Normen
ABGB §1304
ABGB §1325
ABGB §1327
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Versichernngsvertragsgesetz §67
Versichernngsvertragsgesetz §159
ABGB §1304
ABGB §1325
ABGB §1327
Allgemeines Sozialversicherungsgesetz §332
Versichernngsvertragsgesetz §67
Versichernngsvertragsgesetz §159
Spruch:
Zur Verschuldensaufteilung zwischen alkoholisiertem Kfz-Lenker und Fahrgast, der sich diesem anvertraut
Eine fremde Versicherung soll dem Schädiger nicht wie eine eigene Haftpflichtversicherung zugute kommen
Die Lebensversicherungssumme und deren Erträgnisse sind auf den Entgang der Witwe nach § 1327 ABGB nicht zu Gunsten des Schädigers anzurechnen
OGH 25. Mai 1979, 8 Ob 42/79 (OLG Wien 15 R 2002/78; KG St. Pölten 28 Cg 135/77)
Text
Am 25. September 1974 ereignete sich auf der Bundesstraße 1 in der Nähe der Ortschaft R, im Gemeindegebiet von V, ein Verkehrsunfall, bei dem Gerhard P als Lenker des PKW Fiat 1100, mit dem polizeilichen Kennzeichen N 901.553, und der in diesem PKW mitfahrende Johann Sch., Mechaniker, wohnhaft in St. V, den Tod fanden. Johann Sch. war bei der Klägerin sozialversichert. Die Beklagte ist Haftpflichtversicherer des genannten PKW. Der Unfall wurde von Gerhard P verschuldet, weil er in alkoholisiertem Zustand bei nasser Fahrbahn mit überhöhter Geschwindigkeit in eine Rechtskurve eingefahren, auf die Gegenfahrbahn geraten und dort mit dem entgegenkommenden, von Alfred K gelenkten LKW-Zug Steyr-Daimler-Puch mit dem Probekennzeichen L 90.390 zusammengestoßen war.
Die Klägerin erbringt auf Grund des Unfalltodes des Johann Sch. an dessen Witwe Gertraud Sch. und an die Waisen Brigitte Sch., geboren 25. Jänner 1964, und Hans Sch., geboren 31. Mai 1967 ab 25. September 1974 bescheidmäßig Hinterbliebenenpensionen im gesetzlichen Ausmaß.
Sie begehrte als Legalzessionar gemäß § 332 ASVG nach Klagsmodifizierung unter Berücksichtigung eines Mitverschuldens des Sch. von einem Viertel und einer Teilzahlung den Zuspruch eines restlichen Betrages von 87 617.90 S samt Anhang als Ersatz für ihren Leistungsaufwand vom 25. September 1974 bis 31. Dezember 1977 und die Feststellung der Haftung der Beklagten als Haftpflichtversicherer des PKW N 901.553 im Rahmen der Haftungshöchstbeträge für den Ersatz all jener gesetzlichen Sozialleistungen, die die Klägerin den Hinterbliebenen des getöteten Johann Sch. für die Dauer der Anspruchsberechtigung zu erbringen haben wird, insoweit diese Leistungen in den um 25% verkürzten Schadenersatzansprüchen Deckung finden, die die Hinterbliebenen ohne Bestehen der Legalzession gemäß § 332 ASVG aus dem Titel des Unterhaltsentganges selbst zu stellen berechtigt wären.
Die Beklagte hat, soweit dies für das Revisionsverfahren noch von Bedeutung ist, eingewendet, daß Sch. ein Mitverschulden von einem Drittel treffe, weil er sich einem erkennbar alkoholisierten Lenker anvertraut habe, sowie daß der Deckungsfonds um die mit 10% anzusetzenden Erträgnisse der der Witwe zugekommenen Lebensversicherungssumme von 45 000 S zu kürzen sei.
Das Erstgericht gab - ausgehend von einem Mitverschulden des Sch. von einem Viertel sowie ohne Bedachtnahme auf die Erträgnisse der Versicherungssumme - dem Klagebegehren statt.
Abgesehen von einer - unangefochten gebliebenen -Teilabweisung - von 1907.63 S samt Anhang bestätigte das Berufungsgericht das Ersturteil aus dessen Erwägungen.
Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der Beklagten nicht Folge.
Rechtliche Beurteilung
Aus den Entscheidungsgründen:
Im Revisionsverfahren ist umstritten geblieben; a) Die Verschuldensaufteilung und b) die Berücksichtigung erzielbarer Erträgnisse der Lebensversicherungssumme.
ad a):
Die Vorinstanzen gingen über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinaus insbesondere davon aus, daß Sch. am Unfallstag nach Dienstschluß mit seinem Arbeitskollegen Gerhard P in dessen PKW zum Gasthaus R in St. V fuhr, wo sie gegen 17 Uhr eintrafen und sich bis 19.45 Uhr aufhielten und Bier und Wein in unbekannter Menge tranken. Dann fuhren beide zum Gasthaus der E G in E, wo sie etwa eine halbe Stunde blieben. P trank in dieser Zeit zwei Achtel Weißwein gespritzt und Sch. ein Achtel Weißwein gespritzt. Sch. und P haben während ihrer Gasthausbesuche am 25. September 1974 insgesamt jedenfalls so viel Alkohol zu sich genommen, daß Sch. einen Blutalkoholwert von 1.81 Promille P einen Blutalkoholwert von 2.09 Promille im Todeszeitpunkt gegen 20.45 Uhr aufwiesen.
Johann Sch. war kein Alkoholiker. Er suchte Gasthäuser fast immer nur in Gesellschaft seiner Frau und befreundeter Familien auf, um dort zu essen; Alkohol nahm er dabei nur in mäßigen Mengen zu sich. Auf dieser Grundlage lasteten die Vorinstanzen dem Lenker P neben seinen mehrfachen schwerwiegenden Fahrfehlern als besondere Verantwortungslosigkeit die außerordentlich hohe Alkoholisierung an, während sie Sch. zum Vorwurf machten, daß er sich P als Mitfahrer anvertraut habe, obwohl er damit habe rechnen müssen, daß dieser alkoholbedingt fahruntüchtig sei. So gelangten sie zu einer Verschuldensaufteilung im Verhältnis von 3 : 1 zu Lasten des alkoholisierten Lenkers.
Demgegenüber strebt die Revision die Erhöhung des vom Fahrgast zu vertretenden Mitverschuldensanteiles von einem Viertel auf ein Drittel an. Ihre Ausführungen sind jedoch nicht stichhältig.
Wie überhaupt für das Mitverschulden trifft den Schädiger auch für jene Tatumstände die Beweislast, aus denen ein Eigenverschulden des getöteten Fahrgastes aus der Erwägung abgeleitet wird, er habe sich schuldhaft einem alkoholisierten Lenker anvertraut. Allfällige Zweifel im erhobenen Sachverhalt gehen in diesem Belang zu Lasten des Schädigers (8 Ob 78/77).
Richtig ist, daß den Fahrgast nicht nur dann ein Mitverschulden trifft, wenn er die vom Lenker konsumierte Alkoholmenge kannte (was hier nicht erwiesen ist), sondern wenn er nach den Umständen annehmen mußte, daß die Fahrtüchtigkeit des Lenkers durch Alkoholgenuß beeinträchtigt sein könnte. Wenn der Fahrgast - was nach der S in Betracht zu ziehen ist - infolge eigener Alkoholisierung die beeinträchtigte Fahrtüchtigkeit des Lenkers nicht mehr ausreichend zu beurteilen vermochte, so kann ihn dies, wie der OGH ausgesprochen hat (ZVR 1976/10 ja), dann nicht entlasten, wenn er, wie hier, nach der Sachlage damit rechnen mußte, eine solche Beurteilung vornehmen zu müssen.
Damit ist aber für den Standpunkt der Beklagten nichts gewonnen, weil die Vorinstanzen den Mitfahrer Sch. ohnehin ein Mitverschulden angelastet haben.
