OGH 8Ob31/12k

OGH8Ob31/12k28.3.2012

Der Oberste Gerichtshof hat als Rekursgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.

Spenling als Vorsitzenden sowie den Hofrat Hon.‑Prof. Dr. Kuras, die Hofrätin Dr. Tarmann‑Prentner und die Hofräte Mag. Ziegelbauer und Dr. Brenn als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei B***** T*****, vertreten durch Prof. Haslinger & Partner, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei R***** I***** regGenmbH, *****, vertreten durch Binder Broinger Miedl, Rechtsanwälte in Linz, wegen 37.219,44 EUR sA, über die Rekurse sowohl der klagenden Partei als auch der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. Jänner 2012, GZ 1 R 200/11d‑96, mit dem das Urteil des Landesgerichts Wels vom 16. September 2011, GZ 2 Cg 232/06d‑90, im Umfang der Anfechtung aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Rekurs der klagenden Partei wird zurückgewiesen. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 1.963,98 EUR (darin enthalten 327,33 EUR USt) bestimmten Kosten der Rekursbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Dem Rekurs der beklagten Partei wird nicht Folge gegeben. Insoweit sind die Kosten des Rekursverfahrens weitere Verfahrenskosten.

Begründung

Der Kläger unterhielt im Zeitraum Juli 1993 bis Mai 2006 bei der Beklagten insgesamt acht Kreditverträge. Diese Unternehmerkredite wurden zu unterschiedlichen Zeitpunkten getilgt. Den Kreditverträgen a, d, e und f lag folgende Klausel zugrunde:

Der Kreditgeber ist berechtigt, die vereinbarten Konditionen entsprechend den jeweiligen Geld‑, Kredit‑ oder Kapitalmarktverhältnissen zu ändern. Eine solche Änderung kann eintreten zB durch Erhöhung der Einlagenzinssätze oder der Bankrate oder der Kapitalmarktrendite oder durch kredit‑ und währungspolitische Maßnahmen hinsichtlich der Zahlungsbereitschaft, des Kreditvolumens oder der Mindestreserven oder durch Änderung der Bestimmungen über die Verzinsung von geförderten Krediten.

Den Kreditverträgen b, c, g und h lag folgende Klausel zugrunde:

Mangels anderer Vereinbarung gilt: Der Kreditgeber ist berechtigt, die Konditionen entsprechend den jeweiligen Geld-, Kredit- oder Kapitalmarktverhältnissen oder wirtschaftlichen Verhältnissen des Kreditnehmers zu ändern; bei Verbrauchern erfolgt die Anpassung … .

Diese Klauseln wurden teilweise als „Zinsgleitklausel“ bezeichnet. Die Kreditzinsen wurden und werden bei der Beklagten auf Basis von 360 Tagen jährlich berechnet. Dabei handelt es sich um eine generelle Usance im österreichischen Kreditwesen. Der Kläger hat an Zinsen, Überziehungszinsen und Kreditprovision Überzahlungen geleistet. Zudem hat die Beklagte (vereinbarte) Abschlussspesen verrechnet.

Der Kläger begehrte die Rückzahlung zu viel gezahlter Beträge aus dem Titel des Schadenersatzes und der Bereicherung. Seine Kreditkonten seien durch die Verrechnung überhöhter Zinsen und nicht vereinbarter Spesen unberechtigt belastet worden. Die Zinssätze hätten aufgrund der vereinbarten Zinsklausel an die Entwicklung der Sekundärmarktrendite SMR/EURIBOR angepasst werden müssen. Ein weiterer Schaden ergebe sich daraus, dass der Zinsberechnung nicht das echte Kalenderjahr, sondern 360 Tage zugrunde gelegt und die aufgelaufenen Zinsen viertel‑ oder halbjährlich dem Saldo zugeschlagen worden seien, wodurch unzulässigerweise Zinseszinsen angefallen seien.

