OGH 9Ob33/05a

OGH9Ob33/05a29.6.2005

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling, Dr. Hradil, Dr. Hopf und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei F. H***** Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Graßler, Rechtsanwalt in Graz, gegen die beklagte Partei Ing. J. S***** ***** Gesellschaft mbH, G***** 4, *****, vertreten durch Rechtsanwaltssozietät Dr. Andreas Konrad und Mag. Johannes Schröttner OEG, Graz, wegen EUR 58.858,41 sA, über den Rekurs (Rekursinteresse EUR 33.125,69) der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. April 2005, GZ 4 R 58/05i-81, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 7. Dezember 2004, GZ 11 Cg 171/00s-71, als verspätet zurückgewiesen wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung

Die Klägerin begehrte von der Beklagten „Ing. J. S***** ***** GmbH, G***** 4, *****" (Anmerkung: eingetragen zu FN ***** des Landesgerichtes für ZRS Graz) die Zahlung von S 1,246.878,51 sA an offenem Werklohn bzw Aufpreis für Lieferungen. Das Klagebegehren wurde in der Folge auf EUR 58.858,41 sA eingeschränkt. Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und bezeichnete sich selbst in ihren Schriftsätzen als „Ing. J. S***** ***** GmbH & Co KG" mit gleichem Firmensitz. Bereits am 21. 2. 1997, also lange vor Klageeinbringung, war die „Ing. J. S***** ***** GesmbH & Co KG (FN *****) gemäß § 142 HGB auf die Ing. J. S***** ***** GmbH übergegangen. Es handelte sich also um einen offensichtlichen Irrtum der Beklagten, welche sich ab ON 38 richtig als „Ing. J. S***** ***** Gesellschaft mbH" bezeichnete. Mit Schriftsatz ON 60 (eingelangt am 2. 9. 2004) bezeichnete sich die Beklagte erstmals als „S***** S***** H***** GmbH" mit der Adresse „*****, G***** 76". Eine solche Gesellschaft ist zwar zu FN ***** des Landesgerichtes für ZRS Graz eingetragen und es besteht eine teilweise Geschäftsführer- und Gesellschafteridentität mit der Beklagten, doch handelte es sich dabei wieder um einen offensichtlichen Irrtum des Beklagtenvertreters, weil mit keinem Wort eine allfällige Firmenänderung oder aber eine Vollmachterteilung durch diese zweite Gesellschaft behauptet worden war. In der Folge übernahm nicht nur die Klägerin (ON 61), sondern auch das Erstgericht die Fehlbezeichnung der Beklagten, welche sich bis in das Urteil des Erstgerichtes (ON 71) fortsetzte. Mit diesem Urteil vom 7. 12. 2004 erkannte das Erstgericht die Beklagte für schuldig, der Klägerin EUR 33.125,69 samt 5 % Zinsen seit 9. 11. 2000 und die mit EUR 6.002,42 bestimmten Kosten zu zahlen und wies ein Mehrbegehren von EUR 25.732,72 sA ab.

Dieses Urteil wurde der Klägerin am 23. 12. 2004, der Beklagten am 27. 12. 2004, jeweils zu Handen der Parteienvertreter zugestellt. Gemäß § 225 Abs 1 ZPO lief daher die gesetzliche Berufungsfrist für beide Parteien am 3. 2. 2005 ab (RIS-Justiz RS0036272; 4 Ob 39/04w). Am 2. 2. 2005 (somit rechtzeitig) überreichte die Klägerin beim Erstgericht eine gegen die Klagsabweisung gerichtete Berufung. Damit verband sie einen als „auf Berichtigung der Parteienbezeichnung" bezeichneten, jedoch eindeutig als auf Berichtigung des Urteiles im Sinn des § 419 Abs 1 ZPO gerichteten Antrag, dass die Beklagte im Urteil als „Ing. J. S***** ***** Gesellschaft mbH, G***** 4, ***** *****" bezeichnet werde. Am 4. 2. 2005 überreichte die Beklagte beim Erstgericht eine auf Abweisung des gesamten Klagebegehrens gerichtete Berufung. Damit verband auch sie den Antrag auf Berichtigung des Urteiles dahin, dass die Beklagte als „Ing. J. S***** ***** GmbH, *****, G***** 4" bezeichnet werde. Zur Begründung des Berichtigungsantrages führt die Beklagte ausdrücklich an, „dass es sich hiebei um einen offensichtlichen Schreibfehler des Gerichtes handle, da im gesamten Verfahren und in allen Schriftsätzen als beklagte Partei ausschließlich die Ing. J. S***** ***** GmbH" angeführt und ein Einwand der mangelnden Passivlegitimation nicht erfolgt sei.

