European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2016:0080OB00060.16F.0628.000
Spruch:
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Der Erleger ist schuldig, der Zweiterlagsgegnerin die mit 2.211,66 EUR (darin enthalten 368,61 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen. Der Ersterlagsgegner hat die Kosten seiner Revisionsrekursbeantwortung selbst zu tragen.
Begründung:
Am 13. 8. 2015 beantragte der Erleger die gerichtliche Hinterlegung eines Geldbetrags von 41.476,90 EUR. Dabei handle es sich um den Hälfte‑Überschuss aus den Mietzinseinnahmen, die auf dem von ihm geführten Verwaltungskonto erliegen würden. Er sei Hausverwalter eines Objekts in Graz. Die Erlagsgegner seien je zur Hälfte grundbücherliche Miteigentümer dieser Liegenschaft. Der Ersterlagsgegner habe ihn aufgefordert, aufgrund von Scheinmietverträgen, die die Zweiterlagsgegnerin rechtswidrig abgeschlossen habe, an diese keine Auszahlungen vorzunehmen. Die Hälfte der Überschüsse werde daher dem Ersterlagsgegner ausgezahlt, die weitere Hälfte sei aber strittig.
Die Erlagssache befindet sich im zweiten Rechtsgang. Im ersten Rechtsgang nahm das Erstgericht den Erlag zu Gericht an. Über Rekurs der Zweiterlagsgegnerin hob das Rekursgericht diesen Beschluss auf und verwies die Erlagssache zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. In diesem Aufhebungsbeschluss wurde vor allem ausgeführt, dass eine schlüssige Darlegung des Erlegers, weshalb die beiden Erlagsgegner rechtlich plausible Ansprüche auf den zu erlegenden Geldbetrag erheben würden, fehle.
Im zweiten Rechtsgang erstattete der Erleger weiteres Vorbringen. Die Zweiterlagsgegnerin habe ohne Zustimmung des Ersterlagsgegners Bestandobjekte für sich in Anspruch genommen, also praktisch okkupiert, und „mit sich selbst“ einen Generalmietvertrag abgeschlossen. Die betreffenden Objekte seien von der Zweiterlagsgegnerin vermietet worden. Eine Verwaltung dieser Objekte durch den Erleger sei nicht möglich. Der Ersterlagsgegner habe ihn aber aufgefordert, auch diese Objekte fiktiv in die Abrechnung aufzunehmen und die auf diese Weise fiktiv berücksichtigten Mieteinnahmen zu verrechnen und an den Ersterlagsgegner zu überweisen. Dieses Anliegen sei für den Erleger schwierig umzusetzen, weil zahlreiche Prozesse zwischen Ersterlagsgegner und Zweiterlagsgegnerin anhängig seien. Ohne Erlag würde sich der Erleger aber Schadenersatzansprüchen des Ersterlagsgegners aussetzen.
Das Erstgericht nahm auch im zweiten Rechtsgang den Erlag zu Gericht an. Im Anlassfall würden mehrere Forderungsprätendenten auftreten. Aufgrund der strittigen Rechtslage sei es dem Erleger nicht möglich, den rechtmäßigen Gläubiger des Erlagsbetrags festzustellen.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs der Zweiterlagsgegnerin Folge und wies den Erlagsantrag ab. Erlagsgegenstand sei der Hälfte‑Überschuss aus den Mietzinseinnahmen, der sich (zum 31. 7. 2015) auf dem Verwaltungskonto befinde. Die „fiktiven Mieteinnahmen“ seien in diesem Betrag nicht enthalten. Allfällige Ansprüche des Ersterlagsgegners aufgrund der inkriminierten Vorgangsweise der Zweiterlagsgegnerin stünden dem Ersterlagsgegner nur gegenüber der Zweiterlagsgegnerin, nicht aber gegenüber dem Erleger zu. Die Voraussetzungen für einen Erlag nach § 1425 ABGB seien daher nicht erfüllt. Der ordentliche Revisionsrekurs sei zulässig, weil zur Frage, ob die potenzielle Gläubigerstellung in Bezug auf einen Hälfte‑Überschuss auf dem Verwaltungskonto gegenüber dem Verwalter mit einem Anspruch auf Erhöhung der Abrechnung um fiktive Mietzinseinnahmen für Erlagszwecke hinreichend begründet sei, höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.
Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Erlegers, der auf eine Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzielt.
Mit seiner Revisionsrekursbeantwortung beantragt der Ersterlagsgegner, dem Revisionsrekurs Folge zu geben, weil diesem Berechtigung zukomme. Die Zweiterlagsgegnerin beantragt hingegen, dem Rechtsmittel des Erlegers den Erfolg zu versagen.
Rechtliche Beurteilung
Entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenden – Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs mangels Aufzeigens einer entscheidungsrelevanten erheblichen Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG nicht zulässig.
1. Trotz Zulässigerklärung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht muss der Rechtsmittelwerber den Revisionsrekurs ausführen und eine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigen. Macht er hingegen nur solche Gründe geltend, deren Erledigung nicht von der Lösung einer erheblichen Rechtsfrage abhängt, so ist das Rechtsmittel zurückzuweisen (8 Ob 17/16g). Davon abgesehen begründet der Umstand, dass der Oberste Gerichtshof zu einer bestimmten Frage oder Sachverhaltskonstellation noch nicht ausdrücklich Stellung genommen hat, keine erhebliche Rechtsfrage, wenn die Rechtslage eindeutig ist oder die relevanten Grundsätze in der Rechtsprechung geklärt sind (vgl RIS‑Justiz RS0102181).
Im Revisionsrekurs des Erlegers wird keine erhebliche Rechtsfrage angesprochen. Außerdem sind die für den Anlassfall maßgebenden Rechtsgrundsätze in der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs geklärt. Das Rekursgericht ist von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen und hat sie richtig angewandt.
