Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.
Text
Begründung
Die beklagte Partei ist aufgrund eines Mietvertrages vom 10. August 1965 Mieterin von Geschäftsräumlichkeiten und einer Betriebswohnung im Hause Unionstraße 84 in Linz. Das Bestandrecht ist in der EZ 49 KG Waldegg verbüchert. Mit Bescheid des Landeshauptmannes für Oberösterreich vom 28. April 1971, VerkR-552/37-1980-III-Kp, wurde die Liegenschaft zugunsten der Klägerin enteignet. Ein Übereinkommen über die Höhe der Entschädigung kam nicht zustande, worauf die Klägerin am 7. April 1982 zu 2 Nc 62/82 des Bezirksgerichtes Linz die gerichtliche Feststellung der zu leistenden Entschädigung beantragte. Die beklagte Partei hat an diesem Verfahren als Nebenbeteiligte teilgenommen. Mit Teilbeschluß vom 24. August 1984, 2 Nc 62/82-45, hat das Bezirksgericht Linz die den Eigentümern Alfred und Anna S*** und 8 Mietern zu leistende Entschädigung mit insgesamt S 6,029.440,-- festgesetzt und die Entscheidung über die der beklagten Partei zu leistende Entschädigung vorbehalten. Gegen diesen Beschluß haben sowohl die Klägerin als auch Alfred und Anna S*** Rekurs erhoben. Am 13. Dezember 1985 schlossen die Rekurswerber vor dem Rekursgericht folgende Vereinbarung:
"I.
Von den ÖBB wird gemäß Enteignungsbescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 28. April 1981, VerkR-552/37-1980, die Liegenschaft EZ 49 KG Waldegg, bestehend aus Grundstück 557/Baufläche, samt allen darauf befindlichen Baulichkeiten, insbesondere Haus Unionstraße 84, 4020 Linz, zur Gänze beansprucht. Auf Grund des Beschlusses des Bezirksgerichtes Linz vom 24. August 1984, 2 Nc 62/82-45, wurde die Entschädigungssumme mit S 6,029.440,-- festgesetzt. Die Entscheidung über die nebenbeteiligte Partei Magister E. R*** OHG wurde jedoch noch vorbehalten.
II.
Die Ehegatten Alfred und Anna S*** erklären sich bereit, die im Punkt I. umschriebene Liegenschaft, so wie sie liegt und steht, frei von allen bücherlichen und außerbücherlichen Lasten, jedoch mit Ausnahme der nachgenannten Bestandrechte, zu einer Entschädigungssumme von S 6,029.440,-- (in Worten Schilling sechsmillionenneunundzwanzigtausendvierhundertvierzig) an die ÖBB zu übergeben und zum Zwecke der Einverleibung des Eigentumsrechtes eine Entschädigungsquittung binnen drei Tagen nach Erhalt der Entschädigungssumme auszustellen.
III.
Die Ehegatten Alfred und Anna S*** räumen den ÖBB das Recht der Benützung des Enteignungsgegenstandes ab 1. Jänner 1986 ein. Festgestellt wird, daß in CLNR. 1 das Bestandrecht für Mr. Elfriede R*** aufgrund des Mietvertrages vom 10. August 1965 einverleibt ist. Die aus dem Mietvertrag vom 10. August 1965 abgeleiteten Rechte und Pflichten werden von den ÖBB übernommen. Die ÖBB verpflichten sich, die Ehegatten Alfred und Anna S*** hinsichtlich sämtlicher, aufgrund des Mietvertrages vom 10. August 1965 und allenfalls im Zusammenhang mit der gegenständlichen Enteignung bestehenden oder entstehenden Ansprüche der Bestandnehmerin und deren Rechtsnachfolger, insbesonders auch der Firma L*** A*** Magister E. R*** OHG, schad- und klaglos zu halten.
Festgestellt wird, daß neben diesen Bestandrechten an den Apothekenräumlichkeiten und der Wohnung im 1. Stock auch mehrere Wohnräume des Hauses von Mietern bewohnt werden. Festgestellt wird weiters, daß hinsichtlich der letztgenannten Mieter Räumungsverpflichtungen zum 28. Februar 1986 vorliegen bzw. werden solche bis 31. Dezember 1985 vorhanden sein. Es wird daher der im Entschädigungsbeschluß festgesetzte Betrag von S 40.000,-- vorläufig treuhändig von DDr. M*** zurückbehalten, mit der von beiden Parteien des Übereinkommens hiemit unwiderruflich erteilten Anweisung, diesen Betrag nach geräumter Übergabe der nicht vom Mietvertrag vom 10. August 1965 umfaßten Räumlichkeiten an die Ehegatten S*** je zur Hälfte auszuzahlen.
