European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1985:0080OB00555.85.0918.000
Rechtsgebiet: Zivilrecht
Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit S 2.940,15 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin Barauslagen von S 480,‑ und Umsatzsteuer von S 223,65) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte ist die Tochter des am 15. 11. 1980 verstorbenen Franz W*, der Mieter der Wohnung Nr. 2 in dem dem Kläger gehörigen Haus in W*, war. Der Nachlaß nach ihrem Vater wurde der Beklagten mit Einantwortungsurkunde des Bezirksgerichtes Wiener Neustadt vom 18. Februar 1982, A 1266/80‑40, eingeantwortet.
Im vorliegenden mit einer am 26. 1. 1983 beim Erstgericht eingelangten Klage eingeleiteten Rechtsstreit begehrte der Kläger die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von zuletzt (ON 27 S 80) S 26.597,10 im wesentlichen mit der Begründung, Franz W* habe die von ihm gemietete Wohnung nicht im Zuge des bedungenen Gebrauches normal abgenützt, sondern sie in einem geradezu chaotischen Zustand hinterlassen. Um den ordnungsgemäßen Zustand der Wohnung wiederherzustellen, habe der Kläger Aufwendungen in der Höhe des Klagsbetrages machen müssen, die ihm die Beklagte als Erbin nach ihrem Vater zu ersetzen habe. Der Kläger habe seine Forderung im Verlassenschaftsverfahren angemeldet, doch sei ihm von der Beklagten bis auf einen geringen Mietzinsrückstand keine Zahlung geleistet worden.
Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, es werde bestritten, daß ihr Vater die Mietwohnung in einem Zustand hinterlassen habe, der über das Ausmaß der normalen Abnützung hinausgegangen sei. Die Wohnung sei nach dem Tod ihres Vaters von dessen Schwester und deren Sohn ausgeräumt worden und habe sich im damaligen Zeitpunkt in einem Zustand befunden, der der rund fünfzehnjährigen Dauer des Mietverhältnisses entsprochen habe.
Das Erstgericht verurteilte die Beklagte zur Zahlung von S 26.597,10 s.A. Es traf im wesentlichen Feststellungen über den Zustand der Wohnung nach Beendigung des Mietverhältnisses und die Höhe der Kosten der Behebung einzelner Schäden, deren Wiedergabe hier unterblieben kann.
Rechtlich beurteilte es den festgestellten Sachverhalt im wesentlichen dahin, daß der Mieter gemäß § 1098 ABGB berechtigt sei, die Sache sorgfältig und sachgemäß zu gebrauchen. Bei übermäßiger Abnützung werde der Bestandnehmer ersatzpflichtig. Dieses Gebrauchsrecht berechtige nur zum schonenden Gebrauch ohne Verletzung der Substanz. Grundsätzlich sei der Anspruch des Bestandgebers auf Wiederherstellung des früheren Zustandes der Bestandsache ein Naturalersatzanspruch. Geldersatz können nur verlangt werden, wenn der Bestandnehmer die Ersatzforderung dem Grunde nach bestreite. Abgesehen davon könne der Ersatz von Schäden auch dann vom Vermieter gefordert werden, wenn das Bestandobjekt ohne Behebung der Schäden weitervermietet würde. Da im vorliegenden Fall durch übermäßige Abnützung Schäden entstanden seien, hafte für diese die Beklagte als Alleinerbin des Bestandnehmers und Schädigers Franz W*. Da der Naturalersatz abgelehnt worden sei, könne Geldersatz im Umfang der vorhandenen Schäden verlangt werden.
Dieses Urteil wurde von der Beklagten mit Berufung bekämpft. In diesem Rechtsmittel berief sich die Beklagte unter anderem darauf, daß die Klagsforderung im Sinne des § 1111 ABGB präkludiert und erloschen sei.
In der mündlichen Berufungsverhandlung vom 12. 12. 1984 (ON 34 S 116) stellten die Parteien außer Streit, daß die Wohnung dem Kläger in der Zeit zwischen 1. und 10. 7. 1981 zurückgestellt wurde, indem ihm vom Neffen des verstorbenen Mieters die Wohnungsschlüssel übergeben wurden. Der Kläger gab über Befragen an, es sei ihm nicht bekannt, daß danach noch irgendjemand von den Angehörigen des verstorbenen Mieters in der Wohnung gewesen sei. Dem Installateur‑ und dem Malermeister habe der Kläger das Betreten der Wohnung ermöglichst. Die Klage sei deshalb erst im Jänner 1983 eingebracht worden, weil vorher nach dem Stand der Abhandlung der Erbe noch nicht festgestanden sei.
