OGH 8Ob255/98b

OGH8Ob255/98b30.3.2000

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Petrag als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Langer, Dr. Rohrer, Dr. Adamovic und Dr. Spenling als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Kurt P*****, Dienstnehmer, und 2. Sieglinde P*****, Hausfrau, beide wohnhaft in *****, beide vertreten durch Dr. Werner Achtschin, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagten Parteien 1. Jörg P*****, vertreten durch Dr. Ulrich O. Daghofer, Rechtsanwalt in Graz, 2. Dr. Walter Alfons K*****, vertreten durch Dr. Manfred Schnurer, Rechtsanwalt in Graz,

3. Univ.Prof. Dr. Georg H*****, und 4. Dr. Barbara H*****, beide vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in Graz, und der auf Seiten der beklagten Parteien dem Verfahren beigetretenen Nebenintervenientin Ä*****, vertreten durch Dr. Nikolaus Kodolitsch und Dr. Wolfgang Nopp, Rechtsanwälte in Graz, wegen Unterlassung von Immissionen (Interesse restliche S 50.000,--), infolge der außerordentlichen Revision der erst- und zweitbeklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht vom 4. Juni 1998, GZ 4 R 72/98k-114/98m-113, mit dem infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz vom 5. Februar 1997, GZ 16 Cg 190/93h-106, teils bestätigt, teils abgeändert wurde, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass der Revision wird das angefochtene Berufungsurteil als nichtig aufgehoben und dem Berufungsgericht eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren statt und verpflichtete die beklagte Partei zur ungeteilten Hand vorzukehren, dass die mit der Trassierung der Aufschließungsstraße *****, Grundstück Nr ***** zusammenhängenden, durch die Destabilisierung des hangseitigen Geländes verursachten bodenmechanischen Krafteinwirkungen auf die Liegenschaft der Kläger EZ ***** Grundbuch ***** W***** unterbleiben.

Das Berufungsgericht gab den Berufungen der beklagten Parteien teilweise Folge. Es änderte das angefochtene Urteil dahin ab, dass es einschließlich des bestätigten Teiles zu lauten habe:

"Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, die bodenmechanischen Krafteinwirkungen auf die Liegenschaft der klagenden Parteien EZ ***** Grundbuch ***** W*****, die durch die durch Trassierung des Weges auf der Liegenschaft der beklagten Parteien Nr ***** Grundbuch ***** W*****, bewirkte Destabilisierung des Handgeländes verursacht werden, zu unterlassen.

Hingegen wird das dem Klagebegehren innewohnende Leistungsbegehren, hinsichtlich der zu unterlassenden bodenmechanischen Krafteinwirkungen Maßnahmen vorzukehren, abgewiesen."

In der rechtlichen Beurteilung führte hiezu das Berufungsgericht aus:

Dem durch die Immission bereits Beeinträchtigten stehe kein Leistungs- sondern lediglich ein Unterlassungsbegehren zu, wenn er nicht nur auf seinen Ausgleichsanspruch beschränkt sei. Ein Begehren auf Unterlassung einer Immission sei so zu fassen, dass es auf diese Unterlassung und nicht auf die Verwirklichung von Schutzmaßnahmen gerichtet sei (Stohanzl ZPO E 196 zu § 226; Oberhammer in Schwimann ABGB2 Rz 19 zu § 364). Bei Unterlassungsbegehren sei ein bestimmtes (nicht zu eng gefasstes, weil sonst leicht zu umgehendes) Gebot notwendig, welche Handlungen wann und wo zu unterlassen seien. Es sei aber nicht am Spruch zu haften. Vielmehr habe das Gericht unter Berücksichtigung der vom Kläger vorgebrachten Tatsachen zu beurteilen, ob nun ein allenfalls (zulässiges) minus oder ein (unzulässiges) aliud zugesprochen werden könne. Das Gericht könne den Spruch auch durchaus neu fassen und ihm eine klarere Deutung geben, soferne dadurch nur nicht ein mehr oder ein aliud zugesprochen werde. Das Begehren auf Verurteilung zur Unterlassung könne durchaus auch eine allgemeinere Fassung der tatsächlichen Störung im Titel enthalten.