Mit Beschluss vom 14. 2. 2005 (ON 77) berichtigte das Erstgericht sein Urteil vom 7. 12. 2004 dahin, dass die beklagte Partei statt „S***** S***** H***** GmbH, *****, G*****" richtig „Ing. J. S***** ***** GesmbH" zu lauten habe. Das Erstgericht begründete diesen Beschluss mit einem offensichtlichen Irrtum, sodass den Anträgen beider Streitteile stattzugeben gewesen sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss von 7. 4. 2005 (ON 81) wies das Berufungsgericht die Berufung der Beklagten als verspätet zurück. Dagegen richtet sich der am 2. 5. 2005 überreichte Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den Zurückweisungsbeschluss des Berufungsgerichtes ersatzlos zu beheben. Erst am Folgetag, also am 3. 5. 2005, beantragte die Beklagte die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungsfrist, verbunden mit einer Berufung. Infolge der zeitlichen Reihung durch die Rechtsmittelwerberin ist dem Berufungsgericht dahin beizupflichten, dass zunächst über den Rekurs gegen die Zurückweisung zu befinden ist. Der Rekurs ist aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Dem Gesetz fehlt eine Regelung, welche Wirkung die Berichtigung eines Urteiles auf den Lauf der Rechtsmittelfrist hat. Seit der Entscheidung vom 1. 6. 1920 (SZ 2/145 = Spruchrepertorium 8 neu) ist es ständige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, dass im Fall einer Berichtigung die Rechtsmittelfrist erst mit Zustellung der berichtigten Ausfertigung zu laufen beginnt (RIS-Justiz RS0041797). Dieser Grundsatz erfährt jedoch in ebenfalls ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SZ 27/219; JBl 1974, 102; EvBl 1975/224; RS0041797[T1]) eine wesentliche Einschränkung dahin, dass die Zustellung des Berichtigungsbeschlusses auf den Fristenlauf für die Einbringung eines Rechtsmittels dann keinen Einfluss nimmt, wenn auch ohne Berichtigung für den Rechtsmittelwerber über den neuerlichen Inhalt der Entscheidung kein Zweifel bestehen konnte. Ein solcher Ausnahmetatbestand ist auch im vorliegenden Fall anzunehmen. Wie die Beklagte in ihrem Berichtigungsantrag (ON 76) selbst zutreffend ausführt, handelt es sich bei der - von ihr selbst verursachten - Fehlbezeichnung um einen ganz offensichtlichen Schreibfehler, der beiden Parteien völlig einsichtig war. Bestand aber schon vor der Berichtigung für beide Parteien Klarheit darüber, dass der Entscheidungswille des Erstgerichtes auf den - später - berichtigten Inhalt gerichtet war, konnte mit der Zustellung des Berichtigungsbeschlusses (23. 2. 2005) entgegen der Ansicht der Rekurswerberin keine neue Berufungsfrist zu laufen beginnen (1 Ob 392/97x mwN; 9 ObA 291/98d).

In weiterer Folge wird über den von der Beklagten eingebrachten Wiedereinsetzungsantrag zu befinden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 40, 50 Abs 1 ZPO.

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