Das Berufungsgericht wies die Berufung der Beklagten, soweit sie Nichtigkeit geltend machte, mit Beschluß zurück. Im übrigen gab es mit dem angefochtenen Urteil der Berufung Folge und änderte die Entscheidung des Erstgerichtes im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens ab. Er ließ die Revision (nach § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO). zu.
Das Berufungsgericht führte rechtlich im wesentlichen aus, daß es sich bei der im § 1111 ABGB normierten Jahresfrist um eine Fallfrist handle, die ab Zurückstellung des Bestandobjektes laufe. Im Hinblick auf die in der Berufungsverhandlung außer Streit gestellte Zurückstellung des Bestandobjektes Anfang Juli 1981 – daß dem Kläger ab diesem Zeitpunkt die alleinige Verfügungsmacht nicht zugestanden und das Bestandverhältnis weiter aufrecht gewesen wäre, sei nie behauptet worden – sei daher davon auszugehen, daß die Frist des § 1111 ABGB Anfang Juli 1982 geendet habe; die Klage sei aber erst am 26. 1. 1983 beim Erstgericht eingebracht worden. Zum Zeitpunkt der Klagsanbringung seien daher die Ansprüche des Klägers, soweit solche nach § 1111 ABGB bestanden hätten, erloschen gewesen. Auf diese Umstände hätte das Erstgericht auch ohne entsprechende Einwendung der Beklagten von Amts wegen Bedacht nehmen und schon aus diesem Grund das Klagebegehren abweisen müssen.
Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Berufungsgericht damit, daß die Rechtsprechung zur Frage, ob die Frist des § 1111 ABGB eine Verjährungs‑ oder eine Präklusivfrist sei, uneinheitlich sei.
Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers. Er bekämpft sie aus dem Revisionsgrund der „unrichtigen rechtlichen Beurteilung“ mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichtes abzuändern; hilfsweise stellt er einen Aufhebungsantrag.
Die Beklagte hat eine Revisionsbeantwortung mit dem Antrag erstattet, die Revision des Klägers als unzulässig zurückzuweisen, allenfalls ihr nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist entgegen der in der Revisionsbeantwortung der Beklagten vertretenen Meinung im Sinne des § 502 Abs. 4 Z 1 ZPO zulässig, weil zu der Rechtsfrage, ob es sich bei der im § 1111 ABGB normierten Jahresfrist um eine Verjährungs‑ oder um eine Präklusivfrist handelt, eine bis in jüngere Zeit reichende uneinheitliche Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliegt (siehe dazu die Darstellung der Judikatur bei Würth in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1111 und in EvBl. 1984/2).
Sachlich ist die Revision aber nicht berechtigt.
Vorwegzunehmen ist, daß nach Lehre und Rechtsprechung (Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 1451; SZ 2/114; SZ 30/34; 1 Ob 800/76; 3 Ob 664/78 ua.) der Grundsatz, daß Fallfristen von Amts wegen wahrzunehmen sind, nicht dahin zu verstehen ist, daß auch ihre tatsächlichen Voraussetzungen von Amts wegen zu untersuchen wären. Er besagt nur, daß es nicht der formellen Erhebung einer diesbezüglichen Einwendung bedarf; die tatsächlichen Voraussetzungen müssen aber bereits im Verfahren erster Instanz behauptet und bewiesen werden. Dies hat die Beklagte im vorliegenden Fall nicht getan; sie hat sich erstmals in ihrer Berufung auf die Verfristung der Klagsansprüche berufen und erst in diesem Rechtsmittel das Vorliegen der tatsächlichen Voraussetzungen für diese Verfristung behauptet. Wenn das Berufungsgericht auf diesen erstmals in der Berufung der Beklagten erhobenen Einwand eingegangen ist und im Sinne der erst im Berufungsverfahren erfolgen Außerstreitstellungen über den Zeitpunkt der Zurückstellung der Bestandsache zu dem Ergebnis gelangte, daß die Klagsforderung infolge Präklusion erloschen sei, hat es damit in Wahrheit das im § 482 ZPO normierte Neuerungsverbot verletzt. Ein Verstoß gegen diese Prozeßvorschrift – er wurde im übrigen im vorliegenden Rechtsmittel des Klägers nicht geltend gemacht – ist aber nach Lehre und ständiger Rechtsprechung (Fasching Lehrbuch Rdz 1733; JBl. 1960, 443 uva.; zuletzt etwa 2 Ob 182/82; 7 Ob 38/83) keinem der im § 503 ZPO normierten Revisionsgründe zu unterstellen und daher im Revisionsverfahren nicht behebbar.