Die Kläger hätten letztlich begehrt, die Beklagten zu Vorkehrungen zu verpflichten, dass die bodenmechanischen Auswirkungen auf ihre Liegenschaft, die durch die seinerzeitige Wegtrassierung und die dadurch verursachte Destabilisierung des Rutschhanges ausgelöst worden seien, zu unterbleiben hätten. Dies sei an sich streng nach dem Wortlaut ein Leistungsbegehren. Dem Immissionsbeeinträchtigten stehe aber nur ein Unterlassungsbegehren zu. Vorkehrungen seien vorbereitende oder vorbeugende Maßnahmen (Herders Sprachbuch 741). Vorkehren bedeute aber auch anbahnen, anordnen, aufpassen, ausgestalten, bearbeiten, befähigen, ordnen, organisieren oder vorbereiten (Peltzer, Das treffende Wort5 534). Der dem Immissionsbeeinträchtigten zustehende Unterlassungsan- spruch begreife hier aber begrifflich auch die Verpflichtung zu positivem Tun in sich, nicht bloß zur Unterlassung, da seine Befolgung durch Unterbleiben von Handlungen nicht bewirkt werden könne.

Die Kläger begehrten im Wesentlichen von den Beklagten, die von deren Liegenschaft ausgehenden bodenmechanischen Krafteinwirkungen zu unterlassen, dass diese also zu unterbleiben hätten. Insoweit liege ihrem Begehren - wenn auch nur als minus - der ihnen zustehende Unterlassungsanspruch inne. Insoweit darüber hinaus dem Begehren auch ein Leistungsanspruch entnommen werden könne, sei er abzuweisen. Es sei Sache der Beklagten, der unzulässigen Krafteinwirkung auf die Liegenschaft der Kläger entsprechend zu begegnen. Ob dies durch entsprechendes "Vorkehren" oder durch andere Maßnahmen erfolge, könne ihnen nicht vorgeschrieben werden. Nur insoweit sei den Berufungen der Beklagten somit Folge zu geben und das angefochtene Urteil entsprechend abzuändern.

Im Übrigen bewertete das Berufungsgericht den Entscheidungsgegenstand mit einem S 260.000,-- übersteigenden Betrag und erklärte die ordentliche Revision für nicht zulässig.

Gegen dieses Urteil richtet sich die außerordentliche Revision der erst- und zweitbeklagten Partei mit dem Antrag, die außerordentliche Revision für zulässig zu erklären und das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass das Klagebegehren abgewiesen werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die klagenden Parteien beantragen in der ihnen freigestellten Revisionsbeantwortung, der außerordentlichen Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

In der Zulassungsbeschwerde (der beklagten Parteien) wird unter anderem gerügt, das Berufungsgericht sei unzulässig vom Klagebegehren abgegangen.

Die Kläger haben in der Verhandlung vom 5. 2. 1997 (ON 79, AS 69) ihr Klagebegehren dahin modifiziert, dass es zu lauten habe:

"Die beklagten Parteien seien zur ungeteilten Hand schuldig vorzukehren, dass die durch die Trassierung der Aufschließungsstraße

..... erfolgte Destabilisierung des hangsseitigen Geländes,

insbesondere der Liegenschaft der Kläger ..... sowie jegliche

Krafteinwirkungen auf diese Liegenschaft unterbleibe".

Seit der Entscheidung vom 31. 3. 1965, 6 Ob 55/85 (= SZ 38/50 = JBl 1965, 621) hält der Oberste Gerichtshof an der Rechtsprechung fest, die Klage gemäß § 364 Abs 2 ABGB sei ein Anwendungsfall der negatorischen Eigentumsklage. Das Klagebegehren gehe auf Unterlassung des Eingriffes. Soweit es auf sichernde Vorkehrungen gerichtet sei, dürfe keine bestimmte Einrichtung verlangt werden, vielmehr müsse die Auswahl der Schutzmaßnahmen den Beklagten überlassen bleiben. An dieser Rechtsprechung hat der Oberste Gerichtshof unverändert - unter Hinweis, dass es sich dabei um ein "Erfolgsverbot" und kein Handlungsverbot handle - festgehalten (zuletzt etwa 14. 10. 1997, 1 Ob 144/97a = SZ 70/199).

