Spruch:
Dem Rekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund aufgetragen.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.
Text
Begründung
Mit mehrgliedrigem Spruch erkannte das Erstgericht 1. das zu 10 C 223/03k erhobene Klagebegehren als mit EUR 2.180,29, 2. das zu 10 C 262/03w erhobene Klagebegehren mit EUR 12.000,20 zu Recht bestehend,
3. die eingewendeten Kompensandoforderungen als nicht zu Recht bestehend und verurteilte 4. die beklagte Partei zur Bezahlung von EUR 2.180,29 sA und EUR 12.000,20 samt gestaffelter Zinsen sowie 6. zur Bezahlung der Prozesskosten. Das über 4 % hinausgehende Zinsenmehrbegehren wies das Erstgericht ab.
Eine Entscheidung über das Räumungsbegehren erfolgte nicht. Den Entscheidungsgründen lässt sich entnehmen, dass den Beklagten „ein gravierendes Verschulden an den rückständigen Bestandzinsen treffe". Eine Anwendung des § 33 Abs 2 MRG, dem zufolge eine Kündigung aufzuheben sei, wenn einem Mieter lediglich auf Grund von Mietzinsrückständen gekündigt wurde, ihn an den Zahlungsrückständen kein grobes Verschulden treffe und er vor Schluss der der Entscheidung des Gerichtes erster Instanz unmittelbar vorangehenden Verhandlung den geschuldeten Betrag entrichte, komme daher nicht in Frage. Dieses Urteil wurde den Parteienvertretern am 22. 8. 2005 zugestellt.
Mit Beschluss vom 31. 8. 2005 berichtigte das Erstgericht das Urteil, indem es in den Punkten 1. und 4. des Urteils den Betrag von EUR 2.180,29 auf jeweils richtig EUR 2.180,19 korrigierte und den Spruch um folgenden Punkt 7. ergänzte: „Der Beklagte ist weiters schuldig, das Gastlokal gelegen im Erdgeschoss des Hauses Chiemseegasse 5, 5020 Salzburg, bestehend aus einem Gastraum, kleinen Lichthof, Abstellraum, zwei Toiletten mit Abstellnische, Kellerraum sowie Schanigarten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu räumen und geräumt von seinen Fahrnissen den klagenden Parteien zu übergeben."
Mit seiner am 29. 9. 2005 beim Erstgericht überreichten Berufung bekämpft der Beklagte (ausgenommen einen nicht angefochtenen Teilbetrag von EUR 6.540,60) seine Zahlungsverpflichtung sowie das Räumungsurteil und die Kostenentscheidung zur Gänze. Das Berufungsgericht wies mit dem angefochtenen Beschluss die Berufung des Beklagten als verspätet zurück. Die Auffassung, dass im Fall der Berichtigung eines Urteiles nach § 419 ZPO die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung zu laufen beginne, werde in ständiger oberstgerichtlicher Rechtsprechung dahin eingeschränkt, dass kein neuer Fristenlauf in Gang gesetzt werde, wenn der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluss keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches haben konnte. Das Erstgericht habe über die Zahlungsbegehren und die eingewendete Gegenforderung vollständig entschieden. Da es in den Entscheidungsgründen auf die Bestimmung des § 33 Abs 2 MRG eingegangen sei und ausgeführt habe, dass den Beklagten ein grobes Verschulden am Zahlungsrückstand treffe, stehe außer Zweifel, dass das Erstgericht mit seinem Urteil den Beklagten auch zur Räumung des Gastlokales habe verpflichten wollen. Damit korrespondiere auch, dass das Erstgericht im Rahmen der Kostenentscheidung ausgeführt habe, dass die Klägerinnen nur mit einem Teil des Zinsenbegehrens nicht durchgedrungen seien und demgemäß Kosten auf Basis eines Streitwertes unter Einschluss des Streitwertes für das Räumungsbegehren zugesprochen habe.
Rechtliche Beurteilung
Der gegen die Zurückweisung der Berufung wegen Verspätung erhobene Rekurs des Beklagten ist gemäß § 519 Abs 1 Z 1 ZPO ohne die Beschränkung des § 502 Abs 1 ZPO und ohne Rücksicht auf den Streitwert zulässig (RIS-Justiz RS00438893; Kodek in Rechberger, ZPO2 Rz 3 zu § 519; 2 Ob 61/00k) und auch berechtigt.
Es entspricht der seit SZ 2/145 ständigen Rechtsprechung, dass sowohl im Fall einer beantragten als auch einer von Amts wegen verfügten Berichtigung eines Urteiles die Rechtsmittelfristen grundsätzlich erst mit der Zustellung der berichtigten Urteilsausfertigung beginnen, es sei denn, dass der Rechtsmittelwerber auch ohne Berichtigungsbeschluss keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches haben konnte (RIS-Justiz RS0041797; 2 Ob 61/00k, 4 Ob 195/00f; ua).
Es kann im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob in Ansehung des Räumungsbegehrens eine Urteilsberichtigung oder in Wahrheit eine Urteilsergänzung erfolgte (zur Abgrenzung vgl Bydlinski in Fasching/Konecny2 III § 423 ZPO Rz 5, 9 Ob 33/05a), da von einer „vollen Klarheit" über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruches vor Berichtigung des Urteiles keine Rede sein kann. Erlangen die Parteien erst durch die Berichtigung einer Entscheidung volle Klarheit über deren Inhalt, dann beginnt die Rechtsmittelfrist erst mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses zu laufen. Kombinationen aus dem Akteninhalt und auch aus dem Inhalt der Entscheidung muss eine Partei nicht anstellen, um dadurch zum richtigen Verständnis einer richterlichen Entscheidung zu gelangen (1 Ob 392/97x). Es ist einer Partei auch nicht zuzumuten, bei einem unverständlichen Urteil Vermutungen dahin anzustellen, was das Erstgericht in den fehlenden Passagen ausgedrückt habe (2 Ob 61/00k). Hier findet sich in den Entscheidungsgründen des Erstgerichtes außer dem Hinweis auf grobes Verschulden des Beklagten am Zahlungsrückstand und Nichtanwendbarkeit des § 33 Abs 2 MRG keine Bezugnahme auf das Räumungsbegehren. Für den Beklagten war daher erst durch die Berichtigung der eindeutige und vollständige Entscheidungswille des Erstgerichtes erkennbar. Daher erweist sich seine Berufung als rechtzeitig. Das Berufungsgericht wird daher meritorisch über das Rechtsmittel zu entscheiden haben.
Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.
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