IV.
Die ÖBB verpflichten sich, die im Punkt II. genannte Entschädigungssumme bis spätestens 31. Dezember 1985 auf das Konto Nr. 10.000.586 bei der OÖ. Volkskreditbank in Linz des DDr. Heinz M***, Rechtsanwalt, Kroatengasse 7, 4020 Linz, zu überweisen.
V.
Die ÖBB verpflichten sich, sämtliche aufgrund dieser Vereinbarung entstehenden Kosten, Steuern und Gebühren zu bezahlen bzw. die Ehegatten Alfred und Anna S*** diesbezüglich schad- und klaglos zu halten.
VI.
Die sowohl von den Ehegatten Alfred und Anna S*** als auch von den ÖBB gegen den Beschluß des Bezirksgerichtes Linz vom 24. August 1984, 2 Nc 62/82-45, eingebrachten Rechtsmittel werden hiemit beiderseits zurückgezogen, ebenso der Antrag auf Entschädigungsfestsetzung (auch hinsichtlich aller Nebenbeteiligten, insbesonders der Fa. L***-A*** Mr. E. R*** OHG).
Sollte den Ehegatten Alfred und Anna S*** für den Ersatzerwerb Grunderwerbssteuerbefreiung nicht zuerkannt werden, verpflichten sich die ÖBB, den Ehegatten Alfred und Anna S*** die auf den Ersatzerwerb entfallende Grunderwerbssteuer zu ersetzen, und zwar soweit, als diese für die obgenannte Entschädigungssumme zur Vorschreibung gelangen sollte. Der Ersatz der Grunderwerbssteuer für den Ersatzerwerb bleibt jedoch beschränkt auf eine Entschädigungssumme von S 5,872.000,-- (Grundstück und Gebäude), Einheitswert S 808.000,--, sowie auf einen Ersatzerwerb innerhalb der Frist des § 3 Z 6 GrEStG, wobei die Frist mit dem Tage der Unterfertigung des Übereinkommens beginnt. Die Ehegatten S*** verpflichten sich, sämtliche Rechtsmittel auszuschöpfen, die ÖBB stellen die Entwürfe dieser Rechtsmittel zur Verfügung."
Die Klägerin kündigte der beklagten Partei am 18. Februar 1986 eine Garagenfläche und einen hofseitigen Anbau zum 31. August 1986 auf. Sie sei nunmehr grundbücherliche Eigentümerin der Liegenschaft EZ 49 KG Waldegg. Die beklagte Partei habe ein bücherlich sichergestelltes Bestandrecht an verschiedenen Geschäftsräumlichkeiten samt Betriebswohnung. Im Mietvertrag sei vereinbart worden, daß ab 1. Jänner 1986 eine Kündigung jederzeit unter Einhaltung einer halbjährigen Kündigungsfrist ohne Angabe von Gründen möglich sei, und daß die Parteien das Mietrechtsgesetz nicht angewendet haben wollten. Im Zuge des Umbaues des Linzer Hauptbahnhofes sei die Errichtung der Gleise "3" und "5 b" auf der nunmehr der Klägerin gehörenden Liegenschaft erforderlich, wozu sie die gekündigten Teilflächen des Grundstückes benötige. Das Mietobjekt sei auch ohne diese Teilflächen weiterhin ohne Schwierigkeiten uneingeschränkt benutzbar, zumal die Klägerin bereit sei, auf ihre Kosten die Stahlblechgarage und auch den erwähnten Anbau auf eine andere Stelle des Grundstückes zu verlegen. Die beklagte Partei erhob gegen die Kündigung folgende Einwendungen:
Die Klägerin sei noch nicht Eigentümerin der enteigneten Liegenschaft, weil sie die für die beklagte Partei zu leistende Entschädigung noch nicht bezahlt oder sichergestellt habe. Die Vereinbarung zwischen der Klägerin und den Eigentümern über die Höhe der Entschädigung sei mangels Zustimmung der beklagten Partei unzulässig und daher unwirksam. Durch die Enteignung sei das Bestandrecht der beklagten Partei erloschen; die in der Vereinbarung festgelegte "Übernahme" des Bestandverhältnisses sei nur mit Zustimmung der beklagten Partei möglich. Die Klägerin sei daher zu einer Kündigung nicht legitimiert. Selbst wenn man aber davon ausginge, daß die Klägerin bereits Eigentümerin der Liegenschaft sei, habe sie das Eigentum lastenfrei erworben. Das Bestandverhältnis sie dadurch aufgelöst, sodaß eine Kündigung weder möglich noch zulässig sei. Letztlich sei die Kündigung aber auch inhaltlich nicht berechtigt.