In der Sache selbst tritt der erkennende Senat aus den in der in EvBl. 1984/2 = JBl. 1984, 489 = MietSlg. Bd. 35/2.Teil/17 veröffentlichten Entscheidung des 6. Senates des Obersten Gerichtshofes ersichtlichen Gründen, auf die zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen werden kann, der dort vertretenen Rechtsansicht bei, daß es sich bei der Frist des § 1111 ABGB um eine Präklusivfrist und nicht um eine Verjährungsfrist handelt. Diese Auslegung entspricht im Sinne des § 6 ABGB sowohl dem Wortlaut des Gesetzes (... „sonst ist das Recht erloschen“) als auch der klaren Absicht des Gesetzgebers, Forderungen aus der Beschädigung von Bestandgegenständen einer raschen Klärung zuzuführen und sie nicht nur im Rahmen der im § 1489 ABGB normierten allgemeinen Verjährung von Schadenersatzansprüchen zeitlich zu beschränken. Wenn Würth in Rummel, ABGB, Rdz. 5 zu § 1111, ausführt, der Gesetzeswortlaut spreche für die Annahme einer Präklusivfrist, die Rechtsähnlichkeit zu § 1489 ABGB aber für die Annahme einer Verjährungsfrist, so ist letzterem Argument zu entgegnen, daß gerade in der Vorschrift des § 1489 ABGB eine eindeutig als solche bezeichnete Verjährungsbestimmung hinsichtlich aller Schadenersatzansprüche („jede Entschädigungsklage“ ...) geschaffen wurde und es schon aus systematischen Gründen kaum einzusehen wäre, daß der Gesetzgeber eine solche allgemeine Verjährungsbestimmung geschaffen hätte, wenn er die Verjährung besonders gearteter Schadenersatzansprüche, wie etwa solche aus der Beschädigung eines Bestandgegenstandes durch den Mieter, anders hätte regeln wollen. Die im im § 1489 ABGB normierten Fristen sind nicht nur wesentlich länger als die Frist des § 1111 ABGB, sondern im Gegensatz zu dieser ausdrücklich als Verjährungsfrist bezeichnet. Diese Überlegungen ergeben, daß auch aus einem Vergleich der Bestimmungen des § 1489 ABGB und des § 1111 ABGB nichts für die Annahme der Normierung einer Verjährungsfrist durch die letztgenannte Gesetzesstelle abgeleitet werden kann. Im übrigen kann auf die Begründung der eingangs erwähnten Entscheidung des 6. Senates verwiesen werden.
Ob die Bestimmung des § 1497 ABGB analog auf die Präklusivfrist des § 1111 ABGB, die mit der Rückstellung des Bestandobjektes in Lauf gesetzt wird (MietSlg. 21.202, 27.195 ua.), anzuwenden wäre (siehe dazu EvBl. 1957/203; SZ 54/80; SZ 49/106), ist im vorliegenden Fall nicht zu untersuchen. Die vom Kläger behauptete Anmeldung seiner hier geltend gemachten Ersatzforderung im Verlassenschaftsverfahren nach Franz W* ist keine gerichtliche Geltendmachung im Sinne des § 1111 ABGB und es kommt ihr jedenfalls keine Unterbrechungswirkung im Sinne des § 1497 ABGB zu (vgl. Klang in Klang 2 V 95; Schubert in Rummel, ABGB, Rdz 8 zu § 1497; EFSlg. 22.674; 4 Ob 16/84 ua.).
Wenn unter diesen Umständen das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangte, daß die Klagsforderung bei Einbringung der Klage bereits infolge Präklusion erloschen war, hat es damit gegen materiellrechtliche Bestimmungen nicht verstoßen.
Der Revision des Klägers mußte daher ein Erfolg versagt bleiben.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.
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