Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Beklagten sind zur ungeteilten Hand schuldig, dem Kläger die mit S 19.999,16 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin die Barauslagen S 2.400,--, die Umsatzsteuer S 1.599,92) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Am 27. Juni 1981 kam es auf der Plöckenpaß-Bundesstraße B 110 bei der westlichen Ausfahrt der Gemeindestraße Auen zu einem Verkehrsunfall. Daran waren der Kläger mit seinem Motorrad Honda SC O1, amtliches Kennzeichen K 58.180, und der inzwischen verstorbene Erstbeklagte mit seinem bei der Zweitbeklagten haftpflichtversicherten PKW VW Golf, amtliches
Kennzeichen K 157.284, beteiligt. Der Kläger erlitt schwere Verletzungen, die eine Querschnittslähmung zur Folge hatten. Der Erstbeklagte wurde mit dem Urteil des Bezirksgerichtes Hermagor vom 29. April 1982, U 202/81-14, rechtskräftig verurteilt, das Vergehen der fahrlässigen Körperverletzung gemäß § 88 Abs 1 und 4 1. Fall StGB dadurch begangen zu haben, daß er von der Gemeindestraße in die Bundesstraße nach links einbog, ohne auf den Vorrangverkehr zu achten, wodurch es zum Zusammenstoß mit dem die Plöckenstraße befahrenden Kläger kam, der dadurch verletzt wurde. Der Kläger beantragte, die Beklagten schuldig zu erkennen, ihm S 1,216.440,-- s.A. zu bezahlen. Weiters beantragte er die Feststellung, daß die Beklagten ihm für alle zukünftigen Schäden aus dem Unfall haften, wobei die Haftung der Zweitbeklagten bis zur Höhe der Versicherungssumme von S 8,000.000,-- begrenzt sei. Der Kläger sei im Unfallsbereich auf der Plöckenpaß-Bundesstraße mit ca. 90 km/h gefahren. Der Erstbeklagte sei von rechts aus dem benachrangten Auenweg in die Bundesstraße eingebogen. Er habe den herankommenden Kläger übersehen und plötzlich die gesamte Fahrbahn blockiert.
Die Beklagten beantragten die Abweisung des Klagebegehrens. Den Kläger treffe ein Mitverschulden von mindestens einem Drittel, weil er eine überhöhte Geschwindigkeit von über 120 km/h eingehalten habe. Die als Entschädigung für Verunstaltung und für die Anschaffung eines Spezial-PKWs erhobenen Forderungen von S 200.000,-- und S 85.440,-- seien verjährt.
Das Erstgericht sprach dem Kläger S 1,125.340,-- s.A. zu, gab dem Feststellungsbegehren zur Gänze statt und wies ein Mehrbegehren von S 91.100,-- s.A. ab. Es traf - zusammengefaßt
dargestellt - nachstehende Feststellungen:
Der Kläger hat seine ursprüngliche Geschwindigkeit von ca. 100 km/h, noch bevor für ihn eine kritische Situation in der Weise, daß der Erstbeklagte in die Bundesstraße einzufahren begann, erkennbar war, auf ca. 95 km/h verringert. Zur Unfallszeit war es hell und die Fahrbahn war trocken. Die gerade verlaufende Bundesstraße hatte eine Fahrbahnbreite von 5,5 m. Es besteht kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß außer den Kraftfahrzeugen der Parteien zur Unfallszeit andere Fahrzeuge in erkennbarer Nähe des Unfallsbereiches gewesen wären. Eine im Unfallsbereich befindliche Fußgängergruppe stellte für den Kläger kein gefährliches Hindernis dar, das ihn zu einer Geschwindigkeitsverringerung hätte veranlassen müssen; diese Fußgänger waren vom Unfallsbereich so weit entfernt, daß kein Zusammenhang mit dem Unfallsgeschehen erkannt werden kann. Dem Erstbeklagten wäre es beim Losfahren aus dem benachrangten Auenweg möglich gewesen, das Herannahen des Motorrades des Klägers zu sehen. Bis zu der Stelle, wo die Fahrzeuge einander passierten, legte der Erstbeklagte maximal 10 m in maximal 3,5 sec zurück. Bei Losfahrbeginn war das Motorrad noch 92 m vom Fixpunkt entfernt. Der Kläger reagierte, als er sich maximal 66 m westlich des Fixpunktes befand.