Das Erstgericht hob die Teilkündigung als rechtsunwirksam auf. Es folgte der Argumentation der Beklagten, daß durch die Enteignung das Bestandverhältnis untergegangen und eine Kündigung daher nicht mehr möglich sei, die Klägerin vielmehr mit einer Räumungsklage vorzugehen habe.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin Folge und hob das erstgerichtliche Urteil auf. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes S 15.000,--, nicht aber S 300.000,-- übersteigt und fügte seiner Entscheidung einen Rechtskraftvorbehalt an, weil die zu lösenden Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung seien. Im Gegensatz zur Ansicht des Erstgerichtes vertrat das Berufungsgericht die Auffassung, daß das Bestandrecht der Beklagten durch die Enteignung nicht untergegangen sei. Zwar erwerbe der Enteigner das Eigentum grundsätzlich lastenfrei, weshalb auch die Bestandrechte durch die Enteignung erlöschen. Dies sei aber nicht schon bei Rechtskraft des Enteignungsbescheides der Fall, sondern erst bei Zahlung oder gerichtlichem Erlag der Entschädigungssumme. Der Bestandnehmer habe, auch wenn sein Recht verbüchert ist, gemäß § 4 Abs 2 EisbEG keine Parteistellung; es sei gemäß § 5 EisbEG erst bei der Ermittlung der Entschädigung auf die ihm vom Enteigneten zu vergütenden Nachteile Rücksicht zu nehmen. Die Interessen des Bestandnehmers würden im Enteignungsverfahren und im gerichtlichen Entschädigungsfeststellungsverfahren vom Enteigneten vertreten. Als mittelbar Beteiligter sei der Bestandnehmer auf ein Forderungsrecht gegen den Enteigneten beschränkt. Die Ehegatten S*** hätten in Wahrnehmung der Interessen der beklagten Partei durch die Vereinbarung mit der Klägerin vom 13. Dezember 1985 erreicht, daß die Rechte der beklagten Partei durch die Enteignung nicht berührt werden. Es sei kein Grund dafür ersichtlich, warum sich die Klägerin, mag sie auch Anspruch auf lastenfreie Übergabe der enteigneten Liegenschaft haben, nicht in bezug auf das Bestandrecht der beklagten Partei mit den Rechtsfolgen des Kaufes (§ 1120 ABGB) sollte begnügen können. Die beklagte Partei habe keinen Anspruch darauf, ihr Bestandrecht zu verlieren, um in den Genuß einer Geldentschädigung zu kommen. Da somit das Bestandrecht der beklagten Partei durch die Enteignung nicht beeinträchtigt wird, habe sie durch die Enteignung keinen Nachteil erlitten, der ihr gemäß § 5 EisbEG vom Enteigneten zu vergüten wäre. Ihre Zustimme g zur Vereinbarung vom 13. Dezember 1985 sei daher für deren Zulässigkeit nicht erforderlich, sodaß die Vereinbarung entgegen der Ansicht der Beklagten gemäß den §§ 29 Abs 1, 22 Abs 1 EisbEG zulässig und wirksam ist. Sie verhindere das Erlöschen des Bestandrechtes der beklagten Partei durch die Enteignung. Das Erstgericht habe das Bestehen eines Bestandverhältnisses zwischen den Streitteilen und die Aktivlegitimation der Klägerin daher zu Unrecht verneint. Die Aufhebung der Kündigung sei auch deshalb verfrüht, weil schon nach dem in der Klage behaupteten Grundbuchstand, dessen Richtigkeit nicht geprüft wurde, sowohl Bestandverhältnis, als auch Aktivlegitimation der Klägerin zu bejahen wären. Ausgehend von einer vom Berufungsgericht nicht gebilligten Rechtsansicht habe das Erstgericht die Berechtigung der Kündigung nicht geprüft, sodaß das Verfahren mit einem sekundären Mangel behaftet ist. Da noch keinerlei Beweise aufgenommen wurden, sei anzunehmen, daß durch eine Ergänzung des Verfahrens vor dem Berufungsgericht im Vergleich zur Zurückweisung der Sache an das Erstgericht die Erledigung verzögert und ein erheblicher Mehraufwand von Kosten verursacht werden würde. Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich der Rekurs der beklagten Partei aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das Revisionsgericht möge den Beschluß des Berufungsgerichtes aufheben; es möge in der Sache selbst erkannt und das Urteil des Erstgerichtes wiederhergestellt werden; allenfalls möge die Teilaufkündigung zurückgewiesen werden; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Klägerin beantragt in der Rekursbeantwortung, dem Rekurs der beklagten Partei nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs ist nicht berechtigt.