Auch ein auf § 364b ABGB gestütztes Unterlassungsbegehren geht auf Unterlassung des Eingriffes oder auf Herstellung sichernder Vorkehrungen. Soweit es allerdings auf sichernde Vorkehrungen gerichtet ist, darf keine bestimmte Einrichtung verlangt werden, vielmehr muss die Auswahl der Schutzmaßnahmen gleichfalls dem Beklagten überlassen werden. Die Unterlassungsklage ist daher auf zumutbare Vorkehrungen zur Verhinderung von Einwirkungen auf das Nachbargrundstück zu richten (SZ 44/22; SZ 61/61; RdU 1998/138 [Kerschner]).

Soweit sich die Revisionswerber gegen die Abweichung der Berufungsentscheidung vom Klagebegehren wenden, machen sie der Sache nach auch eine von Amts wegen wahrzunehmende Nichtigkeit im Sinne des § 477 Abs 1 Z 9 ZPO geltend, indem nämlich die Fassung des Urteilsspruches mit sich selbst in Widerspruch steht. Obwohl die beklagten Parteien ihrer Unterlassungsverpflichtung nicht anders als durch geeignete Vorkehrungen - deren Auswahl ihnen zu überlassen ist - genügen können, hat das Berufungsgericht das auf Vorkehrungen gerichtete Begehren abgewiesen. Da sich daher die Stattgebung des Unterlassungsbegehrens mit der Abweisung des auf Vorkehrungen gerichteten Begehrens nicht vereinbaren lässt, schließen die beiden Aussprüche innerhalb des Spruches der Entscheidung einander aus, was Nichtigkeit gemäß § 477 Abs 1 Z 9 ZPO begründet (3 Ob 512/76; 5 Ob 612/78; 2 Ob 191/79; 2 Ob 30/88; 10 ObS 40/98z).

Der Grundsatz der Wahrung der Teilrechtskraft kommt dann nicht zur Geltung, wenn der unangefochten gebliebene Teil höchstens scheinbar formell, inhaltlich aber gar nicht selbständig in Rechtskraft erwachsen konnte, sondern in untrennbarem Sachzusammenhang mit der noch überprüfbaren Entscheidung steht (Kodek in Rechberger ZPO2 § 462 Rz 3 mwN). Da das vorliegende Klagebegehren eine Einheit bildet, die eine abweichende Entscheidung über den auf Unterlassung und den auf Vorkehrungen gerichteten Teil nicht gestattet - die Unterlassungsverpflichtung allein ist ohne die Verpflichtung zu geeigneten Vorkehrungen sinnlos -, ist dieser untrennbare Sachzusammenhang im vorliegenden Fall gegeben.

Schließlich ist noch zu beachten, dass die beklagten Parteien als Miteigentümer des Wegegrundstückes, von dem die gegenständliche Einwirkung ausgeht, in Anspruch genommen wurden. Im Hinblick auf die Rechtsähnlichkeit zu den in § 523 ABGB genannten Klagen sind auch bei derartigen nachbarlichen Eingriffen die Miteigentümer des Grundstückes, von dem die Einwirkung ausgeht, notwendige Streitgenossen (7 Ob 120/66 = RZ 1967, 36; 2 Ob 531/92). Die vom Erst- und Zweitbeklagten ergriffene außerordentliche Revision wirkte daher gemäß § 14 ZPO auch für die übrigen beklagten Parteien, sodass die Aufhebung des Urteiles des Berufungsgerichtes hinsichtlich sämtlicher beklagter Parteien zu erfolgen hatte.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 Abs 1 ZPO.

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