Spruch:
Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben; dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.
Text
Begründung
Das Erstgericht hat den vom Vater des am 27.3.1990 geborenen Kindes ab 1.3.1993 zu leistenden Unterhaltsbeitrag von 1.960,-- S auf 1.300 S herabgesetzt und dieser Unterhaltsbemessung zugrundegelegt, daß der Unterhaltspflichtige ab 23.2.1993 Arbeitslosengeld einschließlich des Familienzuschlages beziehe.
Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Unterhaltssachwalters mit der Begründung nicht Folge, eine Anspannung des Vaters habe nicht zu erfolgen. Es werde zwar vom Unterhaltsverpflichteten eine zumutbare Bemühung um einen Arbeitsplatz erwartet, wegen des Zeitraumes von 6 Monaten zwischen Beginn der Arbeitslosigkeit und der Beschlußfassung durch das Erstgericht könne dem Unterhaltspflichtigen aber noch nicht eine unzureichende Bemühung um einen Arbeitsplatz vorgeworfen werden.
Das Rekursgericht ließ den ordentlichen Revisionsrekurs mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG nicht zu.
Gegen den rekursgerichtlichen Beschluß richtet sich der außerordentliche Revisionsrekurs des Amtes für Jugend und Familie aus dem Grunde der Aktenwidrigkeit: Die Vorinstanzen seien mit keinem Wort darauf eingegangen, daß der Unterhaltspflichtige aktenkundig vom 2.5.1993 bis 27.11.1993 bei der Gemeinde Wien in einem Krankenhaus gearbeitet habe; eine Herabsetzung wegen länger dauernder Arbeitslosigkeit sei daher nicht gerechtfertigt.
Rechtliche Beurteilung
Der Revisionsrekurs ist zulässig und auch berechtigt:
Gemäß § 14 Abs 1 AußStrG ist der Rekurs an die dritte Instanz nur zulässig, wenn eine Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
Sowohl das Erstgericht als auch das Rekursgericht haben die zahlreichen im Akt befindlichen Hinweise, wonach der Unterhaltspflichtige in einem Beschäftigungsverhältnis steht und nicht arbeitslos ist, übergangen, sodaß die rekursgerichtliche Annahme einer fortbestehenden Arbeitslosigkeit des Unterhaltspflichtigen aktenwidrig ist.
Die Frage des Vorliegens einer Aktenwidrigkeit ist von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 14 Abs 1 AußStrG, liegt es doch nicht nur im Interesse der betroffenen Parteien, sondern aus Gründen der Rechtssicherheit auch im allgemeinen Interesse, daß darauf zurückzuführende Fehlentscheidungen verhindert werden (Kodek-Rechberger Rz 3 zu § 502 ZPO; 1 Ob 561/94; 8 Ob 608/93; MuR 1986 H 5, 26 = ÖBl 1987, 102). Durch die im Pflegschaftsverfahren gebotene Beachtung des Kindeswohls sind zudem Verfahrensgarantien verstärkt wahrzunehmen, um sachlich richtige Entscheidungen zu gewährleisten. Das vollständige Übergehen eines entscheidungswesentlichen Akteninhalts stellt eine Aktenwidrigkeit bzw einen groben Verfahrensmangel dar.
Im fortzusetzenden Verfahren wird das Erstgericht jedenfalls die schon vor Beschlußfassung vorhandenen aktenkundigen Hinweise auf das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses (ON 34, 36 und 38; im Konvolut sind zwei Lohnzettel für August und September 1993 enthalten, siehe AS 89) bei den zu treffenden Feststellungen zu berücksichtigen haben.
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