Entgegen dem Standpunkt der Beklagten kann nicht gesagt werden, daß der Mitverschuldensanteil des Fahrgastes in der Regel mit einem Drittel anzunehmen sei (2 Ob 251/71 u. a.). Ebenso wie in besonderen Fällen die Eigenverschuldensquote des Fahrgastes größer angenommen (z. B. bei hartnäckigem Überreden des betrunkenen Lenkers zur Fahrt im Falle 2 Ob 204, 205/70) oder mit einem Drittel bemessen wurde (z. B. bei Teilnahme an einer Fahrt trotz Abmahnung unter Hinweis auf die Alkoholisierung in 2 Ob 311/70) hat der OGH vielfach dem Fahrgast nur ein 25%iges Mitverschulden angelastet (z. B. 2 Ob 426/60; ZVR 1965/63; 2 Ob 258, 294/70; 2 Ob 251/71 u. a.). Für eine derartige Verschuldensaufteilung erscheinen die besonderen Umstände des Einzelfalles maßgebend.
Im vorliegenden Fall ist zu Gunsten des Mitfahrers Sch. immerhin zu berücksichtigen, daß er - alkoholungewohnt - die Auswirkungen des von ihm konsumierten Alkohols auf seine Beurteilungsfähigkeit nicht entsprechend abzuschätzen vermochte, sowie daß angesichts der unfallsfreien Fahrt bis zum letzten Gasthaus, wo nur geringfügige Mengen getrunken wurden, das von Sch. übernommene Risiko doch nicht besonders augenfällig erschien.
Was den Unfallslenker anlangt, so vermag die Revision dessen mehrfache schwerwiegende Verstöße gegen grundsätzliche Fahrregeln nicht in Abrede zu stellen. Daß diese - wie die Revision hervorhebt - nicht trotz, sondern wegen der Alkoholisierung erfolgten, vermag den Lenker nicht zu entlasten. Auch die höhere Blutalkoholmenge des Lenkers spricht - entgegen den Revisionsausführungen - nicht für den Standpunkt der Beklagten, zumal der Lenker in erster Linie selbst seine Fahrtüchtigkeit zu beurteilen hat und die Verantwortung für seine Fahrgäste trägt (8 Ob 78/77; 8 Ob 179/74 u. a.).
Unter Berücksichtigung der Umstände des Falles ist die von den Vorinstanzen vorgenommene Verschuldensaufteilung zu billigen.
ad b):
Es ist davon auszugehen, daß den Schädiger für die Voraussetzungen der Vorteilsausgleichung bzw. der Verletzung der Schadensminderungspflicht die Behauptungs- und Beweislast trifft (JBl. 1959, 156; ZVR 1975/164 u. a.). Dementsprechend hat die Beklagte eingewendet, daß der Witwe aus der Lebensversicherung ihres verunglückten Ehegatten ein Betrag von 45 000 S zugekommen sei, dessen wirkliche oder mögliche Erträgnisse, die mit 10% bankmäßiger Verzinsung anzusetzen seien, auf deren Entgang angerechnet werden müßten.
Beide Vorinstanzen lehnten einederartige Anrechnung aus der Erwägung ab, daß aus einer privaten Versicherung bezogene Beträge nicht zu Gunsten des Schädigers zu berücksichtigen seien.
Demgegenüber hält die Beklagte in ihrer Revision an ihrem oben dargelegten Standpunkt fest. Ihre Ausführungen vermögen jedoch nicht zu überzeugen.