Die Beklagte entgegnete, dass dem Rechtsstreit ausschließlich Unternehmerkredite zugrunde liegen würden. Sie sei auf Basis der vereinbarten Zinsanpassungsklauseln daher berechtigt gewesen, die Anpassung der Zinsen nach billigem Ermessen vorzunehmen. Ein Anspruch des Klägers auf eine Zinsgestaltung gemäß dem Mittelwert von SMR und EURIBOR bestehe nicht. Neben den Zinsen seien Gebühren und Spesen übliche Entgelte im Bankgeschäft. Die Berechnungsmethode, nach der das Zinsjahr 360 Tage aufweise, stelle beim Kreditgeschäft einen Handelsbrauch dar. Die Klagspositionen zu den Krediten d, e, f und g seien überdies verjährt, weil die Kreditverhältnisse bereits mehr als drei Jahre vor Klagseinbringung beendet worden seien. Die vierteljährliche bzw halbjährliche Zinsenverrechnung sei in sämtlichen Kreditverträgen mit dem Kläger vereinbart worden.

Das Erstgericht sprach dem Kläger 17.432,75 EUR sA zu. Das Mehrbegehren sowie ein Zinsenmehrbegehren wurde abgewiesen. Bei der Zinsenberechnung auf der Basis von 360 Tagen pro Jahr handle es sich um Unternehmensgewohnheitsrecht. Die vereinbarten Zinsklauseln seien als Zinsgleitklauseln zu qualifizieren. Dies ergebe sich schon daraus, dass die Beklagte in einigen der Kreditverträge das Wort „Zinsgleitklausel“ als Überschrift verwendet habe. Die geltend gemachten Bereicherungsansprüche seien begründet. Allerdings verjähre der Anspruch des Kreditschuldners auf Rückzahlung zu viel gezahlter Zinsen in drei Jahren nach Tilgung des Kredits. Aus diesem Grund seien die Klagspositionen zu den Krediten d, e, f und g verjährt. Schadenersatzansprüche stünden dem Kläger nicht zu, weil die zugrunde liegenden Klauseln nicht als gesetzwidrig zu qualifizieren seien. Die von der Beklagten verrechneten Spesen beruhten auf der vertraglichen Vereinbarung.

Das Berufungsgericht hob über Berufung beider Streitteile diese Entscheidung im Umfange der Anfechtung (abgesehen von einer rechtskräftigen Klagsabweisung von 3.136,35 EUR sA und der Abweisung eines Zinsenmehrbegehrens) auf und verwies die Rechtssache insoweit zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurück. Die zugrunde liegenden Zinsklauseln seien als Zinsanpassungsklauseln zu beurteilen. Ausgehend von seiner unrichtigen Rechtsansicht habe das Erstgericht zur Beurteilung der Unbilligkeit der unterlassenen Zinsanpassung durch die Beklagte aber keine Feststellungen getroffen. Zur anzuwendenden Zinsenberechnungsmethode enthielten die Kreditverträge keine Bestimmung, weshalb eine kalendergenaue Zinsberechnung stattzufinden habe. Aus der Vereinbarung einer vierteljährlichen bzw halbjährlichen Verrechnung der Zinsen und Entgelte folge die Berechtigung zu einer entsprechenden Kapitalisierung dieser Nebengebühren. Eine unterschiedliche Behandlung von Haben‑ und Sollzinsen liege nach der Vereinbarung nicht vor. Die dreijährige Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche aufgrund zu viel gezahlter Zinsen entspreche der ständigen Rechtsprechung. Die geltend gemachten Schadenersatzansprüche bestünden nicht zu Recht, weil im Anlassfall nur die konkrete Zinsfestsetzung, also die Anwendung bzw Interpretation der Klauseln strittig sei. Ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten der Beklagten liege nicht vor. Hinsichtlich der verrechneten Spesen sei dem Kläger darin Recht zu geben, dass diese nicht näher angeführt und daher nicht überprüfbar seien. Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil zur Methode der Berechnung von Unternehmerkreditzinsen bei fehlender vertraglicher Regelung höchstgerichtliche Rechtsprechung fehle.

Gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts richten sich die Rekurse beider Parteien. Der Kläger strebt eine Stattgebung des (noch verfahrensgegenständlichen) Klagebegehrens an, während der Rekurs der Beklagten auf eine gänzliche Abweisung des noch offenen Klagebegehrens abzielt.

Mit ihren Rekursbeantwortungen beantragen die Streitteile, jeweils dem Rechtsmittel der Gegenseite den Erfolg zu versagen.