Nach ständiger Rechtsprechung wird das Eigentumsrecht des Enteigners nicht vom Enteigneten abgeleitet, sondern entsteht nach einhelliger Auffassung originär (SZ 40/110; EvBl 1976/141;
SZ 53/51; Klang in Klang2 II 201; Ehrenzweig, System2 I/2, 228;
Brunner, Enteignung für Bundesstraßen 60 f). Der Enteigner erwirbt das Eigentum grundsätzlich lastenfrei, was nicht nur für die dinglichen, sondern auch für alle obligatorischen Rechte hinsichtlich des Enteignungsgegenstandes, also auch für Bestandrechte, gilt (GlU 15.334; SZ 40/110; MietSlg 20.191;
EvBl 1976/141; SZ 53/51; Brunner, Rechtsfolgen der Enteignung hinsichtlich der Bestandrechte am Enteignungsgegenstand, ÖJZ 1966, 88; derselbe, Enteignung für Bundesstraßen 69 f). Daraus folgt, daß der Enteigner keinerlei Pflichten gegenüber den Bestandnehmern des Enteigneten übernimmt und gegen diese, die sich ausschließlich an ihren Vertragspartner halten können, mit Räumungsklage vorgehen kann, ohne damit gegen ein gesetzliches Verbot oder gegen die guten Sitten zu verstoßen. Voraussetzung hiefür ist außer der Rechtskraft des Enteignungsbescheides und dem Ablauf der etwa gesetzten Räumungsfrist, daß der Entschädigungsbetrag gezahlt oder gerichtlich erlegt wurde (SZ 57/23; SZ 53/21 ua).
Der vorliegende Fall ist jedoch dadurch gekennzeichnet, daß ein Entschädigungsbetrag in Ansehung des Bestandnehmers weder bezahlt noch gerichtlich erlegt wurde. Die Klägerin beruft sich demnach nicht auf einen rechtskräftigen Enteignungsbescheid, sondern darauf, daß sie im Laufe des Enteignungsverfahrens mit den Ehegatten S*** eine Vereinbarung geschlossen habe, aufgrund welcher sie das Eigentumsrecht an der bezogenen Liegenschaft erworben und die aus dem Mietvertrag vom 10. August 1965 gegenüber der beklagten Partei abgeleiteten Rechte und Pflichten übernommen habe (siehe AS 31). Eine solche Vereinbarung ist durchaus zulässig; sie ist in jeder Lage des Verfahrens, selbst noch nach Erlassung des Enteignungsbescheides bis zur Zahlung der Entschädigungssumme möglich (Brunner, "Das Übereinkommen" in Enteignungs- und Entschädigungsverfahren ÖJZ 1976, 337 f). Der Zustimmung eines "Dritten" im Sinne des § 22 Abs 2 letzter Satz EisbEG bedarf es nur dann, wenn dabei gemäß § 22 Abs 1 leg.cit. über die infolge einer Enteignung zu leistende Entschädigung abgesprochen wird. Dies war jedoch bei der bezogenen Vereinbarung, nach welcher die aus dem bestehenden Mietvertrag vom 10. August 1965 abgeleiteten Rechte und Pflichten von der Klägerin übernommen wurden, nicht der Fall. Zutreffend verwies das Berufungsgericht darauf, daß daher die Stellung der beklagten Partei als Bestandnehmerin aufrecht blieb. Gegen die Aktivlegitimation zur Einbringung der Kündigung des zwischen der Klägerin und der beklagten Partei noch aufrechten Bestandverhältnisses bestehen somit aus den genannten Gründen keine Bedenken. Dies hat das Berufungsgericht zutreffend erkannt, weshalb dem Rekurs der beklagten Partei der Erfolg zu versagen war. Der Kostenausspruch beruht auf §§ 52 ZPO.
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