgericht nachträglich aus, dass die ordentliche Revision doch zulässig sei, weil es in der Judikatur des Obersten Gerichtshofs auch Entscheidungen gebe, die für den Prozesskostenregress über die bloße Schlechterfüllung des Vertrags hinaus die Verletzung weiterer Pflichten des Regresspflichtigen verlangten.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Beklagten, die auf eine Abweisung des Klagebegehrens abzielt.

Mit ihrer Revisionsbeantwortung beantragt die Klägerin, die Revision zurückzuweisen, in eventu, dieser den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Berufungsgerichts ist die Revision mangels Vorliegens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage nicht zulässig.

1. Trotz Zulässigerklärung der Revision durch das Berufungsgericht muss der Rechtsmittelwerber die Revision ausführen und eine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel ungeachtet des Zulässigkeitsausspruchs zurückzuweisen (8 Ob 15/16p).

Eine Divergenz in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs liegt in Bezug auf den Anlassfall nicht vor.

2.1 In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind folgende Rechtsgrundsätze gesichert:

Der Prozesskostenaufwand aus einem Vorprozess kann Gegenstand einer Schadenersatzforderung sein, wenn diese Kosten durch ein Verschulden des nunmehr beklagten Dritten (mit‑)verursacht wurden (RIS‑Justiz RS0023619). Als Pflichtverletzungen kommen vor allem die Verletzung einer vertraglichen Haupt‑ oder Nebenpflicht, die Verletzung einer vor‑ oder nachvertraglichen Pflicht, eine Irreführung gegenüber dem Vertragspartner oder sonst eine arglistige Irreführung (vgl 6 Ob 40/03f) in Betracht. Die Pflichtverletzung muss für das Vorverfahren (mit‑)ursächlich gewesen sein. Der nunmehrige Beklagte muss den Kläger im Vorprozess somit durch sein Verhalten veranlasst oder darin bestärkt haben, den Vorprozess zu führen oder sich auf diesen einzulassen (vgl 10 Ob 79/05y). Die Ersatzpflicht ist weiters davon abhängig, dass der eingetretene Schaden im Rechtswidrigkeitszusammenhang mit der verletzten Pflicht steht. Die in Rede stehende Verpflichtung muss demnach darauf abzielen, gerade auch solche Schäden wie die konkret zu beurteilenden, also den Kostenschaden, zu verhindern. Die Kosten eines erkennbar aussichtslosen Vorprozesses sind nicht zu ersetzen, weil es insofern am Rechtswidrigkeitszusammenhang mangelt (8 Ob 53/16a).

2.2 Richtig ist, worauf der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 8 Ob 17/15f hingewiesen hat, dass nach überwiegender, regelmäßig im Zusammenhang mit Werkverträgen ergangener Rechtsprechung die bloße Schlechterfüllung eines Vertrags im Allgemeinen nur dann zu einer Haftung für Prozesskosten aus einem Verfahren gegen einen Dritten führt, wenn der Regresspflichtige neben der Verletzung der Hauptleistungspflicht weitere Pflichten, etwa Informationspflichten, verletzt hat, oder wenn der Auftraggeber vom nunmehr Regresspflichtigen veranlasst oder darin bestärkt wurde, sich auf das Verfahren gegen einen Dritten einzulassen (RIS‑Justiz RS0045850). Gleichzeitig wurde in dieser Entscheidung darauf hingewiesen, dass in zahlreichen anderen Entscheidungen die Ersatzpflicht für derartige Kosten dann bejaht wurde, wenn die Kosten nicht durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen entstanden sind, und wenn im Einzelfall ein Rechtswidrigkeitszusammenhang zwischen der verletzten Vertragspflicht und dem Kostenschaden besteht, was dann der Fall ist, wenn die (verletzte) Verpflichtung gerade auch Schäden wie die zu beurteilenden verhindern soll. Kosten eines ersichtlich aussichtslosen Prozesses sind nie zu ersetzen.

2.3 Der Eindruck, dass in der Entscheidung 8 Ob 17/15f zwei Judikaturlinien angesprochen werden, täuscht nicht. Dazu ergibt sich jedoch, dass jene Entscheidungen, die für eine Kostenregresspflicht zusätzlich zur Schlechterfüllung des Vertrags noch eine weitere Voraussetzung wie etwa die Verletzung einer Informationspflicht verlangen, jeweils einen Aktivprozess (Vorprozess) des Regressklägers betreffen.

Im Anlassfall liegt eine solche Konstellation demgegenüber nicht vor. Vielmehr war der Vorprozess aus Sicht der Regressklägerin ein Passivprozess, und zwar im Zusammenhang mit einer Erfüllungsgehilfenkette.

3.1 Für den Erfüllungsgehilfenregress besteht allgemein folgender Grundsatz: Wer als Haftender für fremdes Handeln Ersatz leistet, kann gemäß § 1313 zweiter Satz ABGB Rückersatz verlangen. Auch der Generalunternehmer, der nach § 1313a ABGB für seinen Subunternehmer als Erfüllungsgehilfen einstehen muss, kann von diesem Regress fordern (RIS‑Justiz RS0017479).