Rechtliche Beurteilung

1. Auch im Fall eines Zulässigkeitsausspruchs des Berufungsgerichts besteht der Zweck des Rekurses in der Überprüfung der Rechtsansicht des Berufungsgerichts durch den Obersten Gerichtshof. Dementsprechend muss im Rekurs eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO geltend gemacht werden. Ist dies nicht der Fall, so ist der Rekurs zurückzuweisen (9 ObA 82/10i).

Der Rekurs des Klägers erweist sich demnach als unzulässig. Die Beklagte spricht mit ihren Ausführungen zur Berechnungsmethode bei Kreditzinsen hingegen eine erhebliche Rechtsfrage an. Diesen Ausführungen der Beklagten kommt auch Berechtigung zu. Da der Erfolg eines Rechtsmittels aber nur am Spruch gemessen werden kann und es im Ergebnis bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils bleibt, ist dem Rekurs der Beklagten der Erfolg zu versagen.

2. Der Kläger steht auf dem Standpunkt, dass die Zinsklauseln in den Kreditverträgen als Zinsgleitklauseln bezeichnet und daher als solche zu qualifizieren seien. Die Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche wegen zu viel gezahlter Zinsen müsse 30 Jahre betragen, weil Zinsen und Kapital gleich behandelt werden müssten. Auch durch die rechtswidrige und schuldhafte Ermessensübung bei einer Zinsanpassungsklausel, insbesondere eine grob unbillige Überschreitung des Ermessens, werde ein Schadenersatzanspruch begründet. Die viertel‑ bzw halbjährliche Zinsverrechnung sei unzulässig, weil diese bei einem der Kreditverträge nur für die Habenzinsen vereinbart worden sei. Schließlich sei bei Darlehen die Verrechnung zusätzlicher Spesen unzulässig.

Die Beklagte wendet sich gegen die Aussage des Berufungsgerichts, wonach die Ermittlung der den Zinsanpassungsklauseln zugrunde liegenden Faktoren im Rahmen der Auslegung nach dem Geschäftszweck und der Übung des redlichen Verkehrs auch dazu führen könne, dass die Referenzzinssätze SMR und EURIBOR als Beurteilungsgrundlage heranzuziehen seien. Für kontokorrentmäßig verzinste Kreditverhältnisse bestehe in Österreich ein Geschäftsgebrauch, demzufolge der Zinssatz auf 360 Tage pro Jahr zu beziehen sei. Bei den vereinbarten Spesen handle es sich um pauschaliertes Entgelt für den Sach‑ und Personalaufwand. Es müsse daher nicht festgestellt werden, welche Spesen wofür und in welcher Höhe verrechnet worden seien.

Der Oberste Gerichtshof hat dazu erwogen:

Zinsanpassungsklauseln:

3.1 Der Oberste Gerichtshof billigt die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die zu beurteilenden Zinsklauseln als Zinsanpassungsklauseln und nicht als Zinsgleitklauseln zu qualifizieren sind. Das Berufungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass die Klauseln in den Kreditverträgen a, d, e und f wortident mit der in der Entscheidung 10 Ob 125/05p (und auch in der Entscheidung 10 Ob 145/05d) geprüften Klausel sind. Die Klauseln in den Kreditverträgen b, c, g und h stellen ebenfalls auf die Änderung der Geld‑, Kredit‑ oder Kapitalmarktverhältnisse ab und sind als inhalts‑ bzw sinngleich anzusehen.