Als Fixpunkt diente der Beginn der sichtbaren Bremsspur, welche 1 m westlich des westlichen Trichterendes des Auenweges begann. Auf Höhe des Fixpunktes setzte die sichtbare Bremsspur ein. Die Bremsausgangsgeschwindigkeit betrug 94 km/h. Die Bremsspur verlief in einem leichten Linkszug zur Fahrbahnlängsachse. Der Kläger versuchte, sein Motorrad wieder auf die Fahrbahn zurückzulenken. Er stürzte mit seinem Motorrad über den rund 10 m breiten Graben und kam am Gegenhang 20 m nach dem Abkommen vom Bankett zum Liegen. Rechtlich war das Erstgericht der Ansicht, daß der Kläger durchaus ordnungsgemäß auf das Einfahren des Erstbeklagten in die Bundesstraße reagiert habe. Für ihn habe keine Veranlassung bestanden, bei den gegebenen Verhältnissen eine geringere Geschwindigkeit einzuhalten. Es sei daher vom Alleinverschulden des Erstbeklagten auszugehen. Da der Kläger erst ein Jahr nach dem Unfall Klarheit darüber erhalten habe, daß eine Wiederherstellung seiner Gesundheit nicht möglich wäre, sei sein Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung nicht verjährt. Eine Verjährung der Ansprüche für Fahrzeugmehrkosten sei durch die Erhebung des Feststellungsbegehrens verhindert.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten nicht Folge. Es sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes einschließlich des nicht in Geld bestehenden Teiles S 300.000,-- übersteigt. Der Kläger sei mit Rücksicht auf die Verhältnisse im Unfallsbereich nicht zu schnell gefahren und habe auch nicht verspätet reagiert. Daß er auf eine Entfernung von höchstens 66 m vom Fixpunkt beim Erkennen des Losfahrens des Erstbeklagten nur eine leichte Bremsung vornahm, sei damit erklärlich, daß er sich zu einem Ablenkmanöver nach links entschloß und sein Fahrzeug bei einer starken Bremsung erfahrungsgemäß wegen der Gefahr einer Schleuderbewegung weitgehend lenkunfähig geworden wäre. Da sich der PKW des Erstbeklagten für den Kläger von rechts genähert hatte, sei die Reaktion des Klägers nach links, also von der Gefahr weg, durchaus verständlich gewesen und habe dem Verhalten von Verkehrsteilnehmern beim Auftreten einer plötzlichen Gefahr entsprochen; mit Rücksicht darauf, daß vorausschauend damit zu rechnen war, daß der Erstbeklagte sich zu einem Anhalten des Fahrzeuges in einer solchen Entfernung vom linken Fahrbahnrand des Klägers entschließen würde, daß dem Kläger eine Vorbeifahrt möglich wurde, sei die Fahrweise des Klägers auch durchaus zweckmäßig gewesen. Der Kläger habe sein Feststellungsbegehren betreffend alle "zukünftigen" Schäden mit der am 11. Mai 1983 eingebrachten Klage erhoben. Für den Kläger sei zunächst durchaus nicht voraussehbar gewesen, daß ihm die Anschaffung eines entsprechend ausgestatteten Personenkraftwagens in der Zukunft Erleichterung seines beschwerlichen Zustandes verschaffen könnte. Dies habe sich erst im Herbst 1984 ergeben, als der Kläger eine Umschulung im Behindertenberufsrehabilitationszentrum in Linz aufnahm und ein derartiges Fahrzeug zur Reise nach Linz benötigte, weil ihm die Benützung öffentlicher Verkehrsmittel nahezu unmöglich war. Durch die innerhalb der Verjährungsfrist erhobenen Feststellungsklage habe der Kläger wirksam der Verjährung auch des künftigen voraussehbaren, jedoch der Schadensziffer nach zunächst noch nicht bestimmbaren Ersatzanspruches betreffend die Mehrkosten im Zusammenhang mit der Anschaffung eines Invalidenfahrzeuges vorgebeugt. Da der Kläger erst ein Jahr nach dem Unfall ausreichende Klarheit erhielt, daß eine weitgehende Wiederherstellung seiner Gesundheit nicht möglich ist, sei auch sein Anspruch auf Verunstaltungsentschädigung nicht verjährt. Seine Heiratsaussichten seien insbesondere wegen der durch die Querschnittslähmung verbundenen Impotenz nahezu ausgeschlossen.
Gegen die Entscheidung des Gerichtes zweiter Instanz richtet sich die Revision der Beklagten aus den Anfechtungsgründen des § 503 Z 2 und 4 ZPO mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, daß dem Kläger lediglich der Betrag von S 625.000,-- s. A. zugesprochen und festgestellt werde, daß die Beklagten nur zu 75 % für künftige Schäden haften.