Der OGH hat - wie die Vorinstanzen zutreffend darlegten - in seiner Entscheidung ZBl. 1929/295 es abgelehnt, bei Ermittlung des Unterhaltsentganges nach § 1327 ABGB die Lebensversicherungssumme zu berücksichtigen. In der Folge hat der OGH wiederholt Leistungen auf Grund derartiger Privatversicherungen als nicht zu Gunsten des Schädigers anrechenbar erkannt (SZ 28/46; 2 Ob 289/6; 2 Ob 289/63 u. a.). In seiner in 2 Ob 289/63 ausdrücklich aufrecht erhaltenen Entscheidung SZ 22/61, hat der OGH ausgesprochen, daß Beträge, die dem Geschädigten auf Grund einer privaten Unfallsversicherung zuflossen, auf die vom Schädiger zu erbringenden Schadenersatzleistungen nicht anzurechnen sind und hiezu ausgeführt, daß dieser Grundsatz auch im Versicherungsvertragsgesetz dadurch zum Ausdruck kommt, daß bei der Schadensversicherung in § 67 VersVG der gesetzliche Übergang der Schadenersatzforderung des Geschädigten auf den Versicherer festgesetzt wird, während eine analoge Bestimmung in dem Abschnitt über die Unfallversicherung fehlt. Hiedurch wird auch der wirtschaftliche Ausgleich auf Seite des Schadenersatzpflichtigen herbeigeführt. Denn bei jenen Versicherungszweigen, bei denen sich der Ersatzverpflichtete auf seine Leistungen jene Beträge anrechnen kann, die der Geschädigte vom Versicherer erhalten hat, muß er anderseits diese Beträge infolge der erwähnten cessio legis an den Versicherer leisten. Hievon bleibt er bei der Unfallversicherung nach dem Gesetze bewahrt (SZ 22/61). Da auch im Abschnitt über die Lebensversicherung eine Regelung, die der für die Schadensversicherung getroffenen Bestimmung des § 67 VersVG (7 Ob 32/78 u. a.) entspricht, fehlt, können die in der SZ 22/61 für die private Unfallsversicherung ausgesprochenen Rechtssätze in gleicher Weise für die Lebensversicherung herangezogen werden.
Die Beklagte hat nun - wie die Revision richtig darlegt - weder im Verfahren erster Instanz, noch im Rechtsmittelverfahren die Auffassung vertreten, daß die Lebensversicherungssumme selbst auf den Entgang anzurechnen sei, sondern nur die Berücksichtigung der erzielbaren Erträgnisse gefordert. In ihrer Revision führt die Beklagte hiezu aus, die wirklichen oder erzielbaren Erträgnisse der Lebensversicherungssumme seien deshalb wie die Erträgnisse einer Erbschaft als entgangmindernd zu behandeln, weil die Lebensversicherung als Vermächtnis einer Forderung anzusehen sei, zumal der Begünstigte die Versicherungssumme nur im Fall des Todes des Erblassers ausbezahlt erhält. Diesen Ausführungen kann schon in ihrem Ausgangspunkt nicht beigepflichtet werden. Der im Versicherungsvertrag Begünstigte erlangt, wenn im Versicherungsvertrag nichts anderes bestimmt ist (abweichendes wurde nicht behauptet), das Recht auf Leistung des Versicherers mit dem Eintritt des Versicherungsfalles. Aber er erwirbt dieses Recht nicht aus dem Nachlaß, sondern kraft eigenen Rechtes infolge der Begünstigungserklärung im Versicherungsvertrag (SZ XVII/125 aufrechterhalten in 7 Ob 179/71; Ehrenzweig, Deutsches (österreichisches) Versicherungsvertragsrecht, 404, 407; Preslmayr, JBl. 1961, 402.)
Die von der Revision angestrebte Berücksichtigung erzielbarer Erträgnisse der Lebensversicherungssumme würde im übrigen dem allgemeinen Grundsatz widersprechen, daß eine fremde Versicherung dem Schädiger nicht wie eine eigene Haftpflichtversicherung zugute kommen soll (SZ 28/46 u. a.). Die Forderung der Revision liefe im vorliegenden Fall auf das nicht zu billigende Ergebnis hinaus, daß der Getötete mit seinen eigenen Prämienzahlungen nicht die angestrebte Begünstigung seiner Frau, sondern die teilweise Entlastung dessen herbeigeführt hätte, der seinen Tod verschuldet hat. Schließlich darf nicht übersehen werden, daß die Witwe nicht allen Schaden ersetzt verlangen kann, den sie durch den Tod ihres Gatten erleidet, sondern nur die im § 1327 ABGB umschriebenen Ansprüche geltend machen kann (SZ 16/176; SZ 23/311; 8 Ob 66/79 u. a.). Es ist nicht einzusehen, warum sie die ihr als Begünstigter eines Lebensversicherungsvertrages bei Eintritt des Risikofalles vom Versicherer ausbezahlte Summe nur in einer Weise verwenden dürfte, die in den vom Schädiger zu deckenden Schadenskreis fällt und dessen Ersatzpflicht verkleinern könnte.
Aus den angeführten Erwägungen war der Revision ein Erfolg zu versagen.
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