In der Entscheidung 10 Ob 125/05p wurde die in Rede stehende Zinsklausel als Zinsanpassungsklausel beurteilt. Das Berufungsgericht hat die Wesensmerkmale einer solchen Klausel und den Unterschied zu einer Zinsgleitklausel zutreffend dargestellt. Seine Ansicht, dass die teilweise falsche Bezeichnung in den Kreditverträgen nichts an der Beurteilung als Zinsanpassungsklausel (Zinsänderungsklausel) ändern könne, weil der Wortlaut der Klausel keinen Spielraum für eine automatische Anpassung der Zinsen an bestimmte veränderliche Bezugsgrößen biete, ist zutreffend (vgl 4 Ob 73/03v; siehe auch RIS‑Justiz RS0017836). Die Klauseln räumen der Beklagten einen Gestaltungsspielraum ein und berechtigen diese dazu, den Zinssatz bei Veränderung der relevanten Bezugsgrößen, im Allgemeinen der Refinanzierungsbedingungen am Geld‑ und Kapitalmarkt, nach billigem Ermessen einseitig (ohne gesonderte Vereinbarung) anzupassen. Die Zinsanpassungsklauseln entsprechen im Sinn des Preisbestimmungsrechts des § 1056 ABGB dem sachlich gerechtfertigten Interesse der Banken, ihre Zinskonditionen den wechselnden und bei Vertragsabschluss meist nicht überschaubaren Entwicklungen auf dem Geld‑ und Kapitalmarkt und der dadurch bewirkten Änderung der Refinanzierungsbedingungen anzupassen. Nach der Rechtsprechung müssen Zinsanpassungsklauseln „zweiseitig“ (besser: in beide Richtungen) ausgestaltet sein, das heißt, dass die Bank nicht nur zur Erhöhung des Zinssatzes berechtigt, sondern auch zu dessen Herabsetzung verpflichtet ist, wenn zB das Zinsniveau sinkt oder sich die Refinanzierungsmöglichkeiten verbessern. Die Bank ist zur Senkung der Zinsen in derselben Relation verpflichtet, wie sie umgekehrt Erhöhungen vornehmen darf (10 Ob 125/05p).

3.2 Beim Unternehmergeschäft ist es als Ausfluss der Privatautonomie iSd § 1056 ABGB zulässig, auch einer Vertragspartei ein Gestaltungsrecht auf eine (auch nachträgliche) Leistungs‑ bzw Preisbestimmung einzuräumen. § 1056 ABGB enthält nach seinem Wortlaut keine inhaltliche Beschränkung für die Preisfestsetzung. Nach Lehre und Rechtsprechung darf das Gestaltungsrecht aber nur nach billigem Ermessen ausgeübt werden. Das Gestaltungsrecht wird daher unerlaubt, wenn der Berechtigte das ihm eingeräumte Ermessen auf grob unbillige Weise missbraucht. Der Kläger ist als Unternehmer im Hinblick auf das in der vereinbarten Zinsanpassungsklausel der Beklagten eingeräumte Preisbestimmungsrecht somit nur durch die Schranke offenbarer bzw grober Unbilligkeit geschützt. Offenbar unbillig ist das Ergebnis dann, wenn die Maßstäbe von Treu und Glauben gröblich vernachlässigt wurden und die Unrichtigkeit der Preisfestsetzung einem sachkundigen und unbefangenen Beobachter sofort erkennbar ist. Eine unbillige Festsetzung führt nicht zur Unwirksamkeit der Abrede, sondern zur nachträglichen richterlichen Korrektur der fehlerhaften Entgeltfestsetzung (RIS‑Justiz RS0020079). Behält sich der Darlehensgeber vor, bei der Änderung der Geldmarktverhältnisse einen geänderten Zinssatz festzusetzen und diesen damit gemäß der allgemeinen Geldmarktsituation anzupassen, so unterliegt diese Anpassung somit der Inhaltskontrolle durch die Gerichte dahin, ob der Gestaltungsberechtigte die ihm schon durch den Vertrag selbst gesetzten Grenzen überschritten hat oder das Ergebnis offenbar unbillig ist. Dabei ist eine solche Vereinbarung über eine Zinsanpassungsklausel nach den bei Verträgen allgemein geltenden Auslegungsregeln, also nach dem Willen der Parteien, nach dem Geschäftszweck und nach der Übung des redlichen Verkehrs zu verstehen.

Nach den dargestellten Grundsätzen sind dem ABGB für die Zulässigkeit von Preisänderungsklauseln ausschließlich inhaltliche Schranken zu entnehmen, die sich an der Äquivalenz der Leistung orientieren. Die inhaltlichen Schranken überlassen dem Gestaltungsberechtigten einen relativ grobmaschigen Ermessensspielraum. Anders als nach § 6 Abs 1 Z 5 KSchG kann der Gestaltungsberechtigte mit der Offenlegung seiner Faktoren für die Anpassung bis zum Prozess zuwarten (10 Ob 125/05p).