Der Kläger beantragt in der Revisionsbeantwortung, der Revision nicht Folge zu geben.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist nicht berechtigt.
Die von den Beklagten erhobene Verfahrensrüge ist nicht stichhältig, was nicht näher zu begründen ist (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Rechtsrüge ist insofern nicht gesetzmäßig ausgeführt, als im Gegensatz zu den Darlegungen der Beklagten festgestellt wurde (vgl. S. 11 des Berufungsurteiles), daß die Fußgängergruppe, auf die sie sich beziehen, vom Unfallsbereich so weit entfernt war, daß ein Zusammenhang mit dem Unfallsgeschehen nicht in Betracht kam. Im übrigen ist den Vorinstanzen zuzustimmen, daß für den Kläger unter den gegebenen Umständen kein Anlaß bestand, eine geringere als die zulässige Geschwindigkeit einzuhalten. Zur Unfallszeit war es hell, die Fahrbahn war trocken und mit 5,5 m ausreichend breit. Der Kläger mußte nicht damit rechnen, daß der Erstbeklagte seinen Nachrang nicht beachten, in die Bundesstraße einfahren und die gesamte Fahrbahnbreite blockieren werde; unter den gegebenen Umständen war der Versuch des Klägers, nach links auszulenken und dadurch den durch die Fahrweise des Erstbeklagten heraufbeschworenen Zusammenstoß zu vermeiden, nicht zu beanstanden und - wie das Berufungsgericht zutreffend klarlegte - auch durchaus zweckmäßig. Die Reaktion des Klägers war nicht verspätet, weil er unmittelbar nach dem Losfahren des Erstbeklagten bereits durch eine leichte Bremsung und durch das beschriebene Auslenken reagierte. Die Beklagten vertreten weiters den Standpunkt, daß der Kläger spätestens im August 1981 die Schwere seiner Verletzungen erkennen konnte. Die am 3. Juni 1985 vorgenommene Ausdehnung des Klagebegehrens an Verunstaltungsentschädigung und die am 22. Mai 1986 erfolgte Klageausdehnung für ein Invalidenfahrzeug seien daher nach eingetretener Verjährung erfolgt. Dem ist jedoch zu entgegnen:
Nach den getroffenen Feststellungen wurde dem Kläger die Schwere seiner Verletzung erst nach einem Jahr bewußt; der Sachverständige erklärte dies damit, daß dem Kläger wie anderen Leidensgefährten auch "die bleibende Lähmung deshalb nicht gesagt wurde, weil sonst die Selbstmordrate im Rehabilitationszentrum sehr hoch wäre" (AS 216). Aus der erst ein Jahr nach dem Unfall intellektuell erfaßten Querschnittslähmung als Dauerzustand realisiert aber der somit zeitgerecht innerhalb der Verjährungsfrist im Sinne des § 1489 ABGB geltend gemachte Verunstaltungsanspruch des Klägers, dessen Heiratsaussichten das Berufungsgericht mit Recht unter den gegebenen Umständen als nahezu ausgeschlossen bezeichnete. Auch die vermehrten Auslagen für das Invalidenfahrzeug waren nicht von vornherein absehbar. Nach den getroffenen Feststellungen war ein solches Fahrzeug erst im Herbst 1984 aktuell geworden, als der Kläger eine Umschulung im Rehabilitationszentrum in Linz aufnahm. Im übrigen hat der Kläger schon in der Klage ein Feststellungsbegehren gestellt, dem in der Folge stattgegeben wurde. Die Klagsausdehnungen in den Tagsatzungen zur mündlichen Streitverhandlung vom 3. Juni 1985 und 22. Mai 1986 betreffen nur Ansprüche, die erst nach Klagseinbringung fällig wurden. Erhebt der Kläger innerhalb der Verjährungsfrist neben der Leistungsklage auf Zahlung bereits fälliger Beträge auch eine Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht für künftig fällig werdende Schadenersatzforderungen, dann wird mit der Einbringung der Feststellungsklage - wenn und soweit ihr später stattgegeben wurde - die Verjährung vorhersehbarer Schadenersatzforderungen unterbrochen (Klang in Klang2 VI 636; SZ 46/81; SZ 47/61; 8 Ob 72/84, 8 Ob 64/85 uva.). Selbst wenn man sich daher der Argumentation der Beklagten anschlösse, daß die in Rede stehenden Ersatzforderungen für den Kläger schon früher vorhersehbar waren, wäre für sie nichts gewonnen. Ihr Verjährungseinwand ist auf alle Fälle unberechtigt.
Der Revision war somit der Erfolg zu versagen.
Der Ausspruch der Kosten des Revisionsverfahrens
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