3.2 Mit einer solchen Konstellation hat sich jüngst die Entscheidung 7 Ob 114/15p befasst. Darin wurde Folgendes ausgeführt:

„Hat der Geschäftsherr seinem Auftraggeber (allein) für die Schlechterfüllung durch seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen, dann kann er vom Erfüllungsgehilfen regelmäßig auch die von ihm aufgewendeten Prozesskosten nach den Grundsätzen der Bestimmungen über den Schadenersatz ersetzt begehren. Die Prozesskosten sind eine kausale Folge der Schlechterfüllung durch den Erfüllungsgehilfen; sie sind auch adäquate Schäden, weil sie nicht bloß durch eine außergewöhnliche Verkettung von Umständen bedingt waren (RIS‑Justiz RS0115546).

In der Entscheidung 2 Ob 168/01x hatte der Oberste Gerichtshof, und zwar – wie hier – für einen Passivprozess, die Frage zu beurteilen, ob Prozesskosten eines aus einer Vertragsverletzung resultierenden Vorprozesses, in dem die schließlich klagende Partei beklagt gewesen war, ersatzfähig seien. Als Ergebnis für diese Konstellation wurde der Leitsatz geprägt, dass der Geschäftsherr dann, wenn er seinem Auftraggeber (allein) für die Schlechterfüllung durch seinen Erfüllungsgehilfen einzustehen hat, von diesem regelmäßig auch die von ihm aufgewendeten Prozesskosten nach den Grundsätzen der Bestimmungen über den Schadenersatz ersetzt begehren kann. Diese Entscheidung trug dem Umstand Rechnung, dass es für die Beklagte eines Passivprozesses, insbesondere wenn sie überraschend in Anspruch genommen wird, in der Regel nicht leicht ist, das Auflaufen von Prozesskosten zu verhindern; deshalb könne es in solchen Fällen angezeigt sein, dem in den Kosten eines Passivprozesses bestehenden Schaden in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen.

Jüngst hat der Oberste Gerichtshof in 5 Ob 125/15s den zu 2 Ob 168/01x entwickelten Rechtssatz neuerlich bestätigt und wiederum darauf hingewiesen, dass der Rückersatzanspruch des Geschäftsherrn gegen den Gehilfen nach § 1313 Satz 2 ABGB grundsätzlich auch die Verfahrenskosten des verlorenen Prozesses zwischen Drittem und Geschäftsherrn umfasst. Der in den Kosten eines Passivprozesses bestehende Schaden ist in den Schutzzweck jener Vertragsnormen einzubeziehen, die den Vertragspartner – insbesondere wenn er davon weiß, dass die Leistung schließlich einem Dritten zugute kommen soll – dazu verpflichten, seine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Nur die Kosten eines erkennbar aussichtslosen Vorprozesses wären vom schlechterfüllenden Vertragspartner nicht zu ersetzen, weil insofern der Rechtswidrigkeitszusammenhang fehlt.

Dieser Ansicht folgt im Grundsatz auch der erkennende Senat. Wird ein Werkunternehmer (Geschäftsherr) von seinem Auftraggeber wegen mangelhafter Erbringung einer erkennbar für einen Dritten bestimmten Leistung seines Auftragnehmers (Gehilfen) klagsweise in Anspruch genommen (Passivprozess), so lässt sich – mangels anderer zielführender Unterstützung durch den Auftragnehmer (Gehilfen) des im Vorprozess Beklagten und dessen Bestreitung eigener Verantwortlichkeit – das Auflaufen von Verfahrenskosten praktisch nicht verhindern. In solchen Fällen ist daher in der Regel der in den Kosten eines – ex ante nicht aussichtslosen – Passivprozesses bestehende Schaden in den Schutzzweck jener Vertragsnorm einzubeziehen, die den Vertragspartner dazu verpflichten, eine vertraglich geschuldete Leistung ordnungsgemäß zu erbringen. Für die Kosten eines solchen Passivprozesses hat der Auftragnehmer (Gehilfe) des im Vorprozess Beklagten (Geschäftsherrn) dann einzustehen, wenn seine Leistung gemessen an dem gegenüber dem Geschäftsherrn übernommenen Vertragspflichten mangelhaft war.“

3.3 Auch der vorliegende Fall betrifft aus Sicht der Regressklägerin einen Passivprozess (Vorprozess), und zwar im Zusammenhang mit einer Erfüllungsgehilfenkette. Für diese Konstellation besteht in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine Diskrepanz. Die Entscheidung des Berufungsgerichts geht von den zutreffenden Rechtsgrundsätzen aus. Eine erhebliche Rechtsfrage liegt nicht vor.

4. Entgegen der Ansicht der Beklagten war der Vorprozess für das Energieunternehmen und das Solarunternehmen schon deshalb nicht aussichtslos, weil der von der Bestellerin geltend gemachte Anspruch zur Hälfte abgewehrt werden konnte. Von einer Warnpflichtverletzung des Solarunternehmens wurde im Vorprozess nicht ausgegangen.

5. Mangels erheblicher Rechtsfrage war die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO. Die Klägerin hat auf die Unzulässigkeit der Revision in ihrer Revisionsbeantwortung hingewiesen.

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