3.3 Der legitime Zweck der zu beurteilenden Zinsklauseln besteht darin, die ursprünglich vereinbarte Äquivalenz der Leistungsbestimmung auch bei geänderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, also nach Maßgabe künftiger Entwicklungen, anzupassen. Maßgebend sind die relevanten Faktoren, die der ursprünglichen Preisbemessung zugrunde gelegt wurden. Nach ihrem Charakter ist eine Zinsanpassungsklausel im Allgemeinen an die Refinanzierungsbedingungen (Geldbeschaffungskosten) für die Bank geknüpft.

3.4 Die Frage, ob die Beklagte durch die verrechneten Zinsen trotz geänderter (günstiger) Refinanzierungsbedingungen die durch die vertragliche Vereinbarung selbst gesetzten Grenzen überschritten hat oder das Ergebnis offenbar unbillig ist, kann erst dann abschließend beurteilt werden, wenn feststeht, was bei Vertragsabschluss mit den in den vereinbarten Zinsanpassungsklauseln angeführten Umständen (Änderung der jeweiligen Geld‑, Kredit‑ oder Kapitalmarktverhältnisse) gemeint war und ob es dafür objektive Parameter gab. Sofern der hypothetische Parteiwille nicht feststellbar sein sollte, ist hilfsweise auf die redliche Verkehrsübung sowie Treu und Glauben abzustellen (6 Ob 172/05w; 10 Ob 125/05p).

Im fortgesetzten Verfahren wird die Beklagte die relevanten Faktoren, die für die Preisbestimmung und Ausgestaltung der vereinbarten Klauseln maßgebend waren, konkret und nachvollziehbar darzulegen haben. In der Folge wird zu prüfen sein, ob diese preisrelevanten Faktoren von der Vereinbarung erfasst sind, einen sachlichen Bezug zur Änderung der für die Refinanzierung maßgebenden Marktverhältnisse aufweisen und die Marktverhältnisse objektiv widerspiegeln.

Die Aufhebung der erstgerichtlichen Entscheidung durch das Berufungsgericht erfolgte demnach zu Recht.

Berechnungsmethode:

4.1 Hinsichtlich der Berechnungsmethode (30/360) hat sich die Beklagte auf einen Unternehmensgebrauch iSd § 346 UGB berufen. Beim „Unternehmensbrauch“ handelt es sich um die unternehmensrechtliche Verkehrssitte. Wenn es sich um eine unternehmerische Erklärungssitte handelt, so kommt dem Unternehmensbrauch interpretative Funktion zu. Der Unternehmensbrauch kann zudem im Rahmen der ergänzenden Vertragsauslegung Bedeutung erlangen und bei Bestehen einer Vertragslücke den Inhalt unternehmerischer Verträge ergänzen. Der Unternehmensbrauch wird in diesem Fall als hypothetischer Parteiwille zum Vertragsinhalt, sofern sich nicht aus den übrigen Bestimmungen bzw aus dem Zweck des Geschäfts etwas anderes ergibt (vgl dazu RIS‑Justiz RS0062008; RS0102364; Kramer/Rauter in Straube , UGB 4 § 346 Rz 3, 53 und 77).

4.2 Nach den Feststellungen ist es eine generelle Usance im österreichischen Kreditwesen, dass Kreditzinsen auf Basis von 360 Tagen jährlich berechnet werden. Damit hat das Erstgericht einen Unternehmensbrauch festgestellt. Der gerichtliche Sachverständige hat dazu festgehalten, dass die sogenannte französische Methode die grundsätzliche sei, nach der die Kredite in Österreich abgerechnet würden.

Das Berufungsgericht hat darauf hingewiesen, dass die zugrunde liegenden Kreditverträge keine Bestimmung über die anzuwendende Zinsberechnungsmethode enthalten. Aus diesem Grund sind die Voraussetzungen für die ergänzende Vertragsauslegung eröffnet, was zur Berücksichtigung des festgestellten Unternehmensbrauchs führt.