2. Das Rekursgericht hat den Erlagsantrag mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass der Miteigentümer gemäß § 830 ABGB befugt sei, auf die Verteilung des Ertrags zu dringen, wobei grundsätzlich – mangels abweichender Vereinbarung – die Verteilung des Erlags gemäß § 839 ABGB nach Anteilen erfolge, weiters dass die vom Ersterlagsgegner angesprochenen fiktiven Mietzinseinnahmen in der Abrechnung des Erlegers nicht enthalten seien und Ansprüche des Ersterlagsgegners aus diesen fiktiven Einnahmen nur direkt gegenüber der Zweiterlagsgegnerin bestehen könnten. Außerdem ergebe sich aus dem Vorbringen des Erlegers nicht, dass die Aufteilung der Erträge zum jetzigen Zeitpunkt vorzunehmen oder verlangt worden sei.
Im Revisionsrekurs geht der Erleger auf diese Argumentation des Rekursgerichts inhaltlich nicht ein. Vielmehr verweist er im Wesentlichen nur auf das Vorhandensein mehrerer Forderungsprätendenten. Dies will er mit möglichen Schadenersatzansprüchen des Ersterlagsgegners gegen ihn begründen, weil der Ersterlagsgegner der Zweiterlagsgegnerin vorwerfe, Mieteinnahmen lukriert zu haben, die nicht über das Hausverwaltungskonto verrechnet würden.
Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Beurteilung des Rekursgerichts zu entkräften. Der Erleger zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf.
3.1 Rechtlich gilt Folgendes:
Die Hinterlegung nach § 1425 ABGB ist auf die Schuldbefreiung des Erlegers gerichtet. Im Erlagsverfahren hat das Gericht den Erlagsantrag nur auf seine Schlüssigkeit zu den Erlagsvoraussetzungen, insbesondere zum Erlagsgrund, hin zu prüfen. Erlagsgrund kann auch ein Prätendentenstreit sein. Forderungsprätendent ist derjenige, der Anspruch auf die Leistung, die der Schuldner zu erbringen hat, erhebt (RIS‑Justiz RS0118340; RS0033610). Wird ein Erlagsgesuch mit einem Prätendentenstreit begründet, so müssen zudem auch die Angaben des Erlegers über die auf den Erlagsgegenstand geltend gemachten Ansprüche rechtlich schlüssig sein. Der Erlagsantrag ist abzuweisen, wenn nach der Schlüssigkeitsprüfung aus den Angaben des Erlegers hervorgeht, dass der von ihm benannte Erlagsgegner nicht Gläubiger sein kann. Die Schlüssigkeit ist grundsätzlich aufgrund der Behauptungen des Erlegers zu prüfen. Die Schlüssigkeitsprüfung bezieht sich vor allem auf die Prüfung der rechtlichen Plausibilität der Anspruchsgrundlagen der Prätendenten. Der Erleger muss plausibel machen, welcher Anspruch den Erlagsgegnern auf den Erlagsbetrag zusteht und warum die Sach‑ oder Rechtslage für ihn unklar ist. Bei mehreren Forderungsprätendenten ist der Gerichtserlag durch den Schuldner dann berechtigt, wenn für diesen – trotz zumutbarer Prüfung – objektive Schwierigkeiten bestehen, in Ansehung der von ihm geschuldeten Leistung den Berechtigten zu erkennen (8 Ob 31/11h; 8 Ob 57/15p).
3.2 Nach dem wiederholten Vorbringen des Erlegers betrifft der Erlagsantrag die Hälfte‑Überschüsse aus den Mietzinseinnahmen, die sich auf dem Verwaltungskonto befinden. Den Erlagsgrund bezieht der Erleger demgegenüber auf die nach den Behauptungen des Ersterlagsgegners rechtswidrige Eigenvermietung von Objekten durch die Zweiterlagsgegnerin, die diese willkürlich okkupiert habe. Allfällige Mietzinseinnahmen aus solchen Eigenvermietungen befinden sich nach dem Vorbringen des Erlegers nicht auf dem Verwaltungskonto. Der Erleger möchte den Erlag aber deshalb bewerkstelligen, weil der Ersterlagsgegner von ihm fordere, dass diese Objekte fiktiv in die Abrechnung mit aufgenommen würden. Ein Anspruch des Ersterlagsgegners auch auf die zweite Hälfte der auf dem Verwaltungskonto erliegenden Mietzinseinnahmen ergibt sich daraus nicht. Die strittigen Ansprüche zwischen dem Ersterlagsgegner und der Zweiterlagsgegnerin beziehen sich nicht auf den Betrag, der auf dem Verwaltungskonto erliegt, also nicht auf den Erlagsgegenstand. Auch ein Schadenersatzanspruch des Ersterlagsgegners gegen den Verwalter lässt sich aus dem Vorbringen nicht schlüssig ableiten.
Die Voraussetzungen für den Erlag sind demnach nicht gegeben. Die Entscheidung des Rekursgerichts weist keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung auf.
4. Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 78 Abs 2 AußStrG. Die Zweiterlagsgegnerin hat das Vorliegen der Voraussetzungen für die Zulässigerklärung des Revisionsrekurses bestritten. Der von ihr verzeichnete Streitgenossenzuschlag gebührt jedoch nicht, weil ein solcher nur zusteht, wenn der Rechtsanwalt mehrere Parteien vertritt oder ihm mehrere Parteien gegenüberstehen. Die Revisionsrekursbeantwortung des Ersterlagsgegners ist nicht zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendig, weil er dem Erlagsantrag und damit dem Rechtsmittel des Erlegers nicht entgegentritt und demnach mit dem Erleger deckungsgleiche Interessen verfolgt.
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