Mit der Anordnung in § 32 Abs 7 BWG, wonach für die Verzinsung der Einzahlungen auf Spareinlagen die 30/360‑Berechnungsmethode anzuwenden ist, hat der Gesetzgeber die Angemessenheit dieser Formel für die Zinsberechnung zum Ausdruck gebracht. Diese Wertung ist durchaus verallgemeinerungsfähig. Der von Lukits (Zinsenberechnung im österreichischen Zivilrecht, ÖJZ 2011/32, 293) zu § 32 Abs 7 BWG gezogene Umkehrschluss, wonach der Gesetzgeber die 30/360‑Methode auf Spareinlagen beschränkt habe, ist in seiner Allgemeinheit nicht berechtigt.

Außerhalb des Verbraucherkredits (vgl § 33 Abs 4 BWG bzw nunmehr Anlage I zum VKrG) ist vielmehr die Vereinbarung maßgebend, wobei im Fall einer Vertragslücke auf den Unternehmensbrauch zurückzugreifen und die 30/360‑Berechnungsmethode anzuwenden ist. Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist damit im Anlassfall nicht die Berechnungsmethode 31/365 zugrunde zu legen. Dem steht auch die Entscheidung 1 Ob 239/99z nicht entgegen. Gegenstand der (zurückgewiesenen) Revision war nur mehr die Frage des Zuspruchs von Zinseszinsen mit Rücksicht auf die Tilgungsregel des § 1416 ABGB. Der Oberste Gerichtshof hat in dieser Entscheidung zwar die Zinsenberechnung durch das Erstgericht wiedergegeben und ausgeführt, dass „das Erstgericht die geforderten Zinsen (ausgehend von 365 Tagen im Jahr …) neu berechnet“ habe. Entgegen der Ansicht von Lukits (aaO 294) kann dieser Entscheidung aber nicht entnommen werden, der Oberste Gerichtshof habe „die Zinsenberechnung unter Zugrundelegung von 365 Tagen mehr oder weniger ausdrücklich gebilligt“.

Hinsichtlich der Zinsenberechnungsmethode kommt dem Rekurs der Beklagten inhaltlich somit Berechtigung zu, was im fortgesetzten Verfahren zu berücksichtigen sein wird.

Spesen:

5.1 Die von der Beklagten verrechneten Spesen finden ihre rechtliche Grundlage in der Vereinbarung.

Richtig ist der Hinweis des Klägers, dass für Darlehen lediglich die Zinsen nach § 354 Abs 2 UGB verlangt werden können, dass aber kein angemessenes Entgelt nach Abs 1 zusteht ( Schuhmacher in Straube , UGB 4 § 354 Rz 14). Diese Bestimmung bezieht sich allerdings nur auf die Gegenleistung (das Entgelt) für die Hauptleistung. Diese besteht beim Darlehen bzw Kredit in der Kapitalüberlassung.

Neben der Hauptleistung gibt es aber auch Nebenleistungen für die Kreditgewährung. Mangels Vereinbarung besteht kein gesetzlicher Entgeltanspruch auf das angemessene Entgelt iSd § 354 Abs 1 UGB für Nebenleistungen, die bereits mit dem Entgelt für die Hauptleistung abgegolten sind oder nach der Verkehrs‑ bzw Unternehmenssitte nicht zu vergüten sind. Einen Entgeltanspruch rechtfertigen aber Sonderleistungen, die über das übliche Ausmaß des mit der ordnungsgemäßen Geschäftsabwicklung verbundenen Dienste und Geschäftsbesorgungen hinausgehen ( Schuhmacher aaO Rz 8).

5.2 Richtig ist, dass der Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung XI ZR 388/10 die Führung des Darlehenskontos nicht als eigene vertragliche oder gesetzliche Haupt‑ bzw Nebenpflicht der Bank gegenüber dem Kunden aus dem jeweiligen Darlehensvertrag und die Kontoführungsgebühr nicht als entgeltpflichtige zusätzliche Sonderleistung der Bank für den Kunden angesehen hat. Für die Kontoführung im Eigeninteresse der Bank sei nach dispositivem Recht demnach kein gesondertes Entgelt zu zahlen.

Der Kläger kann sich auf die Wertungen dieses Urteils allerdings nicht berufen. Diese Entscheidung bezieht sich nur auf die Kontoführungsgebühr (nur) beim Darlehensvertrag. Anders sieht der Bundesgerichtshof etwa den Girovertrag mit einer Kontokorrentabrede, bei dem auch ein Auftrags‑ bzw Geschäftsbesorgungsverhältnis mit gesetzlichen Auskunfts‑ und Rechenschaftspflichten bestehe. Außerdem akzeptiert der Bundesgerichtshof bei Bausparplänen etwa die Abschlussgebühr als zusätzliches (Teil‑)Entgelt für die Kreditgewährung. Im gegebenen Zusammenhang ist aber maßgebend, dass sich die Entscheidung des Bundesgerichtshofs nur auf die Verwendung einer entsprechenden AGB‑Klausel beim Verbrauchergeschäft bezieht und das Unternehmergeschäft ausdrücklich nicht betrifft.

Beim Unternehmergeschäft ist die Vereinbarung eines gesonderten Entgelts für Nebenleistungen aber grundsätzlich ‑ bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit ‑ zulässig. Für Sonderleistungen besteht sogar ein gesetzlicher Vergütungsanspruch auf das angemessene Entgelt.

5.3 Entgegen der Ansicht des Klägers lässt sich dem dargestellten Urteil des Bundesgerichtshofs nicht entnehmen, dass die Kontoführungsgebühren als durch die Darlehenszinsen abgegolten anzusehen seien. Er kann daher auch nicht auf Graf (Zur Zulässigkeit von Entgeltklauseln in Bank‑AGB, ecolex 2009, 16 [17]) verweisen, wonach eine Klausel gröblich benachteiligend sei, wenn ein Zusatzentgelt für eine Tätigkeit gefordert werde, die von den Kunden typischerweise als von dem für die Hauptleistung gezahlten Entgelt abgedeckt angesehen werde. Im gegenteiligen Fall muss auch Graf eine gesonderte Entlohnung für grundsätzlich zulässig halten. In diesem Fall ist (nur mehr) die Angemessenheit der Höhe des Entgelts zu prüfen. Dies erfolgt - jedenfalls dann, wenn die Höhe nicht schon in der Klausel genannt ist, sondern erst im Wege der Abrechnung ermittelt wird - im Rahmen der nachträglichen Billigkeitskontrolle. Dazu ist anzumerken, dass sich der Kläger auf eine Unwirksamkeit der Spesenvereinbarung nach § 879 Abs 3 ABGB nicht mehr berufen kann, weil er im erstinstanzlichen Verfahren einen derartigen Einwand nicht erhoben hat.

5.4 Die Beklagte bestreitet nicht, dass auch die verrechneten Spesen, denen Entgeltcharakter zukommt, dem Billigkeitsgebot und der gerichtlichen Billigkeitskontrolle unterliegen. Dies bedeutet, dass die Spesen für die abgegoltenen Nebenleistungen angemessen sein müssen. Die gerichtliche Kontrolle kann nur erfolgen, wenn die Grundlagen in Form der relevanten Entgeltparameter bekannt sind.

Im fortgesetzten Verfahren ist somit zu prüfen, ob die Beklagte die durch die vertragliche Vereinbarung selbst gesetzten Grenzen überschritten hat und ob das Äquivalenzverhältnis annähernd gewahrt oder grob unbillig überschritten wurde. Zu diesem Zweck muss feststehen, welche Leistungspositionen mit den Spesen abgedeckt wurden und welche objektiven preisbestimmenden Faktoren von der Beklagten herangezogen wurden.

Verjährungsfrist für zu viel gezahlte Zinsen:

6. Die Rechtsprechung zur dreijährigen Verjährungsfrist für Bereicherungsansprüche auf Rückzahlung zu viel gezahlter Zinsen ist ungeachtet teilweiser Kritik in der Lehre (vgl Vonkilch , Wann verjähren bei Langzeitverträgen Rückforderungsansprüche wegen überhöhten Entgelts? wobl 2003, 161) gefestigt. Erst jüngst hat der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 Ob 35/11m festgehalten, dass in ständiger neuerer Rechtsprechung vertreten werde, dass der bereicherungsrechtliche Anspruch des Kreditschuldners auf Rückzahlung zu viel gezahlter Kreditzinsen in Analogie zu § 1480 ABGB (§ 27 Abs 3 MRG und § 5 Abs 4 KlGG) der dreijährigen Verjährungszeit unterliege (RIS‑Justiz RS0117773; 4 Ob 73/03v).

In diesem Zusammenhang zeigt der Kläger keine erhebliche Rechtsfrage auf.

Schadenersatz bei Zinsanpassungsklausel:

7. Entgegen den Ausführungen im Rekurs des Klägers stellt das Berufungsgericht nicht in Frage, dass auch im Zusammenhang mit einer Zinsanpassungsklausel durch eine rechtswidrige und schuldhafte Ermessensübung, insbesondere eine grob unbillige Überschreitung des Ermessens, ein Schadenersatzanspruch begründet werden kann. Es weist sogar darauf hin, dass die Erstellung sittenwidriger, grob unbilliger oder sozial schädlicher Klauseln nach der Judikatur zum Verbraucherkredit die Verletzung einer vorvertraglichen Verhaltenspflicht darstellen könne (vgl RIS‑Justiz RS0119840). Tatsächlich kommt das Berufungsgericht im Anlassfall zum Ergebnis, dass selbst dann, wenn die Zinsfestsetzung (letztlich) unbillig erfolgt sein sollte, ein Schadenersatzanspruch mangels eines rechtswidrigen und schuldhaften Verhaltens der Beklagten nicht gerechtfertigt sei. Das Erstgericht bejahte in dieser Hinsicht ausdrücklich die Anspruchskonkurrenz zwischen Schadenersatz- und Bereicherungsansprüchen (vgl 10 Ob 23/04m). Im Ergebnis weist es aber darauf hin, dass der Standpunkt der Beklagten, wonach die von ihr verrechneten Zinsen richtig seien, als vertretbare Rechtsansicht anzusehen sei (vgl Glosse von Apathy zu 3 Ob 148/04t ÖBA 2005, 554 [557]).

Bei der zugrunde liegenden Beurteilung handelt es sich um eine Frage des Einzelfalls, die im Allgemeinen keine erhebliche Rechtsfrage begründet. Auf Basis der Feststellungen sind die Schlussfolgerungen der Vorinstanzen nicht korrekturbedürftig.

Vierteljährliche Zinsenverrechnung:

8. Die Entscheidung 4 Ob 179/02f, aus der der Kläger die Unzulässigkeit der vereinbarten viertel‑ bzw halbjährlichen Zinsenverrechnung und die Maßgeblichkeit der dispositiven Regelung des § 355 Abs 2 UGB ableiten will, bezieht sich auf eine gröbliche Benachteiligung iSd § 879 Abs 3 ABGB wegen unsachlicher unterschiedlicher Behandlung von Sollzinsen einerseits und Habenzinsen andererseits. Darauf kann sich der Kläger im Anlassfall schon deshalb nicht berufen, weil er erstmals in der Berufung eingewendet hat, dass die Kapitalisierung der Zinsen eine gröbliche Benachteiligung im Sinn der erwähnten Gesetzesstelle darstelle. Die Behauptung zur unterschiedlichen Behandlung von Soll‑ und Habenzinsen, weil in einem der Kreditverträge (Beilage ./2) die Regelung über die vierteljährliche Verrechnung nur die Sollzinsen betreffe, hat er überhaupt erstmals im Rekurs aufgestellt.

Die Vereinbarung der Kapitalisierung von Zinsen ist - bis zur Grenze der Sittenwidrigkeit, die eingewendet werden muss - grundsätzlich zulässig. Im Allgemeinen ist schon bei der Vereinbarung von Zinseszinsen von einer Kapitalisierung der Zinsen auszugehen.

9. Insgesamt ergibt sich, dass der Kläger keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung anspricht, weshalb sein Rekurs zurückzuweisen war. Die Beklagte hat auf die Unzulässigkeit des Rekurses des Klägers in ihrer Rekursbeantwortung hingewiesen, weshalb ihr gemäß §§ 41, 50 ZPO Kostenersatz zusteht.

Der Rekurs der Beklagten ist hinsichtlich der Berechnungsmethode (30/360) inhaltlich an sich berechtigt. Zufolge der dargestellten sekundären Feststellungsmängel hat es aber bei der Aufhebung des erstgerichtlichen Urteils zu bleiben, weshalb dem Rekurs der Beklagten der Erfolg zu versagen war. Der Kostenvorbehalt beruht auf §§ 50, 52 ZPO.

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